Gold: Absturz auf 700 $ oder Anstieg auf 7.000 $?
08.02.2017 | Kelsey Williams
Schließen sich die beiden in der Überschrift genannten Zahlen gegenseitig aus? Oder anders gesagt: Wenn wir davon ausgehen, dass der Goldpreis auf 7.000 US-Dollar steigen wird und wir damit recht behalten, müssen wir dann vernünftigerweise die Möglichkeit ausschließen, dass er auf 700 Dollar fällt? Wenn wir andererseits erwarten, dass sich der Goldkurs künftig schwach entwickelt und womöglich sogar auf unter 1.000 Dollar je Unze sinkt, ist es dann noch eine realistische Möglichkeit, dass er eines Tages auf 7.000 Dollar steigt - oder zumindest auf einen Wert, der sich auch nur ansatzweise in der Nähe dieses Preisniveaus befindet?
Meiner Meinung nach schließen sich diese beiden Szenarien keineswegs gegenseitig aus. Ich halte es durchaus für möglich, dass wir beide Goldpreise erleben werden, und dass der zeitliche Abstand dazwischen vielleicht gar nicht allzu groß ist. Das folgende theoretische Szenario zeigt, wie es dazu kommen könnte.
Wenn der Kurs des US-Dollars an Stärke gewinnt, sinkt der Goldpreis in Dollar. Diese Wechselbeziehung ist anhand der Entwicklung des Goldkurses seit dem Hoch von rund 1.900 Dollar im Jahr 2011 eindeutig ablesbar. Man kann nicht mit Sicherheit wissen, wie lange der Dollar noch eine starke Performance zeigen wird. Bei einem bestimmten Preis wird sich zwischen der Währung und dem Edelmetall ein gewisses Gleichgewicht einstellen.
Es ist jedoch auf keinen Fall abwegig damit zu rechnen, dass der Goldpreis bis in den Bereich von 860 $ - 890 $ sinken wird, falls ein starker Dollar ihn unter die 1.000-$-Linie drückt. Im Januar 1980 hat Gold bei 850 $ ein Top gebildet. Eine Rückkehr zu diesem Kursniveau wäre daher durchaus plausibel und liegt definitiv im Bereich der realistischen Spekulationen. Und ja - es gibt technische Indikatoren, die sogar auf einen möglichen Einbruch des Kurses bis auf 680 $ - 700 $ hindeuten.
Von welchen wirtschaftlichen Bedingungen könnte eine solche Preisentwicklung in der Realität begleitet werden?
Ich denke, der Konsens an den Märkten ist, dass mit einem starken US-Dollar auch eine Verbesserung der Wirtschaftslage einhergehen würde. Doch was, wenn es nicht so kommt? Wenn die Wirtschaft stattdessen noch mehr zu kämpfen hat? Man darf in diesem Zusammenhang keinesfalls die gigantischen Geldmengen und Schulden vergessen, die in den letzten acht Jahren kreiert wurden - zusätzlich zu einer ganzen Reihe ähnlicher Maßnahmen und Entscheidungen der Federal Reserve in den letzten einhundert Jahren. Ist die Wirtschaft wirklich stark genug, um den Folgen standzuhalten, wenn die US-Notenbank versuchen sollte, ihren geldpolitischen Kurs zu normalisieren und dem System wieder Liquidität zu entziehen? Oder haben wir den Patienten mit unseren bisherigen Heilmethoden bereits umgebracht?
Die gleiche Frage beschäftigt wahrscheinlich auch die Federal Reserve. Sie ist wohl der Hauptgrund dafür, dass die Notenbanker sich im Hinblick auf eine Änderung ihres bisherigen, akkommodierenden geldpolitischen Kurses, in dessen Rahmen Geldmenge und Kreditvolumen zunehmend ausgeweitet wurden, bis jetzt kaum zu einer eindeutigen Entscheidung durchringen konnten. Ihre mangelnde Entschlusskraft bezüglich des Zinsniveaus macht das besonders offensichtlich.
Nichtsdestotrotz wurde das, was die Federal Reserve seit 2011 (als Gold bei 1.900 $ ein Hoch erreichte) getan hat - oder nicht getan hat - im Allgemeinen positiv bewertet, zumindest für den Dollar. Andernfalls wäre der Goldpreis in US-Dollar seitdem nicht bis auf sein aktuelles Niveau gefallen.
Doch in der Wirtschaft geht es selbst mit einem stärkeren Dollar kaum aufwärts und es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Lage weiter verschlechtern könnte. Ungeachtet aller Versuche der US-Notenbank eine Deflation abzuwenden, ist ein allgemeiner Preisverfall noch immer eine sehr reale Möglichkeit. Sollte es zur Implosion der Schuldenpyramide und der Kreditmärkte kommen, würden die Preise für praktisch alles (Aktien, Immobilien, Rohstoffe etc.) weltweit einbrechen. Denkbar wäre ein Absinken des allgemeinen Preisniveaus um 50-90%. Dies würde wiederum einen sehr starken Dollarkurs bedeuten - und einen viel niedrigeren Goldpreis.
Wer US-Dollars besitzt, würde feststellen, dass deren Kaufkraft gestiegen ist. Für die Dollarscheine könnte man dann tatsächlich mehr kaufen, statt immer weniger. Doch bei einer wahren Deflation, dem exakten Gegenteil der Inflation, wäre auch das Geldangebot deutlich geringer. Natürlich hätte das den totalen Preiskollaps aller Arten von Immobilien, Rohstoffen, Aktien usw. zur Folge. So ziemlich jeder in US-Dollar gehandelte Vermögenswert wäre betroffen.
Die schwersten Auswirkungen wären an den Kreditmärkten zu spüren sowie bei den Assets, deren Wert primär auf Grundlage des vorhandenen Kreditangebots berechnet und davon gestützt wird. Die Krise wäre weit schlimmer als das, was wir in den Jahren von 2008-2012 erlebt haben. Ein solcher Umbruch an den Märkten hätte wirtschaftliche Zustände zur Folge, die sich die meisten von uns gar nicht vorstellen können. Diese Depression würde wahrscheinlich jahrelang, vielleicht sogar jahrzehntelang anhalten.
Stellen Sie sich vor, dass Lebensmittel, Benzin und Ihre Miete nur noch halb so viel kosten würden, wie Sie derzeit dafür aufwenden müssen. Mit Ihrem Bargeld könnten Sie nun doppelt so viel kaufen und hätten mehr Geld für andere Dinge übrig. Deflation ist, für sich genommen, keine schlechte Sache. Leider hätten Sie in diesem Fall eventuell auch keine Arbeit mehr. Oder vielleicht leben Sie in einer Gegend, in der mit sozialen Unruhen zu rechnen wäre. Außerdem könnte es zu Störungen im Verkehrswesen und zu Problemen bei der Versorgung mit verschiedenen Waren und Dienstleistungen kommen.
Der Wert von Gold wäre in diesem Szenario abhängig vom Dollarkurs. Entsprechend der umgekehrten Korrelation zwischen dem Edelmetall und der Währung wird der Goldpreis widerspiegeln, wie stark der Dollar ist. Wenn die Kaufkraft des Dollars beispielsweise um 100% steigt, können wir davon ausgehen, dass der Dollarpreis von Gold um 50% sinkt.
Es ist jedenfalls vernünftig, das beschriebene Szenario nicht von der Hand zu weisen und künftig mit ernsten Verwerfungen des Finanzsystems zu rechnen.
Was die Situation zusätzlich verschlimmern wird, sind die Eingriffe und Einmischungen des Staates. Die Regierungen hassen Deflation, aber nicht aufgrund der negativen Folgen, die diese für die Bürger ihres Landes haben kann. Nein, der wahre Grund für ihre Ablehnung ist, dass sie dann die Kontrolle über ein System verlieren, das ihre eigene Funktionsfähigkeit garantiert. Die Inflation, das auf Mindestreserven beruhende Bankensystem und die Ausweitungen der Geldmenge und des Kreditvolumens sind von der Regierung bewusst herbeigeführte Entwicklungen, die den Staatsapparat finanzieren und stärken und dafür sorgen, dass die Regierungen ihre grandiosen Pläne umsetzen können.
Wir können daher davon ausgehen, dass die Regierungen entschieden auf alle Ereignisse und Entwicklungen reagieren werden, die dem eben beschriebenem Szenario ähneln. Die Interventionen wären klar: Alle Bemühungen würden sich an den Maßnahmen orientieren, die ergriffen wurden, als wir vor wenigen Jahren schon einmal in ein finanzielles Desaster schlitterten. Sie sollten allerdings keinesfalls ähnliche Resultate erwarten.
Diese Entwicklungen und Gefahren sind das logische Endergebnis eines Finanzsystems, das eine Überdosis künstlicher Stimulierung erhalten hat und dem Verhalten nach einem durch jahrelangen Drogenmissbrauch gezeichnetem Süchtigen gar nicht so unähnlich ist.
Jeder neue finanzielle Impuls muss in einer höheren Dosis verabreicht werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, doch der dadurch entstehende systemische Schaden wird mit jeder Dosis größer. Schließlich ist ein Punkt erreicht, an dem es unumgänglich ist, das Problem als solches anzuerkennen und dann die notwendigen Schritte zu seiner Lösung einzuleiten, so schmerzhaft diese auch sein mögen. Die Regierung und die Federal Reserve werden allerdings nie zugeben, welchen Schaden sie mit ihrer Politik verursacht haben. Sie werden nie die nötigen Entscheidungen treffen, um den Patienten doch noch zu retten.
Selbst man einen solchen Versuch unternehmen sollte, wäre der anschließende systemische Schock mittlerweile wahrscheinlich so heftig, dass es um den Patienten ohnehin geschehen wäre. Bestenfalls wird es den Entscheidungsträgern noch gelingen, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Etwas wird die Regierung aber auf jeden Fall tun: Sie wird alles versuchen, was ihrer Ansicht nach die Entwicklungen abwenden, abschwächen oder umkehren kann, die zu Deflation führen.
Das ist genau der Weg, für den man sich vor acht Jahren entschieden hat. Es ist damals auch tatsächlich gelungen, den Patienten vorerst am Leben zu erhalten. Wir wissen allerdings nicht, welches Ausmaß der systemische Schaden in Wirklichkeit schon angenommen hat. Wir wissen nicht, wie hoch die neu geschaffenen Geldmengen und Kredite genau sind, welche Summe exakt auf der Bilanz der Fed steht und wie aufgebläht diese Zahlen sind. Wir wissen auch nicht, wie unterkapitalisiert die Banken sind. Ich versichere Ihnen jedoch, dass die Lage viel schlimmer ist, als man uns jemals verraten würde.
Mit der letzten Finanzkrise vergleichbare Ereignisse würden heute, wie oben diskutiert, an zahlreichen Märkten zum Preiskollaps führen und eine Ära der Deflation und Depression einläuten. Die Federal Reserve und die Regierung würden sich mit aller Macht gegen eine solche Entwicklung stemmen und einen uneingeschränkten Finanzkrieg beginnen (und vielleicht noch einen richtigen Krieg obendrein). Sie würden die Geld- und Kredithähne voll aufdrehen in einem vergeblichen Versuch, den Rückgang der Kreditvergaben und die negative Preisentwicklung der entscheidenden Finanzwerte umzukehren.
Letzten Endes wären die Ergebnisse all dieser wenig hilfreichen Bemühungen wohl bestenfalls mit den Zuständen während der Großen Depression in den 1930er Jahren vergleichbar. In unserem Szenario würde der wirtschaftliche Abschwung ebenfalls viel länger andauern als nötig wäre. Die Preisrückgänge, die notwendig sind, um die Exzesse der Vergangenheit zu korrigieren und das System zu säubern, würden auf Schritt und Tritt von Regulierungen und Programmen mit fragwürdigem Nutzen bekämpft. Die Anstrengungen der Regierung zur Abmilderung der Krise würden diese in Wirklichkeit nur weiter verschärfen und das Leiden verlängern.
Noch wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Folgen schlimmer wären als alles, womit wir gerechnet haben. Selbst ein relativ starker Dollar könnte derartigen Belastungen nicht standhalten. Bei dem Versuch, die Wirtschaft zu retten, würde die Regierung dem US-Dollar den Garaus machen. Höchstwahrscheinlich würde man die Märkte und die Wirtschaft mit neu geschaffenem Geld und frischen Krediten überschwemmen, ohne an die womöglich verheerenden Folgen zu denken - und das nur, um letztlich unvermeidliche Entwicklungen hinauszuzögern, die eigentlich eine heilsame Wirkung auf die krankende Wirtschaft entfalten würden.
Wenn uns die Realität der neuen Depression einholt, wird das Scheitern der zu ihrer Bekämpfung beschlossenen Maßnahmen besser zu erkennen sein. Daraufhin werden die Regierungen ihre Anstrengungen verdoppeln. Der Schaden, den der Dollarkurs dadurch nehmen wird, wird auch am Goldpreis ablesbar sein: Das gelbe Metall könnte innerhalb weniger Monate oder vielleicht sogar innerhalb einiger Wochen von 700 $ auf 7.000 $ steigen.
Zu diesem Zeitpunkt wäre der Goldpreis in Dollar aber bereits bedeutungslos. Viel wichtiger ist es dann, physisches Gold zu besitzen. Die Umwälzungen, die Unruhen und das wirtschaftliche Chaos, das mit einem vollständigen Kollaps des Dollars einhergehen würde, würden uns hinsichtlich unseres Lebensstandards wahrscheinlich um 50-60 Jahre zurückwerfen - mindestens.
Wenn Sie also zu denjenigen gehören, die glauben, dass es bis zu einem Anstieg des Goldpreises auf 7.000 Dollar nicht mehr allzu lange dauern wird, sollten Sie besser entsprechende Vorbereitungen treffen.
© Kelsey Williams
Der Artikel wurde am 4. Januar 2017 auf www.kelseywilliamsgold.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.