Entschlüsselung der Gold-COTs: Mythos und Realität
27.01.2015 | Dan Norcini
Dieser Artikel wurde von Dan Norcini am 24. Januar 2015 auf seiner Webseite traderdan.com veröffentlicht.
In all den Jahren, die ich über die Rohstoffterminmärkte schreibe, habe ich immer wieder versucht, durchscheinen zu lassen, dass der Markt durch die Präsenz wirkungsstarker Spekulativkapitalflüsse bewegt wird.
Wenn Kommentatoren über fundamentale Faktoren sprechen, die bei der Kursfindung in Rohstoffmärkten ein Rolle spielen, dann beziehen sie sich in der Regel auf die Nachfrage nach dem betreffenden physischen Produkt, die zum Angebot desselben Produkts in Beziehung gesetzt wird. In der überwiegenden Zahl der Fälle klammern solche Betrachtungen aber die Rolle der Spekulanten im Gesamtgeschehen aus.
Das mögen einige komisch finden, es ist aber trotzdem einfach Tatsache. Wenn man nicht begreift, welche Bedeutung die spekulativen Geldflüsse haben, dann wird man auch nicht deren Rolle im Kurs/Preisfindungsprozess verstehen.
Nehmen wir Gold als Beispiel: Die meiste Zeit über fluchen erregte Goldbugs über den “korrupten Comex-Papiermarkt“ oder aber die “Crimex“, wie sie ihn gerne nennen. Wenn Gold aber in die Höhe schnellt, dann kommt kein Mucks mehr von ihnen; dann scheint es ganz so, als wäre die "Crimex" plötzlich zum Hort der Tugendhaftigkeit und makelloser Sauberkeit geworden.
Sinkt der Goldpreis aber aus irgendeinem Grund, wird dieser Ort ganz plötzlich wieder zur “Räuberhöhle“, zum "widerlichen Sündenbabel", das eines Tages schon noch seine gerechte Strafe bekommen wird, und zwar von einer jener vielen neuen Goldterminbörsen, die außerhalb der USA entstehen werden.
Was diese engstirnigen Dummerchen aber nicht begreifen können, ist nun einmal die Tatsache, dass die spekulative Nachfrage an den PAPIERmärkten in der Tat großen Einfluss auf die physischen Märkte hat. Das lässt sich die ganze Zeit über beispielweise an den Märkten für Nutztiere beobachten, wo die Kurse für Kuh oder Schwein nachgeben oder davonziehen, und zwar BEVOR der KASSAMARKT reagiert.
Sobald sich die Börse bewegt, folgt dann auch der Kassamarkt. Und das hat einen einfachen Grund: Die Parteien, die geschäftlich im physischen Markt involviert sind, etablieren ABSICHERUNGSPOSITIONEN, bevor sie die beabsichtigten Geschäfte am Kassamarkt machen. Auf diesem Weg können sie die Absicherung zu einem vorteilhaften Preis bekommen. Wenn die betreffenden Käufe oder Verkäufe die Börse stark genug bewegen, steigen die Spekulanten ein, da die ursprünglichen Käufe oder Verkäufe der Eigenhändler (Commercials) eine Kursbewegung auslösen, die wiederum die technischen Indikatoren bewegt, nach welchen sich die Spekulanten bei ihren Kauf- und Verkaufsentscheidungen richten.
Diesen wichtigen Punkt muss man verstehen, denn Terminmärkte sind nur deshalb entstanden, um einen Ort zu haben, wo kommerzielle Parteien - also Produzenten, Endnutzer, etc., die mit dem betreffenden physischen Rohstoff direkt zu tun haben - ihre RISKEN an Spekulanten auslagern können, welche, in der Hoffnung, dabei einen Gewinn zu erzielen, bereit sind, dieses Risiko zu übernehmen.
Die sogenannten HEGDGER rechnen also fest mit dieser spekulativen Aktivität - zumindest die guten Hedger tun das! (Schlechte Hedger vergessen hingegen, dass sie nur ABSICHERUNG SUCHEN; sie verwandeln sich allzu oft in Spekulanten, und von da an ruinieren sie sich in der Regel). Kluge Spekulanten verstehen Zeichen kommerzieller Absicherungsaktivität als Anhaltspunkt, inwieweit ANGEBOT oder NACHFRAGE auf den Markt kommt. Sie reagieren dann dementsprechend.
Wer nun die Aktivität der Spekulanten verfolgt, bekommt einen Eindruck von der BÖRSENSTIMMUNG (Sentiment) und diese ist die Triebkraft des Marktes. Und damit komme ich zur derzeitigen Stimmung am Goldmarkt.
Sie stellt sich in den folgenden zwei Charts dar. Im ersten Chart sehen wir die NETTO-POSITIONIERUNG der größten Gruppe unter den heutigen spekulativen Kräften am Markt – das sind die Hedgefonds. Über diesen Chart haben wir den Goldkurs gelegt.
Achten Sie darauf, wie präzise die Bewegungen der spekulativen Hedgefonds-Kategorie mit dem Goldkurs harmonieren. Wenn deren Netto-Long-Positionierung anwächst, steigt auch der Goldkurs. Fällt dieselbe Position, fällt auch der Goldpreis. Diese Beziehung ist nahezu perfekt. Daran ändert auch nichts, was irgendein “böses Goldkartell“ vielleicht macht oder nicht macht. Solange diese Hedgefonds kaufen, steigen die Kurse. Sobald sie aufhören, sinkt er.
Wie man jetzt am steilen Anstieg der BLAUEN LINIE sehen kann, ist die Stimmung zugunsten von Gold, innerhalb der Hedgefonds-Fraktion, jüngst angestiegen. Schauen Sie jetzt, wie der Goldkurs reagierte. Auch hier: Alles eine Frage der Geldflüsse.
Es gibt allerdings eine Sache, die mir ebenfalls bei der Analyse der Charts aufgefallen ist. Und das zeigt uns der nächste Chart.
Hier sehen wir die Summe der einzelnen LONG-Positionen (outright long-positions), die zusammen von ALLEN DREI SPEKULANTENKLASSEN gehalten werden - (1.) den Hedgefonds, (2.) anderen rechenschaftspflichtigen Tradern wie den Parketthändlern, den nicht registrierten Terminhandelsberatern (non-registered Commodity Trading Advisors), Terminverwaltern (Commodity Pool Operators) sowie großen Privathändlern und schließlich (3.) den kleinen Händlern oder der ‘Allgemeinheit‘. Diese Zahl vermittelt einen echten Eindruck von der spekulativen Nachfrage oder ihrem Ausbleiben. 
Ist Ihnen irgendwas in diesem Chart aufgefallen? Vielleicht haben Sie den ENORMEN AUSSCHLAG in der von allen Spekulanten zusammen gehaltenen Long-Gesamtposition bemerkt. Er zeigt deutlich, dass die Spekulanten mit Nachdruck in den Markt strömen, um das neue Jahr zu beginnen (genau das hatten sie auch zu Beginn des letzten Jahres getan). Tatsache ist, dass die Anzahl der neuen Long-Positionen schlagartig anstieg; in den letzten 4 Wochen sind sage und schreibe 70.000 neue hinzugekommen! 
Jetzt schauen Sie sich im Vergleich dazu die aktuelle Goldkursentwicklung an (denken Sie daran, das war Dienstag letzter Woche) und dann schauen Sie sich im Vergleich dazu an, wo er stand, als sich die gebündelte Long-Position der Spekulantenkategorie das letzte Mal in diesen luftigen Höhen bewegte. Sehen Sie das? Gold stand damals Ende 2012 - also zu jener Zeit, als die Gesamtmenge der spekulativen Long-Positionen fast die heutigen Stände erreicht hatte - bei fast 1.700 $. (Das langgezogene Kästen, das ich in den Chart gesetzt habe, weist auf den Stand der Long-Positionen hin.)
Für alle, die gerade optimistische Aussichten für das Metall hegen, dürfte das recht beunruhigend sein. Im Grunde sagt uns das, dass eine sehr große Anzahl von Marktteilnehmern sehr bereitwillig Gold verkauft. Wie sonst ließe es sich erklären, dass die Marktoptimisten nicht fähig sind, den Goldkurs wieder irgendwie in Richtung 1.700 $ zu bewegen, wenn doch dasselbe Kaufaufkommen Ende 2012 dafür ausgereicht hatte? 
Den Grund finden wir hier oben: Wir zeigen denselben Chart, nur dass wir jetzt auch die Summe aller Short-Positionen betrachten, die von den Akteuren aller drei spekulativen Kategorien etabliert wurde - zu Vergleichszwecken wurde der Chart noch mit dem Goldkurs unterlegt. 
Wenn wir noch etwas weiter bohren - jetzt vergleichen wir sogar die Long-Gesamtposition aller Spekulanten mit der Gesamtzahl der spekulativen Short-Positionen - so bekommen wir noch ein bisschen mehr Einblick.
Überblicken Sie den Chart und schauen Sie sich dann die Linien an, die ich eingezeichnet habe. Die obere Linie zeigt das letzte Mal, als alle Spekulanten zusammengefasst eine Long-Gesamtposition hielten, die den heutigen Ständen nahekommt - das war damals Ende November 2012/ Anfang Dezember 2012, als Gold näher an der 1.700 $-Marke stand. 
Jetzt folgen Sie der vertikalen Linie bis ganz nach unten und schauen Sie, welche Menge Short-Positionen die Kategorie der Spekulanten damals insgesamt hielt. Die Short-Position lag auf den TIEFSTEN STÄNDEN seit einer ganzen Weile. Mir sagt das, dass damals, als Gold bei fast 1.700 $ stand, relativ wenige Spekulanten negativ gegenüber Gold eingestellt waren.
Schauen Sie oben im Chart wieder nach rechts zur aktuellen Woche und achten Sie darauf, wie viel mehr Spekulanten - im Vergleich zum zuvor betrachteten Zeitraum - derzeit negativ gegenüber Gold eingestellt sind. Die genaue Zahl lässt sich im Chart nur schwer erkennen, aber es sind ungefähr 50.000 spekulative Short-Positionen mehr als damals - als dieselbe Gruppe eine vergleichbare Anzahl von Long-Positionen wie heute hielt. 
Der letzte Chart ist nur eine Wiederholung des ersten, möglicherweise kann er jetzt aber mit ein wenig mehr Verständnis/ Einblick betrachtet werden. Hier sehen wir den steilen Anstieg der Netto-Long-Position nur der Hedgefonds. Schauen Sie jetzt links im Chart und achten Sie darauf, wann diese Position das letzte Mal solche Stände erreicht hatte. Auch hier haben wir wieder denselben Zeitrahmen - Ende November 2012 bis Anfang Dezember 2012. Deutlich zu sehen ist auch der damals deutlich höhere Goldkurs.
Ich habe die ganze Übung nicht gemacht, um den Leser mit kleinsten Details zu langweilen, mir ging es darum, die inneren Marktabläufe zu verdeutlichen. Mit Sicherheit sind in letzter Zeit wieder verstärkt Optimisten im Goldmarkt am Werk, genauso sicher ist aber auch, dass es eine wachsende Zahl von Spekulanten gibt, die auf sinkende Kurse setzen.
Mir sagt das, dass es heute wesentlich stärkere Käufe bräuchte, um den Goldkurs in die Höhe zu treiben, als damals vor einigen Jahren. Aus den eigenen Reihen - sprich von deutlich skeptischeren Spekulanten - kommt heute viel mehr Wiederstand, als es ihn damals gab.
Falls Sie also wilde und ausgefallene Behauptungen aus den Reihen der Goldbugs und ihrer Gurus lesen, dann vergessen Sie bitte eines nicht. Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Bleiben Sie objektiv, halten Sie Ihre Emotionen unter Kontrolle und benutzen Sie Ihren Kopf. Wenn Sie dem Markt zuhören, werden Sie nicht falsch liegen. Wer lieber den Sensationsheischenden zuhören möchte, die immer und immer wieder falsch lagen, der ist auf dem besten Weg erneut Kummer zu leiden.
© Dan Norcini
Dieser Artikel wurde am 26. Januar 2015 auf www.traderdan.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.