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Tsunamis kommen häufig ohne Vorwarnung

30.01.2015  |  John Browne

Am Donnerstag, dem 15. Januar, beendete die Schweizer Nationalbank (SNB) ihr seit 3 Jahren laufendes Programm, das die Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro begrenzte. In Folge dieser Entscheidung wertete der Schweizer Franken innerhalb eines Tages um gewaltige 21% gegenüber dem US-Dollar und sage und schreibe 41% gegenüber dme Euro aufwertete.

Darüber hinaus löste die Entscheidung ungekannte Schockwellen am Devisenmarkt (FX), dem mit Abstand der größten und am stärksten gehebelten Handelsmarkt, aus. Hier bedrohte der entstandene monetäre Tsunami Devisenmarktakteure und sogar deren Broker.

Viel entscheidender ist aber Folgendes: Während dem Rest Europas unter dem Druck der Währungsabwertung scheinbar die Luft abgedrückt wird, haben die Schweizer hinsichtlich geldpolitischer Großprogramme der Zentralbanken wieder ein Fenster zur Wirklichkeit aufgestoßen. Hoffentlich wird ein Teil der frischen Luft auch in den Rest der Welt ziehen.

Der größte Teil der sogenannten entwickelten Welt folgte den keynesianischen Wirtschaftsprinzipien der von USA/GB angeführten “Anglosphäre“ ; in Vordergrund steht dabei konsumgestütztes Wirtschaftswachstum, das sich angeblich durch Währungsentwertung stimulieren ließe.

Auf der anderen Seite wurden die Deutschen und die Schweizer lange als die Vorkämpfer in Sachen Österreichischer Nationalökonomie betrachtet, wo ein auf Ersparnissen, Produktion und werthaltigem Geld gestütztes Wirtschaftswachstum Priorität haben soll.

Während der zweiten Hälfte des 20. Jh. brachte diese Wirtschaftsphilosophie nicht nur den Währungen Stärke, sie sorgte auch dafür, dass Privatinvestoren und Unternehmen auf den Schweizer Franken bzw. die Deutsche Mark vertrauen konnten; beide Währungen konnten als hochliquide und ertragbringende Alternativen zum Wertspeicher Gold gelten.

Nicht uninteressant ist zudem die Tatsache, dass beide Wirtschaften in den Nachkriegsjahren starke Exportaktivität entwickelten, trotz stetig aufwertender Währungen. Die Deutschen traten der Eurozone teils auch zum Schutz ihrer Exportindustrie bei. Die Schweizer, die sich nicht an der Währungsunion beteiligten, verfügten über diesen Schutzschild nicht.

Die Ereignisse der Finanzkrise 2008 sowie der Krise der Eurozone 2011 bewegten Anleger nun dazu verstärkt nach ‘sicheren Hafen‘ Ausschau zu halten. Da die größere Deutsche Mark nicht mehr zur Auswahl stand, wurde jetzt der Schweizer Franken zu einzig brauchbaren Währungsalternative gegenüber dem US-Dollar. Der Schweizer Franken wurde in der Folge von einem enormen Kursanstieg erfasst.

Negative Folgen für eigene Exportindustrie fürchtend, entschied sich die Schweizer Nationalbank panisch für eine Fixierung des Währungskursverhältnisses zum Euro. Ziel war es zu verhindern, dass der Euro unter 1,20 SWF fiel. Zur Aufrechterhaltung der Währungskopplung musste sie hunderte Milliarden Schweizer Franken aufwenden, die in den Kauf von Euro am offenen Währungsmarkt flossen. Unter der Schweizer Bevölkerung wurde diese Politik immer unbeliebter (mehr dazu im kürzlich erschienenen Beitrag Peter Schiffs).

Als sich die Deflation Ende 2014 in der Eurozone ausbreitete, begannen immer mehr davon auszugehen, dass die EZB letztendlich selbst quantitative Lockerungen nach dem Vorbild der Fed entfesseln werde. Der Euro begann daraufhin zu wackeln.

Am 14. Januar 2015 ließ der hochpolitisierte Europäische Gerichtshof durchblicken, dass er, trotz ausdrücklicher Verbote in den Europäischen Verträgen, der EZB den Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Mitgliedsländer erlauben werde.

Darüber hinaus brachte der Gerichtshof seine Ansicht zum Ausdruck, dass die EZB, und nicht die Rechtsorgane, die Geldpolitik bestimmen sollten. Allem Anschein nach war das eine Watsche, die für das deutsche Bundesverfassungsgericht bestimmt war, welches von vielen als die letzte Bastion des ehrlichen Geldes betrachtet wird.

Diese Entscheidung scheint Draghi zudem freie Hand hinsichtlich unlimitierter QE-Maßnahmen zu geben, es könnte sich dabei um Maßnahmen im Umfang von mehreren Billionen Euro handeln.

Das erschütterte den Euro. Die SNB lief jetzt ihrerseits Gefahr, noch höhere Milliardenbeträge vom hartverdienten Geld der Schweizer für den Kauf weiterer Euros nachschießen zu müssen - zusätzlich zu den abwertenden Euro-Devisenbeständen.




Da sich die Wirtschaft in der Schweiz offenbar besser entwickelte als in der Eurozone, hielt die SNB es nun für angemessen, die Ersparnisse ihres Volkes und den Lebensstandard der Schweizer zu schützen. Trotz ernstzunehmender Kostensteigerungen für die Schweizer Exporteure fühlte sich die Schweiz im nationalen Interesse dazu verpflichtet, das Inflationierungsprogramm der EZB nicht mehr um jeden Preis weiterzutragen.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung ein Akt der Rettung oder des Selbstmords gewesen ist. Auf jeden Fall reagierten die Aktienkurse vieler Schweizer Exporteure, wie z.B. Swatch, mit drastischen Verlusten auf die Ankündigung der SNB (zumindest in Schweizer Franken, in Dollar oder Euro legten sie zu).

Die Welt sollte jetzt genau auf die Bilanzen der Schweizer Unternehmen achten. Sollten sie nach wie vor Gewinne machen, dann müsste man endlich auch von der Lüge Abstand nehmen, dass eine schwache Währung zu Wachstum führt. Auf der anderen Seite ist nicht ausgeschlossen, dass es bei Schweizer Banken, die große, niedrigverzinste Kredite an ausländische Gläubiger vergeben hatten, schwere Ausfallquoten geben wird.

Wichtiger als die Gewinnbilanz von Swatch werden aber die Folgen für die globalen Devisenmärkte sein. Normalerweise bewegen sich große Währungen am Tag höchstens um Prozentbruchteile. Der Einsatz kräftiger Finanzhebel wurde daher als ein durchaus vertretbares Risiko betrachtet. In London, wo die fast die Hälfte aller internationalen Währungstransaktionen stattfindet, dürfen die Marktteilnehmer mit 100 % hebeln, vielleicht sogar noch mehr, falls bestimmte Kriterien der Kreditwürdigkeit gegeben sind. Wenn so hoch gereizt wird, darf eigentlich kaum etwas schiefgehen.

Das Gemetzel vom 15. Januar war dahingehend erschreckend. Alpari in London, FXCM in New York und NZ Limited in Neuseeland waren nur einige der Brokerfirmen, die vielen ihrer Kunden folgend - beispielsweise dem 830 Mrd. $ schwere globale Hedgefonds von Everest Capital - der Auslöschung entgegenblicken. Möglicherweise haben wir hier nur die ersten Opfer einer Entwicklung gesehen, die sich zu einem regelrechten Blutbad ausweiten könnte - gesetzt dem Fall, dass sich irgendwann auch andere Währungen unabhängiger von ihren Zentralbanken bewegen können.

Der Präsident der Schweizer Nationalbank, Thomas Jordan, versuchte die Folgen der Entscheidung abzumildern, als er sagte: "Wir haben wieder einen freien Wechselkurs." Die Marktteilnehmer und das Zentralbankenestablishment waren unterdessen wie vom Schlag getroffen.

Den größten Schaden dürfte vielleicht die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Zentralbanken getragen haben. Das sogenannte "Forward Guidance" hinsichtlich niedriger Zinssätze wird sich wahrscheinlich immer schwieriger gestalten. Zudem könnte der Eindruck entstehen, dass die Schweiz die Eurozone 'verlassen' habe. Die Abwendung der Schweiz könnte dann tatsächlichen Mitgliedern wie Griechenland als Rechtfertigung zu Ausstieg dienen. Und das würde neuen Sorgen hinsichtlich der Zukunft des Euros - der zweitgrößten Fiat-Währung der Welt - Vortrieb leisten.

Unterdessen konnte der Goldpreis, als Ausdruck wachsender Investorensorgen, deutlich zulegen. Anleger, die nach wie vor alles auf die Bubble-Märkte setzen und darauf vertrauen, bei Gefahr zeitnah aussteigen zu können, sollten vielleicht über die Geschwindigkeit nachdenken, mit der die Märkte von der verblüffenden Ankündigung aus der Schweiz heimgesucht wurden.

Sicher, die SNB hatte derartige Maßnahmen immer wieder dementiert, sogar noch wenige Tage bevor sie das Messer zückte; die jüngsten Entwicklungen dürften aber deutlich gemacht haben, zu welch wichtigem Sprachmittel das Dementi in der modernen Wirtschaftsführung geworden ist. Seismische Ereignisse ereignen sich in der Regel mit brutaler Unmittelbarkeit und selten schrittweise. Investoren wären gut beraten, auf zukünftige Schocks eingestellt zu sein und ihr Portfolio dementsprechend zu strukturieren.


© John Browne
Senior Market Strategist

Der Artikel wurde am 23.01.2015 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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