Gold- und Silberinvestoren: Bewahren Sie die Ruhe!
13.06.2017 | The Gold Report
Als ich gestern durch die Einkaufsstraßen von Kingston-on-Thames schlenderte, habe ich mich gefragt, ob die Einwohner überhaupt die Nachricht erhalten hatten, dass das Land nach dem Anschlag in Manchester in "höchster Alarmbereitschaft" blieb. Ich befand mich hier mitten in einem historischen "Dorf" und überquerte die 1293 errichtet Clattern Bridge, zusammen mit Tausenden von Briten, die lachten, Witze machten, sich über Rugby unterhielten und im Allgemeinen ihrem alltäglichen Erledigungen nachgingen als wäre nichts geschehen.
Hätte ich kleine Gedankenblasen malen können über all die Personen, die ich beobachtet habe, wäre darin überall das gleiche, schlichte Bild zu sehen gewesen: ein erhobener Mittelfingers. Es war eine wundervolle Erfahrung, das miterleben zu dürfen.
Für alle, die sich mit britischer Geschichte auskennen, ist das natürlich keine Überraschung. Immerhin hat dieses Land, das mein Vater gern als "erdnussförmiges Inselchen" bezeichnete, die Welt zur Zeit des British Empire fast das ganze 19. Jahrhundert lang beherrscht, die Meere seit der Mitte des 17. Jahrhunderts kontrolliert und den Status der Supermacht erst nach dem 2. Weltkrieg an die Sowjetunion und die USA abgetreten. Im Jahr 1939 entwarf die britische Regierung das oben gezeigte Poster, um die Bürgerschaft auf den bevorstehenden 2. Weltkrieg mit dem zunehmend angriffslustiger agierenden Deutschland vorzubereiten und "die Moral zu stärken".
Das Poster wurde zwar nur vereinzelt öffentlich aufgehängt, doch es verkörpert bestens die durch nichts zu erschütternde Mentalität des Landes und erklärt einen großen Teil seiner imposanten Geschichte. Das klingt natürlich auch ein bisschen nach Eigenwerbung, denn meine Großeltern stammen alle aus England und wir sind mit Verwandten unterwegs, die uns die schönsten Ecken zeigen. Für jemanden, der in einem Land aufgewachsen ist, das gerade einmal 150 Jahre als ist, ist ein Gang durch Kirchen aus dem 14. Jahrhundert definitiv ehrfurchtgebietend und auch ein wenig einschüchternd.
Während ich also versuche, die heutigen Märkte mit ihren allgegenwärtigen Interventionen und offenkundigen Manipulationen zu durchschauen, die zur "Stärkung der Moral" dienen und gleichzeitig dafür sorgen sollen, dass die Bürger zufrieden und artig bleiben, kann ich mich des Eindrucks nichts erwehren, dass das globale Bankenkartell und die Regierungen Hand in Hand arbeiten, um sich auf eine Art gewaltsame Umwälzung vorzubereiten - einen Finanzsturm, gegen den frühere Katastrophen verblassen.
Durch die Manipulation der Gold- und Silbermärkte konnte deren übliche Warnfunktion als Frühindikator ausgeschaltet werden. Weil die Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkte gleichzeitig künstlich unterstützt wurden, müssen wir uns nun mit verschiedenen Finanzblasen gleichzeitig herumschlagen. Die Situation ist dabei den Goldenen Zwanzigern oder den späten Neunzigern gar nicht so unähnlich. Die Vertreter des "Big Money" (Warren Buffett, Paul Tudor Jones, Ray Dalio) verlassen einer nach dem anderen die Aktien- und Anleihemärkte.
Zahlreiche Hedgefondsmanager zahlen ihren Investoren Gewinne aus, während die Chancen schwinden und das Risiko sprunghaft ansteigt. Wenn Sie hören, dass Warren Buffet, CNBCs liebster Publikumsmagnet, mehr als 100 Milliarden Dollar in bar gehortet hat, weil er auf "bessere Einstiegsgelegenheiten" wartet, fragen Sie sich doch unweigerlich, warum die Facebook-Aktien zu einem Preis von 150 $ und mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 38, oder die Amazon-Aktien für 995 $ und einem KGV von 187 nicht im Portfolio von Berkshire Hathaway zu finden sind. Können all diese erfahrenen Investoren gleichzeitig falsch liegen?
Die traditionelle Form der fundamentalen Marktanalyse mag sich gewandelt haben, aber ihr Ergebnis ist noch immer das Gleiche. Das gilt ebenso für die Wertpapieranalyse. Deren technische Aspekte haben sich durch quantitative Analyseverfahren vielleicht verändert, doch letzten Endes wurde das Krebsgeschwür auf diese Weise lediglich mit einem Pflaster überklebt. Dieses Geschwür ist die Unfähigkeit der börsennotierten Unternehmen, Gewinne zu erwirtschaften, die im Laufe der Zeit als Dividenden ausgeschüttet werden können.
Algorithmen, die beim Trading an den Märkten auf Mustererkennungssoftware zurückgreifen, sind Spezialisten darin, die Pflaster neu zu arrangieren und tausend hässliche Geschwüre zu überkleben. Doch die Zeit, in der Ereignisse wie Staatspleiten, soziale Unruhen, Rezessionen, geopolitische Verwerfungen, Kriege und/oder Naturkatastrophen diese Pflaster einfach wegspülen und den kranken Körper der Wirtschaft schutzlos zurücklassen werden, rückt im Eiltempo näher.
Paul Singer merkte dazu kürzlich an:
"Wir glauben, dass die magische Levitation der Aktien und Anleihen und die fantastische Abwesenheit von Volatilität ewig anhalten werden - bis zu dem ernüchternden Moment, an dem die Vorstellung vorbei ist. Und dann wird die Hölle losbrechen."
Genau das schreibe ich praktisch seit den letzten neun Jahren, in denen ich mich mit den unentwegten Eingriffen der Zentralbanken in das Marktgeschehen auseinandergesetzt habe. Die Notenbanken waren dabei mal mehr, mal weniger erfolgreich, doch es gab immer solide, fundamentale Gründe dafür, Volatilität zu kaufen (d. h. in den Volatilitätsindex VIX oder den ETF UVXY zu investieren) und Put-Optionen auf den S&P 500 zu erwerben. Die letzten Versuche dieser Art wagte ich noch im November vergangenen Jahres, als ich mich vor der Präsidentschaftswahl in den USA gegen einen Sieg von Donald Trump absicherte.
Um 22:30 Uhr in der Wahlnacht stießen wir mit Champagner an und tanzten mit meinem Hund Fido durch den Raum, denn zu diesem Zeitpunkt wäre der Wert meiner Hedges auf mehr als das Zehnfache gestiegen, wenn die Börsen sofort geöffnet hätten. Ich ging mit den schönsten Gedanken und Bildern in meinem Kopf ins Bett, nur um am nächsten Morgen voller Entsetzen festzustellen, dass die Aktienkurse zu Beginn des Handelstages unverändert waren. Seitdem habe ich auf weitere Versuche, gegen die idiotische Masse zu wetten, verzichtet. Es ist ein schwachsinniges Spiel, das immer wieder in Niederlagen endet und nur das chronische Bedürfnis weckt, den Kopf wiederholt auf eine Tischplatte zu schlagen.
Das Wissen, dass diese Marktinterventionen absolut kriminell sind, macht unsere Verluste an finanziellem, intellektuellem und emotionalem Kapital allerdings auch nicht leichter erträglich. Die Ironie dabei ist jedoch, dass die jüngsten Marktteilnehmer, die als Teil der Millennials-Generation die Kunst des Anspruchsdenkens und der Maßlosigkeit perfektioniert haben, von diesen Manipulationen nicht betroffen sind.
"Alte Leute erleben Bärenmärkte - wir kaufen bei Rücksetzern" ist das Mantra von zehntausenden noch nicht ganz ausgewachsenen, Selfie-besessenen Tradern und Investoren, die im ersten Jahrzehnt der Dotcom-Ära geboren wurden - und im letzten Jahrzehnt, in dem noch erstklassige mineralische Lagerstätten entdeckt wurden.
Was einen ebenfalls fast in den Wahnsinn treiben kann, ist die Tatsache, dass die ungezählten Akademiker, die die Wissenschaft des Financial Engineering studiert und perfektioniert haben und jetzt in den Zentralbanken rund um den Globus arbeiten, nie die Begeisterung erlebt haben, wenn ein Unternehmen all seine Kosten decken kann, und nie wirklich verstanden haben, welch empfindliches Gleichgewicht zwischen der "Realwirtschaft" und der "Finanzwirtschaft" besteht.
Leider übertrifft die Letztere heute in ihrer Bedeutung die Erstere - nicht hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf konventionelle Geschäftstätigkeiten, aber zumindest hinsichtlich ihres übermächtigen Einflusses auf die Geld-, Währungs- und Finanzpolitik. Alle Bemühungen der entsprechenden Entscheidungsträger, seien es gewählte Politiker oder Zentralbanker, sind nun auf die Kreditsicherheiten der Banken ausgerichtet, wobei die Immobilienmärkte im Zentrum der Reflationsbestrebungen stehen.
Jetzt, da sich die Immobilienpreise in Amerika dem Niveau vor der Finanzkrise von 2008 annähern und zum Teil sogar darüber hinaus schießen, hat sich das Risiko für das Bankenkartell etwas verringert, weil sich damit auch der Wert der Achillesferse unter ihren Kreditsicherheiten verbessert hat. Das Risiko wurde nun von den Banken auf die Verbraucher abgewälzt und damit gemäß der natürlichen Verantwortungskette auch auf den Staat.
Die Aktien- und Anleihepreise können daher weiter auf ihren überhöhten, blasenartigen Niveaus notieren. Eine interessante Frage ist in diesem Zusammenhang, wie sich die Gold- und Silberpreise wohl seit 2008 entwickelt hätten, wenn die Kreditsicherheiten der Banken zu einem großen Teil aus Edelmetallen bestehen würden und nicht aus Schulden.
Während das Jahr 2017 also weiter voranschreitet, hat das Modell-Portfolio, das ich 2001 zusammengestellt und 2002 tatsächlich gekauft habe, alle überrascht, weil seine Performance fast doppelt so gut war wie die des S&P 500. Dabei möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass in dieser Zeit vor allem physisches Gold große Kursgewinne verbuchen konnte. Die Aktien der Minengesellschaften haben sich nicht einmal ansatzweise so gut entwickelt.
Schon allein die Tatsache, dass die Zentralbanken in Asien und Europa ihre Goldreserven weiter aufstocken, zeigt wie anfällig die Fiatwährungen sind, mit deren Schutz die Notenbanken beauftragt wurden. So wie ich hier mitten in England, in einem Gasthaus aus dem Jahr 941 n. Chr. sitze und tippe, ist es leicht, sich von der schieren Geschichte dieses Gebäudes, dieses Dorfs, dieser Gegend und dieses Landes einschüchtern zu lassen. Ebenso leicht ist es, sich trotz der Verschlechterung der makroökonomischen und geopolitischen Lage sowie der drohenden Zinserhöhungen von dem konstanten, ungebrochenen Aufwärtstrend an den globalen Aktienmärkten einschüchtern zu lassen.
Natürlich ist es entmutigend zu sehen, dass sich die eigenen Gold- und Silberanlagen im Schwebezustand befinden, währen Aktien und Kryptowährungen wie Bitcoin neue Allzeithochs verzeichnen. Es ist deprimierend, die Entstehung immer neuer Spekulationsblasen zu beobachten, während die ETFs, die eine Leverage auf andere gehebelte ETFs bieten, wie Pilze aus dem Boden schießen. Es ist frustrierend, die E-Mails erfahrener und langjähriger Leser zu bekommen, die all ihre Edelmetallinvestments abverkaufen und einfach nicht länger in der Lage sind, die selbstgefällige Großspurigkeit der CNBC-Investoren zu ertragen.
Am meisten ärgert mich, dass ich den raketenhaften Aufstieg der Kryptowährungen und die manische Euphorie der Bitcoin-Bataillone nur als Zuschauer beobachten kann. All meine Tiraden, mein Schimpfen und die Wutreden, die ich im Laufe der Jahre über den Niedergang der Fiatwährungen gehalten haben, haben bei den meisterhaften Programmierern der Technologie-Welt tatsächlich ein offenes Ohr gefunden.
Doch die massiven Gewinne des Technologiesektors migrierten daraufhin nicht etwa an die Gold- und Silbermärkte - nein, stattdessen haben die Profis einfach ihre eigene alternative Währung geschaffen. Diese hat dem Edelmetallsektor weiteres Kapital entzogen, weil sie vor den Enterhaken der interventionistischen Banker und Politiker sicher war.
Doch ganz gleich wie trostlos das klingt - es ist niemals wirklich "anders", nicht diesmal und auch nicht beim nächsten Mal. All die bewährten Gründe für den Besitz von Gold und Silber sind nicht nur unverändert, sondern heute sogar relevanter als je zuvor. Ich sage das nicht leichtfertig dahin, denn ich musste erst in das Land meiner Vorfahren reisen, um wahrhaft zu verstehen, an welchem Punkt der Geschichte wir uns heute befinden.
Wenn Sie gezwungen sind, im Hintergrund zu bleiben und mit den Zähnen zu knirschen, während andere in Ihrem Umfeld den Besitz von Aktien anpreisen, deren Bewertungen sogar die Rekorde von 2001, 2007 und 1987 übertreffen, brauchen Sie eine "Rückfallposition", um nicht den Verstand zu verlieren.
Auch wenn wir noch nicht in der Lage sind, der Welt einen Spiegel vorzuhalten und ihr zu beweisen, dass wir das Rätsel um den globalen Kaufkraftverlust der Währungen gelöst haben, sollten wir darin keineswegs das Scheitern der Edelmetalle sehen. Stattdessen müssen wir denken wie Sir Winston Churchill, der in meinen Augen immer ein Held bleiben wird.
Wir müssen so unabhängig und konstruktiv kalkulieren wie der große Staatsmann, als er sich an die Bürger Großbritanniens wandte, um ihnen zu sagen, was sie zu erwarten hätten, wenn es ihnen gelingt, die deutsche Luftwaffe 1940/41 abzuwehren. Als Gold- und Silberinvestoren sollte wir denken wie Churchill, als er den Briten prophezeite, das dies "ihre beste Stunde" sein würde.
In dieser Zeit der allgegenwärtigen Einmischung der zentralen Planungsbehörden und der zwanghaften Finanzblasenschöpfung ist es nicht leicht, als Investor gegen den Strom zu schwimmen. Noch schwerer ist es zu hören, wie Freunde und Kollegen die Argumente gegen die überbewerteten Assets einfach abtun, weil "es funktioniert". Es ist schon fast surreal, die naiven, ahnungslosen kanadischen Anleger zu beobachten, die Hypotheken über 3 Millionen Dollar aufgenommen und fünf Immobilien vermietet haben und "noch mehr" kaufen wollen, während sie Seminare und Konferenzen besuchen, auf denen bezahlte Schauspieler die übertrieben enthusiastischen Teilnehmer weiter anheizen.
Einen kühlen Verstand kann man diesen Zeiten nur bewahren, wenn man sich an die Fehler der Vergangenheit erinnert, sich auf bewährte Methoden konzentriert und wachsam bleibt. Alles andere wäre töricht und hätte schwere Folgen. Wenn ich an den heutigen, hyperventilierenden Märkten investiere, werde ich mir schwören, ruhig zu bleiben und einfach weiterzumachen.
© Michael Ballanger
The Gold Report
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Dieser Artikel wurde am 02. Juni 2017 auf www.theaureport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.