Gold & Silber: Ultra-bullische Faktoren
09.12.2015 | Andrew Hoffman
Es ist Dienstagmorgen und bevor wir zu dem stark zum Nachdenken anregendem Thema des heutigen Tages - und den üblichen Horrormeldungen - kommen, möchte ich noch kurz ein Buch vorstellen. Dabei handelt es sich um das Werk eines wirklich guten Newsletter-Schreibers aus der Edelmetall-Community: Gary Christenson, sonst eher bekannt für seine "forensischen" Chartanalysen, wich von seiner üblichen Betrachtungsweise ab, um einen kurzen Kriminalroman mit dem Titel "Who killed Doctor Silver Cartwheel" zu verfassen.
"Cartwheel" ist dabei ein umgangssprachlicher Ausdruck für die Dollarmünzen mit einem Silbergehalt von 90%, die die US-Regierung im Jahr 1964 abschaffte und die heute oft als "Junk-Silber" bezeichnet werden. Auf 160 Seiten erzählt Christenson die unterhaltsame Geschichte eines Privatdetektivs, der den mysteriösen "Mord" an der US-amerikanischen Silberwährung aufklären soll und verbindet dabei gekonnt Fiktion und Chartanalysen, um herauszufinden, zu welchem Preis Silber in fünf Jahren gehandelt wird. Ich werde Ihnen den Preis nicht verraten - nur, dass er deutlich höher ist, als heute - aber ich empfehlen Ihnen, das Buch zu lesen, es sollte Ihnen gefallen.
Wenden wir uns jetzt wieder der Realität der Fundamentaldaten zu, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dafür sorgen werden, dass Christensons Vorhersagen eintreffen. Die grobe Richtung der Prognosen wird sich definitiv als zutreffend herausstellen, vielleicht sogar schon viel früher, als der Zeitrahmen von fünf Jahren in "Who Killed Doctor Silver Cartwheel" vermuten lässt. Beginnen wir mit einem Thema, auf das ich normalerweise nicht viel Zeit verwende: dem Ölpreis und den damit im Zusammenhang stehenden geopolitischen Entwicklungen.
Bei der Überlegung, ob oder besser, wie Sie sich vor der kommenden Finanzkatastrophe schützen können, spielen diese Faktoren eine zentrale Rolle. In Dutzenden von Ländern ist der Kollaps der Währungen, Aktien und Anleihen bereits in vollem Gange und Millionen von Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass die Nachfrage nach physischem Gold und Silber ungeachtet aller offensichtlichen Manipulationen an den Papiermärkten weltweit ein Rekordniveau erreicht.
Im Oktober 2014 sagte ich bereits voraus, dass der Einbruch des Ölpreises, der damals bei etwa 81 USD je Barrel lag, nicht nur "vorübergehend" sein würde, wie Janet Yellen das heute noch glaubt, sondern stattdessen auf globaler Ebene zu finanziellen, geopolitischen und sozialen Spannungen führen würde, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt haben. Dazu kommen natürlich noch die drakonischen Regierungsmaßnahmen, die die Menschenrechte missachten und die Wirtschaft zu Grunde richten.
Der Unterschied ist, dass die Welt diesmal schon vorher pleite ist, denn die Wirtschaft, der es aktuell schlechter geht, als je zuvor in unserem Leben, ist bereits in einem gefährlichen Abwärtsstrudel gefangen.
Zudem darf man die erschreckende Tatsache nicht vergessen, dass die ganze Welt an ein krebszerfressenes Fiatwährungssystem gekettet ist, das einem Ponzi-Schema gleicht und sich in der letzten Phase seines Leidens befindet. Die weltweit ausbrechenden "Währungskriege" machen das mehr als deutlich. Die aktuelle Situation bietet die beste Ausgangslage für zerstörerische Kräfte jeglicher Couleur.
Das ist wohl auch der Grund dafür, dass die Schlagzeilen am vergangenen Wochenende von den immer lauter werdenden Kriegstrommeln beherrscht wurden - und dafür, dass die US-Regierung und die Rüstungsindustrie anlässlich der diesjährigen College-Football-Spiele unverhohlen um neue Rekruten werben. Als wäre es nicht schon beschämend genug, dass bei diesen Spielen Athleten ausgebeutet werden, die sich noch im Studium befinden, tragen die Veranstaltungen auch noch Titel wie "Air Force Reserve Celebration Bowl", "Military Bowl, sponsored by Northrup Grumman" und "Lockheed Martin Armed Forces Bowl".
Die OPEC hat am vergangenen Freitag ihr Übriges getan, um die Aussichten auf unfassbar entsetzliche Geschehnisse wieder etwas näher zu bringen, indem sie es nicht nur ablehnte, die Produktionsquoten für Rohöl zu verringern, sondern diese sogar um 5% anhob. Das hatte ich übrigens bereits vor einem Jahr prognostiziert und in meinem Audiobeitrag vom vergangenen Donnerstag noch einmal wiederholt: "Ich rate jedem Staat und jedem Unternehmen, das auf Rettung durch die Drosselung der Ölförderung in den OPEC-Staaten hofft, sich die Gebete für etwas Wahrscheinlicheres aufzusparen - fliegende Schweine zum Beispiel."
Daher hatte mein gestriger Artikel auch die Überschrift "Forget the Fed, OPEC just sealed the global economy’s terrifying fate" ("Vergessen Sie die Fed - die OPEC hat das Schicksal der Weltwirtschaft gerade besiegelt") und die Zeitungen waren am Wochenende wieder voller Berichte über soziale Unruhen, Terrorismus, militärische Eskalation etc. (siehe unten).
Den krönenden Abschluss bildete dabei natürlich Obamas erste Rede zur Hauptsendezeit seit der Nationalansprache im Jahr 2010, als er versicherte, die amerikanischen Truppen würden aus dem Irak abgezogen. An diesem Wochenende stand allerdings die Ausweitung des "Krieges gegen den Terror" auf dem Programm, nur wenige Tage nachdem die Truppen nicht nur zurück in den Irak, sondern auch nach Syrien geschickt wurden.
- Großbritannien beginnt nur wenige Stunden nach Zustimmung des Parlaments mit Luftangriffen auf den IS
- Griechenland verliert den letzten Rest seiner Souveränität - EU übernimmt Grenzkontrollen
- IS ermordet Gouverneur von Aden und mehr als 20 Huthis
- Türkei hält russisches Schiff im Schwarzen Meer fest, kritisiert Raketenpläne Moskaus
- Putin beschuldigt USA, den Ölhandel des IS zu verschleiern
- Jordanier versucht Tür zur Pilotenkabine eines Lufthansa-Flugzeugs zu öffnen; will sich "mit Allah vereinen"
- Terrorist in Londoner U-Bahn schneidet Mann die Kehle durch; ruft "für Syrien"
- Vater des Attentäters von San Bernardino: Sohn unterstützte den IS
- Irak erwägt, Russland zur Vertreibung türkischer Truppen um direkte militärische Unterstützung zu bitten
- Frankreich, USA und eigene Abgeordnete setzen niederländische Regierung unter Druck, sich an den Angriffen auf den IS in Syrien zu beteiligen
- USA bombardieren Regierungstruppen Assads; Türkei beschuldigt Russland der Verletzung des Vertrags von Montreaux
Über das wichtigste Ereignis trauen sich die Mainstreammedien jedoch kaum zu schreiben (ehrlich gesagt verstehen die meisten dieser "Journalisten" die Tragweite wahrscheinlich gar nicht): Die enormen Erfolge, die der Front National von Marine Le Pen an diesem Wochenende bei den Regionalwahlen in Frankreich erzielen konnte. Die Partei befindet sich jetzt nicht nur in einer guten Ausgangsposition, um das französische Parlament in den nächsten Jahren unter ihre Kontrolle zu bringen, auch Le Pens Aufstieg zur Präsidentschaft ist fast garantiert.
Falls das 2017 geschieht - wahrscheinlich im Umfeld einer viel schwächeren Wirtschaft und viel chaotischerer geopolitischer und sozialer Spannungen - wird die französische Unabhängigkeitsbewegung enormen Auftrieb bekommen und aller Wahrscheinlichkeit nach dafür sorgen, dass sich das Land von der Europäischen Union und dem Euro trennt.
Am Freitagabend tat das mitleiderregend machtlose Plunge Protection Team für Öl was es konnte, um die wichtige Unterstützung bei 40 USD je Barrel WTI-Rohöl trotz der beispiellos bearishen Entscheidung der OPEC zu verteidigen. Der Kurs schloss auch tatsächlich kurz über diesem Niveau, nur um an diesem Morgen, während ich dies schreibe, bis auf 38,60 USD je Barrel zu fallen. Die Schleusen wurden geöffnet - Rohöl ist möglicherweise auf dem besten Wege, den zuvor in diesem Jahr von Goldman Sachs prognostizierten Preis von 25 USD zu erreichen. Zusammen mit dem Öl fiel auch der Rohstoffindex CRB auf ein neues 40-Jahres-Tief.
Allen unaufrichtigen Märchen der US-Notenbank Fed über eine "Erholung" der Wirtschaft zum Trotz schätzt die Citigoup deshalb wohl auch, dass 2016 mit 65%-iger Wahrscheinlichkeit eine Rezession einsetzt, während JP Morgan sogar von 75% ausgeht und ich persönlich der Ansicht bin, dass die Wahrscheinlichkeit 100% beträgt. Diese Prognosen sind viel realistischer, als die täglichen Gebete und die Propaganda der Fed, für die sie auch noch manipulierte Wirtschaftsdaten wie den geschönten Arbeitsmarktbericht vom Freitag verwendet.
In ihrer Rede am Donnerstag besaß Janet Yellen sogar die Unverfrorenheit, vor dem Kongress ihren unerschütterlichen Glauben an das "anhaltende Wachstum des Bruttoinlandsprodukts" der USA kundzutun - gerade einmal zwei Tage, nachdem die Zweigstelle der Fed in Atlanta ihre Wachstumsprognose für das vierte Quartal von 2,3% auf 1,4% nach unten korrigiert hatte! Wenn das keine für alle Welt ersichtliche Falschaussage war, dann weiß ich auch nicht...
Da wir einmal beim wirtschaftlichen Zusammenbruch sind: Die finnische Regierung zieht ihren eigenen Angaben zufolge eine ultimative hyperinflationäre Maßnahme in Erwägung, indem sie den einmaligen wirtschaftlichen "Impuls", den George W. Bush im Februar 2008 beschloss, auf eine neue Stufe hebt. Das Land plant offenbar die Einführung des "Helikopter-Geldes", denn jeder Bürger soll zukünftig ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von rund 800 Euro pro Monat erhalten.
Leider steht dieses Beispiel stellvertretend für den Kurs, den die gesamte Welt eingeschlagen hat. Selbst die Citigroup hat diese Entwicklung vor drei Monaten vorhergesehen, als ihr Chefökonom sagte, "nur Helikopter-Geld kann die Welt jetzt noch retten" - zumindest wenn man unter "retten" das Gleiche versteht wie Mario Draghi, also die Erhöhung der währungszerfressenden Inflation, koste es, was es wolle.
Die Vorstellung, die Fed würde in der kommenden Woche den Leitzins anheben, hat vor diesem Hintergrund etwas Komisches - wobei es natürlich fast noch erheiternder wäre, wenn sie dumm genug wäre, diese Entscheidung tatsächlich zu treffen. Wie ich vor drei Monaten schrieb, wäre eine Zinserhöhung das einzige Ereignis in der Finanzwelt, das potentiell genauso verheerende Auswirkungen haben könnte, wie eine signifikante Abwertung des Yuan.
Die Entwertung des Yuan wird still und heimlich übrigens ebenfalls weiter vorangetrieben (heute Morgen fiel die Währung auf ein 4,5-Jahrestief), während China seine Goldbestände ganz offen weiter aufstockt. Die EZB ist derweil mit der Ausweitung ihrer selbstmörderischen Politik der negativen Zinssätze und der endlosen quantitativen Lockerungen beschäftigt und nimmt sich offenbar ein Beispiel an Japan, das diese Art der Wirtschaftspolitik ("Abenomics") anscheinend bis in alle Ewigkeit fortsetzen will.
Praktisch alle Zentralbanken weltweit verfolgen mittlerweile eine hyperinflationäre Währungspolitik, obwohl der Wert fast aller Währungen bereits enorm gesunken ist. Schlagzeilen wie die beiden folgenden fanden sich an diesem Wochenende überall im Internet - und ich stimme voll und ganz zu:
- Bank für Internationalen Zahlungsausgleich warnt: Zinsanhebung durch die Fed könnte größten Margin Call in der Geschichte des US-Dollar auslösen
- Die Fed kapiert es nicht: Eine Zinserhöhung wird viele in den Ruin treiben
Das bringt mich zurück zu den Edelmetallen. Man sollte meinen, dass die gerade aufgezählte Litanei an ultra-bullischen Faktoren irgendwann einmal einen Einfluss auf die Märkte haben müsste. Ganz zu schweigen von der Bekanntgabe Chinas an diesem Morgen, dass das Land allein im November fünfmal so viel Gold gekauft hat, wie an der COMEX insgesamt in der Kategorie Registered verfügbar sind - aber dort werden ja auch für jede Unze physischen Goldes Terminkontrakte im Wert von 300 Unzen herausgegeben.
Auf die "enttäuschende" Stellungnahme der EZB am Donnerstag und die "explosiven" Arbeitsmarktdaten und die "deflationäre" Entscheidung der OPEC am Freitag, stiegen die Edelmetallpreise tatsächlich sprunghaft an. Doch das entsetzte Kartell "kümmerte" sich sofort darum und attackierte den Goldkurs in der Nacht des Sonntag zum 124. Mal innerhalb der letzten 129 Wochen, um die Stimmung am Markt gleich wieder nach unten zu drücken. Auch der typische Angriff um 02.15 Uhr morgens (zum 564. Mal innerhalb der letzten 642 Handelstage) und der alltägliche Preissturz zur Eröffnung der COMEX durften natürlich nicht fehlen.

Ungeachtet dessen haben all die genannten, bullischen Faktoren weltweit eine Rekordnachfrage nach physischen Edelmetallen hervorgerufen, sodass die physischen Märkte praktisch explodieren. Das bezeugt auch der rasante Rückgang der überirdischen Edelmetallbestände, beispielsweise in den Lagerhallen der COMEX oder des Gold-ETFs GLD.

Es gibt jedoch keinen Chart, der die zukünftige Preisentwicklung besser erahnen lässt, als der folgende. Er basiert auf den Daten, die ich innerhalb des letzten Jahrzehnts Woche für Woche sorgfältig aktualisiert habe. Die sogenannten "Commercial Trader" der COMEX, d. h. die Bullionbanken wie JP Morgan und Goldman Sachs, stehen erstmals seit 14 Jahren kurz davor, am Goldmarkt auf Netto-Basis long zu sein. So bullisch waren die Banken schon seit Beginn der Gold-Hausse zur Jahrtausendwende nicht mehr.
Nach Angaben des Commitment of Traders Report vom Freitagabend hatten sich die Short-Positionen der Commercials bis zum Dienstag auf mickrige 2.911 Kontrakte im Wert von 314 Mio. USD reduziert (also direkt vor dem "unlogischen" Anstieg der Edelmetallpreise). Innerhalb der letzten fünf Wochen wurden damit insgesamt 162.937 Short-Positionen eingedeckt und die Zahl der Netto-Shorts fiel auf den niedrigsten Stand seit Dezember 2001, als Gold zu 277 USD je Unze gehandelt wurde.

Niemand ist diesen Daten gegenüber misstrauischer als ich selbst, vor allem da die COT-Berichte seit zwei Jahren mit einem Haftungsausschluss versehen werden, der besagt, dass die darin veröffentlichten Daten nur zu "Informationszwecken" dienen und für ihre Richtigkeit keine Verantwortung übernommen wird. Allerdings kann ich mir auch nicht vorstellen, aus welchem Grund man die Daten auf eine solch bullische Weise manipulieren sollte, besonders da alle anderen relevanten Statistiken wie zum Beispiel die Angebots- und Nachfragezahlen der COMEX, des GLD und aus Shanghai und Mumbai den gleichen Schluss nahelegen.
Ganz zu schweigen von den periodischen Engpässen, die wir an verschiedenen physischen Edelmetallmärkten beobachten konnten, u. a. in diesem Sommer am Einzelhandelsmarkt für Silber.
Die Knappheit der physischen Edelmetalle nimmt global gesehen zu und Charts wie der obenstehende werden zur Folge haben, dass Investoren, Unternehmen, Gemeinden und Staaten auf der ganzen Welt versuchen werden, den anderen zuvorzukommen. Der Chart zeigt, wie sich die Commercials im Verlauf der letzten 16 Jahre positionierten, und eine so langfristige Übersicht ist viel schwerer zu manipulieren, als kurzfristige Charts. Es ist daher davon auszugehen, dass dieser Chart eine enorm positive Entwicklung der Edelmetallkurse ankündigt, wahrscheinlich noch im kommenden Jahr.
Auf weitere Kommentare werde ich an dieser Stelle verzichten und es Ihnen überlassen, zu überlegen, was genau das bedeutet.
© Andrew Hoffman
Der Artikel wurde am 7. Dezember 2015 auf www.milesfranklin.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.