Der am stärksten manipulierte Markt der Welt
21.07.2017 | Theodore Butler
Vor 76 Jahren hatte der Baseballspieler "Joltin' Joe" DiMaggio die beste Schlagserie aller Zeiten. Sie sollte 56 Spiele lang andauern und ist bis heute im Baseball unerreicht. Während seiner Erfolgssträhne im Jahr 1941 erreichte DiMaggio einen Schlagdurchschnitt von .408 (40,8%), d. h. bei zehn Schlägen erzielte er im Schnitt mehr als vier Hits. Den besten Durchschnitt einer gesamten Saison erzielte Ted Williams von den Boston Red Sox im gleichen Jahr mit .406.
Was würden Sie nun sagen, wenn ich Ihnen erzähle, dass ein Schlagmann für eine ganze Saison einen Schnitt von 1.000 erzielte? Oder dass ein Pitcher nur Bälle geworfen hat, die nicht geschlagen werden konnten? Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie das für unmöglich halten oder davon ausgehen würden, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Natürlich wären Ihre Zweifel berechtigt. Manche Dinge sind einfach zu unwahrscheinlich oder seltsam, als dass sie wahr sein könnten. Das gilt nicht nur für Baseball, sondern für praktisch all unsere Bemühungen. Wir stoßen immer an eine wie auch immer geartete Grenze.
Es wäre daher völlig verständlich, wenn Sie das in Frage stellen, was ich im Folgenden über die längste und herausragendste Erfolgsserie im Silberhandel an der New Yorker Terminbörse COMEX behaupte.
Die von der Börsenaufsichtsbehörde CFTC veröffentlichten Daten legen jedoch nahe, dass JP Morgan und zwei oder drei andere große Finanzgesellschaften bei keinem einzigen ihrer Trades am Silbermarkt je einen Verlust verbuchen mussten. Sie haben mit sämtlichen Positionen, die sie im Laufe der letzten neun Jahre (und in Wirklichkeit noch viel länger) am Silberterminmarkt aufgebaut haben, Gewinne erzielt. Natürlich dürfen Sie das anzweifeln, aber Sie können die Daten, auf deren Grundlage ich zu dieser Schlussfolgerung gelange, selbst überprüfen.
Lassen Sie mich zuerst definieren, was genau ich meine, wenn ich davon spreche, dass bestimmte Trader eine Position am Silbermarkt der COMEX eröffnen und nie einen Verlust erleiden. Ich beziehe mich hier nicht auf die Hochfrequenz-Daytrader, die den Großteil des Handelsvolumens am Silbermarkt und an praktisch allen anderen Märkten ausmachen.
Ich meine Positionen, die die Marktteilnehmer wochen- oder monatelang halten, bevor sie sie schließen. JP Morgan und die zwei oder drei anderen großen Finanzgesellschaften mit der unmöglich perfekten Silber-Tradingbilanz haben nie eine Netto-Long-Position in Silberfutures gehalten, d. h. alle Positionen, die sie immer verlustfrei und gewinnbringend eindecken konnten, waren Short-Positionen. Wenn man nun wie JP Morgan und die anderen perfekten Trader auf Nettobasis immer short ist, kann man keine Long-Position etablieren. Es besteht nur die Wahl zwischen dem Eindecken der Shorts oder dem Aufstocken der Position.
JP Morgan und die zwei oder drei anderen großen Marktteilnehmer, die an der COMEX immer richtig liegen, verfolgen eine reine Short-Strategie: Sie tätigen Leerverkäufe bei höheren Preisen und kaufen die Kontrakte später ausnahmslos zu niedrigeren Preisen zurück, um die Position glattzustellen. Nachdem ich mich nun schon seit 30 Jahren mit dem Silbermarkt befasse, glaube ich nicht, dass ich nachts auch nur eine Minute ruhig schlafen könnte, wenn ich das Edelmetall jemals shorten würde. Wahrscheinlich würde ich lieber einen Fallschirmsprung ohne Fallschirm wagen.
Angesichts der zahlreichen plötzlichen Kurssprünge, die das weiße Metall im Laufe seiner Preisgeschichte vorzuweisen hat - einschließlich des rasanten Anstiegs auf knapp 50 $ vor sechs Jahren - sollte man doch denken, dass die permanenten Short-Positionen von JP Morgan und Konsorten zumindest ab und an zu einem Verlust führen. Damit läge man jedoch falsch.
Die Idee, dass ein Baseballspieler eine ganze Saison lang mit jedem Schlag einen Hit erzielt oder als Pitcher nur Bälle wirft, die nicht geschlagen werden können, ist zugegebenermaßen sehr weit hergeholt. Aber genau aus diesem Grund habe ich das Beispiel gewählt. Wenn das passieren sollte, wäre die einzige mögliche Erklärung, dass das Spiel auf irgendeine Weise manipuliert ist.
Kein Spieler ist so gut, nicht einmal Joe DiMaggio oder Ted Williams. Ich gebe gern zu, dass der Gedanke, ein Trader könnte immerzu Silberfutures leerverkaufen und dabei nie einen Verlust, sondern immer nur Gewinne verzeichnen, ebenso absurd ist - zumal es hier nicht um eine einzige Saison, sondern um neun lange Jahre geht!
Lassen Sie mich also erst beweisen, dass JP Morgan und ein paar andere Trader das Unmögliche geschafft haben und dann erklären, auf welche Weise ihnen das gelungen ist. Glücklicherweise sind alle dazu notwendigen Daten in den Veröffentlichungen der Börsenaufsicht CFTC zu finden, einschließlich der wöchentlichen Commitments of Traders (COT) Reports und der monatlich erscheinenden Bank Participation Reports.
Ich weiß, dass das normalerweise der Punkt ist, an dem der ein oder andere von den komplexen Details gelangweilt ist, aber ich werde versuchen, den Sachverhalt so einfach wie möglich darzulegen. Machen Sie sich dabei bitte bewusst, dass JP Morgans perfekte Bilanz beim Silbertrading schon längst Allgemeinwissen wäre, wenn sie leicht zu erkennen wäre.
Jede ausführliche Version der COT-Berichte enthält Daten zur Marktkonzentration. Darin meldet die Börsenaufsicht die Positionen der vier und acht größten Marktakteure auf Brutto- und Nettobasis sowohl für die Long- als auch für die Short-Seite aller aufgeführten Rohstoffmärkte. In den Berichten wird die Marktkonzentration immer als prozentualer Anteil der insgesamt ausstehenden Kontrakte angegeben, d. h. die genaue Anzahl der Kontrakte muss manuell berechnet werden.
Dieser zusätzliche Schritt trägt zweifellos dazu bei, den ein oder anderen Marktbeobachter von einer umfassenderen Analyse der Daten abzuhalten. Das ist schade, denn gerade diese Statistiken erzählen die wahre Geschichte des Silberterminhandels an der COMEX.
Aus den Daten geht hervor, dass die vier größten Short-Trader am Silbermarkt der New Yorker Terminbörse auf Nettobasis nie einen Verlust gemacht haben. Seit mindestens neun Jahren (und wahrscheinlich schon seit 1983) verbuchen sie einen Gewinn nach dem anderen. Ich beziehe mich vor allem auf die vergangenen neun Jahre, weil JP Morgan im März 2008 Bear Stearns übernommen hat und damit zum größten Shortseller an der COMEX avanciert ist. Das lässt sich jedoch nicht allein aus den COT-Daten ableiten, denn die vier bzw. acht größten Marktteilnehmer werden nach den Richtlinien der CFTC nicht namentlich identifiziert (das sollte geändert werden).
Woher weiß ich dann mit Sicherheit, dass JP Morgan damals die Investmentbank Bear Stearns als größten Leerverkäufer von Silberfutures an der COMEX abgelöst hat? Aus der diesbezüglichen Korrespondenz zwischen der CFTC und den Gesetzgebern sowie aus den seitdem veröffentlichten COT-Berichten und Bank Participation Reports. Wie kann ich zudem ebenfalls zweifelsfrei wissen, dass JP Morgan und die anderen zwei oder drei großen Trader mit ihren Short-Positionen am Silberterminmarkt ausnahmslos Gewinne gemacht haben? Auch diese Informationen sind in den Berichten der CFTC zu finden.
Ich habe die Daten zur Marktkonzentration der vier bzw. acht Akteure mit den größten Netto-Short-Positionen am Gold- und Silbermarkt der COMEX seit mehr als 25 Jahren aufgezeichnet und berechnet. Seit 2000, als der COT-Report nicht mehr im Abstand von zwei Wochen, sondern wöchentlich veröffentlicht wurde, habe ich die Daten jede Woche ausgewertet. Das Gute daran ist, dass die Berichte öffentlich zugänglich sind und alle Veröffentlichungen von Januar 2005 bis heute auf der COT-Webseite der CFTC unter der Rubrik "Historical Viewable" von jedem abgerufen werden können, der meine Aussagen überprüfen möchte.
Ich halte die Daten zur Marktkonzentration schon seit Jahrzehnten für sehr wichtig und ich schätze, dass ich deswegen begonnen habe, sie per Hand in eine Reihe von Notizbüchern einzutragen. Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, dass ich damals, als ich anfing die Zahlen und Statistiken zu berechnen und aufzuzeichnen, nicht die geringste Ahnung hatte, dass ich sie heute verwenden würde, um JP Morgans perfekte Tradingbilanz zu beweisen. Das ist alles eher zufällig passiert. Ich habe die Daten notiert, weil ich mir auf diese Weise ein besseres Bild von der Marktstruktur machen konnte, nicht weil ich wusste, was ich 25 Jahre später damit anfangen würde.
Die Änderungen in der konzentrierten Marktposition der vier größten Shortseller am Silberterminmarkt zeigen ein unverkennbares Muster: Wann immer der Kurs über seine wichtigsten gleitenden Durchschnitte stieg, wurden die Short-Positionen aufgestockt, und jedes Mal, wenn er unter diese Linien fiel, wurde ein Teil der Leerverkäufe eingedeckt.
Das klingt recht simpel, aber es bedeutet gleichzeitig, dass die vier größten Leerverkäufer nie einen Verlust hinnehmen mussten, weil sie ihre Short-Positionen nie zu höheren Preisen eindecken mussten, als sie die Kontrakte ursprünglich verkauft hatten. Die Daten zeigen, dass die konzentrierte Netto-Short-Position immer dann verringert wurde, wenn der Silberkurs unter das Niveau sank, bei dem die Short-Position aufgebaut worden war. Folglich waren alle Trades dieser Art gewinnbringend. Keine Verluste, nur Profite.
Meine Erklärungen sind so einfach wie möglich gehalten. Mir ist bewusst, dass die großen Shortseller "Market Maker" sind und im Zuge ihrer permanenten Konfrontation mit dem Managed Money und den Investmentfonds verschiedene andere "notwendige" Dienstleistungen bereitstellen. Doch wie dem auch sei - die vier größten Leerverkäufer von Silberfutures an der COMEX, allen voran JP Morgan, lagen mit ihren Positionierungen viele, viele Jahre lang nicht ein einziges Mal daneben. Ich bin der Ansicht, dass das nur möglich ist, wenn der Markt manipuliert ist.
Wir haben nun also geklärt, was bestimmte Akteure am Silberterminmarkt getan haben. Nun gilt es herauszufinden. wie sie das bewerkstelligt haben. Der Hauptgrund für die perfekte Tradingbilanz der Shortseller ist die Tatsache, dass die entsprechenden Banken so viele Silberkontrakte herausgeben und leerverkaufen können, wie zur Deckung der Nachfrage nötig sind. Dazu haben sie de facto - wenn auch nicht schriftlich - die Genehmigung der Regulierungsbehörde CFTC und der CME Group, die die Terminbörse betreibt. Das lässt sich auch an der Erhöhung der konzentrierten Short-Position am COMEX-Silbermarkt im Laufe der Jahre ablesen.
Am 18. April dieses Jahres hielten die vier größten Marktteilnehmer eine Rekord-Short-Position von insgesamt 79.338 Kontrakten. Das entspricht mehr als 396 Millionen Unzen bzw. Leerverkäufen im Umfang von fast 100 Millionen Unzen Silber pro Trader. Wenn Sie nach einem Grund dafür suchen, dass der Anstieg des Silberkurses bei 18,50 $ gedeckelt wurde, dann haben Sie ihn jetzt gefunden.
Die Möglichkeit, eine unbegrenzte Anzahl von Silberfutures zu shorten, um den Preis nach unten zu drücken, ist allerdings nur ein Teil des Erfolgsrezeptes für eine makellose Bilanz - wenn auch der wichtigste Teil. Sobald die Silberrally durch den Leerverkauf so vieler Kontrakte gedeckelt wurde, wie dazu eben nötig waren, müssen die Short-Positionen zu niedrigeren Preisen eingedeckt werden, wenn mit den Trades ein Profit erzielt werden soll. Wie genau das funktioniert, ist schwerer zu erkennen als die Tatsache, dass die Bullionbanken so viele Silberkontrakte leerverkaufen können, wie sie wollen. Doch wenn wir genau hinsehen, können wir die Methode aufdecken.
Der Schlüssel zum gewinnbringenden Eindecken am Silbermarkt aller eröffneten Short-Positionen sind ganz einfach geheime Absprachen. An diesen sind nicht nur die vier größten Shortseller, sondern auch alle kleineren Commercials beteiligt. Wir wissen, dass die Commercials die Hedgefonds permanent über den Tisch ziehen und an der Nase herumführen. Die Commercials bringen die Fonds dazu, ihre Positionen zu liquidieren oder aufzustocken, da diese sich an technischen Signalen orientieren und kaufen, wenn die Preise steigen, bzw. verkaufen, wenn die Preise sinken. Die entsprechenden Preissignale werden von den Commercials mittels Spoofing und Hochfrequenzhandel erzeugt.
Durch die Abwärtsmanipulation des Preises werden die Hedgefonds also überredet, einen Teil ihrer Long-Positionen abzustoßen. Wenn es nun darum geht, die von den Fonds verkauften Kontrakte aufzusammeln, legen die Commercials eine bemerkenswerte Geduld und Disziplin an den Tag. Hier kommen fraglos die Absprachen ins Spiel, denn für einen offenen Konkurrenzkampf zwischen den Commercials fehlt jedes Anzeichen.
Beim Rückkauf der Silberfutures kommt es nie zu Drängeleien. Die Commercials sind stattdessen das perfekte Musterbeispiel für Anstand und Geduld. Dafür gibt es auch einen guten Grund: Wenn auch nur eine der Banken vorpreschen und vor den anderen mit dem Eindecken ihrer Shorts beginnen würde, würde der ganze Schwindel scheitern. Ich habe die Commercials im Scherz einmal mit den Drei Musketieren verglichen, denn auch bei ihnen gilt normalerweise das Motto "Einer für alle, alle für einen". Aber die ganze Angelegenheit ist gewiss nicht zum Lachen. Eine Zusammenarbeit dieser Art erfüllt den Tatbestand geheimer, illegaler Absprachen.
Der Silbermarkt ist zweifellos der am stärkten manipulierte Markt der Welt, denn andernfalls wäre eine perfekte Tradingbilanz, wie sie von JP Morgan und einigen anderen Shortsellern erzielt wurde, vollkommen unmöglich. Die einzige Frage ist, was man dagegen tun kann und wird.
Im Laufe der Zeit werden die Betrügereien für eine wachsende Zahl an Marktbeobachtern offensichtlich werden, darunter auch die Hedgefonds, die dem Betrug in erster Linie zum Opfer fallen. Wenn genügend Menschen über die wahren Vorgänge am Silberterminmarkt informiert sind, wird es zu Veränderungen kommen, die die perfekte Tradingbilanz der großen Leerverkäufer zunichte machen. Sie wissen ja - Wissen ist Macht.
Meiner Meinung nach könnte der Schwindel jedoch schneller beendet werden, wenn die Regulatoren, einschließlich des neuen Direktors der CFTC James McDonald, die Sache in die Hand nehmen würden. Wahrscheinlich besteht nicht die geringste Chance, dass die Börsenaufsicht JP Morgan jemals der Silberpreismanipulation für schuldig erklärt (auch wenn die kriminellen Banker das wirklich verdient hätten), weil die Bank in diesem Fall mit einer potentiell unbegrenzten Zahl von Anklagen und strafrechtlichen Verfolgungen konfrontiert würde.
Dies wäre genug, um ein scheinbar unsinkbares Schiff untergehen zu lassen. Keine Regierungsbehörde würde das je riskieren. Das bedeutet jedoch nicht, dass den Regulatoren gänzlich die Hände gebunden sind.
Mr. McDonald sollte JP Morgan und den anderen großen Leerverkäufern ganz im Vertrauen, aber sehr nachdrücklich nahelegen, nie wieder neue Short-Positionen zu eröffnen. Auf diese Weise könnte die perfekte Tradingbilanz unterbrochen werden und die Manipulationen hätten ein unverzügliches Ende. Werden die Regulatoren und McDonald den Mut haben, das zu tun?
Wir werden sehen, aber die Zeit läuft. McDonald ist zwar erst seit zwei Monaten im Amt, doch in dieser Zeit wurde der Silberpreis bereits zweimal auf unglaublich unverfrorene Art und Weise nach unten geschmettert. Um diesen Betrug zu beenden, muss rigoros gegen die Manipulatoren vorgegangen werden. Es nützt nichts, so zu tun als sei das Spiel gar nicht manipuliert.
© Theodore Butler
www.butlerresearch.com
(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.)
Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 22.6.2017 auf der Webseite www.silverseek.com veröffentlicht.