Ölpreis-Krieg: Wie Putin den Spieß umdreht!
13.10.2015 | Uli Pfauntsch
Geopolitische Ereignisse hatten bislang wenig Einfluss auf die Ölpreisentwicklung. Doch jetzt spitzt sich die Lage in einer Region, die für mehr als ein Fünftel der Weltproduktion steht, dramatisch zu. Es ist ein unschönes Gefühl, wenn die vier größten Öl-Produzenten, USA, Russland, Saudi Arabien und Iran, jeweils mit völlig unterschiedlichen Interessen, alle im gleichen Sandkasten spielen.
Wir müssen uns darauf einstellen, dass der geostrategische Einfluss auf den Mittleren Osten neu verteilt wird. Das könnte die Ölpreise ab sofort mehr beeinflussen als alles andere. Wie der Druck auf Saudi Arabien zunimmt und warum es trotzdem Hoffnung für Syrien gibt, erfahren Sie im Update.
Mittlerer Osten: "New Sheriff in Town"
In den letzten fünf Tagen sind die Ölpreise um circa 15 Prozent geklettert. Zunächst reagierte der Markt auf Meldungen vom 5. Oktober, wonach Russland signalisierte, sowohl mit der OPEC, als auch mit Ölförderstaaten außerhalb der OPEC, Gespräche über den dramatischen Absturz der Ölpreise aufzunehmen.
Das russische Energieministerium sagte, dass ein separates Meeting mit Saudi Arabien für Ende Oktober geplant sei. Man kann sich denken, was Putin vorhat: Nicht Russland soll seine Produktion kürzen, sondern Saudi Arabien.
Dafür spricht auch die wachsende Militärpräsenz Russlands in Syrien. Laut Berichten soll Putin bereits 2.000 Mann Bodentruppen nach Syrien verlegt haben. T.Boone Pickens, US-Milliardär und seit 50 Jahren im Ölbusiness, sagte auf CNBC: "Der Mittlere Osten hat einen neuen Sheriff in Town".
Pickens sagt große Veränderungen voraus. Das militärische Engagement Russlands könnte das größte OPEC-Mitglied endlich zur Kapitulation zwingen, um seine Produktion zu kürzen. "Russland wird für sich in Anspruch nehmen, keine Anpassungen vorzunehmen, aber andere zu Anpassungen zwingen", so Pickens.
Russland & Saudi Arabien im Zermürbungskrieg!
Russland befindet sich erstmals seit 2009 in einer schweren Rezession. Der Rubel hat über die letzten 12 Monate zum Dollar 43 Prozent an Wert verloren und die Konsumentenpreis-Inflation ist auf einem 13-Jahreshoch.
Wie schon zu Zeiten des Kalten Kriegs, ist Öl mit einem Anteil von 70 Prozent auch jetzt noch die alles entscheidende Einnahmequelle. Russland ist gezwungen, die niedrigeren Preise durch höhere Produktion zumindest teilweise zu kompensieren.
Aktuell pumpt Russland mit 10,7 Millionen Barrel Öl pro Tag auf Rekordniveau. Sollte Öl bis Ende des nächsten Jahres bei unter 50 Dollar bleiben (Goldman Sachs prognostizierte kürzlich sogar einen Absturz auf 20 Dollar), könnte selbst das leidgeprüfte russische Volk seinen Anführer in Frage stellen.
Auch den Saudis kommt der Ölpreiskrieg teuer zu stehen. Um den Haushalt zu finanzieren, und weiterhin Krieg gegen die vom Iran unterstützten Rebellen im Süd-Jemen zu führen, waren die Saudis bereits gezwungen, 73 Milliarden Dollar von ausländischen Fondsgesellschaften abzuziehen. Monat für Monat verbrennt Saudi Arabien 12 Milliarden Dollar seiner Fremdwährungsreserven.
Bei 50 Dollar Ölpreis, würde der Reichtum des Königshauses noch vor Ende 2018 auf rund 200 Milliarden Dollar zusammenschmelzen. Die Märkte würden vermutlich schon viel früher reagieren und eine Kapitalflucht auslösen. Noch kann es sich das Königshaus leisten, seine Bevölkerung mit großzügigen Subventionen für Energie, Wohnungen, Nahrungsmittel und anderen Konsumprodukten bei Laune zu halten.
Die Schattenseiten: Ungefähr ein Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 12 Prozent und betrifft vor allem junge Menschen, von denen 30 Prozent ohne Job sind.
In anderen Ländern führte der sukzessive Abbau von Subventionen zu explodierenden Preisen für Nahrungsmittel und Benzin. Diese Missstände lösten schließlich die Aufstände aus, die in den "Arabischen Frühling" mündeten. Saudi Arabien ist außerhalb von Feinden umzingelt - doch das Königshaus ist sich bewusst, dass die größte Bedrohung im Innern lauert.
Wie Putin den Krieg gewinnt!
Der Kollaps der Ölpreise, der von den wichtigsten US-Verbündeten in der Region - Saudi Arabien, Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate und Katar - instruiert wurde, zermürbt die russische Wirtschaft mehr und mehr.
Die Intervention von Putin in Syrien ist nichts weiter als der Versuch, beim US-angeführten Plan, Russland in den Ruin zu treiben, den Spieß umzudrehen. Laut einem Bericht auf Counterpunch.org, wird Putin im Kampf gegen den IS gelingen, woran die USA gescheitert sind.
www.counterpunch.org/2015/10/06/how-putin-will-win-in-syria/
Denn die Luftschläge werden durch eine formidable Bodenoperation begleitet, um die Dschihadisten zu überwältigen. Laut einem Bericht von South Front, sollen sich nach einem Bombardement etwa 700 Militante der 147. Syrischen Panzerbrigade ergeben haben.
Es wird erwartet, dass sich dieses Muster in den kommenden Wochen fortsetzen wird: Russische Bomber werden die Ziele an der Front aufweichen, Bodentruppen in Position gebracht, und unzählige Dschihadisten werden entweder fallen, aufgeben oder fliehen. Diese Entwicklung weckt die Hoffnung, dass Syrien nicht zum ewigen Morast wird, wie es die Medien hierzulande schildern.
Saudis in der Defensive
Vieles deutet darauf hin, dass es Putin gelingen wird, in Syrien ein strategisches Standbein zu errichten. Das wäre die für die Staaten, die um jeden Preis die Opposition unterstützen, allen voran Saudi Arabien, Türkei und Katar, eine schwere Niederlage.
Ein US-Analyst sagte zuletzt auf CNBC, dass die Saudis, deren Unmut über Putin langsam den Siedepunkt überschreitet, jetzt erst recht nicht nachgeben würden und am Ölpreiskrieg weiter festhalten.
Ich muss dem Autor des Artikels, White Whitney, rechtgeben, dass Saudi Arabien keine große Gefahr für Putin darstellt. Das Land führt bereits einen Krieg im Jemen, den es nicht gewinnen kann und hat alle Hände voll zu tun, die eigene Wirtschaft am Laufen zu halten.
Auch die Stärkung des Erzfeindes Iran durch Russland, schwächt die Saudis. Der Eintritt in einen militärischen Konflikt mit Russland, erscheint extrem unwahrscheinlich.
USA: Vergleich mit D-Day!
T. Boone Pickens ist der Ansicht, dass die Intervention Putins unvermeidlich eine neue Dimension in der Energie-Gleichung des Mittleren Ostens mit sich bringen wird.
Gleichzeitig bemängelte der Öl-Tycoon die kurzfristige Sichtweise der USA: "Unsere Wirtschaft läuft auf billiger Energie, 2 Dollar für die Gallone macht die Leute glücklich. Wir wissen, wenn die Preise steigen, was passieren wird, dann tut es weh. Die Dinge laufen heute gut, also warten wir bis morgen, um uns über die Zukunft Gedanken zu machen".
Pickens fordert eine langfristige Strategie, wie die USA ihren Energiebedarf deckt, ohne vom Preiseinfluss der OPEC abhängig zu sein.
Pickens vergleicht die Situation mit dem D-Day, der Invasion in der Normandie. Diese war nur möglich, weil die Planungen bereits zu einer Zeit begannen, bevor Amerika mit Japan und Deutschland im Krieg war - noch zu Friedenszeiten. Der Öl-Milliardär forderte auf CNBC noch mehr Entwicklung von Pipelines und Eisenbahnen, um Öl zu importieren und zu exportieren.
Das Problem ist, dass die USA im Hinblick auf Reserven im globalen Vergleich ein Leichtgewicht sind. Alle in Entwicklung befindlichen Tight-Oil-Reserven (circa 18 Milliarden Barrel) reichen nur noch für wenige Jahre. Zum Vergleich: Die nachgewiesenen Reserven der drei Goldstaaten, Saudi Arabien, Kuwait und den Vereinigten Emiraten, belaufen sich auf 460 Milliarden Barrel. Das sind 46 Mal mehr als die U.S.-Shale-Reserven und 12 Mal mehr als die gesamten US-Ölreserven.
Deshalb ist klar: Als das Land, das weltweit am stärksten von billigem Öl abhängt, haben die USA großes Interesse, ihren Einfluss im Mittleren Osten nicht zu verlieren. Nicht zuletzt geht es um die Verteidigung des existenziellen Petrodollar-Standards, der durch China und Russland zunehmend bedroht wird. Wie sich die USA in dieser Rolle verhalten werden, bleibt abzuwarten.
Fazit:
Der Markt beginnt nach langer Zeit, in den Ölpreis wieder die geopolitische Prämie einzupreisen. Für die kommenden Wochen und Monate sieht es nicht so aus, als würde sich die Situation entspannen. Das nächste reguläre OPEC-Meeting in Wien, findet am 4. Dezember statt. Bis dahin dürfte der Druck auf Saudi Arabien zunehmen.
Das WTI (NYMEX) Crude Oil Future X-pert Zertifikat Quanto (Währungsgesichert) von der Deutschen Bank (WKN DB4WT1), wird weiter gehalten. Ein Teilverkauf ist geplant, falls US-Öl WTI kurzfristig auf 55-60 Dollar steigen sollte.
© Uli Pfauntsch
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