Der Brexit: Ursachen, Konsequenzen und voreilige Schlüsse
02.07.2016 | The Gold Report
Die Welt wird die Konsequenzen des Brexits tragen müssen - im positiven Sinne.
Eine der Lieblingsfantasien vieler Menschen ist es zu glauben, dass sie intelligenter sind als ein durchschnittlicher Betonklotz, obwohl wir alle wissen, dass Ziegelsteine im Vergleich zu vielen Menschen oft brillant wirken.
Vor einigen Jahren bekam ich eine E-Mail von einer der zahlreichen neuen Gold-Webseiten im Internet, in der ein Wettbewerb zur Vorhersage des Goldpreises angekündigt wurde. Sie nahmen Kontakt zu den Kommentatoren auf, die ihrer Meinung nach zu den Top 150 der Branche zählten und baten sie, den Goldpreis in sechs Monaten zu prognostizieren. Ich plusterte mich sofort auf, als ich erfuhr, dass es auf dieser Welt jemanden gibt, der meine Genialität zu schätzen weiß. Wahrscheinlich hätte ich lieber fragen sollen, ob ich die Nr. 1 auf ihrer Liste war, oder nur ein Lückenfüller für Platz 150, nachdem fünf andere von der Liste gestorben waren.
Sie fragten mich nach einer Prognose und ich antwortete. Die Resultate wurden Monate später veröffentlicht. Ich war der Einzige, der exakt richtig lag. Und bevor Sie jetzt denken, dass mich das auf der Liste mindestens auf Platz 2 oder 3, wenn nicht gar ganz an die Spitze bringen sollte: Meine Antwort lautete, dass nur ein Idiot glauben würde, er könne den Preis eines beliebigen Rohstoffs für einen so weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt exakt vorhersagen. Es gibt ganz einfach zu viele Variable.
Sicher, werden Sie sagen, aber einer der anderen 149 Marktbeobachter lag mit seiner Vermutung doch bestimmt sehr nah am tatsächlichen Goldkurs. Das ist zwar richtig, aber völlig bedeutungslos. Wenn Sie eine Münze 20mal werfen und 150 Personen bitten, die Ergebnisse vorherzusagen, würde einer von ihnen wahrscheinlich auch richtig liegen. Das macht diese Person aber noch lange nicht zum Genie. Wenn 150 Leute raten, welche Ergebnisse ein zufälliges Ereignis wie ein Münzwurf produzieren wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass eine Person richtig liegt. Das sind keine brillanten Vorhersagen, nur uninformierte Mutmaßungen.
Sie können im Internet einen Chatroom oder ein Forum zu einer beliebigen Aktie oder einem beliebigen Rohstoff besuchen und Sie werden alle möglichen Kommentare von völlig verschiedenen Leuten lesen, die über keinerlei Qualifikationen verfügen. Ihnen allen ist aber gemein, dass sie daran glauben, den Preis einen Monat oder ein Jahr im Voraus zu kennen. Sie werden diesen Glauben bis zum Tod verteidigen, denn immerhin besitzen sie eine Tastatur, also sind sie auch qualifiziert, eine Meinung zu haben. Ich ignoriere all diese Foren größtenteils.
In den letzten zwei Tagen wurde die Welt von einer Flut an Meinungen über den Brexit und die voraussichtliche Reaktion jedes einzelnen Investments überschwemmt. Die große Mehrheit dieser Kommentare und Prognosen ist unbedeutend, weil das Vereinigte Königreich und die EU noch zwei Jahre Zeit haben, um ihre Trennung auszuhandeln und die Scheidungspapiere zudem frühestens im Oktober eingereicht werden.
Jeder hat eine Meinung, doch die Chancen, damit richtig zu liegen, sind minimal. Es gibt ganz einfach zu viele Alternativen, um überhaupt eine fundierte Vermutung aufzustellen. Das Beste, was wir derzeit tun können, ist versuchen den Auslösern dieser Entscheidung auf den Grund zu gehen.
Auf ein Körnchen Weisheit stieß ich allerdings in der britischen Tageszeitung The Daily Telegraph, in der Ambrose Evans-Pritchard schrieb:
"Von allen Seiten sind wütende Vorwürfe zu hören, doch wir sollten nicht vergessen, dass die eigentliche Ursache dieser unglücklichen Scheidung im Verhalten der EU-Eliten selbst begründet ist. Sie waren es, die sich auf utopistische Wagnisse eingelassen, die Konsequenzen jedoch katastrophal schlecht gehandhabt haben. Sie haben die historisch gewachsenen Nationalstaaten in einen Belagerungszustand versetzt und mit dem Vertrag von Lissabon die Grenze der demokratischen Legitimierung überschritten. Eine Krise war vorherzusehen und nun ist sie da."
Ich würde nicht sagen, dass er vollkommen recht hat, aber ich stimme zu, dass das Problem sowohl in der Europäischen Union als auch in den Vereinigten Staaten in den außer Kontrolle geratenen Regierungen besteht, die sich wie ein Krebsgeschwür ausbreiten.
Das Konzept der Nationalstaaten geht zurück auf den Westfälischen Frieden, der 1648 unterzeichnet wurde und sowohl den Dreißigjährigen Krieg innerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation als auch den Achtzigjährigen Unabhängigkeitskrieg zwischen den Niederlanden und Spanien beendete. Die Verhandlungen wurden von Vertretern 109 verschiedener Regierungen geführt.
Im Rahmen des Westfälischen Friedens wurde festgelegt, dass einzelne Nationalstaaten Grenzen haben, von einer wie auch immer gearteten Regierung verwaltet werden und ihre eigenen Gesetze erlassen, die von den anderen Staaten respektiert werden sollten. Militärische Invasionen anderer Nationalstaaten wurden verboten und der Einsatz des Militärs war nur zulässig, wenn der eigene Staat angegriffen wurde. Während der nächsten rund 300 Jahre hat dieses System mehr oder weniger funktioniert. Europa wandelte sich von einem ständig von kriegerischen Auseinandersetzungen bedrohten Kontinent zur wirtschaftlichen Supermacht und die Bevölkerung genoss größere Freiheiten als je zuvor in ihrer Geschichte. Der Friedensvertrag war nicht das Ende aller Konflikte. Doch durch die Herstellung eines Machtgleichgewichts wurden viele potentielle Kriege schon im Keim erstickt.
Diese 300 Jahre des relativen Friedens durch erfolgreiche Konfliktlösung endeten im 20. Jahrhundert. Das gesamte Konzept der Partikularstaaten, die jeweils selbst für ihr Schicksal verantwortlich sind, wurde plötzlich verworfen. Aus dem multipolaren Machtgleichgewicht, das vor dem Zweiten Weltkrieg geherrscht hatte, ging das bipolare Gleichgewicht des Schreckens hervor, dass die Welt nach dem Krieg prägen und sich nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 in eine unipolare Weltdiktatur verwandeln sollte.
Wir müssen dringend zum Konzept der Nationalstaatlichkeit zurückkehren. Wie auch die USA ist die EU ein gescheiterter Staat.
Die nicht durch Wahlen legitimierten Funktionäre der EU besitzen Macht ohne Rechenschaftspflicht. Um die Zehntausend von ihnen - die genaue Zahl scheint niemand zu kennen - verdienen mehr, als der Premierminister von Großbritannien. In der gleichen Woche, in der die britischen Wähler der EU den Mittelfinger zeigten, erhielt Griechenland übrigens die erste Zahlung über 10,3 Milliarden Euro, die Teil des dritten Hilfspaketes ist, das die EU kürzlich freigegeben hatte. Perfektes Timing.
In einem brillant geschriebenen und produzierten Video mit dem Titel "Brexit: The Movie", das online frei verfügbar ist, wird Nigel Farage folgendermaßen zitiert:
"Das ist das einzige Parlament, das die Welt je geschaffen hat, in das man keinen Gesetzesentwurf oder -vorschlag einbringen kann. Noch nicht einmal die Beantragung einer Gesetzesänderung oder -aufhebung ist möglich. All das ist auf die nicht gewählte Europäische Kommission zurückzuführen."
Welche Ausmaße kann die Dummheit annehmen? Wenn wir bereits wissen, dass eine gesamte Organisation dysfunktional ist? Sehen Sie sich den einstündigen Film an. Im Nachhinein betrachtet ist er sogar noch besser.
Es gibt beispielsweise fünf EU-Richtlinien für Kissenbezüge. Der eine oder andere mag das vielleicht schon ein wenig übertrieben finden, aber nur bis man erfährt, dass es 109 Verordnungen gibt, die die Kissenfüllung regeln. Diese Zahl erscheint allerdings auch nur so lange absurd, bis man die 225 Bestimmungen liest, die zum Thema Brillen verfasst wurden.
Es gibt zehn Gesetze über Bettdecken und 39 über Bettlaken. Für Zahnbürsten waren 31 Richtlinien notwendig. Spiegel sind da schon eine viel ernstere Angelegenheit, denn dazu hat die EU 172 Regelungen verabschiedet. Haarwaschmittel kommen dagegen mit nur 118 aus, während Handtücher nach 454 Vorschriften verlangten. Um alle Einzelheiten zu klären, die Brot betreffen, waren unglaubliche 1.246 Regeln nötig, für Toaster wiederum nur 52. Milch ist andererseits ein wirklich schwieriges Thema und verlangt nach 12.653 einzelnen Bestimmungen. Für Schüsseln waren 99 ausreichend, aber damit die Europäer wissen, wie man Löffel herstellt und benutzt, wurden 210 Gesetze benötigt.
Die Mehrheit der britischen Wähler, die sich beim Referendum für den EU-Austritt entschieden haben, haben gegen die übermächtige Regierung, gegen die fehlende Rechenschaftspflicht, gegen die Diktatur der Lobbyisten und für ein Regierungskonzept gestimmt, das die staatlichen Eingriffe so gering wie möglich hält. Die EU ist unkontrolliert gewachsen. Sie ist das aufgeblähte Nonplusultra des Regierens durch Ausschüsse. Dieser bürokratische Koloss kann nicht funktionieren, und je eher ihn jemand zu Fall bringt, desto eher können Europa und der Rest Welt wieder aufstehen und sich erholen.
Damit der geneigte Leser nun nicht auf die Idee kommt, die US-Regierung wäre in irgendeiner Weise besser als die EU, möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die Vereinigten Staaten nach 1991 die heutige unipolare Welt geschaffen haben. Als es an der Zeit gewesen wäre, die NATO zu Grabe zu tragen und eine Friedensdividende zu erklären, haben die, die in den USA hinter den Kulissen die Fäden ziehen, das Land stattdessen von einem unbegreiflich dummen Krieg zum nächsten getrieben.
Für das Debakel, das wir Irakkrieg nennen, wurde niemand je zur Rechenschaft gezogen. Afghanistan befindet sich seit dem Einmarsch der US-Truppen im Jahr 2001 im Kriegszustand. Wenn es Alexander der Große nicht geschafft hat, das Land einzunehmen, was hat Bush und Obama dann auf die Idee gebracht, dass es ihnen gelingen würde?
Wenn ein Land einen Krieg beginnt, der 15 Jahre später noch immer andauert, dann sollte es eine Art internationale Regel geben, die besagt, "Ihr habt verloren, findet euch damit ab." Die die US-Generäle sind entweder so ahnungslos oder sie freuen sich so sehr auf den schönen Job, den sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Militärdienst bei einem großen Rüstungskonzern annehmen können, dass sie weiter Geld in ein aussichtsloses Unterfangen stecken. Das einzige, was sie in diesen Jahren erreicht haben, ist ein Anstieg der Opiumproduktion um 1.500% gegenüber der Zeit unter den Taliban.
Wenn man 1 Billion $ für ein schickes neues Kampfflugzeug ausgibt, das schon zehn Jahre überfällig ist und dessen Software nicht funktioniert, und wenn das vorherige Modell schon verschrottet ist und in einem Luftkampf ohnehin keine Chance hätte, dann sollte man vielleicht zugeben, dass es sich um die reinste Zeit- und Geldverschwendung handelt. In den USA geht das aber nicht, weil der Rüstungskonzern Raytheon in 45 Bundesstaaten Verträge abgeschlossen hat. Der Kongress kann das völlig überzogene Programm nicht einfach stoppen, weil die Politiker wissen, dass sie dann weniger finanzielle Unterstützung für ihre Kampagnen bekämen.
Die Amerikaner sind heute das am besten überwachte Volk der Geschichte. Das ist die direkte Konsequenz aus den Anschlägen vom 11. September, den aufgeblähten US-Geheimdiensten und der Abschaffung jeglichen Schutzes, den die Bürger vor einer übermächtigen Regierung einmal besaßen. Die Stasi und die Gestapo wären begeistert gewesen, wenn sie auch nur über die Hälfte der Möglichkeiten und Macht verfügt hätten, die die NSA heute hat. Jedes Telefongespräch kann überprüft werden, jede E-Mail wird für die Nachwelt aufgezeichnet. Wenn Sie ein Bild ihres neugeborenen Kindes in den sozialen Medien hochladen, weiß das NSA-Hauptquartier in Maryland eher Bescheid, als Ihre Eltern. Wenn Sie zu Hause eine Sicherheitskamera installiert haben, damit Sie vom Büro aus überprüfen können, ob alles in Ordnung ist, dann kann die NSA das auch. (Tipp: Vielleicht sollten Sie diese Kamera lieber auf eine Schranktür als auf das Bett richten. Wie wollen die Zuschauer ja nicht von ihrer Arbeit ablenken.)
Sind die Vereinigten Staaten dadurch sicherer geworden? Ich denke nicht. Die Polizei kann im ganzen Land machen, was sie will. In Baltimore können sechs Polizeibeamte einen Verdächtigen in Handschellen in ihren Transporter werfen und lachend zusehen, wie der Fahrer immer wieder beschleunigt und dann abrupt auf die Bremsen tritt. Als sie auf der Polizeiwache ankommen und den halbtoten Verdächtigen aus dem Auto zerren, merken sie, dass sein Genick gebrochen ist. So etwas passiert auf der ganzen Welt, aber in den USA wird niemand zur Verantwortung gezogen. Es gibt Gesetze für die normalen Bürger und es gibt Gesetze für Polizisten und zwischen beiden gibt es keine Überschneidungen.
In den Jahren vor 2008 und auch noch danach wurden in den USA Billionen von Dollar durch Betrug und unverblümten Diebstahl abgezweigt und niemand musste dafür ins Gefängnis. Heute ist es nicht anders. Das gesamte globale Finanzsystem ist ein Ponzi-System, ein Kartenhaus, das nur auf den ersten Windzug wartet. Die US-Regierung hat dieses Problem weiter verstärkt und die Kosten dafür, es zu beheben, sind enorm angewachsen.
Als ich im November das Buch "The Art of Peace" schrieb, sagte ich eine weltweite Revolution voraus, nach deren Abschluss unsere Welt viel besser sein wird, weil die Regierungen über weniger Macht verfügen. Je weiter die Macht, Entscheidungen zu treffen, von denjenigen entfernt ist, deren Leben von diesen Entscheidungen beeinflusst wird, desto dümmer werden die Beschlüsse. Aus diesem Grund leisten die Schulämter in den USA ziemlich gute Arbeit, während das Bildungsministerium eine relativ nutzlose Einrichtung ist, die der Bildung höchstens im Wege steht. Wenn die Entscheidungen so lokal wie möglich getroffen werden, funktioniert das praktisch immer.
Am Donnerstag, den 23. Juni 2016, stimmten die Wähler im Vereinigten Königreich dafür, dem größten politischen Sumpf der Geschichte ein Ende zu bereiten. Es ist gar nicht wichtig, was nun getan wird. Das Läuten der Glocke lässt sich nicht rückgängig machen. Wie viele meiner Bekannten glaubte auch ich, dass die Behörden in Großbritannien sich bei einer so knappen Abstimmung einfach ein Beispiel an dem nehmen würden, was in den USA bei Wahlen üblich ist: sie so zu manipulieren, wie es ihnen am besten passt. Doch das haben sie nicht getan. Das Volk hat gesprochen und es wird gehört werden.
Wir brauchen eine Verkleinerung der Regierungen. Wir können dieses Ziel auf einem angenehmen oder einem weniger angenehmen Weg erreichen, aber wir werden es erreichen.
© Bob Moriarty
The Gold Report
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Dieser Artikel wurde am 26. Juni 2016 auf www.theaureport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.