GoldSeiten.de - Gold & Silber, Münzen und Barren sowie Minengesellschaften

Die postfaktische Enteignung

01.01.2017  |  Manfred Gburek

Postfaktisch, das heiß diskutierte Wort des Jahres 2016, hat mich inspiriert, es auf die Geldanlage anzuwenden. Warum? Weil bei allem, was mit Geld zu tun hat, vonseiten der Finanzbranche jenseits der Fakten auch Prämissen und Meinungen zugrunde gelegt werden, die Sie als Anleger sehr viel Geld kosten können bis zur klammheimlichen Enteignung. Altkanzler Konrad Adenauer hat dafür den treffenden Slogan geprägt: Die Wahrheit dehnen. Postfaktisch, das gilt für Tages- und Festgeld, Anleihen, Kapital- und fondsgebundene Lebensversicherungen, Aktien, Immobilien, Fonds, Zertifikate, Gold, Silber, Rohstoffe und sonstige Anlagen. Beispiele:

Am scheinbar festen Zinssatz für Tages- und Festgeld fummeln die Banken ständig herum. Der Kurs einer Anleihe steht und fällt nicht nur mit der Zinsentwicklung und mit der Anleihelaufzeit, sondern auch mit der Bonität des Schuldners. Die Garantien und sonstigen Versprechen von Lebensversicherungen sind nichts wert. Ob Aktien, wie oft kolportiert wird, auf Sicht von mehr als zehn oder zwölf Jahren immer im Gewinn sind, hängt von mehreren Faktoren ab. Immobilienpreise steigen nicht permanent, sondern entwickeln sich in Zyklen.

Von wegen, Fonds dienen der Risikostreuung von Anlegern, sie dienen primär den Anbietern, und zwar als Provisionsmaschinen. Zertifikate sind keine Alleskönner für jede Börsenlage, sondern auf Meinungen gestützte Luftnummern. Gold, Silber und Rohstoffe erfordern ähnlich wie Aktien sehr viel Gespür für Trends und fürs Timing. Die entscheidende Wertaufbewahrungsfunktion von Gold und Silber gilt nicht auf kurze Sicht, sondern primär während längerer Zeiten des Geldwertschwunds.

Da besonders zu Jahresbeginn Aktienkurskurprognosen an der Tagesordnung sind, erscheint es ratsam, dieses Thema hier nach den grundsätzlichen Überlegungen vor einer Woche auch mal im postfaktischen Sinn aufs Korn zu nehmen. Da stellt sich zunächst die Frage: Für was für einen Anlegertyp sind die Prognosen überhaupt gedacht? Zudem wäre noch der bereits erwähnte lange Zeithorizont zu hinterfragen: zehn, zwölf, noch mehr oder vielleicht doch nur fünf Jahre?

Ferner: Ausgehend von welchem und bis zu welchem Lebensalter, von was für einem Anlagebetrag und im Hinblick auf welches Anlagezielziel, laufendes Einkommen aus Dividenden mit normalerweise langweiliger Kursentwicklung oder langfristiger Vermögensaufbau über Wachstumsaktien? Als wie großer Teil des Gesamtvermögens? Und nicht zu vergessen: Verfügt ein Anlegertyp über wenig oder viel Börsenwissen; hat er womöglich so schwache Nerven, dass er es schon beim kleinsten Rücksetzer der Aktienkurse mit der Angst zu tun bekommt und in Panik alle Aktien verkauft?

Wer Börsenprognosen abgibt, klammert all diese Fragen meistens einfach aus. Allein schon deshalb taugen die Prognosen nichts. Darüber hinaus fragt man sich, ob jemand noch alle Tassen im Schrank hat, wenn er den Dax, den Dow Jones oder irgendeinen anderen Aktienindex vorhersagt, üblicherweise pseudo-punktgenau bis zum Jahresende.

Nehmen wir den Dax: Er ist ein Performance-Index unter Einbeziehung von Dividenden und setzt sich aus 30 Aktien mit unterschiedlicher Gewichtung nach dem Börsenwert zusammen. Nicht nur, dass diese Aktien ständig schwanken, sie fliegen hin und wieder auch aus dem Dax heraus, und andere treten an ihre Stelle. Welchen Sinn ergibt es, wenn ein solches Konglomerat für Prognosen missbraucht wird? Gar keinen.

Manchmal stößt man allerdings auch auf Prognosen, die es wert sind, ernst genommen zu werden. Einige von ihnen habe ich im jüngsten Monatsbericht der Bundesbank entdeckt, und zwar zur kommenden Inflation. Greifen wir deshalb zwei von ihnen repräsentativ heraus. Da heißt es, zwar sei "auch 2017 noch nicht mit kräftigeren Tarifverdienststeigerungen zu rechnen. In den folgenden Jahren dürften sie dann aber aufgrund der noch weiter zunehmenden Anspannungen am Arbeitsmarkt, des steigenden Auslastungsgrades und des stärkeren Preisanstiegs spürbar höher ausfallen."



Nun zu den prognostizierten Daten: "Gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex könnte sich die Preissteigerungsrate von 0,3% im laufenden auf 1,4% im kommenden Jahr erhöhen. Aufgrund des dann erwarteten stärkeren Anstiegs der Arbeitskosten könnte sich die Teuerung sowohl insgesamt als auch ohne Energie 2018 auf 1,7% und 2019 auf 1,9% verstärken."

In diesen Zahlen bleiben zwei Faktoren unberücksichtigt, weil die Bundesbanker sie bei der Abfassung ihres Monatsberichts noch nicht kennen konnten: Die aktuelle Euro-Abwertung zum Dollar, die aus europäischer Sicht Einfuhren verteuert, weil die Importpreise steigen und dann zügig an Investoren und Konsumenten weitergegeben werden, sowie die Eigendynamik der Inflation, das heißt, ihre Beschleunigung wegen immer höherer Inflationserwartungen.

Den absoluten Schutz vor Inflation gibt es bekanntlich nicht, allein schon deshalb nicht, weil Zentralbanken und Staaten die letztlich ausschlaggebenden Instanzen sind: Die einen manipulieren Inflationsraten, die anderen erlassen Gesetze, die auf legalen Diebstahl hinauslaufen. So wird es der EZB am Ende gelingen, nach mehrjährigen Versuchen die von ihr angepeilten knapp 2 Prozent Inflation zu erreichen; danach dürfte es auf dem weiteren Weg nach oben allerdings kein Halten mehr geben.

Und der Staat (Bund, Länder, Gemeinden) kann dafür sorgen, dass Immobilieneigentümer in Kauf nehmen müssen, wenn ihr scheinbar von der Inflation profitierendes Betongold über strengere Mietgesetze und später über erhöhte Grundsteuern an Wert verliert.

Gold und - mit Einschränkungen, weil sprunghaft - Silber als Schutz vor Inflation, das ist derzeit für die Masse der Anleger kein Thema, weil die Preise wie bereits vor Jahresfrist wieder mal unten sind. Die meisten Anleger bevorzugen Immobilien, falls sie sich diese überhaupt leisten können. Andere, eine Minderheit, setzen auf Aktien. Die meisten bunkern ihr Geld zu lächerlich niedrigen Zinsen auf Tages- und Festgeldkonten oder - viel schlimmer - in langfristigen, nicht inflationsgeschützten Lebensversicherungen und Riester-Verträgen.

In Anbetracht dieser Situation muss man sich fragen, was eigentlich dafür spricht, dem Gold aus dem Weg zu gehen. Es sind vor allem die beiden folgenden Argumente, die immer wieder auftauchen. Das erste: Der Goldpreis könnte weiter fallen, weil über Goldfonds engagierte Anleger ihre Bestände immer noch abbauen. Das zweite: Gold bringt keine Zinsen.

Zum ersten ist festzuhalten, dass Angebot und Nachfrage sich aus vielen Komponenten zusammensetzen, nicht zuletzt auch daraus, dass spekulativ orientierte Großanleger nur darauf warten, günstig einzusteigen. Das gab es ja schon vor Jahresfrist. Danach kannten die Preise von Gold und Silber und erst recht die Kurse der Minenaktien ein halbes Jahr lang kein Halten mehr.

Das Argument von der Zinslosigkeit des Goldes ist nicht neu. Es mag schwer wiegen, wenn die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen, wie zu Beginn der 80er Jahre, zweistellig nach oben ausschlägt. Doch jetzt ist sie nominal niedrig zweistellig, und der Clou: Zieht man von ihr die Inflationsrate ab, liegt sie real gerade mal eine Winzigkeit über Null.

Warten wir ab, wie Börsianer reagieren werden, sobald der designierte US-Präsident Donald Trump nach seinem Amtsantritt mit der Staatsverschuldung in die Vollen geht, damit Inflationserwartungen schürt und so dem Goldpreis indirekt auf die Sprünge hilft. Sie sollten Ihre Bestände an Gold, Silber und Minenaktien indes schon vorher so aufgestockt haben, wie es für Ihre persönliche Finanzplanung sinnvoll erscheint, am besten so hoch wie möglich. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein erfolgreiches Jahr 2017!


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Manfred Gburek ist neben seiner Funktion als Kolumnist privater Investor und Buchautor.