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St. Angelo: Schuldenkrise, Energiekrise und Peak-Silber 2015 - eine Wende steht bevor

06.01.2017  |  Mike Gleason

Mike Gleason: Heute habe ich die Ehre, Steve St. Angelo von SRSroccoReport.com zum Interview begrüßen zu dürfen. Steve ist ein unabhängiger Analyst und Investor, der sich an den Edelmetall- und Energiemärkten auskennt wie kaum ein Zweiter. Außerdem betreibt er eine der besten Webseiten unserer gesamten Branche. Steve, willkommen zurück. Schön, wieder einmal mit Ihnen zu sprechen.

Steve St. Angelo: Ja, hallo Mike. Der Winter ist hier und ich denke, es wird ein sehr interessanter Winter und ein spannendes nächstes Jahr.

Mike Gleason: Bevor wir auf ein paar der Themen zurückkommen, die wir vor dem Interview schon angesprochen haben und auf die ich wirklich gespannt bin, möchte ich Sie noch nach Ihren Gedanken zur ersten Reaktion der Märkte auf die US-Präsidentschaftswahlen fragen. Es ist immerhin schon mehrere Monate her, dass wir zuletzt von Ihnen gehört haben. Waren Sie überrascht von der Marktreaktion auf das Wahlergebnis?

Steve St. Angelo: Gute Frage, Mike. Ich glaube, es gibt zwei Arten, darauf zu antworten. Basierend auf den Fundamentaldaten sind die aktuellen Entwicklungen im Edelmetallsektor und an den Aktienmärkten völlig irrsinnig. Letztere steigen gerade auf bislang unbekannte Höhen. Angesichts der Fundamentaldaten ist die derzeitige Performance der Gold- und Silberkurse absurd. Aber die Fundamentaldaten spielen keine Rolle mehr - wir verwenden jetzt andere Dinge wie heiße Luft, Hypes und unablässig ratternde Druckerpressen.

Wenn wir die manipulierten Märkte jedoch aus der Sicht des kurzfristigen Tradings betrachten, ergeben die Kursbewegungen bis zu einem gewissen Grad durchaus Sinn, denn Trumps politische Vorhaben werden den Dollar in einen günstigeren Licht erscheinen lassen. Für die asiatischen Märkte und die Wirtschaft der Entwicklungsländer werden sie allerdings eher nachteilig sein. Letzten Endes werden sich die Fundamentaldaten aber immer durchsetzen. Obwohl die jüngsten Entwicklungen verrückt waren, ergeben sie doch auf gewisse Weise Sinn, aber meiner Meinung nach eben nur auf kurze Sicht.

Mike Gleason: Steve, Sie studieren die Daten zu Silberangebot und -nachfrage sehr gründlich. Kürzlich haben Sie einen Artikel über Peak-Silber und die nach wie vor bestehenden Angebotsdefizite verfasst. Wir werden gleich noch darüber sprechen, inwiefern auch Peak-Energie damit zusammenhängt. Zunächst jedoch zu Silber: Die Daten zeigen, dass am Silbermarkt seit Jahren ein Defizit besteht, dass die Minenproduktion geringer ist als die Nachfrage. Können Sie unseren Lesern und Zuhörern kurz erklären, wie das möglich ist? Wie kann es sein, dass der Silberverbrauch das Angebot dauerhaft übersteigt? Woher kommt das Silber, wenn nicht aus den Bergwerken? Wie lange kann diese Situation Ihrer Meinung nach noch anhalten?


Steve St. Angelo: Beginnen wir mit der Produktion. In diesem Jahr wird die Menge des weltweit geförderten Silbers erstmals sinken. In den letzten zehn Jahren ist sie von Jahr zu Jahr gestiegen, in manchen Jahren mehr, in anderen weniger. Aber 2016 wird man einen Rückgang von etwa 0,5% verzeichnen. GFMS Thomson Reuters, das Analystenteam, von dem auch die jährliche World Silver Survey stammt, sagt außerdem vorher, dass die Produktion auch weiterhin abnehmen wird. Ich will damit nicht sagen, dass die Fördermengen extrem einbrechen werden, aber man rechnet mit einem allmählichen Rückgang.

Auf der anderen Seite der Gleichung steht die Nachfrage. In den letzten Jahren sind am Silbermarkt Defizite entstanden. Diese lassen sich berechnen, indem man die Nachfrage vom Angebot subtrahiert und dann auch noch die Änderungen in den Edelmetallbeständen der ETFs und von Börsen wie der COMEX berücksichtigt. Je nachdem, ob sich die Silberreserven dieser Institutionen erhöhen oder verringern, werden sie in die Gesamtbilanz mit einkalkuliert. Im letzten Jahr wurde so ein Defizit von 185 Millionen Unzen errechnet. Meinen Analysen zufolge hat sich seit 2004 bereits ein Defizit in Höhe von fast 1,5 Milliarden Unzen Silber aufsummiert. Die kontinuierlichen Defizite am Silbermarkt bestehen bereits seit 2004.

Wenn man sich die älteren Berichte von GFMS anschaut, stellt man fest, dass es in den 1980er und 1990er Jahren Überschüsse gab. Die Regierungen überschwemmten den Markt förmlich mit Silber, auch die Chinesen. Tatsächlich verkaufte China bis etwa Mitte der 2000er Jahre große Mengen Silber. Außerdem begannen viele Anleger, die in den 1970ern und Anfang der 1980er Jahre in Silber investiert hatten, ihre Bestände zu verkaufen. Es wurde also sehr viel Silber auf den Markt geworfen.

Mit Hilfe dieses Silbers konnte das aufgelaufene Defizit des letzten Jahrzehnts gedeckt werden. Wahrscheinlich gibt es noch andere Silberreserven auf der Welt, aber GFMS erwartet trotzdem weitere Defizite, weil das Angebot künftig sinken wird, während die Nachfrage voraussichtlich stark bleibt. Ich interessiere mich nicht so sehr für die jährlichen Schwankungen von Angebot und Nachfrage bzw. dafür, ob es in diesem oder jenem Jahr ein etwas größeres Angebot oder eine etwas höhere Nachfrage gab. Ich beschäftige mich mit dem langfristigen, übergreifenden Trend. Und dieser Trend sagt mir, dass es weiterhin Defizite geben wird.

Derzeit wird das Silber aus allen Ecken der Welt, von Silberbesitzern rund um den Globus zusammengekratzt. Ich glaube nicht, dass es auf der Angebotsseite noch so ein großes Polster gibt wie vor 10 oder 15 Jahren. Wenn wir also eine zunehmende Verringerung der Fördermenge, eine unverändert starke Nachfrage und weitere Defizite erleben, dann denke ich, dass das die Preise in Zukunft durchaus beeinflussen wird. Nicht unbedingt nur aufgrund des Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage, sondern weil Silber ein zuverlässiges Asset ist. Diese Trends zeigen, dass die Leute langsam aufwachen. Viele Investoren beginnen Silber zu kaufen. Genau diese Entwicklungen beobachte ich.

Mike Gleason: Denken Sie, dass es eine Art Wendepunkt geben wird? Glauben Sie, dass den Menschen eines Tages bewusst wird, dass wir das Fördermaximum bei Silber überschritten haben? Wird es dann zu einem Run kommen? Werden die auf Silber angewiesenen Industrieunternehmen beginnen Vorräte anzulegen, weil sie fürchten, dass sie in Zukunft nicht mehr genug davon kaufen können, um ihre Produktion zu gewährleisten? Ist ein solches Szenario Ihrer Meinung nach vorstellbar?

Steve St. Angelo: Das ist schon möglich. Vor ein paar Jahren habe ich angefangen, die Artikel von Ted Butler zu lesen, und er sagt genau diese Entwicklung voraus. In diesem Fall würden zahlreiche Industrieunternehmen, Großinvestoren, aber auch Privatanleger an den Markt strömen. Es ist auf jeden Fall möglich. Das große Problem wird Peak-Öl sein, worüber wir noch sprechen werden, aber auch Peak-Silber, Peak-Kupfer etc. Sie können hier praktisch alles einsetzen, außer Peak-Dummheit vielleicht - ich glaube nicht, dass wir die jemals erreichen.



Am Silbermarkt ist jedenfalls auf die eine oder andere Weise mit umfassenden Käufen zu rechnen, und zwar nicht nur, weil die Industrieunternehmen sich einen Vorrat sichern wollen. Ich denke, dass es aufgrund von Problemen bei der Energieerzeugung weltweit zu Produktionsrückgängen kommen wird. Die Investoren und Institutionen werden aufwachen. Wir werden den Moment erleben, in dem vielen ein Licht aufgeht, sowohl im Fertigungssektor als auch in Bezug auf Silber als langfristige Wertanlage. Ich nenne das die Edelmetall-Religion und ja, ich rechne künftig mit einer solchen Entwicklung.

Mike Gleason: Sie haben eine einzigartige Sichtweise auf die Minenproduktion, das Konzept von Peak-Silber und die Verflechtung des Edelmetallsektors mit dem Energiesektor. Erklären Sie uns doch bitte Ihre Perspektive und wie Sie zu Ihren Schlussfolgerungen gelangt sind.

Steve St. Angelo: Darüber könnten wir jetzt zwei Stunden lang sprechen, aber ich will versuchen, es kurz zu machen und gut verständlich zusammenzufassen. Peak-Öl bedeutet, dass die Fördermenge einer Glockenkurve entspricht. Alle Ölquellen der Welt erreichen eines Tages ihr Fördermaximum. Ist dieses überschritten, beginnt die Produktionsleistung zu sinken. In den letzten Jahren haben wir immer schwerer erreichbare und dadurch teurere Quellen angezapft. Vor nicht allzu langer Zeit kam auch das Schieferöl hinzu, das wir jetzt mit tausenden von Bohrtürmen fördern. Die Theorie vom Peak-Öl lässt allerdings den Erntefaktor unberücksichtigt, der immer weiter sinkt. In den 1930er Jahren wurde in den USA nur ein Barrel Öl benötigt, um hundert Barrel zu fördern. Heute liegt das Verhältnis bei der Schieferölgewinnung bei 1:5, d. h. der Erntefaktor hat sich sehr stark verringert.

Ein weiterer Punkt, der dabei mit einkalkuliert werden sollte, ist die Thermodynamik. Die thermodynamischen Berechnungen von Louis Arnoux und der Hills Group zeigen, dass ein Barrel Öl nur eine bestimmte Energiemenge enthält, und dass wir ein Drittel davon nicht einmal nutzen. Diese Energie entweicht als Abwärme. Wir können also nur rund zwei Drittel der gespeicherten Energie wirklich verwenden. Vor sagen wir 100 Jahren gelangte der Großteil dieses Öls so auf den Markt. Heute wird jedoch mehr und mehr Energie benötigt, um dieses eine Barrel zu produzieren. 2012 gab es einen Wendepunkt und die Hills Group entwickelte das ETP-Modell zum Thema Ölförderung. Die Wissenschaftler erwarten, dass der Ölpreis bis zum Jahr 2020 bis auf 12 Dollar fallen könnte.

Wie Sie sehen, widerspricht das dem traditionellen Konzept von Angebot und Nachfrage, denn wenn der Preis sinkt, müsste die Nachfrage eigentlich steigen. Das Problem ist aber letztlich die sinkende Netto-Energie und die ist wirklich stark eingebrochen. Die Forscher sagen, dass in nur zehn Jahren 75% der Tankstellen in den USA geschlossen sein werden und die globale Ölindustrie in Auflösung begriffen sein wird. So schnell wird es gehen.

Der sinkende Ölpreis wird den Markt vernichten. Auf die Produktion von Silber, Gold und Kupfer wird das ähnliche Auswirkungen haben. Ich habe mich eingehend mit dieser Studie befasst. Wenn die Qualität es nicht rechtfertigt, wird niemand mehr als 12 Dollar für ein Barrel Öl ausgeben. Angebot, Nachfrage, Preisbildung - alles basiert auf den Produktionskosten. Aus diesem Grund denke ich, dass die Ölproduktion künftig einbrechen wird, und im Zuge dessen auch die Produktion von Industriemetallen. Das wird auch Auswirkungen auf den Goldmarkt haben. Aktien, Anleihen und die Immobilienpreise werden darunter zu leiden haben, aber die Gold- und Silberkurse werden profitieren. Einfacher kann ich es nicht zusammenfassen.

Mike Gleason: Sie haben sich auch mit dem explodierenden Haushaltsdefizit der Vereinigten Staaten befasst und haben einige interessante Beobachtungen dazu gemacht, inwiefern es mit Gold und Silber im Zusammenhang steht.

Steve St. Angelo: Ja, Mike. Die Schulden und die Defizite, die sich überall anhäufen, sind der blanke Wahnsinn. Bevor ich weiter darauf eingehe, möchte ich unseren Lesern und Zuhörern noch etwas zur Lage der Ölindustrie sagen. Die drei größten Ölunternehmen der USA bekamen 2011 für jedes Barrel, das sie verkauften, 100 Dollar. Nach dem ersten Halbjahr 2011 hatten sie - nach Abzug aller Kapitalkosten und Dividendenausschüttungen - noch einen Gewinn von 16 Milliarden Dollar. Wie gesagt, ich spreche hier von den drei Branchenriesen Chevron, ConocoPhillips und Exxon. In diesem Jahr verzeichneten diese Unternehmen zum Abschluss der ersten sechs Monate ein Minus von 18 Milliarden Dollar. Und das sind die Top-Unternehmen. Die Schieferölförderer können Sie gleich vergessen, die sind einer wirklich schlechten Lage. Ich möchte, dass Sie verstehen, wie ernst die Situation in der Ölindustrie selbst für die größten Konzerne ist, die eigentlich Profite machen sollten. Stattdessen machen sie immer höhere Schulden.

Die Verschuldung nimmt überall zu. Ich habe mir angesehen, welche Zinsen die USA im letzten Jahr auf ihre Staatsschulden zahlen mussten. Es waren 402 Milliarden Dollar. So hoch sind allein unsere Zinskosten. Für diese Summe könnte man beispielsweise das gesamte Goldangebot aus drei Jahren aufkaufen. Das ist mehr als die offiziellen Goldreserven der USA, die angeblich 8.100 Tonnen betragen. So viel Geld wurde allein im letzten Jahr für den Schuldendienst aufgewendet.

Sehen wir uns auch die Haushaltsdefizite kurz an. Das Defizit der Vereinigten Staaten summierte sich von 2011 bis 2015 auf 4,2 Billionen Dollar. Was könnte man dafür kaufen? Zum Beispiel die gesamte Goldproduktion aus 30 Jahren oder alles Gold, das sich weltweit zu Investitionszwecken im Besitz von Zentralbanken, Institutionen und Privatanlegern befindet - rund 3 Milliarden Unzen. Außerdem könnte man alles seit 1950 geförderte Silber kaufen. So irrsinnig hoch ist unser aufgelaufenes Haushaltsdefizit mittlerweile.

Der jüngste Abverkauf an den Gold- und Silbermärkten ist ebenfalls der reinste Wahnsinn. Die Leute glauben, dass es an den Aktienmärkten weiter aufwärts gehen wird. Angesichts der aktuellen Lage sind jedoch Gold und Silber die weitaus besseren Investments, die Märkte haben das nur noch nicht begriffen. Die zwei Beispiele mit den Zinszahlungen und den Defiziten, die zeigen, wie viel Gold und Silber man dafür kaufen könnte, machen gleichzeitig auch klar, wie unterbewertet die Edelmetalle wirklich sind.

Mike Gleason: Die Märkte scheinen sich nach der Wahl von Donald Trump derzeit in einer Art Flitterwochen zu befinden. Die Investoren schätzen die wirtschaftlichen Aussichten optimistischer ein. Einige von Trumps Plänen geben auch tatsächlich Anlass zu Hoffnung, die Steuererleichterungen zum Beispiel, aber andererseits erbt er mit Blick auf die eben angesprochenen Schulden auch gigantische strukturelle Probleme. Die Märkte sind zudem völlig abhängig von den Finanzspritzen der Federal Reserve. Im Moment sieht es nicht so aus, als würde er sich dieser Probleme annehmen wollen. Stattdessen könnte es sogar sein, dass die Schulden und die Staatsausgaben noch weiter erhöht werden. Was wird die neue US-Regierung unter Trump Ihrer Ansicht nach in den nächsten Jahren für die Edelmetalle bedeuten, während sich die Schuldenkrise weiter zuspitzt?

Steve St. Angelo: Kurzfristig konnten wir bislang nur negative Auswirkungen beobachten, aber ich denke, auf lange Sicht wird es positiv sein. Dazu hat natürlich jeder seine eigene Meinung. Es gab viele Spekulationen darüber, dass Trump vielleicht einen Goldstandard anstreben könnte, aber für ihn wäre das nicht besonders sinnvoll. Sein künftiger Finanzminister erwägt die Ausgabe von Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 100 Jahren. Ich glaube, das entspricht eher dem, was die US-Regierung in Zukunft tun wird, statt den Dollar mit Gold zu decken. Trump hat eine Reihe guter Ideen, aber ich glaube nicht, dass er viele davon umsetzen kann. Das ist nicht seine Schuld. Das System erstickt einfach unter der hohen Verschuldung. Das ist das Problem, es gibt viel zu viele Schulden.



Trump plant ein enormes Infrastrukturprogramm. Wo wird er das Geld dafür hernehmen? Wir haben eigentlich auch gar nicht genügend Energie dafür. Die USA importieren heute mehr Energie, mehr Öl als noch vor einem Jahr. Langfristig werden die Edelmetallkurse während Trumps Präsidentschaft meiner Meinung nach steigen, aber der Grund dafür ist in meinen Augen vor allem die Lage im Energiesektor. Einige seiner Pläne wird er sicher verwirklichen können. Manche davon werden sich wahrscheinlich positiv auf die Edelmetalle auswirken, aber die Energiekrise und die Verschuldung werden ihm bei vielen Dingen einen Strich durch die Rechnung machen. Trump könnte als der Präsident in die Geschichte eingehen, der gerade ins Amt kam und hilflos zusehen musste, als das System kollabierte.

Mike Gleason: In den Mainstream-Finanzmedien wird oft die Auffassung vertreten, dass das Konzept von Gold und Silber als dringend benötigter sicherer Hafen unter den Vermögenswerten heute überholt und irrelevant ist. Sind die Edelmetalle zum barbarischen Relikt herabgestuft worden? Wenn man sich die Kursentwicklung ansieht, entsteht durchaus der Eindruck, dass viele Menschen heutzutage glauben, wir bräuchten sie nicht mehr, bzw. dass Gold und Silber keine bedeutenden Assets mehr darstellen. Ist diese Sichtweise Ihrer Meinung nach falsch?

Steve St. Angelo: Ja, diese Haltung geht Hand in Hand mit 45 Jahren "Fiatwährungsamnesie", wie ich es nenne. Nachdem Präsident Nixon im Jahr 1971 die Bindung des US-Dollars an Gold aufhob, vergaßen die Amerikaner das Edelmetall. Es gibt auch sehr interessante Videos zu diesem Phänomen. In einem davon geht ein Gentleman namens Dave durch die Stadt und bietet den Leuten einen Silberbarren oder einen Schokoriegel an. 99% der Menschen entscheiden sich für den Schokoriegel. Die Gehirnwäsche hat in den USA wirklich hervorragend funktioniert. Die Anleger glauben jetzt, ihre Vermögenswerte bestünden in Aktien, Anleihen oder Immobilien. Das ging gut, solange der Preis, der Wert und die Fördermenge von Rohöl noch stiegen. Doch jetzt haben wir das Maximum überschritten, die Produktion und die Kurse sinken und die gerade genannten Assets werden ihren Wert nicht behalten.

In Zukunft werden wir erleben, dass Gold und Silber wieder Mittel zum Schutz des eigenen Vermögens werden. Natürlich waren die Edelmetalle das schon immer, daran hat sich nichts geändert, aber wir haben sie vergessen. Wir hatten fantastisch viel Netto-Energie, die es uns praktisch ermöglicht hat, das Fiatwährungssystem am Laufen zu halten. In den Vereinigten Staaten ist die Verschuldung jedoch seit 1970 exponentiell gestiegen. Jeder Wissenschaftler wird Ihnen bestätigen, dass sich exponentielles Wachstum nicht bis in alle Ewigkeit fortsetzen kann. 1970 beliefen sich die US-Schulden noch auf 300 Milliarden Dollar, glaube ich. Das war alles. Jetzt sind es 19,5 Billionen Dollar. Wenn man das in ein Diagramm einzeichnet, erhält man eine exponentiell ansteigende Funktion. Solche Kurven brechen in der realen Welt eines Tages ein. Das System wird also kollabieren. Und wenn sich das Wachstum noch weiter beschleunigt, wenn die Kurve steil nach oben steigt, so wie das heute der Fall ist, dann wird die Situation wirklich volatil.

Der Ölpreis ist 3 $ nach oben geklettert, weil die OPEC-Staaten ihre Fördermengen reduzieren werden oder das zumindest behaupten. Ich schätze, die Volatilität wird in nächster Zeit zunehmen, aber an den Fundamentaldaten von Gold und Silber hat sich nichts geändert. Das Gelddrucken sorgt einfach nur dafür, dass der Wahnsinn noch ein Stück länger weitergehen kann.

Mike Gleason: Steve, bevor wir zum Ende dieses Interviews kommen, welchen Ratschlag haben Sie für Anleger und auf was werden Sie sich künftig am stärksten konzentrieren? Wir haben hier viele verschiedene Themen angesprochen. Welches davon ist das Hauptthema, auf das Sie Ihnen Fokus in den nächsten ein oder zwei Jahren richten werden?

Steve St. Angelo: Das wird Sie nicht überraschen: der Energiesektor. Energie ist das, was die Wirtschaft am Laufen hält, sei es in Form von Öl, Erdgas, Kohle, Wasserkraft, Kernenergie usw. Die erneuerbaren Energien werden keine so große Rolle spielen, genauso wie menschliche oder tierische Arbeitskraft.

Gold und Silber bewahren Vermögen schon seit 2.000 Jahren. Wir werden tagtäglich mit sehr hohen, aufgeblähten Zahlen konfrontiert: dem Bruttoinlandsprodukt, den Aktienmärkten, den Rentenmärkten, den weltweiten Assets... All diese Zahlen sind künstlich aufgebläht, sie basieren auf nichts anderem als dem enormen Anstieg der Schulden in den letzten Jahrzehnten. Der Dow Jones ist seit 1980 auf das 22fache angestiegen, während sich die Staatsschulden der USA auf den 21fachen Wert erhöht haben. Man muss kein Genie sein, um herauszufinden, dass die Schulden fast im gleichen Maße gestiegen sind wie die Kurse an den Aktienmärkten. Wenn Sie sich die Zahlen ansehen, ist es offenkundig. Alles basiert auf den Schulden.

Ich werde mich also wie gesagt hauptsächlich auf den Energiesektor konzentrieren und auf die Auswirkungen, die er auf alle anderen Bereiche hat. Ich denke, wir werden miterleben wie die Ölindustrie in den USA und weltweit zusammenbricht. Selbst wenn die Preise vorerst noch ein wenig nach oben klettern, werden sie nicht dort bleiben, denn der enthaltene Energiewert rechtfertigt ein hohes Preisniveau einfach nicht mehr. Das muss den Menschen bewusst werden. Mit Angebot und Nachfrage hat das nichts zu tun, sondern vielmehr mit dem Produktionskosten. Auch damit werde ich mich künftig noch intensiver beschäftigen.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf eine Sache hinweisen. Ich habe mir die Top-Goldunternehmen angesehen, Barrick und Newmont. Zwischen 2000 und 2012 sind deren Produktionskosten um 470% gestiegen. Der Goldpreis hat in der gleichen Zeit 498% zugelegt. Vergessen wir einmal Angebot und Nachfrage. Letztlich basierte der Anstieg des Goldpreises auf dem Anstieg der Produktionskosten um 470%. So einfach ist das. Wenn wir beginnen, den Markt aus einer anderen Perspektive zu betrachten, stellen wir fest, dass es gar nicht so große Mengen an Edelmetallen gibt, die wir als Wertanlage verwenden können. Den meisten Menschen ist das noch nicht klar. Die Preisbildung basiert in Wirklichkeit auf Wissenschaft, auf Thermodynamik, nicht so sehr auf Angebot und Nachfrage. Zu diesem Thema werde ich in Zukunft weitere Artikel schreiben und auf meiner Webseite veröffentlichen.

Mike Gleason: Wunderbar, Steve. Sagen Sie unseren Leser und Zuhörern, die Ihre Webseite noch nicht kennen, doch bitte noch, was sie dort finden werden.

Steve St. Angelo: Die Webseite ist SRSroccoReport.com. Ich veröffentliche etwa zwei oder drei Artikel pro Woche. Dabei gehe ich auf Angebots- und Nachfragetrends ein, weil diese ein Indikator für die Entwicklungen an den Edelmetallmärkten sind. Ich diskutiere auch die Energiemärkte und die Wirtschaft. Alles davon ist wichtig. Ich bin gespannt, wie es im Energiesektor in Zukunft weitergeht. Ich denke, wir werden den sogenannten Seneca-Effekt erleben. Der römische Philosoph Lucius Seneca sagte: "Das Wachstum schreitet langsam voran, während der Weg zum Ruin schnell verläuft."

So wie ich das sehe, wird er recht behalten. Es wird kein langsamer Abstieg sein, sondern ein Absturz. Viele Dinge werden sich sehr schnell ändern. Ist es schon nächstes Jahr soweit, oder in fünf Jahren? In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird es geschehen. Möglicherweise auch schon früher. Die Menschen müssen sich darauf vorbereiten, und das versuche ich mit den Artikeln auf meiner Webseite deutlich zu machen.

Mike Gleason: Sie haben fantastische Inhalte, das kann ich bestätigen, und eine einzigartige Perspektive. Sie berichten aus einem Blickwinkel, der sich von den üblichen Kommentaren in unserer Branche abhebt. Wir wissen es wirklich zu schätzen, dass Sie uns heute für ein Interview zur Verfügung standen. Ich wünsche Ihnen ein wundervolles Wochenende, ein frohes Fest und bis zum nächsten Mal. Vielen Dank, Steve.

Steve St. Angelo: Danke, Ihnen auch. Mal sehen, wie es nächstes Jahr weitergeht. Es wird spannend.



© Mike Gleason
Money Metals Exchange


Der Artikel wurde am 2. Dezember 2016 auf www.moneymetals.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.