Alternative Risikobetrachtungen
29.03.2016 | Dr. Dietmar Siebholz
Ich werde immer häufiger nach den Risiken für diese und jene Kapitalanlage gefragt, meist jedoch im Zusammenhang mit Risiko-Investments. Gestern beim Hundespaziergang hier im Regenwald trafen wir auf eine Korallenschlange, eine wunderbare farbige kleine Schlange mit roten, gelben, orangefarbigen und schwarzen Ringen. Es gibt deren zwei Arten, die nur die Einheimischen hier sofort unterscheiden können, die eine ist nur schön, der Biss der anderen tödlich. Blitzschnell kam mir die Frage nach dem Risiko und damit nach der Wahrscheinlichkeit eines negativen Ausgangs eines solchen Zusammentreffens.
Im Gegensatz zu der Risikobetrachtung bei der Korallenschlange, ist das Gefahrenrisiko nicht nach der Gefährlichkeit der Schlangen mit 50 : 50 zu kalkulieren, denn überwiegend vermeidet jede Schlange eine Konfrontation, so sagt man hier. Aber genau dieses Erlebnis veranlasste mich, mir Gedanken zu allgemeinen Risiken zu machen, um dann auf spezielle Risiken wie z.B. den von Kapitalanlagen und deren Verwaltung einzugehen.
Was aber als völlig neues Risiko anzusehen ist - und das ist eine seit dem Jahre 2010 sich immer mehr dynamisierende Entwicklung - ist die Tatsache, dass es aus meiner Sicht als unvermeidlich anzusehen ist, dass sich die total verschuldeten Staaten angesichts der unverrückbaren Faktenlage zu Maßnahmen entscheiden müssen, die aus rückwirkender Sicht als unvorstellbar anzusehen sind: Nämlich zum Zugriff auf das Vermögen ihrer Bürger. Das ist keine neue Erkenntnis, denn wie sagte Carl Fürstenberg, einer der Gründer einer großen Berliner Privatbank (Berliner Handelsgesellschaft) in den 90-er Jahren des 19. Jahrhunderts so trefflich "Nein, nicht der Staat geht pleite, sondern nur seine Bürger".
Nun aber zurück zum generellen Thema. Unter allgemeinen Risiken verstehe ich - ohne Gewähr für die Vollständigkeit der Aufzählung - folgende:
Man muss sich immer vergegenwärtigen, dass alle diese Risiken möglich sind, ohne sich davon zu sehr in seinem Optimismus behindern zu lassen. Denn wenn man anfängt, alle Risiken als jederzeit drohende Gefahr einzuschätzen, wird man schnell reif für die Anstalt. Diese generellen Risiken kann man durch eigene Maßnahmen kaum vermeiden, wenn man einmal das Risiko bei einer Trennung von Partnern ausklammert. Aber auch da habe ich auch so meine eigenen Erfahrungen machen dürfen.
Daher ist die Beurteilung bei der Einschätzung der Kapitalanlagerisiken von größter Bedeutung, denn diese kann man zwar nicht ausschließen, aber generell vermindern. Was wir aber nie und jetzt besonders in diesen verwirrenden und problematischen Zeiten übersehen dürfen, ist, dass der in Bedrängnis geratene Staat zu Maßnahmen greifen wird (und muss), wenn er anstehende Probleme nicht mit herkömmlichen und demokratischen Rechtsmitteln lösen kann. Die Historie ist voll von solchen Verfügungen.
Der Vorteil für die nun Regierenden ist ja der, dass sich von den lebenden Bundesbürgern kaum einer mehr an solche auch in Deutschland durchgeführten Maßnahmen erinnern kann und wenn, dann kommt automatisch die Einrede, "heute in der so aufgeklärten Welt ist das doch überhaupt nicht möglich und durchsetzbar". Da kann ich nur lachen, denn man muss sich nur vergegenwärtigen, dass Zahlungstransfers in der EU ausschließlich über die Verrechnungskonten der EZB gehen können. Vermögen Sie sich vorzustellen, was mit den Zahlungen für Ihr Ferienhaus in Nova Scotia geschieht, wenn die EZB diesen Weg nach einem neuen Gesetz schließt? Nachdenken ist jetzt gefordert, meine ich.
Bei der Bewertung von Risiken bei Kapitalanlagen sollte man deshalb nicht mehr und nicht nur von bisher erprobten Erfahrungen ausgehen, denn wir befinden uns in einem Stadium von Paradigmenwechseln.
Dass Anleihen, Pfandbriefe und Obligationen typische Witwen- und Waisenpapiere sind, dürfte lang schon überholt sein. Die Flut von Staatsanleihen mit niedrigen Zinsen hat die Märkte nahezu überfordert; die reale Bonität der Staaten ist auf dem Wege nach unten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Preise/Kurse von Staatsanleihen von zwei Seiten aus bedroht sind. Das eine ist das Kursrisiko bei Zinsanstiegen. Natürlich kaufen die Anleger vorrangig Titel mit höhere Verzinsung, was automatisch zu hohen Kursverlusten für die niedrig verzinsten Titel führen wird.
Wer sich auf die Stabilität der Kurse beruft, sollte die Werte aus der Vergangenheit überprüfen; in den Jahren 1966 bis 1973 waren je nach Laufzeit der Titel Verluste aufgrund der Zinserhöhungen von 20% bis zu 35% garantiert. Zweitens: Schlimmer wird es, wenn man das Ausfallrisiko von Staatsanleihen berücksichtigt. Wer glaubt, dass alle Anleihen zum Nennwert zurückgezahlt werden, sollte vorsichtshalber die Geschichte bemühen. Die EU-Anleihen sind ohnehin nach entsprechender Gesetzesänderung kündbar, was ja heißt, dass man die Anleihekonditionen mit ausreichenden Mehrheiten ändern kann.
Bei diesen Papieren sollte man ferner nicht übersehen, dass die derzeit niedrigen Zinsen überhaupt keinen realen Ausgleich für die Überlassung des Kapitals darstellen; die Kreditausfallversicherungs-Prämien für Staaten zeigen da ein deutlich objektiveres Bild. Dazu kommt der indirekte Kaufkraftverlust, der mit der laufenden Erhöhung der Lebenshaltungskosten einhergeht. Und bitte halten Sie diese Erhöhung nicht für identisch mit der uns gereichten statistischen Inflationsstatistik. Die offiziellen Werte sind nämlich durch verfälschende Faktoren geschönt.
Mit den oben genannten Kenntnissen scheiden auch Kapitallebensversicherungen, Renteninvestment-Fonds und ähnliche Gestaltungen aus dem empfehlenswerten Bereich aus.
Über Sparbriefe von Banken und Sparkassen, die ja keinen Markt haben, somit auch im Falle eines Falles nicht liquidiert, sondern nur beliehen werden können, muss ich sicherlich keinen Kommentar abgeben; aber auch da verfüge ich über Erfahrungen aus den Jahren 1971 bis 1973 und die waren sehr unerfreulich.
Die nächste Gruppe sind Aktien und Aktien-Investment-Fonds. Nachdem die Regierungen diese Anlageform zur Finanzierung der Wirtschaft immer brauchen werden, sind deren Chancen aber wesentlich höher als die in den vorhergehend besprochenen Anlagemedien. Das unternehmerische Risiko bleibt Ihnen und das zählt zu den normalen Risiken, die ich oben unter allgemeine Risiken erfasst habe. Abgesehen vom Risiko des brutalen Zugriffs der uns beherrschenden "Eliten" (verzeihen Sie mir bitte meinen Zynismus) ist dies eine Anlageform, die zwar nicht risikofrei ist, aber dem Investoren Überlebenschancen lässt.
Die gleiche Einschätzung teile ich für Immobilien; nur da kommen drei Faktoren hinzu, über die man nachdenken muss. Das eine ist die in Deutschland übliche Art der Finanzierung mit einem "angemessenen" Eigenkapitalanteil. Angemessen heißt, man erzielt nach allen Kosten Überschüsse und muss in der Krise nicht permanent zuzahlen, wenn man dann nämlich gerade keine ausreichenden Einkünfte erzielen kann. In diesem Falle wird dann die Erkenntnis "ich bin nach dem Grundbuch zwar Eigentümer, aber faktisch gesehen nur Besitzer der Immobilie. Eigentümer werde ich, wenn ich das Bankdarlehen getilgt habe.
Das war Faktor eins, und nun Faktor zwei. Die hervorragende Struktur der deutschen Grundbuchverwaltung macht es den herrschenden Kräften unendlich einfach, nach entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen den Grundbesitz durch einen einfachen Strich zu belasten. Unsinnig und undenkbar, sagen Sie? Gehen Sie in die deutsche Historie (in 1923/24 und in 1948/49). In Krisenzeiten - und die sehe ich kommen, wenn ich die aktuellen Vorgaben richtig und nüchtern einschätze - hat dieses Mittel immer geholfen, leider nicht den Bürgern. Darüber habe ich schon oft referiert. Gehen Sie einfach einmal in die Informationsseiten á la Google oder Wikipedia und lassen Sie sich dort über diese Maßnahmen unterrichten.
Sie werden staunen, was der Staat so tun kann und (Achtung!) es ist alles legal, das heißt doch nur, es müssen dafür Gesetze beschlossen werden. Und das geht ohne Ihre persönliche Mitwirkung über die Bühne. Die Gesetze, die unsere Volksvertreter (ich unterlasse hier bewusst Kommentare zur Interpretation dieser Bezeichnung) in Sachen EU, ESM, ELA, Maastricht, Lissabon etc. durchgewinkt haben, sprechen eine beredte Sprache, zumindest für den, der sich bemüht, diese zu verstehen.
Faktor drei: In unserer provisorischen Verfassung, deshalb von den Alliierten so „empfohlen“, nur Grundgesetz genannt, steht, dass Eigentum verpflichtet. Wenn Sie also eine Immobilie als Einnahme-Quelle durch Vermietung sehen, dann bedroht Sie diese Definition im Grundgesetz. Man hat eben an alles gedacht, auch schon im Jahre 1948.
Gegenüber einem Mieter werden Sie in solchen "Notsituationen" dann bei der Bewertung Ihrer Interessen nur den zweiten oder dritten Platz belegen. Fragen Sie sich bitte, ob Ihnen das ausreicht.
Das gleiche gilt im Sinne der üblichen Risiken auch für Auslandsimmobilien, allerdings mit zwei Einschränkungen. Nummer eins: Die Bedingungen für das Eigentum im Ausland sind erheblich gefährlicher als die in Deutschland, wenn man nicht über einen guten Verwalter verfügt. Dass diese selten sind, muss ich Ihnen nicht sagen. Sie wissen das ohnehin. Aber was für die Auslandsimmobilie spricht, ist, dass man davon ausgehen kann, dass im Ausland in der Regel das Eigentum mehr als in Deutschland geschützt ist. Eine der wichtigsten Ausnahmen ist hier die USA, die ja in ihrer Historie schon mehrmals dokumentiert haben, wie einfach es ist, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sein Eigentum zu verlieren, weil man eine Eigenschaft hat, die den dortigen Oberen nicht gefällt.
Was ist mit den Derivaten, Zertifikaten etc.? Sie sind ja reine Papiergestalten, deren Bonität von der Bonität der Emittenten abhängt. Ihre Frage nach den Risiken können Sie selbst beantworten. Warum nennt einer der erfolgreichsten Investoren (Warren Buffett) diese "Massenvernichtungsmittel der Finanzindustrie?
Oder haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, warum die weltweiten erfolgreichen Investmentbanken Milliardenüberschüsse aus der Emission solcher Titel ziehen? Weil sie den Investoren hohe Gewinne bescheren? Oder für so einfache Gemüter, wie ich es bin: War im Frühjahr 1912, als die Titanic den Eisberg streifte, der Besitz eines Zertifikats zur Auslieferung eines Rettungsbootes per Termin Dezember 1912 wirklich von großen Wert? Die Antwort kennen Sie: Ein uneingeschränktes Ja, aber nur für den Emittenten des Zertifikats.
Demagogie hin und her, ich habe ein praktisches Beispiel: Ende 1979 kaufte ich in der Überzeugung, der japanische Aktienmarkt würde einbrechen, Bankers Trust-Put-Optionsscheine auf den Nikkei-Index - ich meine, mit einer Basis von 33.000. Der Index stand so bei 39.000. Dann fiel der Nikkei ins Bodenlose. Meine Gewinne waren haushoch. Ich realisierte einen kleinen Teil. Und als der Nikkei weiter nach unten rauschte, wurde die Börsennotiz erst in Frankfurt, dann in Toronto eingestellt. Die Frage, wie man dann seinen Profit realisieren konnte, erübrigte sich damit.
Nun zum Grundsätzlichen: Wenn man die vergangenen Jahrhundert Revue passieren lässt, wird man erkennen, dass es immer Zeitperioden gab, in denen sich Finanzkonstrukte oder Substanzprodukte den Vorrang ablaufen. Die Finanzkonstrukte führten meist zu unerfreulichen Endstadien so. z.B. die Tulpenzwiebel-Zertifikate, das Louisiana-Modell, ABS (Asset-Backed-Securities) etc. Für mich schwingt das Pendel unerbittlich zurück auf die Ursprünge, auf Substanzen und direkte Investments.
Damit meine ich Edelmetalle als Währungsersatz, Agrarland, Wasserversorgung, Nahrungsmittel-Herstellung und -Verkauf, also Dinge, die man zum Leben wirklich braucht. Die Frage, ob ich ein Zertifikat mit der Wette auf die Zwillingsgeburten im US-Staat Wyoming für das Jahr 2017 (also ein klassisches Derivat) wirklich brauche, habe ich für mich bereits beantwortet. Baden-Baden mit seinem Casino und seinen manchmal auch klassischen Besuchern wären mir für das Erleben von Risikogefühlen da schon lieber und auch statistisch sicherer …
Und nun zum Grundsätzlichen Teil II: Übersehen Sie nicht, dass derzeit das größte Risiko die Gier der Staaten ist, die ihre verhunzten Form der Finanzierung ihrer meist unsinnigen Ausgaben, zu denen ich auch die Umverteilung von Vermögen von untern oder von der Mitte nach oben sehe, rechne. Und da sind alle Anlagen, die es dem Bürokratieungeheuer leicht machen, bedroht.
Extrem gefährdet wären z.B., Bundesanleihen, die man aus Kostengründen direkt bei der Bundesschuldenverwaltung verwahren lässt. Im Falle eines Falles brauchen die nur eine einzige Umbuchung zu machen, und die heißt SOLL Anleger gegen HABEN Bundeskasse. Mit der Beschlagnahme von Goldmünzen (nach dem Motto "Geld gab ich für Eisen" 1914 - 1918) oder "Für Führer, Volk und Vaterland" 1940 - 1945) hätte die Autorität schon wesentlich mehr Schwierigkeiten.
Ich habe diese Gedanken zu Ende geführt und kam zu folgenden Ergebnissen:
- 1. Alle in Sammeldepots geführten Wertpapiere unterliegen im Falle eines Falles dem direkten Zugriff
- 2. Wertpapiere in Urkundenform - seit Jahren wird dieses Marktsegment ausgetrocknet - sind einem direkten Zugriff nicht ausgesetzt
- 3. Versicherungs- und Versorgungsvereinbarungen unterliegen dem direkten Zugriff der staatlichen Autoritäten
- 4. Inländische Immobilien sind über die zentral geführten Grundbücher beeinflussbar, wie im Übrigen schon zweimal in einem Jahrhundert erfolgreich gegenüber den Eigentümern praktiziert (1923/24 und 1948/49).
- 5. Ausländische Bank- und Depotguthaben (natürlich außerhalb der EU) sind derzeit unantastbar, solange in diesen Ländern der verfassungsgemäße Eigentumsschutz aufrechterhalten wird.
- 6. Ausländische Immobilien unterliegen nicht dem Zugriff deutscher Behörden.
- 7. Sachinvestments im Ausland sind meldepflichtig oder können meldepflichtig werden, aber es gibt keinen direkten Zugriff.
- 8. Gleiches gilt für ausländische Institutionen und Körperschaften. Der Eigentümer bleibt bei solchen Körperschaften immer in der Lage, Einfluss zu nehmen.
Es wäre nicht falsch, wenn Sie sich Gedanken bezüglich dieser besonderen Risikofaktoren Ihrer Kapitalanlagen und deren Verwaltung und Absicherung machen würden. Ich empfehle dabei, an das Undenkbare zu denken. Solche Strategie kann Sie vor Schäden bewahren, wenn sich die Zeichen an der Wand noch klarer als bisher erkennen lassen. Irgendwann einmal muss sich das in die Enge getriebene System zu unbequemen Maßnahmen entscheiden. Handeln Sie daher vorher.
© Dr. Dietmar Siebholz
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