Teure Irrtümer im Edelmetallsektor
15.08.2016 | Avi Gilburt
In der Vergangenheit habe ich dieses Thema nicht direkt behandelt, aber ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass ich es zur Sprache bringen muss: Es geht um die Qualität vieler "Analysen". Der Großteil der Analysen, die ich lese oder höre, basiert auf Spekulationen und Widersprüchlichkeiten. Wenn ich die Kommentare von Analysten lese, die das jeweilige Thema selbst nur zum Teil verstehen, sich aber dennoch als Experten ausgeben, dann wird mir klar, warum so viele Marktteilnehmer so oft falsch liegen.
Ich will damit nicht sagen, dass man keine Fehler mehr macht, wenn man sich ein hervorragendes Wissen über einen bestimmten Bereich angeeignet hat. Wir sind alle nur Menschen und wir machen alle Fehler. Wenn man jedoch Analysen veröffentlicht, ohne das Thema wirklich voll erfasst zu haben, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man falsch liegt, exponentiell an. Und genau damit habe ich ein Problem.
Analysten haben gegenüber der Öffentlichkeit eine große Verantwortung, und die sollten wir ernst nehmen. Unsere Aufgabe ist es, uns so umfassende Kenntnisse wie möglich anzueignen, damit wir denen, die unsere Kommentare lesen und unseren Rat befolgen, eine verlässliche Perspektive bieten können. Das Schwierige daran ist, auch zu erkennen, wo wir an die Grenzen unseres Wissens stoßen. Wenn wir etwas nicht gänzlich verstehen, sollten wir unsere Meinung dazu auch nicht äußern. Jeder, der das hart verdiente Geld der eigenen Leserschaft wahrhaft respektiert, wird danach streben, so viel wie möglich über die Themen zu lernen, die er kommentiert.
Gerichtsverfahren und Strafen im Manipulationsskandal
Ein Beispiel sind in diesem Kontext die starken Ansichten, die viele im Hinblick auf Manipulationen im Edelmetallsektor vertreten. Ich werde dieses Thema selbst an dieser Stelle nicht erneut diskutieren, denn ich habe meinen Standpunkt dazu in einem früheren Artikel deutlich dargelegt.
Mit Blick auf die Kursanalyse möchte ich in diesem Zusammenhang jedoch auf einen wichtigen Punkt hinweisen. Wie Sie wahrscheinlich wissen, zitieren die Vertreter der Manipulationstheorien die jüngsten Verfahren, bei denen hohe Strafen für die Banken verhängt wurden, als "offensichtliche" Beweise für ihre Annahme, dass es eine unsichtbare Hand gibt, die die Edelmetallmärkte während der vier Jahre währenden Korrektur kontinuierlich nach unten gedrückt hat. Viele von ihnen sind sogar überzeugt, dass diese Einflussnahme im erwähnten Zeitraum zum Kursverlust von mehr als 70% bei Silber geführt hat, und viele verwenden die Manipulationstheorie als Erklärung dafür, dass sie in den letzten Jahren immer falsch lagen.
Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass diejenigen, die solche Ansichten vertreten, die Klageschriften gegen die Banken nicht einmal gelesen haben. Ja, Sie haben richtig gehört. Wenn jemand die Gerichtsverfahren der letzten Zeit anführt, um seine Manipulationstheorien zu stützen, dann ist für mich klar, dass er sich nicht ernsthaft mit der Anklage auseinandergesetzt hat.
Unglücklicherweise sind wir als Gesellschaft sehr faul geworden. Wir erwarten, dass uns alles auf dem Silbertablett serviert wird. Wir wollen es uns leicht machen und vermeiden harte Arbeit, wenn wir einen einfacheren Weg kennen - selbst wenn wir wissen, dass dieser Weg viele Tücken birgt. Wir erwarten sofortige Ergebnisse und Antworten, sind aber nicht mehr bereit, auf ein besseres Verständnis hinzuarbeiten, weil das mehr Zeit erfordert. Meist würde es jedoch zu verlässlicheren, zutreffenderen Erkenntnissen und Ansichten führen. Dieser allgemeinen Faulheit erliegen leider auch zahlreiche Analysten.
Es bereitet keine Mühe, die übliche Theorie zu entwickeln, dass die Banken die Edelmetallmärkte vier Jahre lang nach unten manipuliert haben. Immerhin wurde gegen mehrere Großbanken aufgrund von Manipulationsvorwürfen Anklage erhoben und die Preise an den Gold- und Silbermärkten sind vier Jahre lang gefallen. Also schlussfolgern wir, dass die Banken mit ihren Eingriffen in das Marktgeschehen für den langen Abwärtstrend verantwortlich waren.
Wenn man die Klageschrift gegen die Deutsche Bank nicht gelesen hat, ist das die klare, aber irrtümliche Schlussfolgerung, zu der man gelangen würde. In dem oben erwähnten Artikel habe ich dazu Folgendes geschrieben:
"Die Manipulationen, um die es in diesen Gerichtsverfahren ging, waren Versuche der Banken, den Markt um einen sehr kleinen Prozentsatz zu bewegen, um mittels einer geringen, kontrollierten Kursänderung schnelle Profite zu erzielen. Dies geschah oft zu Zeiten, in denen das Handelsvolumen am Markt sehr gering war. Das wird den Banken laut Anklage tatsächlich vorgeworfen. In den Klageschriften steht im Allgemeinen, dass die Banken 'die Geld-Brief-Spanne von Finanzprodukten am Silbermarkt innerhalb eines Handelstages manipulierten, um ihren Gewinn auf Kosten der anderen Marktteilnehmer zu steigern.'
Was jedoch noch wichtiger ist: Diese geringfügigen Manipulationen fanden unabhängig davon statt, ob die Kurse gerade stiegen oder fielen, und waren nicht darauf ausgerichtet, den Markt nach unten zu drücken, wie die Vertreter der Manipulationstheorie Sie glauben machen wollen. Bitte lesen Sie das noch einmal. Die Klägerseite behauptete im Prozess gegen die Banken nicht, dass die Manipulationen eine allgemeine Absenkung des Kursniveaus zum Ziel hatten.
In keinem der Gerichtsverfahren wurden Belege für die Behauptung angeführt, der Rückgang der Silberpreise um 70% sei auf Manipulationen zurückzuführen. Die Annahme, die geringfügigen Eingriffe der Banken hätten den Einbruch des Marktes um 70% verursacht, ist völliger Unsinn, der jeder Grundlage entbehrt. Die Manipulationstheorie um die Banken dient schlicht denen als Sündenbock, die die Entwicklung der Edelmetallmärkte lange sehr falsch eingeschätzt haben und dafür nicht selbst die Verantwortung übernehmen wollen."
Wie gesagt - wenn Sie die Dokumente zum Prozess gegen die Deutsche Bank tatsächlich lesen, statt voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen, werden Sie ein besseres Verständnis für die Art von Manipulationen bekommen, deren die Banken bezichtigt werden. Diese Manipulationen sind mit Sicherheit nicht vereinbar mit den bequemen, vorgefertigten Theorien, die überall verbreitet werden.
Keine Ahnung von der Fed, dem PPT und QE
Eine weiterer Punkt, den ich schon unzählige Male von faulen Analysten gehört habe, ist, dass die US-Notenbank Federal Reserve im Rahmen ihrer quantitativen Lockerungen (QE) Geld "gedruckt" hat, und dass das unweigerlich zu Inflation führen wird. Ich weiß, dass das die Mainstream-Perspektive auf die Ausweitungen der Geldmenge ist, aber es ist eine allzu simple und inkorrekte Sichtweise. Auch die Ergebnisse, die wir nach QE beobachten konnten, spiegeln das fehlende Verständnis der Allgemeinheit wider. Zudem scheint sich die Ansicht verbreitet zu haben, dass QE unter Garantie eine Deflation verhindert.
Auch zu diesem Thema habe ich bereits einen Artikel geschrieben, der hoffentlich ein wenig mehr Hintergrundwissen vermittelt:
"Wenn versucht wird, mittels einer verfügbaren Methode der Kreditausweitung wie den quantitativen Lockerungen Inflation zu erzeugen, dann ist dazu nicht nur die Bereitschaft nötig, Kredite zu vergeben. Die Öffentlichkeit muss auch bereit sein, die weitere Expansion des Kreditvolumens mitzutragen oder überhaupt zuzulassen, und darin liegt das Problem. Wenn die Öffentlichkeit versucht den allgemeinen Schuldenstand zu verringern, während die Fed die Ausweitung der Kreditbasis anstrebt, oder wenn die Banken nicht gewillt sind, das Kapital zu verleihen, welches sie von der Notenbank im Zuge der Schuldenmonetarisierungen erhalten haben, dann führt die Fed einen Kampf, den sie nicht gewinnen kann."
Wenn ich also Analysten wie Gary Savage sehe, der behauptet, wir würden uns den Weg zur Inflation "drucken", dann ist klar, dass er den QE-Prozess nicht gänzlich versteht. Natürlich ist Mr. Savage damit nicht allein, doch auf seinen Artikel wurde ich zufällig aufmerksam gemacht, was mich dazu brachte, diesem Kommentar zu verfassen. Er schreibt: "In einem reinen Fiatwährungssystem ist Deflation eine bewusste Entscheidung, keine Unvermeidbarkeit." Ich schätze, dann hat sich die Welt in den 1930er Jahren bewusst für Deflation entschieden. Offenbar hat Mr. Savage weder Irving Fisher noch die Werke eines anderen Ökonomen dieser Zeit gelesen. Fisher merkte damals an:
"Zwischen Februar und Dezember 1931 hat das Federal Reserve System die Ausgabe von Banknoten um 80% erhöht. Diese Maßnahme wurde infolge von Bankzusammenbrüchen ergriffen, die die Verwendung einer größeren Menge an Bargeld nötig machten. Nach einer Reihe von Bankenpleiten begannen die Banken und ihre Kunden jedoch, sich untereinander und gegenseitig in einem ruinösen Wettbewerb zu bestürmen, und die neu ausgegebenen Bankscheine reichten trotz allem nicht aus." - Irving Fisher: Booms and Depressions, 1932
Vielen von Ihnen ist wahrscheinlich bewusst, dass es damals noch den Goldstandard gab. Wenn Sie glauben, dass deswegen heute alles anders sein muss, dann können Sie Mr. Savage immer noch fragen, wer sich bewusst für den deflationären Crash entschieden hat, den wir 2008 erlebte. Waren Sie das? War es vielleicht die politische Partei, die zu dieser Zeit in den USA an der Macht war, weil sie offensichtlich nicht wiedergewählt werden wollte?
Mr. Savages Ansicht nach sollte es nie wieder zu einer Deflation kommen, es sei denn, wir wollen es. Das ist so, als würde man sagen, dass wir nie wieder krank werden, es sei denn, wir entscheiden uns dafür. Sind wir als Gesellschaft wirklich so närrisch, das zu glauben?
Im gleichen Artikel schreibt Mr. Savage dann erstaunlicherweise sehr deutlich, dass es "in Zukunft zu einem Crash kommen wird". Wie bitte? Wie viele von Ihnen werden sich bewusst für einen Crash entscheiden? Glauben Sie wirklich, dass auch nur eine einzige Regierungspartei sich für einen Einbruch an den Märkten entscheiden würde, statt dafür zu sorgen, dass ihre Wählerschaft so bequem und ignorant wie möglich bleibt? Eklatante intellektuelle Widersprüche wie dieser unterstreichen, was ich meine, wenn ich sage, dass viele Analysten faul geworden und unabhängige Gedanken Mangelware sind.
Es gibt zahlreiche Ungereimtheiten in dem Konzept einer unsichtbaren Hand, die die ultimative Kontrolle über unsere Finanzmärkte hat oder diese nach Belieben manipulieren kann. Wer ein wenig Lebenserfahrung hat, wird anerkennen, dass Kontrolle eine Illusion ist.
Ein weiteres Beispiel ist in diesem Zusammenhang das sogenannte Plunge Protection Team (PPT), an das viele glauben. Es wurde angeblich 1987 in Reaktion auf den damaligen Marktcrash gegründet und verhindert seitdem Einbrüche an den Aktienmärkten. Analysten wie Mr. Savage verweisen auf dieses "Team", um zu erklären, warum sie falsch lagen, wenn sie einen Absturz der Aktienkurse erwarteten, der dann jedoch nicht eintraf.
Wenn es wirklich solch ein hart arbeitendes Team gäbe, das jederzeit bereit ist Kauforders auszulösen, dann hätte es seit 1987 an den Aktienmärkten gar keine Kurseinbrüche mehr geben dürfen. Stattdessen hätten wir in den letzten Jahrzehnten nur "geordnete" Kursrückgänge erleben sollen, keine plötzlichen Verluste von 10% oder gar 20% innerhalb eines Tages oder weniger Wochen. So etwas wie 1987 hätte nicht wieder vorkommen dürfen. Wir müssen uns nun also fragen, ob die Fakten der Marktgeschichte die Existenz eines aktiven "Plunge Protection Teams", das uns vor signifikanten Kurseinbrüchen beschützt, untermauern.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand zu der Ansicht gelangt, es hätte seit 1987 keine Zeiten sehr starker Volatilität gegeben. Die folgenden Beispiele sind nur einige Höhepunkte in einer langen Liste äußerst volatiler Zeiten, die wir seit der angeblichen Gründung des PPT erlebten:
- Februar 2001: Die Aktienmärkte brechen innerhalb von sieben Wochen 22% ein.
- September 2001: Die Aktienmärkte brechen innerhalb von drei Wochen 17% ein.
- Juli 2002: Die Aktienmärkte brechen innerhalb von drei Wochen 22% ein.
- September 2008: Die Aktienmärkte brechen innerhalb von einer Woche 12% ein.
- Oktober 2008: Die Aktienmärkte brechen innerhalb von zwei Wochen 30% ein.
- November 2008: Die Aktienmärkte brechen innerhalb von drei Wochen 25% ein.
- Februar 2009: Die Aktienmärkte brechen innerhalb von drei Wochen 23% ein.
- Mai 2010: Die Aktienmärkte erleben einen "Flash Crash". Der S&P 500 öffnet mehr als 30 Punkte im Minus und fällt innerhalb weniger Minuten um weitere 70 Punkte. Das entsprach einem Verlust von 9% innerhalb eines einzigen Handelstages, doch am Ende des Tages schließt der Index nur 3,1% im Minus.
In Anbetracht dieser Fakten ließe sich sogar argumentieren, dass die signifikanten Kurseinbrüche an den Aktienmärkten zugenommen haben, seit das Plunge Protection Team ins Leben gerufen wurde. In den 20 Jahren nach der vorgeblichen Gründung des Teams gab es definitiv mehr heftige Crashs als in den 20 Jahren zuvor.
Schlussfolgerung
Als erfahrene Marktteilnehmer sind uns viele Ansichten und Überzeugungen bekannt, die von der großen Mehrheit völlig unkritisch akzeptiert werden, unabhängig von der tatsächlichen Faktenlage. Einige Beispiele für weit verbreitete Irrtümer im Hinblick auf Marktmanipulationen, die quantitativen Lockerungen und das Plunge Protection Team habe ich hier dargelegt.
Als Analysten sind wir verpflichtet, über das hinauszublicken, was der durchschnittliche Marktteilnehmer glaubt. Wir haben die Verantwortung, tiefer in die Materie einzutauchen, nach der Wahrheit zu suchen und unsere intellektuelle Integrität zu bewahren.
Leider weichen zu viele Analysten diesen Verpflichtungen nicht nur aus, sondern verbreiten zudem auch die Unwahrheiten, die die Allgemeinheit glaubt. Zu viele von ihnen veröffentlichen oberflächliche Analysen und führen die Anleger, die ihren Ratschlägen folgen, damit wie Schafe zur Schlachtbank. Zu viele stützen sich in ihren Analysen hauptsächlich auf Vermutungen und widersprüchliche Theorien. Anders gesagt: Viele Analysten sind zu faul, selbst zu denken. Doch ich schätze etwas anderes ist auch nicht zu erwarten von einer Gesellschaft, die ihren Wunsch, ja selbst ihre Fähigkeit, zum unabhängigen Denken größtenteils eingebüßt hat.
© Avi Gilburt
www.ElliottWaveTrader.net
Der Artikel wurde am 10. Juli 2016 auf www.gold-eagle.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.