Die Vorboten steigender Gold- und Silberpreise
04.12.2016 | Manfred Gburek
Am Freitagnachmittag amerikanischer Zeit gab es ein seltenes Phänomen zu bestaunen: Die beiden Gold- und Silberminen-Indizes XAU und HUI drehten vollständig ins Plus; keine einzige der darin enthaltenden Aktien hatte am Ende ein Minuszeichen vor der Performance stehen. Da fiel mir sofort die Entwicklung vor einem Jahr ein, als Gold- und Silberaktien zu einer Rally anzusetzen begannen, während der ihre Kurse geradezu hochkatapultiert wurden. Umso enttäuschender verlief dann das zweite Halbjahr.
Dabei ist zu bedenken, dass die Verschuldung der Welt - der Staaten, Unternehmen und Konsumenten - im laufenden Jahr wieder einen neuen Gipfel erklommen hat. Eine Verschuldung, die das sogenannte Papiergeld, Gegengewicht zu den Edelmetallen, nach und nach entwertet. Von daher gesehen, müssten die Preise von Gold und Silber, in beliebiger Währung gemessen, schon viel höher sein. Doch Anleger setzen lieber auf Aktien und Immobilien. Noch, um genau zu sein, denn ein Favoritenwechsel wie vor Jahresfrist zeichnet sich wieder ab. Warum? Allein schon deshalb, weil jetzt Gewinnmitnahmen bei Gold, Silber und Minenaktien auslaufen. Und aus weiteren, ganz anderen Gründen, wie die folgenden Überlegungen zeigen.
Zunächst hatte ich daran gedacht, meinen dieswöchigen Beitrag auf die Zeit nach dem Ausgang des Italien-Referendums - und der österreichischen Präsidentschaftswahl - zu verschieben. Doch dann wurde mir schnell bewusst, dass unabhängig davon, wie insbesondere die Italiener sich entscheiden, die Wirtschaft des Landes auf jeden Fall einer langjährigen Radikalkur bedarf. Solch eine Kur kann indes nicht einfach verordnet werden, basta, und schon wird der Schalter auf Wirtschaftswachstum umgelegt.
Nein, es gilt, das marode italienische Bankensystem mithilfe der Regierung und der EZB drastisch zu reformieren und dabei auch auf die finanzielle Unterstützung Deutschlands zu bauen. Letztere lässt sich im Übrigen durch den Hinweis auf die vielen Flüchtlinge begründen, die aus Afrika über den Süden Italiens in den Euroraum einfallen und dort - später auch in Deutschland - hohe Kosten verursachen.
Dabei geht es um sehr viel Geld, das der deutsche Finanzminister irgendwie bereitstellen muss. Aber dann hat er ein Problem: Da im nächsten Jahr die Wahl zum Bundestag stattfinden wird, gilt es, die unter deutschen Wählern unpopulären Finanzspritzen zugunsten von Italien - und anderen Euroländern - möglichst in Haushaltsposten verschwinden zu lassen, wo sie weniger oder gar nicht auffallen. Dort können dann auch die Finanzspritzen für weitere hilfsbedürftige Euroländer Unterschlupf finden, wie Portugal, Irland und Griechenland. Deutschland ist und bleibt Euroraum-Zahlmeister.
Das macht sich seit geraumer Zeit auch in den vom Minus ins Plus gedrehten Renditen der Bundesanleihen bemerkbar. Damit vollziehen sie die Zinswende. Diese wird begleitet von der leicht steigenden Inflationsrate: im November-Jahresvergleich 0,6 Prozent nach 0,5 Prozent im Oktober. Darin spiegelt sich der Basiseffekt des Ölpreises, dessen Wende nach oben vor einem Jahr begann, noch nicht wider. Er wird die Inflationsrate vom kommenden Januar an nach oben treiben. Dann werden auch die Kurse der hier einige Male vorgestellten inflationsindexierten Bundesanleihen wieder steigen.
Werfen wir noch einen weiteren Blick voraus. Vor uns liegen in diesem Monat die Sitzungen der EZB und der Fed. EZB-Chef Mario Draghi dürfte - nicht zuletzt aus Rücksicht auf Italien - sein Anleihen-Kaufprogramm über den kommenden März hinaus fortsetzen und dies auch entsprechend kommunizieren. Spannender wird sein, ob Fed-Chefin Janet Yellen den amerikanischen Leitzins erhöht oder ob sie wegen der Kritik von Donald Trump, der sie während seiner Wahlkampagne arg beschimpft hat, einmal mehr unverändert lässt.
An der amerikanischen Börse wird Trump gefeiert, als hätte er seine vollmundigen Versprechen zur Stimulierung der Wirtschaft schon längst eingelöst. Das macht sich besonders bei den Kursen von Aktien aus der zweiten und dritten Reihe bemerkbar, die zahlreich vor allem im Index Russell 2000 vertreten sind. Der Börseninformationsdienst wellenreiter-invest.de hat ihre Entwicklung im November mit der von Aktien aus anderen Indizes verglichen.
Ergebnis: Russell 2000 wartet mit einem stolzen Plus von 11 Prozent auf, der Dow Jones hat es immerhin noch auf 5,4 Prozent gebracht, der Standard & Poor's 500 auf 3,4 Prozent und der technologielastige Nasdaq 100 auf 0,2 Prozent. Dagegen sieht der Dax mit minus 0,2 Prozent ziemlich alt aus, und das, obwohl in ihn - anders als bei den amerikanischen Indizes - neben den Kursen auch die Dividenden einbezogen werden.
Aus der relativen Stärke der amerikanischen Aktien im Vergleich zu den europäischen den Schluss zu ziehen, drüben werde es zu einem Kurswunder kommen, ist verfrüht. Die herausragende Entwicklung des Russell-Index deutet zwar einerseits darauf hin, dass die Aktienhausse in Amerika die ganze Breite der Börse erfasst hat. Aber sie zeigt andererseits auch deutlich, dass die Spekulation bereits bis in die kleinsten Winkel volatiler Nebenwerte vorgedrungen ist. Und nicht zu vergessen: Die relative Schwäche des mit Technologieaktien gespickten Nasdaq 100-Index signalisiert, dass aus den Kursen der überbewerteten Highflyer des Silicon Valley Luft abgelassen wird.
Aus den bisherigen Überlegungen eine komplett neue Anlagestrategie für das Jahr 2017 und darüber hinaus abzuleiten, ist aus heutiger Sicht noch nicht möglich. Immerhin spricht viel dafür, dass Gold, Silber und Minenaktien im Rückblick auf die vergangenen Monate ihre schlimmste Zeit erst mal hinter sich haben und dass aus überbewerteten Aktien weltweit noch mehr Luft abgelassen wird. Dazu braucht man sich nur die erwähnten Störfaktoren durch den Kopf gehen zu lassen: Italien, Zahlmeister Deutschland, mehr Inflation, noch im Dezember anstehende Entscheidungen von EZB und Fed, der unberechenbare Donald Trump und Ansteckungsgefahr durch fallende Kurse der Technologieaktien.
Bei alldem ist ein Störelement, das über den anderen schwebt, noch gar nicht berücksichtigt: die weltweite Schuldenblase. Bekanntlich ist Gold ihr Antipode. Bisher hat sie sich nur hin und wieder - überwiegend für kurze Zeit - nachteilig auf die verschiedenen Anlageklassen ausgewirkt. Im Gegenteil, Aktien, Immobilien und sogar Anleihen haben von ihr die meiste Zeit lang profitiert. Das nennt man Asset Inflation, abzugrenzen von der gängigen Inflation der Preise für Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs.
Wann die Schuldenblase platzt, ist ungewiss; das kann von heute auf morgen geschehen oder noch Jahre auf sich warten lassen. Aber wenn sie platzt, werden die Folgen radikal sein. Lassen Sie sich dazu den folgenden Satz des leider zu früh verstorbenen FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher durch den Kopf gehen: "Wir sind buchstäblich blind für das, was wir nicht erwarten." Da kann ich nur noch eine von mir wiederholt geäußerte Bemerkung anfügen, die auch mit Blick auf die Preise von Gold und Silber gilt: Bewahren Sie die Nerven und üben Sie sich in Geduld!
Dafür sprechen nicht zuletzt auch die eingangs erwähnten, am vergangenen Freitag vollständig ins Plus gedrehten Gold- und Silberaktien-Indizes XAU und HUI. Solche Entwicklungen sind oft Vorboten steigender Preise für physisches Gold und Silber – zumal der prozentual zweistellige Anstieg der hochvolatilen Silberaktie First Majestic für massive Käufe und Short-Eindeckungen der den Trend bestimmenden Anleger spricht.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.