Top-Strategie mit Papiersilber!
03.05.2006 | Dr. Volkmar Riemenschneider
Wenn man über Papiersilber spricht, wird man von den meisten echten Silberbugs nur eines verächtlichen Blickes gewürdigt. Dies hat seine Begründung darin, dass der Silberpreis seit Jahrzehnten nur durch massive Leerverkäufe von Papiersilber auf seinem niedrigen Niveau gehalten werden konnte. Blick man beispielsweise auf das aktuelle Open Interest an der COMEX, so findet man dort per 28.04.2006 Futureskontrakte im Gegenwert von 661 Millionen Unzen Silber, und das an nur einer Börse! Wer soll dieses ganze Silber denn besitzen, das hier leer verkauft wird, denn ein Shortfuture ist nichts anderes!
Es ist also durchaus nachvollziehbar, dass Papiersilberinvestoren durch die Unterstützung dieser quasi Manipulation nicht das beste Ansehen besitzen! Viel wichtiger als der schlechte Ruf dieses Investments ist jedoch, dass sich viele Papiersilberinvestoren einem unnötigen Risiko - ohne Gegenleistung - im Vergleich zum physischen Besitz aussetzen! So verbriefen beispielsweise die beliebten Anlagezertifikate nicht das Recht auf Lieferung einer Unze sondern sind lediglich eine Anleihe deren Rückzahlung an den Wert eines Basiswertes gebunden ist, ob die Bank wirklich das Risiko abhedgt, oder nicht, liegt im Ermessen des Riskmanagers, gleichwohl die überwiegende Mehrzahl der Emittenten sich nicht freiwillig diesem Risiko aussetzen wird.
Es gibt jedoch noch einen ganz anderen Auslöser, der, egal ob die Bank wirklich Hedging betreibt oder nicht, im Extremfall dem Zertifikatebesitzer Ungemach bereiten kann. So haben sicher viele von Ihnen gesehen, was bei einem plötzlichen Kurseinbruch an der COMEX mit den Zertifikaten und Optionsscheinen passiert: Der Handel wird ausgesetzt! Dies ist rechtlich auch ganz einwandfrei, schließlich kann niemand erwarten, dass der Emittent ein unhedgebares Risiko übernimmt.
Stellen Sie sich jedoch vor, es käme tatsächlich eines Tages zu einer Silber-Squeeze und der Silberpreis würde kein Halten mehr kennen. Was würde dann mit den Besitzern des Papiersilbers passieren? Sie würden wahrscheinlich einen Großteil der Gewinne verpassen, weil sich die Emittenten am physischen Markt nur sehr schwer absichern werden können, und die Futureskurse bei einer Squeeze am Kassamarkt die Marktbewegung unterproportional, oder vielleicht sogar gegenteilig bei Lieferausfällen nachvollziehen werden. Es könnte also beispielsweise passieren, dass der Silberpreis sich binnen weniger Tagen vervielfacht. In diesem Fall würde der theoretische Wert des Papiersilbers sich ebenfalls vervielfachen. Da aber der Emittent auf Grund der Marktsituation entweder den Handel einstellen oder zu einem Sonderkündigungsrecht greifen muss, könnte das Kapital des Anlegers zwar noch über Tage gebunden sein, jedoch erst recht nicht an der Wertentwicklung partizipieren.
Dies wäre jedoch vollkommen legitim, schließlich kann man sich die Spezifikation eines Zertifikates jederzeit auf der Website des Emittenten durchlesen, nur leider tun dies viel zu wenige. So entstehen dann auch die schaurigsten Geschichten, laut denen die Banken ja sowieso nur die Kleinanleger abzocken würden. Möglicherweise tun einige dies wirklich, aber die Handlungen der Emittenten bewegen sich fast ausschließlich im Rahmen der Bedingungen zu denen die Zertifikate emittiert wurden. Wer also Opfer einer solchen "vorhersagbaren Abzocke" wird, der ist leider in den meisten Fällen selbst Schuld, da schlussendlich niemand dazu gezwungen wird verbriefte Produkte zu kaufen.
Für alle die sich dem Risiko bewusst sind, und bei gewissen Anzeichen des Marktes auf eine drastische Verknappung rechtzeitig den Absprung schaffen, sind Zertifikate perfekte Veranlagungsprodukte. Risikoscheue Langfristanleger sollten jedoch lieber den direkten Weg zum Edelmetallhändler Ihres Vertrauen wagen, und damit auch wirklich die Unabhängigkeit erreichen, die Edelmetalle seit Jahrtausenden verkörpern!
Papiersilber kann für gewiefte Investoren, wie bereits öfters angesprochen, auch zusätzliche Ertragschancen gegenüber dem Barrensilber bieten. Wie in einer meiner letzten Kolumnen beschrieben, gibt es jedoch auch wirklich sehr interessante Spekulationsmöglichkeiten mit Papiersilber. Das Phänomen der Backwardation bei Futures sollte bereits vielen aus meinen vorhergehenden Beiträgen bekannt sein. Von Seiten der Emittenten wird mittlerweile auch beständig darauf hingewiesen, dass man mittels Delta-1-Zertifikaten sehr gut von einer Backwardation in den ersten Monaten der Terminkurve profitieren kann (Gewöhnlich Rollen die Emittenten den Future in den ersten drei Kontrakten).
Liegt die Backwardation jedoch in der Mitte oder im hinteren Teil der Terminkurve, so wird gewöhnlich maximal auf die Möglichkeit verwiesen via Futures-Spreads an der Kursdifferenz zu partizipieren. Heute möchte ich Ihnen jedoch eine Methode vorstellen, die sich vor allem für Investoren eignet, die an einen langfristigen Anstieg des Silbers OHNE drastische Silberknappheit und einen Lieferausfall in den nächsten 5 Jahren glauben!!!
Reverse cash-and-carry-arbitrage
Diese Spekulationsmöglichkeit trägt in der Fachliteratur den Namen "Reverse cash-and-carry-arbitrage" und basiert auf dem Bewertungsmodell der "Cost-of-carry" für lagerbare Rohstoffe.
Laut diesem Bewertungsmodell muss ein haltbarer Rohstoff bei einer zukünftigen Lieferung mindestens den heutigen Kassakurs zuzüglich der Opportunitätskosten des Verkäufers (Zinsen, Versicherung und Lagerung) kosten, ansonsten besteht eine Arbitragemöglichkeit, also eine Ertragsmöglichkeit ohne Risiko!
Der folgende Chart zeigt die aktuelle Terminkurve des Silberfutures an der COMEX in New York:

Die Terminkurve für Silber hat sich seit meiner letzten Analyse Anfang April drastisch verschärft. Lag der Terminkurs für den Kontrakt mit Fälligkeit im Dezember 2010 am 07.04.06 noch um über 0,05 USD über dem Kassakurs, so liegt er mittlerweile 0,29 USD darunter. Dies spricht eindeutig dafür, dass sich die Situation am Silbermarkt weiter verschärft!!! Für Papierinvestoren eigenen sich aktuell jedoch auf Grund des Contango bis Mitte 2007 nur Kontrakte hinter dem Höhepunkt der Kurve, da ein Rollen in die vorderen Monate sonst zu Rollverlusten führt und somit die Rendite schmälert!
Der Vergleich mit der theoretischen Terminkurve zeigt die Dramatik der Situation noch viel deutlicher auf. Für die Berechnung der Terminkurse nehmen wir der Einfachheit wegen eine flache Zinsstrukturkurve mit einem konstanten Zinssatz von 5% p.a. bei stetiger Verzinsung an. (Aktuell bewegt sich der Zins an den Märkten für USD zwischen 4,75 und 6%). Die Kosten für Versicherung und Lagerung vernachlässigen wir, da die Rechnung auch ohne diese Komponente eindeutig ausfällt.

Hier wird das Ausmaß der gestiegenen Zeitpräferenz der Investoren plötzlich ersichtlich. Die nächste Grafik zeigt den Barwert der Kontrakte und damit wie viel Sie heute für 5.000 Unzen Silber bei zukünftiger Lieferung, unter Annahme einer Verzinsung des Kapitals von 5% p.a. bis zur Fälligkeit des Kontraktes, bereitstellen müssen.

Sobald der Barwert der Lieferung unter den Kassapreis sinkt, deutet dies auf eine massive Verschiebung der Zeitpräferenz der Investoren hin. Silber heute ist mehr wert als Silber morgen oder gar im Dezember 2010. Wer nun jedoch davon ausgeht, dass sich diese Terminkurvenformation nur auf Grund der Zulassung des Silber-ETF ergeben hat und kurz- bis mittelfristig wieder verschwinden wird, der kann damit noch größere Erträge erzielen. Bei einem massiven Ansteigen des Silberpreises in den vorderen Monaten, dürften jedoch die hinteren Monate um einiges weniger Ansteigen, aber auf Grund des Rollertrages und der Zinsen im Endeffekt den gleichen oder sogar einen höheren Ertrag als eine kurzlaufende Position bringen.
Angenommen der Kassakurs würde konstant bleiben, so würde diese Strategie jeweils bei Fälligkeit der Futures unter der Annahme von 5% Zinsen folgende annualisierte Erträge abwerfen. Da jedoch der Kapitaleinsatz variiert (je nach aktuellem Kontraktwert) wird die Annahme der Investitionsrechnung zugrunde gelegt, dass man über den Gegenwert der 5.000 Unzen am Kassamarkt verfügt und eventuelle höhere Kontraktwerte zu 5% aufnimmt bzw. niedrigere Kontraktwerte zu 5% veranlagt. Dadurch ist der annualisierte Zinsertrag bei allen Positionen derselbe und wird durch den Rollertrag ergänzt.

Die Strategie sieht in der Praxis also wie folgt aus. Der Investor kauft einen Long-Future auf einen Liefermonat der über einen niedrigeren Barwert als eine Kassaposition verfügt und hinterlegt das Kapital für den Futureskauf vollständig in Höhe des Barwertes! Kurz vor Fälligkeit des Futures stellt man die Position glatt und hat de facto mehr verdient als mit einem Zertifikat, das weit höhere Risiken aufweist.
Der Barwert des Kontraktes hängt jedoch vom Zinssatz des amerikanischen Brokers ab. Bietet dieser beispielsweise nur 3 % muss man die Kalkulation entsprechend modifizieren. Außerdem müssen Investoren die Ersparnis von Lagerungs-, Manipulations- und Versicherungskosten in der Kalkulation als Zusatzertrag berücksichtigen.
Fazit:
Wenn schon Spekulationen mit Papiersilber, dann aber richtig. Wer das Risiko eingeht Papiersilber zu erwerben, und damit auf das Ausbleiben einer Silber-Squeeze und eines Lieferausfalls hofft, sollte wenigstens die bestmögliche Spekulation eingehen. Kaufen Sie sich heute schon eine zukünftige Silberlieferung unter dem aktuellen Kassapreis und profitieren Sie neben den Zins- auch von den Rollerträgen sowie den gesparten Lager- und Versicherungskosten.
© Dr. Volkmar Riemenschneider