Mein blindes Vertrauen in die ETF´s ist dahin, nachdem ich das las …
29.06.2016 | Dr. Dietmar Siebholz
Vor Jahren, als insbesondere für den Edelmetallmarkt die Exchange Traded Funds (kurz: die ETF´s) präsentiert wurden, habe ich deren Erscheinen als ein neues wichtiges Mitglied der Gruppe der besonderen Wertpapiere begrüßt und sie als wesentliche Erleichterung für den Normalsterblichen betrachtet, möglichst direkt an einem physischen Bestand von Edelmetallen beteiligt zu sein.
Ich hätte mir die Mühe machen sollen, deren ellenlangen Satzungen anzusehen. Denn darin ist das Procedere beschrieben, wie die ETF´s sich im täglichen Verkehr zu verhalten haben bzw. wie sie agieren. Natürlich haben sie den Vorteil, dass man eine indirekte Bindung an das zugrunde liegende Edelmetall bekommen kann und dies zu relativ günstigen Konditionen.
Aber sind diese ETF´s (über die Grundbedingungen bei den Ausnahmen spreche ich später) überhaupt ein Medium für den Anleger, der flexibel an einem physischen Besitz zumindest indirekt interessiert ist?
Meine Antwort ist NEIN, denn eine Auslieferung des Metalls in physischer Form ist in der Regel entweder gar nicht vorgesehen oder an Volumen gebunden, die nicht für den Normalanleger geeignet sind. Und nochmals NEIN, weil man gar nicht sicher sein kann, ob diese ETF´s das Edelmetall umfänglich auch in physischer Form halten müssen.
Und genau darauf kommt es meiner Meinung im Umfeld der immer noch nicht einmal in Ansätzen bereinigten Finanzkrise an, nämlich dass eine Bindung an den Wert des physischen Metalls gegeben ist. Ungedeckte Papierversprechen wie Schuldscheine, Staatsanleihen, Derivate und Optionen gibt es genug. Bei der anstehenden Bereinigung werden diese "Papierwerte" nach ihrem inneren Gehalt ermittelt und der ist - wie man aus der Historie weiß - regelmäßig NULL oder günstigstenfalls gering.
Ja, so werden Sie die Fragen stellen, wofür sind sie dann gut? Nach meiner subjektiven Meinung sind die meisten von ihnen nur ein Spekulationsobjekt für große Vermögen wie für Hedgefonds, nicht aber für langfristige Anleger, die ihr Sparvermögen gegen die Wirkungen bei der Endlösung der Finanzkrise absichern wollen.
Allein schon die Gründungsinstitute und die dabei involvierten Partner (Investment-Banken, Administratoren, Broker) lassen das Konfliktpotential erahnen, aber besonders die Statuten der ETF´s zeigen einige Besonderheiten, die wohl nicht unbeabsichtigt in diese aufgenommen wurden. Ich fange immer an, vorsichtig zu werden, wenn eine neue und nach meiner Meinung weniger verständliche Wortwahl in den Verträgen aufscheint.
Allein schon die Gestaltung des Erwerbs von Edelmetallen durch die Mitwirkenden lässt aufhorchen; der ETF selbst erhält seine Assets von sog. "authorized participants" (AP), also von Banken und Brokern; diese liefern das Material und erhalten dafür "Creation Units" (Schöpfungs-Einheiten), deren Wert vom ETF-Treuhänder ermittelt wird.
Lesen Sie doch einfach einmal die Satzungen und Sie werden sehen, wer die Treuhänder sind. Oft sind es Investment-Banken, die in ihren veröffentlichten Positionen am Future-Markt als konträr zu meiner Investment-Entscheidung angesehen werden können. Man könnte beinahe zum Verschwörungstheoretiker werden. Wer bestellt schon sein Fleisch gern bei einem Veganer?
Der AP verkauft dann die neuen Einheiten an Investoren mit einem Zuschlag auf den Nettowert am Ende eines Geschäftstages.
Um die Profitabilität für den AP zu sichern, kann dieser die Assets KAUFEN oder oft auch nur BORGEN. In den meisten Prospekten der ETF´s ist genau dieses KAUFEN oder BORGEN nicht genau geregelt. Dies hat auch das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte in seiner Schrift über ETF´s generell festgestellt.
Die Aktien der ETF´s sind so strukturiert, dass die Broker Aktien ihrer Kunden borgen können (z.B. aus Margin Accounts). Die Kunden müssen nach meiner Kenntnis darüber nicht informiert werden. Auch hier ist eine Einflussnahme der Verwaltungspartner durchaus denkbar und diese Einflussnahme muss nicht immer im Interesse der Investoren sein.
Bei den Edelmetall-ETF´s wird dies wahrscheinlich genauso wie bei den anderen ETF´s gehandhabt. Präzise Aussagen zum Erwerb des Edelmetalls gibt es oft nicht. Also können AP´s/Broker auch die Metalle "borgen", zumindest für eine nicht genau definierte Zeit. Auch die Zentralbanken könnten für solche Leihgeschäfte bereitstehen. Wenn man unterstellt, dass diese Zentralbanken direkt oder indirekt in die Edelmetallmärkte eingreifen oder eingreifen, kann das auch mit den Investoreninteressen kollidieren.
Damit Sie nicht glauben, der Siebholz spinnt hier, folgender Hinweis: Im Originalprospekt für den Street Track Gold Trust (GLD) war diese Praxis noch genau beschrieben worden. Im jetzigen Prospekt, der nur noch halb so dick ist wie das Original, sind viele Fakten so wie sie z.B. die Verwalter-Arrangements betreffen, ausgelassen worden.
Warum dieses Misstrauen? Nun, wenn man die Ziele der Goldinvestoren kennt, dann muss man wissen, dass die meisten den physischen Goldbesitz als ideal ansehen, alles andere ist eine andere Art der Future-/TZermin-Spekulation. Allein schon die Namensgebung in den umfangreichen Verträgen veranlasst zum Nachdenken. Man spricht dort häufig statt von "kaufen" z.B. von "assembling" (also zusammensetzen) und von "introducing" (also einsetzen) statt von "verkaufen", ebenso von "collected" (also gesammelt) statt von "kaufen". Ich meine, die Anwälte, die diese Verträge gestaltet haben, müssen sich dabei etwas gedacht haben.
In den von mir herangezogenen Informationsunterlagen von
- der Bank for International Settlements (BIS, Basel) "Systemic Risks of ETF"
- der SEC US-Börsenkontrollinstitution (Investors Bulletin - ETF´s)
- von Deloitte “ETF”
- von Wainwright Economics
sind weitere Risiken aufgezeichnet, z.B. dass nicht alle ETF´s und deren Akteure ausreichende Verlustversicherungen abgeschlossen haben bzw. keine Sicherheiten für das Counterpart-Risiko berücksichtigt sind. Natürlich sind die Institutionen über jeden Zweifel erhaben, aber der Goldanleger kauft ja den Gold-ETF, weil er Ausfallrisiken dieser Art (siehe Leistungsrisiken nach großen Kurssprüngen wie gestern die Folgen der BREXIT-Abstimmung) vermeiden will. Und auch ein extrem stabiler Hedgefonds wie der Long Term Capital Management-Fonds musste dies hautnah erleben.
Mein Ziel ist es keinesfalls, Sie von einem Investment in einem Edelmetall-ETF abzuhalten, aber ich rate Ihnen dringend, sich die vollständigen Prospekte aushändigen zu lassen und diese dann auch genau zu prüfen, ob die darin zum Ausdruck gebrachte Konzeption Ihren Anlagevorstellungen auch entspricht.
Zum Schluss das Bekenntnis, dass meine Familie auch solche Edelmetall-ETF´s besitzt, aber nur solche, bei denen der Emittent absolut sichergestellt hat, dass die Assets auch wirklich und physisch in SEINEM Tresor gehalten werden. Alle anderen Konzepte sind einfachere und billigere Lösungen für einen indirekten Edelmetallbesitz und daher für unsere Zwecke nicht geeignet, denn unser "Schlauchboot" für den Fall, dass unser Schiff auf ein Riff fährt, kann nur physisch nicht aber als Derivat hilfreich sein.
Und wenn ich schon auf den sofortigen Zugriff auf das o.g. Schlauchboot verzichten muss (wie beim ETF), dann will ich sicher sein, dass ich innerhalb einer immer noch lebensrettenden Zeit Zugriff auf das Boot bekomme.
Ich glaube, Sie verstehen meine Beweggründe. Bei Fragen nehmen Sie mit mir Kontakt über wthlz2@gmx.de auf.
© Dr. Dietmar Siebholz
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