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Die Erhöhung der offiziellen Goldreserven Chinas: Analyse

22.07.2015  |  Jan Nieuwenhuijs

Vergewissern Sie sich bitte, wie immer, dass Sie Die Mechanismen des inländischen Goldmarktes in China gelesen haben, bevor Sie fortfahren.

Am letzten Freitag hat die Chinesische Volksbank (People's Bank of China, PBOC) endlich neue Zahlen zu ihren offiziellen Goldreserven veröffentlicht: Sie sind von den seit 2009 immer wieder zitierten 1.054 t auf 1.658t gestiegen. Die meisten Analysten aus der Edelmetallbranche waren von einem deutlich höheren Wert ausgegangen. In diesem Beitrag wollen wir die von der Bank genannten 1.658 t einer genauen Überprüfung unterziehen.

Bevor wir uns der eigentlichen Analyse widmen, möchte ich darauf hinweisen, dass die PBOC möglicherweise nicht ganz ehrlich war, als sie bekannt gab, ihre Goldvorräte hätten sich seit 2009 um nur 604 t erhöht. Ich denke, in Wirklichkeit besitzt sie etwas mehr als 1.658 t, aber dazu später mehr. In meinen Analysen versuche ich immer, von den offiziellen Daten auszugehen und mich von dort vorzuarbeiten, statt mit rein spekulativen Annahmen zu beginnen.

Gerade im Goldsektor ist es sehr leicht, alle offiziellen Zahlen abzulehnen, weil es so viele Spekulationen und Gerüchte gibt. Deswegen möchte ich mit der offiziell bekanntgegebenen Zahl beginnen und dann versuchen zu beantworten, wie diese zustande kam.


Heimlicher Import der zusätzlichen Goldreserven

Hinsichtlich der Bekanntgabe der aktuellen Goldbestände schrieb die Chinesische Volksbank Folgendes auf ihrer Webseite (auf Chinesisch):


Der offiziellen Version zufolge hat die PBOC also 604 t Gold an inländischen und internationalen Märkten erworben. Ich bin jedoch der Ansicht, dass das Gold hauptsächlich vom internationalen Markt stammt, denn dort können überflüssige US-Dollar in Gold getauscht werden. Am chinesischen Goldmarkt müssen die Transaktionen dagegen in Renminbi abgewickelt werden. Das Gold, das die PBOC möglicherweise auf dem chinesischen Festland gekauft hat, käme stattdessen aus der Produktion staatlicher Minen, die ihr Gold nicht an der Shanghai Gold Exchange verkaufen, sondern es direkt zu den Tresoren der Zentralbank transportieren.

Vor nicht allzu langer Zeit schrieb ich einen längeren Artikel zu den Goldbeständen der PBOC mit dem Titel Goldkäufe der Chinesischen Zentralbank: Fakten vs. Spekulation. Darin vertrete ich einige Theorien, die ich immer noch für richtig erachte:


Nach Angaben der China Gold Association (und globalen Handelsdaten zufolge), beliefen sich die Netto-Goldimporte des chinesischen Festlandes zwischen 2010 und 2014 auf 3.967 t und die inländische Minenproduktion erreichte in diesem Zeitraum 1.979 t - zusammengenommen also 5.964 t.


Fassen wir zusammen, was wir wissen:

(1) Gesetze und Steueranreize führen zum Verkauf der chinesischen Goldeinfuhren und der Minenproduktion durch die Shanghai Gold Exchange.
(2) Die private Goldnachfrage wird in China ausschließlich über die SGE gedeckt.
(3) Physisches Gold kann an der SGE nur in Renminbi gehandelt werden.
(4) Die chinesische Zentralbank kauft Gold wahrscheinlich im Ausland mit US-Dollars (nicht Renminbi), um ihre unausgeglichenen Devisenreserven zu diversifizieren.
(5) 2014 bestätigte ein Mitarbeiter der Shanghai Gold Exchange, dass die PBOC kein Gold an der Shanghaier Goldbörse kauft.

Mit diesem Wissen ist leicht zu verstehen, dass die 5.964 t Gold, über die China zwischen 2010 und 2014 durch Importe und inländische Gewinnung verfügte, nicht von der Zentralbank des Landes gekauft wurden. Diese 5.964 t wurden von privaten Käufern über die Shanghai Gold Exchange nachgefragt. Ich wiederhole: Von den globalen Handelsdaten oder den Abhebungen an der SGE kann nicht auf die Goldkäufe durch die Chinesischen Volksbank geschlossen werden, denn sie zeigen ausschließlich die privaten Transaktionen am chinesischen Goldmarkt an.



Ein weiterer Grund, warum die für uns einsehbaren Goldexporte nach China - beispielsweise in den Zollberichten Hongkongs - nicht auf die Zentralbank zurückzuführen sind, ist die mögliche Deklaration von physischem Gold in den Zolldaten jedes Landes als Gold zu monetären oder nicht monetären Zwecken. Und wenn die PBOC wählen kann, in welcher Form sie das physische Gold ausweist, dann wird sie sich für monetäres Gold entscheiden. Beim Erstellen einer Zollmeldung zu Gold gibt es typischerweise folgende Möglichkeiten:


Der entscheidende Unterschied zwischen diesen vier Kategorien ist, dass "Gold zu monetären Zwecken" immer intransparent bleibt - Eintragungen in dieser Kategorie werden nicht offengelegt! Wie wir wissen, zieht die chinesische Zentralbank es vor, Gold heimlich zu erwerben, also sind ihre Goldeinfuhren sicherlich in der undurchsichtigen Kategorie "monetäres Gold" versteckt. Der Versuch, die Goldreserven der chinesischen Zentralbank anhand der verfügbaren Zolldaten zu messen, muss also scheitern, da die Transporte von Gold zu monetären Zwecken darin nicht auftauchen. Aus den Handelsdaten ist nur ersichtlich, wie viel Gold zur Befriedigung der privaten Nachfrage nach China eingeführt und über die SGE verkauft wird.

Aus dieser Perspektive betrachtet ergeben die oben dargestellten offiziellen Daten zu Gold durchaus Sinn. Die Tausenden von Tonnen, die China importiert hat, gingen alle in den Besitz von privaten Investoren über (und die Zentralbank hat nur 604 t gekauft).

Ich bin nicht der Meinung, dass die Anpassung der Goldreserven der Chinesischen Volksbank unglaublich klein ist - ich würde eher sagen, dass der Großteil des nach China gelieferten Goldes für die Bürger des Landes bestimmt ist!

Wenn wir die von mir im Laufe der Jahre veröffentlichten Übersetzungen der Aussagen von Mitarbeitern der chinesischen Goldindustrie erneut lesen, wird meine Annahme weiter bekräftigt. Hier ein Kommentar des Präsidenten der China Gold Association Sun Zhaoxue aus dem Jahr 2012:


Auszug aus einer internen, nur auf chinesisch veröffentlichten Memo der Zentralbank zur geplanten Entwicklung des Goldmarktes, 2012:


Es gab viele Hinweise darauf, dass die chinesische Zentralbank, abgesehen von der Nachfrage der Privathaushalte, ebenfalls Gold kaufte. Doch jetzt haben wir die Bestätigung, dass der Löwenanteil der chinesischen Nachfrage der letzten Jahre auf den Privatsektor entfiel.

Erstellen wir also ein neues Chart:

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Ich habe die gesamte inländische Minenproduktion sowie alle bekannten Goldimporte außerhalb der offiziellen Reserven seit 2009 zusammengetragen. Die Zunahmen der offiziellen Reserven (im Chart rot dargestellt) in den Jahren 2001 und 2003 wurden von der gesamten inländischen Minenproduktion (blau) abgezogen. Die Anstiege der Jahre 2009 und 2015 wurden jedoch nicht von der inländischen Minenproduktion oder den Gesamtimporten (grün) subtrahiert, da sie meiner Theorie zufolge auf geheimen Importen beruhen. Eine detaillierte Beschreibung zur Erstellung dieses Charts können Sie in meinem vorherigen Artikel zu diesem Thema lesen.

Wenn ich mit dem Ergebnis meiner Analyse richtig liege und die chinesische Zentralbank ihr Gold seit 2009 hauptsächlich im Ausland erworben hat, dann befinden sich derzeit 13.781 t Gold in China, wovon 1.658 zu den offiziellen Goldreserven des Landes zählen, während sich 12.123 t in Privatbesitz befinden. Jede Goldmenge, die die PBOC möglicherweise zusätzlich zu den genannten 1.658 t besitzt, muss selbstverständlich noch zu diesen Schätzungen dazu addiert werden. (Ich schließe damit nicht aus, dass die Zentralbank Gold auch am inländischen Markt kaufen kann.)


Offenlegung der Zunahme der Goldreserven hat strategische Gründe

Die Entscheidung der Chinesischen Volksbank, den aktuellen Umfang ihrer offiziellen Goldreserven von 1.658 t bekanntzugeben, kann nicht isoliert von der globalen Lage des Finanzsystems betrachtet werden. Seit der Finanzkrise von 2008 haben Europa und Asien sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie es vorziehen, die Vorherrschaft des US-Dollars als Reservewährung des internationalen Finanzsystems schrittweise abzubauen. Chinas Strategie ist es dabei, mehrere Ziele gleichzeitig zu verfolgen, wobei eines davon das Sonderziehungsrecht (SZR) ist.

Für die Entwicklung seiner Wirtschaft will das Reich der Mitte den Renminbi internationalisieren. Die Zusammensetzung des Sonderziehungsrechts wird in diesem Jahr einer erneuten Überprüfung unterzogen. Voraussetzung für die Aufnahme einer Währung in den Währungskorb des SZR ist deren freie Verfügbarkeit. China wird seine Reserven also mindestens einmal jährlich nach Währungsklassen offenlegen müssen. Dies geht auch aus dem Absatz zum speziellen Datenveröffentlichungsstandard (Offenlegung der Reserven) des IWF in der offiziellen, chinesischen Stellungnahme der Zentralbank zu ihren Goldreserven hervor.

Da es in der Macht der USA steht, die Aufnahme des Renminbi in das SZR zu verhindern, muss China auf Nummer sicher gehen. Das Land ist verpflichtet, seine tatsächlichen Goldreserven offenzulegen, will die Vereinigten Staaten aber möglicherweise nicht durch die Bekanntgabe von Reserven in Höhe von 3.500 t verstimmen. Die genannten 1.658 t sind zu wenig, um die finanzielle Ordnung der Welt durcheinanderzubringen, zeigen aber auch, dass China das Edelmetall als "wichtiges Element für die Diversifikation internationaler Reserven" schätzt und könnten daher genau richtig gewählt sein.

Es ist nicht in Chinas Interesse, übereilt ein neues internationales Geldsystem aufzubauen, da das Land selbst noch dabei ist, seine Reserven weiter zu diversifizieren und weniger auf den Dollar zu stützen.

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Aus dem obenstehenden Chart ist ersichtlich, dass China derzeit zwar keine US-Staatsanleihen abstößt, aber seit 2010 zumindest aufgehört hat, seine Bestände weiter zu vergrößern. Das Land ist noch nicht bereit für eine tiefgehende Veränderung des internationalen Geldsystems. Es arbeitet noch an der zunehmenden Internationalisierung des Renminbi, der Aufnahme in das Sonderziehungsrecht, der Entwicklung seiner Finanzmärkte und der Transparenz seines Kapitalverkehrs. Erst wenn diese Ziele erreicht sind, wird es ernst für den US-Dollar. Bis dahin wird China sich langsam, Schritt für Schritt vorarbeiten.

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© Jan Nieuwenhuijs
The Gold Observer



Dieser Artikel wurde am 19. Juli 2015 auf www.BullionStar.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.