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Manipulationen am Silbermarkt: Stehen die Commercials mit einem Bein im Grab?

31.03.2017  |  Theodore Butler

Nachdem die Trader der Hedgefonds jahrzehntelang zugelassen haben, dass ihre Gegenparteien am Silberterminmarkt der COMEX - die Commercials - bestimmen, wann sie Silber-Futures kaufen und wieder verkaufen, scheinen einige von ihnen nun aufgewacht zu sein. Sie haben offenbar erkannt, dass sie schon von Anfang an betrogen wurden.

Eine Schlüsselkomponente der Manipulationen des Silbermarktes in den letzten 30 Jahren war die reflexartige, mechanische Reaktion des "Managed Money", wenn die Commercials den Preis nach unten, unter bestimmte gleitende Durchschnitte manipulierten. Auf charttechnische Signale dieser Art reagierten die Hedgefonds zuverlässig mit kollektiven Verkäufen, bzw. mit dem Kauf von Silberkontrakten, wenn im umgekehrten Fall die Preise stiegen.

Erst die Zuverlässigkeit, mit der die Managed-Money-Fonds auf manipulierte Preissignale reagierten, machte die Beeinflussung der Kurse überhaupt möglich. Die Commercials, die sich hauptsächlich aus in- und ausländischen Banken zusammensetzen, verdienten ihr Geld damit, dass sie die Hedgefonds dazu brachten, bei hohen Preisen zu kaufen und bei niedrigen zu verkaufen. Wenn sie das Verhalten dieser Trader nicht nach Belieben steuern könnten, hätten die Commercials wenig Grund gehabt, die Silberpreismanipulationen fortzusetzen.

Die permanenten Verluste, die das Managed Money aufgrund der Strategie der Commercials machte, waren so offensichtlich geworden, dass sich viele die Frage stellten, warum die Fonds bei diesem bizarren und für ihre Investoren äußerst nachteiligen Spiel überhaupt mitspielten. Mehrere Leser haben mir geschrieben, dass es irgendeine Absprache zwischen den Hedgefonds und den Commercials geben muss, bei der unter der Hand Geld von den Großbanken zu den Fonds fließt, damit diese weiterhin bewusst Verluste machen.

Ich kann die Logik dieser Erklärung angesichts des schier unerklärlichen Verhaltens der Hedgefonds sehr gut nachvollziehen, aber meiner Ansicht nach gibt es keine solche geheime Zusammenarbeit. Auch ich sehe Intrigen am Silbermarkt, aber ich glaube nicht, dass die Trader der Hedgefonds darin verwickelt sind und mit Absicht Geld verlieren.

Nirgends ist der Einfluss, den der andauernde Wettstreit zwischen den Commercials und dem Managed Money auf die Kurse hat, so ausgeprägt wie am Silberterminmarkt der New Yorker COMEX. Das hat mich zu der Schlussfolgerung geführt, dass der Silberpreis schon seit mehr als 30 Jahren manipuliert wird. Es stimmt zwar, dass diese Art der Einflussnahme auf die Kurse heute an praktisch allen Finanzmärkten verbreitet ist, aber der Silbermarkt nimmt als am stärksten manipulierter Markt von allen noch immer eine Sonderstellung ein.

Weil er der erste war, an dem diese Strategie erprobt wurde, wird der Silbermarkt schon viel länger auf diese Weise manipuliert als andere Sektoren. Folglich ist der Silberpreis heute künstlicher und der Realität ferner als andere Kurse. Das zeigt sich auch daran, dass objektive Bewertungskriterien, bei denen die tatsächliche Produktion und der Verbrauch berücksichtigt werden, am Silbermarkt eine ganz andere Lage widerspiegeln, als bei anderen Rohstoffen.

Das Handelsvolumen mit Silberderivaten hat im Vergleich zum Handel mit dem physischen Metall ein gigantisches Ausmaß angenommen. Aufgrund dessen und angesichts der Tatsache, dass die Manipulationen schon so lange (seit Jahrzehnten) bestehen, war es recht wahrscheinlich, dass die Hedgefonds-Trader - wenn sie überhaupt jemals aufwachen würden - zuerst am Silbermarkt die Augen öffnen und erkennen würden, dass sie über den Tisch gezogen werden. Falls sich die Trader der wirklichen Situation bewusst werden und ihr Verhalten daraufhin radikal ändern, sollte es deutliche Anzeichen für dieses Umdenken geben. Mittlerweile sind zahlreiche entsprechende Hinweise zu erkennen, wie ich bereits in früheren Artikeln dargelegt hatte.

Es begann mit dem Ausbau nicht-technischer Kernpositionen auf der Long-Seite des Silber-Futures-Markts durch die Hedgefonds vor etwa drei Jahren. Diese Positionen sind nicht von Preisänderungen abhängig und werden bei Kurseinbrüchen nicht verkauft, d. h. sie basieren nicht auf charttechnischen Signalen. Einfach ausgedrückt entspricht die Kernposition der Anzahl an Long-Kontrakten, die die Hedgefonds nach einem signifikanten Preisrückgang noch halten.

Die Daten zur Positionierung des Managed Money an der COMEX werden seit 2009 in den Commitments of Traders (COT) Reports gemeldet. Bis 2013 fiel die Zahl der Long-Kontrakte im Besitz der Fonds auch bei den Tiefs des Silberkurses nur selten unter 20.000. Diese Long-Position, die das Managed Money auch nach starken Kursverlusten noch hält, stellt, wie gesagt, die nicht-technische Kernposition dar.

Ab 2014 erhöhte sich der Umfang dieser Kernposition der Hedgefonds jedoch Schritt für Schritt. Zuerst stieg sie auf 30.000 Kontrakte, dann auf 40.000 Kontrakte und schließlich, im Dezember 2016 auf fast 60.000 Kontrakte (56.000 am 6. Dezember). Das bedeutet, dass das Managed Money auch während der Sell-offs am Silbermarkt an einem zunehmend größeren Teil seiner Long-Position festhielt. Während der Silberpreis im Zuge der Rally zu Beginn dieses Jahres 3 $ zulegte, stockten die Fonds ihre Long-Positionen dann um weitere 40.000 Kontrakte auf, als sich technisch basierte Käufe zur Kernposition hinzugesellten. Per 28. Februar hielt das Managed Money an der COMEX schließlich insgesamt eine Long-Position 96.000 Silber-Futures.



(Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie mit so vielen Zahlen bombardiere, aber genau auf diese Zahlen kommt es an. 10.000 Silber-Futures entsprechen an der COMEX 50 Millionen Unzen des Edelmetalls. Wir sprechen hier von hunderten Millionen Unzen, die darüber entscheiden, in welche Richtung sich der Silberpreis entwickelt, also haben Sie bitte etwas Nachsicht. Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich aber gern an mich wenden.)

Beim jüngsten heftigen Kurseinbruch um 1,50 $ verkaufte das Managed Money den Angaben des letzten COT-Berichts zufolge 16.000 Long-Kontrakte (vermutlich erfolgten die Verkäufe durch Fonds, die sich an technischen Signalen orientieren). Die Long-Position der Hedgefonds belief sich also nach dem Sell-off noch immer auf mehr als 80.000 Kontrakte.

Der Silberpreis ist seitdem wieder gestiegen und es gibt wenig Grund zu der Annahme, dass sich die Long-Position seitdem verringert hat. Wenn der Silberkurs nicht unter des kürzliche Tief von 16,75 $ gedrückt wird, dann hat sich die nicht-technische Kernposition des Managed Money vorerst offenbar auf 80.000 Kontrakte oder 400 Millionen Unzen erhöht. Das ist das Vierfache der vor Ende 2013 üblichen Kernposition, die bis dahin einen durchschnittlichen Umfang von 20.000 Kontrakten bzw. 100 Millionen Unzen hatte.

Das ist nicht nur ein schockierender, monumentaler Anstieg der Kernpositionen auf der Long-Seite. Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass diese Entwicklung am COMEX-Silbermarkt einzigartig ist. An keinem anderen Terminmarkt, einschließlich des Goldmarktes, hat sich die nicht auf charttechnischen Faktoren beruhende Kernposition des Managed Money so stark erhöht.

Zudem wird diese beeindruckende Zahl an Long-Kontrakten um mindestens 30.000 weitere Silber-Futures ergänzt, die die ebenfalls nicht-technische Long-Position der Trader ausmachen, die nicht zum Managed Money zählen. Alles in allem existiert am Papiermarkt der COMEX eine Kernposition von mindestens 110.000 Silber-Futures, die wahrscheinlich nicht verkauft werden, wenn der Silberpreis erneut nach unten manipuliert wird.

Wenn diese Kontrakte nicht bei Kursrückgängen liquidiert werden, dann wird es nur bei Kursgewinnen zu Verkäufen kommen. Wir haben hier also 550 Millionen Unzen Papiersilber im Besitz ganz unterschiedlicher Trader, die ihre Positionen so lange halten werden, bis sie der Ansicht sind, dass der Preis weit genug gestiegen ist.

Weil diese riesige Long-Position in Form von Derivaten, d. h. von papiernen Kontrakten, gehalten wird, muss es auch eine ebenso große Short-Position geben. Dank äußerst detaillierter, offizieller Daten (die COT-Berichte und die Bank Participation Reports), können wir die Short-Position am Silberterminmarkt mit noch größerer Genauigkeit bestimmen als die Long-Position, denn sie wird von einer viel geringeren Zahl an Marktteilnehmern gehalten.

Weil die enorme Short-Position am COMEX-Silbermarkt nur von einer so kleinen Anzahl an Tradern aufgebaut wurde, wirft das ernste Fragen im Zusammenhang mit Marktkonzentration, geheimen Absprachen und einer eventuellen Beschränkung der Einzelpositionen auf. Heute wollen wir uns jedoch nicht mit diesen Problemen beschäftigen, sondern uns darauf beschränken festzustellen, dass die Long-Position von hunderten verschiedenen Tradern aufgebaut wurde, während sich die gesamte Short-Position in den Händen von nur acht großen Akteuren befindet.

Dem COT-Report der letzten Woche zufolge hielten diese acht Commercials praktisch die gesamte Netto-Short-Position von 98.000 Kontrakten (490 Millionen Unzen). Von diesen acht Marktteilnehmern hatte JP Morgan rund 27.000 Silber-Futures leerverkauft. Die restlichen mehr als 70.000 Netto-Shorts (350 Millionen Unzen) verteilten sich auf die übrigen sieben Commercials.

JP Morgan muss, um es kurz zu machen, bei steigenden Silberpreisen aus der Verlustrechnung gestrichen werden. Die dort arbeitenden Gauner und Betrüger waren schlau genug, die Notwendigkeit zu erkennen, mehrere hundert Millionen Unzen physisches Silber zu kaufen und haben das im Laufe der letzten sechs Jahre auch getan.

Das Problem ist, dass bei solchen Überlegungen keiner der Gauner und Betrüger in den anderen sieben Commercials mit einer großen Short-Position davonkommt, weil keiner dieser Marktteilnehmer echtes Silber gekauft hat. Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube, dass die großen Leerverkäufer am Silberterminmarkt mit Ausnahme von JP Morgan schon mit einem Bein im Grab stehen. Ihr finanzielles Schicksal ist besiegelt, nur der Zeitpunkt des Todes steht noch nicht fest.

Verschiedene Faktoren werden den sieben Commercials zum Verhängnis werden: Erstens, der unbestreitbare und gut dokumentierte Aufbau einer zunehmend größeren Kernposition aus Long-Kontrakten, die bei niedrigeren Kursen nicht liquidiert werden. Zweitens, die Tatsache, dass JP Morgan die Reihen der Todgeweihten verlassen hat, weil die Bank seit sechs Jahren jede Unze physisches Silber kauft, die sie bekommen kann. Drittens, die Gerichtsverfahren gegen verschiedene Banken, die dazu beitragen, dass den sieben großen Leerverkäufern ihre missliche Lage zunehmend bewusster wird.



Interessanterweise verstärken sich diese Faktoren gegenseitig. Beispielsweise wurden die Trader der Hedgefonds womöglich ermutigt, ihre Long-Position am Silbermarkt weiter aufzustocken, weil sie ahnen, welches Schicksal den Inhabern der größten Short-Positionen droht.

Wir wissen außerdem, dass es sich bei den sieben großen Leerverkäufern von Silber-Futures an der COMEX größtenteils um internationale Großbanken handelt, die einfach auf einen Rückgang des Silberkurses spekulieren. Es handelt sich bei den großen Short-Positionen nicht um legitime Absicherungsstrategien. Die Banken nehmen einfach nur die andere Seite der spekulativen Wetten an den Derivatemärkten ein.

Es gibt keine rechtmäßige Grundlage dafür, warum eine Bank wie beispielsweise Nova Scotia die Silber-Futures an der COMEX massiv leerverkaufen sollte. Die enorme, konzentrierte Short-Position der sieben Commercials ist durch nichts zu rechtfertigen. Wenn es einen legitimen, wirtschaftlichen Grund dafür gäbe, hätte ich schon vor Jahren davon erfahren. Was die Unrechtmäßigkeit dieser Leerverkäufe angeht, klammere ich auch JP Morgan keineswegs aus. Das Einzige, was die Bank von den anderen Commercials unterscheidet, ist, dass sie deren Schicksal nicht teilen wird.

Die anderen sieben Leerverkäufer sind praktisch wandelnde Tote, weil sie ihr Schicksal nicht mehr selbst in der Hand haben. Es hat Jahre gedauert, diese einzigartige Situation zu erschaffen, aber jetzt sind sie in Grunde genommen darin gefangen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, eine Short-Position einzudecken - durch physische Auslieferung des leerverkauften Vermögenswertes oder durch Rückkauf der Short-Position.

Wie um alles in der Welt sollen die sieben Commercials mit den meisten Silber-Shorts auf die Schnelle 350 Millionen Unzen physisches Silber auftreiben, um damit ihre riesigen Positionen zu schließen, wenn JP Morgan den physischen Silbermarkt in einer eisernen Umklammerung hält? Die aktuellen Daten zeigen, dass fast alle 15 Millionen Unzen Silber, die im März physisch ausgeliefert wurden, an JP Morgen gingen. Jeder Versuch der anderen sieben Leerverkäufer, signifikante Mengen des physischen Edelmetalls zu erwerben, würde den Silberpreis nach oben schießen lassen und diesen Tradern enormen finanziellen Schaden zufügen.

Auch jeder Versuch, große Mengen an Futures zurückzukaufen, würde den Silberpreis aus dem einfachen Grund explodieren lassen, dass die sieben Commercials (zusammen mit JP Morgan) bislang die einzigen Verkäufer waren. Die großen Leerverkäufer können unmöglich eine Kehrtwende machen und beginnen, größere Käufe zu tätigen, ohne dass dies den Silberkurs schlagartig in die Höhe treibt. Natürlich können sie bei niedrigeren Preisen kaufen, wenn die Trader auf der anderen Seite des Marktes bereit sind, ihre Long-Kontrakte zu liquidieren. Aber genau darum geht es - allem Anschein nach werden die Inhaber der Longs ihre Kernposition bei fallenden Kursen nicht länger abverkaufen. Die Leerverkäufer sitzen in der Klemme.

Selbstverständlich kann ich Ihnen nicht sagen, wann und wie genau sich die Dinge weiter entwickeln werden, und falls ich das versuchen sollte, sollten Sie auf derartige Prognosen nichts geben. Niemand kann die Zukunft exakt vorhersehen. Es ist gut möglich, dass die Gauner von JP Morgan die sieben todgeweihten Commercials doch noch eine Weile unterstützen, indem sie ihre Short-Position vorerst weiter aufstocken.

Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass JP Morgan sie gänzlich retten wird, indem die Bank ihr im Laufe von sechs Jahren aufgekauftes physisches Silber zu niedrigen Preisen zur Verfügung stellt. So wie ich die Trader von JP Morgan angesichts ihres typischen Verhaltens einschätze, werden sie nicht zögern, über Leichen zu gehen, wenn das satte Profite verspricht. Selbst wenn die Bank die Manipulation des Silbermarktes also noch eine Zeit lang fortsetzt, bedeutet das nur einen vorübergehenden Aufschub für die sieben anderen Commercials.

Wenn diese Zeit um ist, werden wir am Silbermarkt etwas völlig Unvergleichliches erleben. So lange die sieben großen Leerverkäufer und JP Morgan die Kursrallys deckeln, wird der Silberpreis weiter vor sich hin dümpeln. Doch sobald JP Morgan oder die anderen Commercials die Manipulationen beenden, wird sich das Preisumfeld von Silber nachhaltig ändern. Niemand, einschließlich mir selbst, ist in der Lage, den kommenden Preisschock gänzlich zu erfassen.

Der Preisanstieg selbst ist dabei nur ein Teilaspekt, an dem sich der grundlegende Wandel in der Funktionsweise des Marktes am leichtesten ablesen lässt. Wenn die großen Leerverkäufer erst einmal gezwungen sind, ihre Short-Positionen bei steigenden Kursen einzudecken, wird sich die Welt des Silbers verändert haben.


© Theodore Butler
www.butlerresearch.com



(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.)
Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 23.3.2017 auf der Webseite www.silverseek.com veröffentlicht.