Die Relevanz langfristiger Zyklen - Dow Jones und Gold im Vergleich
08.06.2004 | Dr. Uwe Bergold
In meiner Funktion als Lehrbeauftragter der Fachhochschule Amberg-Weiden habe ich im Wintersemester 2003/04 mit einer Gruppe von Studenten (Markus Blaschzok, Michael Frank, Thomas Krapf, Toni Scherl, Florian Sollfrank, Andreas Stopfer und Balazs Hardy) des fachbezogenen Wahlpflichtfachs Finanzen das Thema der langfristigen Spekulationszyklen in einer Projektarbeit analysiert. Hierbei wurden bewußt langfristig historische Zusammenhänge betrachtet, um die immer wieder auftretenden positiven als auch negativen Spekulationsphasen zu verdeutlichen.
Moderne Kapitalmarkttheorie versus Kapitalmarktzyklen
Die wichtigste intellektuelle Argumentationsgrundlage gegen Zyklen und Spekulationsblasen ist die These, nach der Kapitalmärkte effizient arbeiten. Die Theorie eines effizienten Marktes (Moderne Kapitalmarkttheorie) beruht auf der Annahme, daß sich in den Kursen der Aktien die jederzeitige vollständige Informiertheit der Allgemeinheit widerspiegelt. Vollkommene Konkurrenz sei durch die Vielzahl der Marktteilnehmer und durch die Schnelligkeit der Informationsverarbeitung gegeben. Weiter gehen Vertreter der Markteffizienzhypothese davon aus, daß sich alle Marktteilnehmer wie ein "Homo Oeconomicus" verhalten. Daß es diesen rein rational handelnden Investor nicht gibt, konnte aber schon der Psychologe Daniel Kahnemann wissenschaftlich nachweisen. Hierfür erhielt er 2002 den Nobelpreis für Wirtschaft.
Die Grenzen der Modernen Kapitalmarkttheorie kommen in zwei Punkten sehr deutlich zu Tage: Normalverteilte Aktienrenditen und vollkommen rational handelnde Investoren. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Aktienkurse nicht einem normalverteilten Zufallspfad ("random walk") folgen, sondern unsystematisch einer Pareto-Verteilung. Dies liegt daran, dass Marktteilnehmer nicht als "Homo Oeconomicus", sondern als „Homo Irrationalis" agieren. Sie verhalten sich nicht linear und rational, sondern systematisch irrational, getrieben von Gier und Angst. Kapitalmarktzyklen - positive und negative Spekulationsblasen - sind die Ergebnisse von massenpsychologischem Grundverhalten, was unabhängig von individuellen Marktteilnehmern, historisch bis in die Anfangszeiten der Börsen zurückverfolgt werden kann.
Nominale Jahresrenditen
Abbildung 1 zeigt den zyklischen Verlauf der durchschnittlichen nominalen Jahresrendite der letzten zehn Jahre beim Dow Jones Industrial Average (DJIA), ohne Berücksichtigung der Dividenden. Die jährliche nominale Durchschnittsrendite des DJIA seit Gründung im Jahr 1896 (hellblaue Linie) liegt bei aktuell 5,64% Kursgewinn. Dreimal im letzten Jahrhundert erreichte die durchschnittliche Jahresrendite der vergangenen Dekade einen nominalen Spitzenwert von 15 % und somit das Top einer extremen Übertreibung ("Soziale Infektion" in Form von kollektiver Masseneuphorie): Ende der 20er, Anfang der 60er und Ende der 90er Jahre.
Jedesmal folgte der positiven daraufhin eine negative Spekulationsblase. Das Ende der Untertreibung ("Soziale Aversion" in Form kollektiver Massenangst) wurde erst bei Durchschnittsrenditen von nominal ca. -5% p.a. erreicht: Mitte der 30er und Mitte der 70er Jahre. Der letzte Wert (Stand: 31.12.2003) der Grafik liegt bei +10,78% p.a. Somit hätte ein US-Investor, der am 31. Dezember 1993 den DJIA als Index kaufte und genau zehn Jahre später wieder verkaufte, eine Jahresrendite (ex Dividende) von durchschnittlich +10,78% p.a. erwirtschaftet. Aufgrund dieser aktuell noch sehr hohen Durchschnittsrendite sollten Investoren in den nächsten Jahren eher mit negativen als mit positiven DJIA-Renditen kalkulieren.

Durchschnittliche NOMINALE Jahresrendite der letzten 10 Jahre eines DJIA-Investments von 12/1906 bis 12/2003
(monatliche Datenreihe)
Reale Jahresrenditen
Berücksichtigt man (im Gegensatz zu Abbildung l) den Kaufkraftverlust der US-Währung (inflationsbereinigte Betrachtung anhand des US-Konsumentenpreisindex CPI) seit Aufhebung des Goldstandards im Jahr 1914, so verschiebt sich der Chart (siehe Abb. 2) um ca. 2 bis 3 Prozentpunkte p.a. nach unten. Dadurch beträgt die jährliche reale Durchschnittsrendite der letzten zehn Jahre beim DJIA seit 1923 (hellblaue Linie) nur noch 2,36% p.a. (ex Dividende). Die Obergrenze (positive Spekulationsblase) ergibt sich bei einer realen Durchschnittsrendite von 13% p.a., während die Untergrenze (negative Spekulationsblase) historisch bei ca. real -8 % p.a. liegt. Inflationsbereinigt ist es deshalb für strategische Investoren noch entscheidender, rechtzeitig langfristige Wendepunkte zu identifizieren. Aktuell (Stand: 31.12.2003) hat ein Investor in den letzten zehn Jahren mit einem DJIA-Investment eine reale Durchschnittsrendite von +7,69% p.a. (ohne Dividendenberücksichtigung) erwirtschaftet. Somit indiziert auch die inflationsbereinigte Betrachtung eine weiterhin massive Überbewertung des US-Aktienmarktes. Ein kollektiver Angstzustand der Financial Community - strategisches Investitionsniveau - dürfte erst wieder bei einer durchschnittlichen realen Jahresrendite der letzten zehn Jahre von ca. -8% p.a. eintreten!

Durchschnittliche REALE Jahresrendite der letzten 10 Jahre eines DJIA-Investments
von 12/1906 bis 12/2003 (monatliche Datenreihe)
Dow Jones vs. Gold
Abbildung 3 zeigt die negative Korrelation zwischen einem DJIA- (blaue Kurve) und einem Gold-Investment (orange Kurve). Wie in Abbildung 1 handelt es sich um nominale durchschnittliche Jahresrenditen der letzten zehn Jahre. Da der US-Dollar bis 1933 fest - im Verhältnis 20 zu 1 - an eine Unze Gold gekoppelt war, verläuft die durchschnittliche Gold-Jahresrendite bis 1933 als Nullinie. Während die DJIA-Durchschnittsrendite konstant sinusförmig in einer Bandbreite zwischen +15% und -5% p.a. schwankt, schaukelt sich die Gold-Durchschnittsrendite dreiecksförmig auf. Im Jahr 1942 lag sie über die letzten zehn Jahre bei +5,6% p.a. Das nächste Top im Jahr 1980 lag bereits bei +32,8% p.a., also eine Versechsfachung. Umgekehrt verhielt es sich bei den Goldpreisuntertreibungen. Im Jahr 1957 - beim ersten langfristigen Goldinvestmenttief - "erwirtschaftete" ein Gold-Investor über die letzten zehn Jahre einen Verlust von fast 2% pro Jahr. Bei der letzten voraussichtlichen unteren Umkehr im Jahr 2000 verlor man mit Gold im Zehnjahreszeitraum sogar 4,3% p.a.
Vergleicht man nun das DJIA- mit dem Gold-Investment, so stellt man eine Phasenverschiebung um 180 Grad der beiden Kurven fest. Somit macht der Dow Jones regelmäßig sein Top, wenn Gold sein Tief erreicht, und umgekehrt. Historisch betrachtet treten die Wendepunkte der beiden Investments immer zur gleichen Zeit, negativ korrelierend - im Abstand von ca. 35 Jahren - in Erscheinung. Die letzte große Wende gab es im Jahr 2000, bei dem der Dow mit hoher Wahrscheinlichkeit sein langfristig zyklisches Top und Gold sein entsprechend sein Tief generierte. Seitdem befindet sich der Dow Jones in einer übergeordneten Baisse, Gold dagegen in einer übergeordneten Hausse.

Durchschnittliche NOMINALE Jahresrendite der letzten 10 Jahre eines DJIA- und eines Gold-Investments
von 12/1906 bis 12/2003 (jährliche Datenreihe)

DJIA-Gold-Ratio von 1/1900 bis 2/2004 (monatliche Datenreihe)
Bezeichnendes DJIA-Gold-Ratio
Das DJIA-Gold-Ratio drückt aus, wieviel Unzen Gold benötigt werden, um einmal den DJIA als Ganzes kaufen zu können. Auch der Chart in Abbildung 4 zeigt eine langfristige Zyklik, deren Hoch- und Tiefpunkte zu einem ähnlichen Zeitpunkt in Erscheinung treten. Da Gold ein klarer "Angstindikator" und zugleich ein negativ korrelierendes (gegenläufiges) Asset zum DJIA ist, kann man anhand dieses Ratios erkennen, wann "soziale Infektion" (positive Spekulationsblase) und wann "soziale Aversion" (negative Spekulationsblase) vorherrscht.
Die drei positiven Spekulationsblasen des letzten Jahrhunderts erreichten an ihrem Höhepunkt folgende Ratio-Werte: 18,4 im August 1929; 27,8 im Januar 1966 und 42,5 im August 1999. Die beiden negativen Spekulationsblasen hatten ihren Tiefpunkt im Februar 1933 bei 1,6 und im Januar 1980 bei 1,3. Historisch betrachtet zeigte regelmäßig ein DJIA-Gold-Ratio von unter 2 einen kollektiven Angstzustand der Financial Community und somit ein strategisches Kaufsignal an. Quotienten von 18 oder darüber deuten auf positive Spekulationsphasen hin und sollten Investoren zur Vorsicht mahnen.
Aktuell (Stand: Februar 2004) befindet sich der Quotient bei 26,7. Dies signalisiert einen noch immer massiv überbewerteten Dow Jones und/oder einen massiv unterbewerteten Goldpreis. Bei einer zukünftig deflationären Entwicklung fiele der Quotient aufgrund signifikanter Kursverluste am Aktienmarkt, während der Goldpreis gleichbleibt oder ebenfalls leicht fallen wird.
Kommt es dagegen zu einer inflationären Entwicklung, fällt der Quotient aufgrund eines signifikanten Goldpreisanstiegs, während der DJIA die Überbewertung mit einer leicht fallenden Seitwärtsbewegung abbauen wird. Somit wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das DJIA-Gold-Ratio in den nächsten Jahren (Jahrzehnt) bis auf unter 2 fallen, unabhängig davon, ob es zu einer deflationären oder zu einer sich verstärkenden inflationären Entwicklung kommt.

DJIA (inflationsbereinigt) und DJIA-Gold-Ratio seit 1913 (monatliche Datenreihe)
Fazit
Reflektiert man noch einmal die vorgestellten Analyseergebnisse, so wird deutlich, daß nur die Analyse langfristig historischer Zusammenhänge einen Investor in die Lage versetzt, am Kapitalmarkt nachhaltige Überrenditen zu erwirtschaften. Meist werden jedoch Anlageentscheidungen nur aufgrund von Gefühlen, die noch dazu auf Zufallsbeobachtungen sehr kurz zurückliegender Daten beruhen, getroffen. Emotionen sind jedoch der größte Feind einer erfolgreichen Investmentstrategie. Faßt man die einzelnen Analysen zusammen, so kommt man zu dem Ergebnis, daß der Bereinigungsprozeß, der im Jahr 2000 begonnen hat, trotz des sehr positiven letzten Börsenjahres noch immer nicht abgeschlossen ist.
Somit sind die langfristigen Zyklen beim DJIA (abwärts) und beim Gold (aufwärts) - entgegen vielen Medienberichten - weiterhin voll intakt. Außerdem sollten sich Investoren nicht vom unaufhaltsamen Anstieg des Verbraucherpreisindex täuschen lassen. Dieser drückt die Preise zwangsweise nach oben und verwischt reale Kursrückgänge (siehe inflationsbereinigten DJIA in Abb. 5). Die Inflation verdeckt die Tatsache, daß so manche Aktienanlage mehr als 50 Jahre braucht, um nach Spekulationsblasen ihren realen alten Wert wieder zu erreichen!
© Uwe Bergold
Quelle: aus "Smart Investor", Heft 5/2004