Fünf Gründe, den Herbst zu fürchten
30.07.2017 | Michael Pento
Der starke und langanhaltende Aufwärtstrend an den allgemeinen Märkten lässt die Unheilspropheten schon seit geraumer Zeit wie Narren wirken. Diejenigen, die vorhergesagt hatten, dass die massiven Eingriffe der Zentralbanken in das Marktgeschehen nicht zu dauerhaftem, solidem Wirtschaftswachstum führen würden, sollten jedoch recht behalten.
Die gleichen Kommentatoren und Analysten haben dabei allerdings die Bereitwilligkeit unterschätzt, mit der Momentum-Trading-Algorithmen die Kurse an den Börsen auf immer höhere Werte treiben, die weitgehend vom zugrundeliegenden Wirtschaftswachstum entkoppelt sind. Nichtsdestotrotz gibt es fünf gute Gründe für die Annahme, dass dieser Herbst die Aktienkurse zurück auf den Boden der Tatsachen holen und den denjenigen recht geben wird, die inmitten des Kaufrausches zur Vorsicht gemahnt hatten.
1. Schuldenobergrenze und Haushaltsdebatte in den USA
Der US-Kongress musste seine Sommerpause im August um zwei Wochen verkürzen, um bezüglich der Anhebung der Schuldenobergrenze endlich einen Fortschritt zu erzielen. Die absolute Grenze wird Mitte Oktober erreicht werden und es steht die Frage im Raum, wie die US-Regierung nach dem 30. September weiter finanziert werden kann.
Die Tea-Party-Anhänger unter den Republikanern und Mick Mulvaney, der Direktor des Amtes für Verwaltung und Haushaltswesen, wollen in dem neuen Schuldengesetz gern Nebenbestimmungen über gewisse Ausgabenreformen verankert wissen, doch der US-Finanzminister Steven Mnuchin hofft, ein Gesetz ohne Einschränkungen verabschieden zu können. Falls Mnuchin sich durchsetzen kann, wird sich das Kräftemessen auf die Bereitstellung von Mitteln im nächsten Finanzjahr verlagern.
In den letzten Jahren hat der Kongress meist in letzter Minute Resolutionen verabschiedet, mit denen die Finanzierungen im selben Umfang wie im vorangegangenen Jahr fortgesetzt wurden, statt einen Haushaltsplan zu beschließen. Wenn keine Fortschritte erzielt werden, könnte beides zu einem Regierungsstillstand führen, der sowohl die Märkte als auch Trumps Steuerreform ins Trudeln bringen würde.
2. Eskalation des Konflikts zwischen den USA und Nordkorea
Donald Trump mag es nützlich erscheinen, noch vor Jahresende "etwas zu unternehmen". Er könnte eine "fantastische" Ablenkung gebrauchen, nachdem es ihm bislang nicht gelungen ist, das als Obamacare bekannte Krankenversicherungssystem abzuschaffen und zu ersetzen und die angekündigte Steuerreform durchzuführen. Ein Angriff auf Kim Jong-uns kerntechnische Anlagen würde wohl auch die Besessenheit der Medien mit der Russland-Affäre deutlich reduzieren.
Der Präsident und die Regierungsmitglieder hielten am 4. Juli eine Krisensitzung ab, nachdem Nordkorea seine erste Interkontinentalrakete ins Japanische Meer gefeuert hatte. Trump hatte versprochen, dass es nicht zu Atomschlägen gegen die Vereinigten Staaten kommen würde und eine "wohlüberlegte Antwort" gegenüber dem Schurkenstaat angekündigt. Außerdem hat er China dazu aufgefordert, mehr Druck auf Nordkorea auszuüben und "diesem Unsinn ein für alle Mal ein Ende zu setzen".
Ein Präventivschlag in diesem Herbst würde dazu führen, dass die Trading-Algorithmen an den Märkten eine panische Verkaufswelle auslösen.
3. Chinas inverse Zinskurve
Am 7. Juni ist der Spread zwischen den Renditen der 10-jährigen und der 1-jährigen chinesischen Staatsanleihen negativ geworden. Das ist erst die zweite Umkehr der Zinsstrukturkurve seit 2005 und diesmal die am stärksten ausgeprägte der Geschichte. Ganz gleich, in welchem Land sie auftritt - eine inverse Zinskurve ist ein Anzeichen für ernste Probleme innerhalb des Bankenwesens und zeigt fast immer eine künftige Rezession an.
Eine Abschwung oder auch nur ein deutlicher Rückgang des chinesischen Wirtschaftswachstums würde Schockwellen durch die Schwellenmärkte und die Weltwirtschaft senden. Tatsächlich sind am 17. Juni auch die wichtigsten Indikatoren in China so stark eingebrochen wie schon seit Dezember 2016 nicht mehr, weil die Investoren fürchten, dass Peking eine straffere Geldpolitik durchsetzen und die Wirtschaft künftig wieder stärker steuern wird.
Wenn die Umkehrung der Zinsstrukturkurve bis zum Herbst bestehen bleibt, sollten Sie vor größeren Abwärtsbewegungen an den globalen Märkten auf der Hut sein.
4. Die EZB reduziert ihre quantitativen Lockerungen
EZB-Chef Mario Draghi hat im Juni verlauten lassen, dass die deflationären Tendenzen durch reflationäre Entwicklungen ersetzt wurden. Allein diese simple Aussage hat die Anleiherendite rund um den Globus sprunghaft ansteigen lassen, da die Märkte nun damit rechnen, dass das Ende der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank offiziell angekündigt wird. Eine solche Ankündigung könnte es sogar schon am 7. September geben.
Die Rendite der 10-jährigen Bundesanleihe liegt allerdings noch immer 150 Basispunkte unter dem Inflationsziel der EZB und 350 Basispunkte unter dem impliziten nominalen Wirtschaftswachstum. Das bedeutet, dass die Renditen plötzlich und auf dramatische Weise steigen könnten, wenn Mr. Draghi tatsächlich beginnt, den europäischen Anleihemärkten die enorme Nachfrage zu entziehen, die die EZB bislang garantiert hat - ungeachtet der weiterhin schwachen Wirtschaftslage.
Ein rasanter Anstieg der Kreditkosten innerhalb des überschuldeten europäischen Wirtschaftsraums hätte zur Folge, dass die Investoren die künftigen Wachstumsaussichten mit Sorge betrachten und die Spitzenreiter des Hochfrequenzhandels plötzlich und gleichzeitig versuchen, sich durch die enge Ausgangstür zu drängen.
5. Janet Yellens quantitative Straffungen
Die meisten Investoren verstehen nicht, dass die Federal Reserve ihre Geldpolitik in Wirklichkeit schon seit Dezember 2013 strafft, als sie begann ihre Anleihekäufe im Umfang von 85 Milliarden Dollar pro Monat einzustellen. Nachdem die QE-Maßnahmen nun beendet und bereits vier Zinsanhebungen beschlossen wurden, wird die Federal Reserve bei der Sitzung des Offenmarktausschusses im September wahrscheinlich den Beginn ihrer Bilanzverkürzung ankündigen. Das heißt, dass die US-Notenbank ab dem vierten Quartal voraussichtlich rund die Hälfte ihrer US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapiere im Gesamtwert von 4,5 Billionen Dollar wieder abstoßen wird.
Das Problem dabei ist, dass die Zentralbanken weltweit beginnen, ihre Geldpolitik zu straffen, während sich die Wirtschaftslage verschlechtert. Das Wirtschaftswachstum der USA liegt seit 2010 beispielsweise bei durchschnittlich 2,0%. 2016 ist es jedoch auf 1,6% gesunken und in diesem Jahr beträgt es bislang 1,4%. Dieses zusätzliche Angebot an US-Schuldpapieren könnte die Anleihepreise in Verbindung mit dem explodierenden Haushaltsdefizit (31% höher als im Vorjahr) stark einbrechen lassen. Das würde den durch die geldpolitische Straffung der EZB verursachten Anstieg der Rendite noch verstärken. Mehr braucht es vielleicht gar nicht, um dafür zu sorgen, dass sich die passiven, herdengesteuerten ETF-Investoren in Massen von den Klippen stürzen.
Das Ende akkommodierenden Zentralbankpolitik, welches sich in diesem Herbst deutlich beschleunigen wird, ist der Hauptgrund für die Annahme, dass eine ernste Korrektur der Aktienmärkte nur wenige Monate entfernt ist. Die steigenden Kreditkosten und die Erhöhung der Gesamtverschuldung um weitere 60 Billionen Dollar seit 2008 werden voraussichtlich die Katalysatoren sein, die die Marktstimmung von Gier in Panik umschlagen lassen.
Zu dieser ohnehin schon gefährlichen Situation kommt noch die Tatsache, dass die Aktienkäufe auf Kredit an der New York Stock Exchange eine Rekordhöhe erreicht haben, und dass die institutionellen Investoren nur 2,25% ihrer Portfolios in Form von Barmitteln halten. Nach Angaben der Citigroup ist das der niedrigste Stand seit dem Beginn der Finanzkrise. Anders gesagt sind die Investoren überschuldet und "all-in".
Seit der Wahl von Donald Trump hat der Dow Jones Industrial Average im Schnitt an einem von vier Handelstagen ein neues Allzeithoch verzeichnet. Beim S&P 500 kam es nach Angaben von Ned Davis Research schon seit fast 350 Tagen nicht mehr zu einem Rücksetzer von mehr als 10% und seit fast 2.100 Tagen nicht mehr zu Kursverlusten von mehr als 20%. Der durchschnittliche Abstand zwischen Abwärtsbewegungen dieser Größenordnung liegt bei 167 bzw. 635 Tagen. Dieser Aktienmarkt ist überbewertet, überdehnt und extrem gefährlich!
Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die längst überfällige Korrektur heftiger wird als ein normaler Rückgang um 20%. Die kommende Achterbahnfahrt an den Börsen startet nicht nur bei den zweithöchsten Bewertungen der Geschichte, sondern auch vor dem Hintergrund der bereits stark beeinträchtigten Bilanzen der Notenbanken und des US-Finanzministeriums. Es gibt kaum Spielraum für Zinssenkungen und höhere Haushaltsdefizite, um die Wirtschaft vor einer Abwärtsspirale zu bewahren. Es ist also höchste Zeit, eine Strategie zur Vermögenssicherung umzusetzen, bevor der Herbst beginnt.
© Michael Pento
www.pentoport.com
Der Artikel wurde am 24. Juli 2017 auf www.silver-phoenix500.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.