Aktienbärenmarkt beginnt erst: 7 Gründe
11.09.2015 | Michael Pento
Am 10. März 2009 lotete der US-Aktienmarkt ein Tagestief aus und markierte damit die heute berühmte “Haines-Talsohle“ - benannt nach meinen verstorbenen Freund, dem großen Mark Haines, der damit eine der weitsichtigsten Vorhersagen der Marktgeschichte traf. Es sollte auch noch angemerkt werden, dass an diesem schicksalsträchtigen Tag buchstäblich kein einziger Optimist unter den Wall-Street-Genies zu finden war.
Seither haben sich die Aktienindizes mehr als verdoppelt. Und so kommt es, dass die engstirnigen Schluchten der Wall Street heute mit trendfolgenden Optimisten und Cheerleadern überfüllt sind, die nicht erkennen, dass es kaum Grund zum Anfeuern gibt.
Die Aktienbewertungen sind deutlich unattraktiver als damals 2009. Und der gegenwärtige Selloff ist längst nicht vorüber. Horden von Perma-Bullen rufen eine “V“-förmige Aktienmarkterholung aus, obgleich es seit Jahren kaum handfeste Rücksetzer gegeben hatte.
Doch aus den folgenden sieben Gründen bin ich der Meinung, dass der Bärenmarkt der großen Aktienindizes gerade erst begonnen hat.
- 1. 2009 waren Aktien verhasst, heute werden sie vorbehaltlos geliebt. Das zeigt sich ganz deutlich an den Zahlen für Aktienkäufe auf Kredit (Margin Debt), die kürzlich ein Allzeithoch markierten.
Nach Angaben der National Inflation Association stiegen die Margin Debt kürzlich sprunghaft um 30 Milliarden $, oder 6,5%, auf 507 Milliarden $ an. Das entsprach einem Rekordstand von 2,87% des BIP der USA. Damit wurde das im März 2000 markierte Allzeithoch von 2,78% eingestellt - der Höhepunkt der größten Aktienmarktblase der Weltgeschichte.
Trotz aller Versicherungen seitens der Fondsmanager - die Investoren hätten doch Riesenlandungen Barliquidität für “Rabatt“-Aktienkäufe parat - sanken die Liquiditätsbestände der Anlagefonds bis Anfang August auf niedrigste Stände. Nur 3,2%. So niedrig waren sie noch nie!
Auch prozentual zur Aktienmarktkapitalisierung nähern sich die Barliquiditätsstände der Fonds jenem Rekordtief an, das im Jahr 2000 markiert wurde. Der NASDAQ erreichte damals seinen Spitzenstand und brach anschließend um fast 80% weg. - 2. Fast allen Messgrößen und Indikatoren nach zu urteilen sind die Aktientitel gerade überbewertet. Einer meiner Favoriten ist die Messgröße “Kurs-Umsatz-Verhältnis“; die Aktienkurse werden zum Umsatz pro Aktie ins Verhältnis gesetzt. Dabei wird Finanz-Engineering wie kreditfinanzierte Aktienrückkäufe zur Steigerung des Gewinns pro Aktie ausgeblendet.
Für den S&P 500 liegt dieses Verhältnis aktuell bei 1,7%, also deutlich über dem Durchschnittswert von 1,4%. Zudem steht der Benchmark-Index kurz vor Allzeithochbewertungen - prozentual am BIP gemessen und im Verhältnis zum Wiederbeschaffungspreis für die gelisteten Unternehmen. - 3. Was den S&P 500-Unternehmen aktuell fehlt, sind wachsende Einnahmen und Gewinne. Laut FACTSET sanken die Gewinne der Unternehmen im zweiten Quartal um 0,7%, während die Umsatzerlöse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,4 % sanken. Die rückläufigen Umsatzerlöse für das 2.Quartal bedeuten, dass der Umsatz der Index-Unternehmen zum ersten Mal seit 2009 zwei Quartale in Folge schrumpften.
- 4. Buchstäblich die gesamte Weltwirtschaft befindet sich schon jetzt in einer Rezession oder ist um Haaresbreite davon entfernt. 2009 stieß China noch tiefer in einen gewaltigen Zyklus der Finanzstimuli vor, welcher schließlich in der größten Kapitalfehlallokation der modernen Geschichte enden sollte.
Leere Städte bauen sich nicht von selbst zusammen: Sie bedürfen einer gewaltigen, unechten Nachfrage nach Rohstoffen, welche wiederum Überkapazitäten in den rohstoffproduzierenden Ländern wie Brasilien, Australien, Russland, Kanada, etc. verursachten.
Da China eine Schuldenlähmung erlitt und schmerzlich diese Kapitalfehlallokation verdauen muss, befinden sich diese Länder jetzt in einer Rezession. Und allem Anschein nach dürften auch Japan und die gesamte Europäische Union dieses Schicksal noch teilen.
All das sorgt dafür, dass nun auch die Inflationsraten im PCE Index-Kerndeflator sinken (persönliche Konsumausgaben, ohne Volatilität durch Nahrungsmittel und Energie).

- Aber auch der CRB-Rohstoffindex, der auf dem Niveau der Panik-Tiefs von Anfang 2009 steht, unterstützt diese These sinkender Inflationsraten.
Aber die Wall-Street-Optimisten wollen den Leuten erklären, die einbrechenden Ölpreise wären gut, weil diese “Kraftstoffsteuersenkung“ die Verbraucherausgaben ankurbele - ungeachtet der Tatsache, dass die Energiepreise wegen sinkender globaler Nachfrage fallen.
Wie dem auch sei, die gesunkenen Ölpreise werden die Verbraucherausgaben einfach nicht ankurbeln, weil die Verbraucher wegen des ausbleibenden realen Einkommenswachstums, enorm steigender Krankenversicherungsausgaben und stark anziehender Wohnkosten ein Problem haben.
- 5. Die US-Industrieproduktion und das US-Bruttoinlandsprodukt befinden sich auf dem Weg nach unten. Die Federal Reserve von Dallas weist in ihrem Bericht zum produzierenden Sektor für August einen Rückgang der Aktivität um -15,8% aus. Und das im Vergleich zum ohnehin schwachen Juli-Ergebnis von -4,6%.
Seit der Großen Rezession war die Ölfracking-Industrie einer der wirklich gut laufenden Sektoren der US-Wirtschaft gewesen und gleichzeitig Motor für Arbeitsstellenwachstum.
Dennoch beteuern viele Wall-Street-Scharlatane weiterhin, die USA seien immun gegenüber Deflation und globaler Konjunkturschwächung. Man zeigt sich weiter optimistisch hinsichtlich einer starken zweiten Jahreshälfte. Leider haben schon zwei Drittel des 3.Quartal hinter uns; und die BIP-Prognosen der Atlanta Fed gehen von einem wenig beeindruckenden Wachstum von 1,3% aus.
Zudem fiel der ISM Manufacturing Index (US-Einkaufsmanagerindex) im August von 52,7 Punkten auf 51,1 Punkte - das schwächste Ergebnis seit über zwei Jahren. Obgleich das Gross Domestic Product, GDP (BIP) für das zweite Quartal mit einem annualisierten Gewinn von 3,7% aufwartete (größtenteils wegen Lageraufbaueffekten), so stieg das Gross Domestic Income, GDI (Bruttonationaleinkommen) annualisiert nur mit 0,6%. - 6. Während das GDP (BIP) alle Ausgaben für Endprodukte und Dienstleistungen misst, die in den USA hergestellt wurden, verzeichnet das GDI alle Einnahmen jener, die diesen Output produziert haben. Diese beiden Messgrößen sollten gleich sein, weil jeder für ein Gut oder eine Dienstleistung ausgegebene Dollar als Einkommen oder Einnahmen an einen Haushalt, eine Firma oder den Staat fließt.
In der Praxis weichen diese beiden Zahlen von Zeit zu Zeit aufgrund von Messfehlern ab. Allerdings ist dies ein ziemlich großer Messfehler, der die Frage aufkommen lässt, ob diese 0,6% für das GDI nicht vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen sollten.
Der Welthandel befindet sich im freien Fall. Wie Reuters berichtet, sanken die Exporte aus Südkorea im August im Vergleich zum Vorjahr um fast 15%; es wurde weniger nach China, in die USA und nach Europa geliefert.
Die Exporte der USA im Bereich ‘Güter und allgemeine Handelswaren waren seit September 2011 nicht mehr so niedrig. Den jüngsten Zahlen zufolge sind sie seit Ende des 4. Quartals 2014 von 408 Mrd. $ auf bei 370 Mrd. $ (oder aber um 9,46%) gesunken. Die metastasierende Weltkonjunkturschwäche wird die stark sinkenden Werte für den US-Handel nur noch verschlimmern. - 7. Die Fed verspricht dem Aktienmarkt keine Unterstützung mehr. Noch 2009 waren unsere Zentralbanken bereit, den Märkten den nötigen Wind in die Segel zu blasen. Und trotz eines verhaltenden BIP-Jahreswachstums von im Schnitt 2% seit 2010 verdoppelte sich der Wert des Aktienmarktes im Fahrwasser von Nullzinspolitik und einer Fed-Gelddruckorgie von 3,7 Billionen $. In den letzten Jahren hat sich also ein gewaltiges Ungleichgewicht zwischen den wirtschaftlichen Fundamentaldaten und den Aktienbewertungen aufgetan.
Doch jetzt könnte bald das Ende aller monetären Lockerungsansätze gekommen sein, während die Märkte zutiefst fremdkapitalfinanziert und überbewertet sind. Zudem wird das Ende von QE und Nullzins mit sinkenden BIP-Zahlen in den USA und der Welt sowie sinkender Inflation und negativem Gewinnwachstum einhergehen. Die Fed wird zudem die Zinssätze erhöhen und die US-Dollar-Wechselkurse noch weiter steigen lassen, während sich die Situation im produzierenden Gewerbe und im Export schon jetzt zum Schlechteren wendet.
Ich bin froh, dass Frau Yellen & Co. scheinbar endlich bereit sind, dass Sicherheitsnetz unter dem Aktienmarkt abzubauen. Nichtsdestotrotz könnte die Wall Street schon bald schmerzlich erfahren müssen, dass die künstliche Unterstützung per QE und Nullzins wohl das Einzige war, was den größten Bärenmarktes der Geschichte verhindert hatte.
© Michael Pento
www.pentoport.com
Dieser Artikel wurde am 8. September 2015 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.