Narrengold
25.09.2017 | Peter Schiff
Jamie Dimon von JP Morgan Chase hat kürzlich Schlagzeilen gemacht, weil er Bitcoin als "Schwindel" bezeichnete. Ob diese Bemerkung mitverantwortlich für den jüngsten Abverkauf der Kryptowährung war, ist schwer zu sagen, aber die wahren Anhänger reagierten mit vorhersehbarem Zorn, da der Kommentar vom ultimativen Wall-Street-Insider stammte, dessen finanzielle Vorherrschaft durch digitale Währungen wie Bitcoin angeblich bedroht ist.
Meine eigenen kritischen Anmerkungen zu Bitcoin im Laufe der Jahre haben natürlich nicht einmal ansatzweise die gleiche Aufmerksamkeit bekommen, wurden aber von den Krypto-Fans gleichfalls kurzerhand abgetan. Ich habe mir jedoch als Liberalist und Anhänger der Österreichischen Wirtschaftsschule einen Namen gemacht und ich bin weder ein Mitglied des Bankenestablishments noch ein Freund des Fiatgeldes. Eigentlich sollte ich also zu den "Guten" zählen.
Doch da ich ein Unternehmen leite, das Gold verkauft - ein Metall, das dank Bitcoin angeblich schon bald überflüssig wird - sehen die Anhänger der Kryptowährungen in mir so etwas wie einen Verkäufer von Pferdegespannen, der nicht wahrhaben will, dass die Zukunft den pferdelosen Transportmitteln gehört.
Bitcoin ist allerdings nicht das Automobil und Gold kein Pferdegespann. Jamie Dimons Kommentare trafen zwar nicht genau ins Schwarze, aber zumindest in Hinblick auf das letztlich zu erwartende Ende von Bitcoin hat er recht, auch wenn er falsch liegt, was die Art und Weise des Untergangs und die Gründe dafür angeht. Die meisten Beobachter fürchten, dass die Regierung Bitcoin einfach verbieten wird (und wenn die digitale Währung ihre Versprechen einlösen könnte, wäre das tatsächlich ein mögliches Szenario). Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass Bitcoin eines natürlichen Todes stirbt.
Die Suche nach einer gleichwertigen Alternative zu Gold ist nicht neu. Schon im Mittelalter versuchten die Alchemisten, Blei in Gold zu verwandeln, und die Bitcoin-Fans glauben heute, sie könnten dort auf digitalem Wege Erfolg haben, wo die Alchemisten chemisch scheiterten. Doch ihre Lösung wird sich als ebenso realitätsfern erweisen.
Die Anhänger der Kryptowährung übersehen die Tatsache, dass Gold nicht über Nacht zu Geld geworden ist. Das Edelmetall war schon lange bevor es als Zahlungsmittel verwendet wurde ein wichtiger Rohstoff. Als sich ein auf Gold basierendes Geldsystem herausbildete, stellte das einen enormen Fortschritt gegenüber dem bis dahin vorherrschenden Tauschhandel dar.
Das Edelmetall erleichterte Handelsgeschäfte, Sparrücklagen, die Vergabe von Krediten, Versicherungen und die Kapitalbildung. Zahlreiche Regierungen begannen Goldmünzen zu prägen, Steuern in Form von Gold einzutreiben und ihre Rechnungen in Gold zu begleichen. Das taten sie nicht, weil sie diese Form der Finanztransaktionen bevorzugten, sondern weil das Volk es verlangte.
Den modernen Regierungen ist es jedoch gelungen, unser Währungssystem zu untergraben, indem sie die Bürger dazu brachten, Papier statt Gold als Geld zu akzeptieren. Auch das geschah nicht über Nacht. Es handelte sich um einen schleichenden Prozess, der mit der Herausgabe einer Papierwährung begann, die durch Gold gedeckt war und sich gegen Gold eintauschen ließ.
Anfangs glaubten nur wenige Menschen, dass die Papiernoten selbst einen Wert besaßen. Sie wussten, dass sich ihr Wert allein von dem Gold herleitete, mit dem sie hinterlegt waren. Im Laufe der Zeit überzeugten die Vereinigten Staaten die Regierungen anderer Länder jedoch, ihre Währungen nicht mehr mit Gold, sondern stattdessen mit US-Dollars zu decken. Da der Dollar eine Golddeckung hatte, war auch eine durch den Dollar gedeckte Währung im Grunde genommen durch Gold gedeckt.
1971 hat Präsident Nixon dieses Versprechen allerdings gebrochen. Zu diesem Zeitpunkt war das Papiergeld schon seit Generationen in Umlauf und die meisten Menschen hatten vergessen, dass die Scheine eigentlich nur eine Goldforderung repräsentierten. Da sämtliche Preise, Vertragsbestimmungen, Versicherungspolicen usw. längst in Währungseinheiten und nicht in Unzen Gold angegeben wurden, akzeptierte die allgemeine Öffentlichkeit die Umstellung. Obwohl sich die Edelmetallpreise infolgedessen zunächst stark erhöhten, war der Umstieg auf ein reines Fiatsystem letztlich ein Erfolg, zumindest aus Sicht der Regierung.
In Wirklichkeit war dieses nun schon fast ein halbes Jahrhundert andauernde Experiment in Sachen Fiatwährungen ein Desaster. Zwar haben die Regierungen fraglos davon profitiert, doch für die breite Masse der Bevölkerung ergaben sich keinerlei Vorteile. Mit sich gebracht hat das Fiatsystem vor allem einen massiven Anstieg der Staatsverschuldung, schädliche Inflation, eine Spekulationsblase nach der anderen, Boom-Bust-Zyklen, schwaches Wirtschaftswachstum und die Verschiebung der Kaufkraft von der Mittelschicht und ärmeren Bevölkerungsschichten hin zu den Financiers und Spekulanten.
Das Fiatwährungssystem ist eine Fälschung des goldbasierten Geldsystems, das es verdrängt hat, und sein Niedergang scheint heute sicher. Absurditäten wie Zinsen von 0% oder gar negative Zinssätze sowie quantitative Lockerungen sind eindeutige Anzeichen dafür, dass das Ende naht.
Viele Menschen glauben heute, dass die Kryptowährungen die nächste evolutionäre Entwicklungsstufe in der Geschichte des Geldes darstellen. Doch im Gegensatz zur Umstellung von Gold auf Papiergeld wieder dieser Schritt nie gegangen werden. Zwar haben die Kryptowährungen die positive Eigenschaft, aus dem Privatsektor zu stammen, doch ihnen fehlt ein echter Wert. Wie die Fiatwährungen leitet sich ihr Wert allein aus dem Vertrauen ab, das die Menschen ihnen entgegenbringen. Zudem haben sie keine Geschichte, keine Preisbeziehung zu anderen Rohstoffen.
Manche Kryptowährungen wie Bitcoin zeichnen sich zwar durch eine selbst auferlegte Knappheit aus (die von den Anhängern der Währung als eine Quelle ihres Wertes betrachtet wird), aber insgesamt ist das Angebot an praktisch identischen virtuellen Währungen unbegrenzt. Von Bitcoin selbst hat sich erst kürzlich Bitcoin Cash abgespalten und damit das potentiell unendliche Angebot an Kryptowährungen weiter vergrößert. Wenn Bitcoin Cash als eigene Währung ausgegliedert werden kann, mit wie vielen weiteren Spin-offs müssen wir dann in Zukunft rechnen?
Die Befürworter der Kryptowährungen weisen fälschlicherweise darauf hin, dass Geld keinen inneren Wert haben muss. Sie stellen sogar die absurde Behauptung auf, dass Gold ebenfalls keinen inneren Wert besitzt. Doch jede Kultur schätzt das Edelmetall aufgrund seines einzigartigen dekorativen und ornamentalen Wertes und daran wird sich in absehbarer Zukunft auch nichts ändern. Die industrielle Nachfrage nach Gold im Bereich der Computertechnik, Elektronik, Luftfahrtechnik, Medizin und Zahnmedizin wird ebenfalls weiterhin bestehen.
Bedenkt man dazu noch die günstigen Eigenschaften, die Gold in Bezug auf seine Seltenheit, Teilbarkeit, Transportfähigkeit, Gleichförmigkeit und Dauerhaftigkeit aufweist, stellt man fest, dass Gold der perfekte Rohstoff für die Verwendung als Währung ist. Bitcoin wurde geschaffen, um diese Eigenschaften zu replizieren, aber dabei hat man vergessen, dass keines dieser Merkmale eine Rolle spielt, wenn der zugrundeliegende, innere Wert nicht gegeben ist. Bitcoin ist folglich kein digitales Gold, sondern nur digitales Narrengold.
Geld muss abgesehen von seiner Verwendung als Zahlungsmittel einen zusätzlichen Nutzen haben. Es muss in der Lage sein, wie beim Tauschhandel einen realen Wert von einer Partei an eine andere zu übertragen. Wenn Gold gegen einen Stuhl getauscht wird, bekommen beide Parteien etwas mit einem Wert, der von künftigen Transaktionen unabhängig ist. Die Tatsache, dass die Partei, die das Gold erhält, dieses wahrscheinlich niemals als Gold verwendet, sondern es wieder gegen andere Waren oder Dienstleistungen eintauscht, ändert nichts am Wesen der Transaktion.
Wenn ein Stuhl jedoch gegen Bitcoins getauscht wird, erhält der Verkäufer des Stuhls nichts, was er oder irgendjemand anders wirklich gebrauchen könnte. Die einzige Verwendungsmöglichkeit der Bitcoins besteht darin, sie gegen etwas anderes zu tauschen.
In den Zeiten, in denen Gold als Zahlungsmittel verwendet wurde, kam es weiterhin in anderen Anwendungsbereichen zum Einsatz, insbesondere zur Herstellung von Schmuck. Da es praktisch als sicher gelten kann, dass Goldschmuck immer begehrt sein wird, müssen sich Edelmetallbesitzer keine Sorgen darum machen, dass der Wert ihres Goldes völlig verschwinden könnte. Der Wert des gelben Metalls leitet sich nicht von Glauben, Vertrauen oder Regierungsbeschlüssen ab, sondern von seinem Marktwert.
Obwohl der Wert der Fiatwährungen allein auf Vertrauen beruht, haben die Macht der Regierungen, die Gesetze zur Regelung der legalen Zahlungsmittel, die allgemeine öffentliche Akzeptanz und die Tradition eine reales Fundament für dieses Vertrauen gelegt. Und da die Menschen nicht ins Gefängnis wollen und nicht enteignet werden wollen, müssen sie Fiatgeld nutzen, um ihre Steuern zu zahlen.
Bitcoin besitzt dagegen weder einen inneren Wert wie Gold noch eine lange Verwendungsgeschichte und allgemeine Akzeptanz wie die Fiatwährungen. Es gibt auch keinen Staat, der von seinen Bürgern fordert, die Steuern in Bitcoin zu zahlen. Zudem findet sich in der Geschichte nicht ein einziges Beispiel für eine privat herausgegebene, nicht einlösbare Währung, die als Geld funktionierte.
Es ist lächerlich zu glauben, dass Bitcoin den Sprung vom nicht greifbaren, finanziellen Asset zum Geld trotz dieser Einschränkungen schaffen wird. Um an dieser Überzeugung festzuhalten, übergehen die Anhänger der Kryptowährung alle Gesetze des Geldes und der Wirtschaft, vergessen die Geschichte, ignorieren ihren gesunden Menschenverstand und bezeichnen jeden, der nicht ihrer Meinung ist, als voreingenommen oder als Idioten. Viele von ihnen werden in ihrer Arroganz bestärkt, weil sie dank anderen, noch größeren Narren, die den gleichen Fehler begehen, ein virtuelles Vermögen gewonnen haben.
Doch wie alle Spekulationsblasen wird auch diese ein böses Ende nehmen. Nicht nur, weil die Anleger, die jetzt auf den Erfolg von Bitcoin setzen, große Verluste machen werden, sondern vor allem auch deshalb, weil das Scheitern der Kryptowährungen die Fiatwährungen in einem besseren Licht erscheinen lassen wird und den Regierungen eine Gelegenheit bieten wird, den freien Markt weiter in Misskredit zu bringen.
In ihrer Begeisterung für Bitcoin übersehen selbst jene, die ernsthaft nach einer Alternative zu den Fiatwährungen suchen, das Edelmetall Gold. Sie übersehen dabei auch die modernen Technologien, die die Verwendung von Gold als Geld extrem erleichtern. Bei Goldmoney Inc. können Kunden ihr Gold beispielsweise weltweit in einem von Brinks betriebenen Lagerhaus verwahren und es als mit Hilfe einer Handy-App oder einer EC-Karte als Geld verwenden, ohne es sich jemals physisch ausliefern lassen zu müssen.
Alle Probleme, die angeblich im Zusammenhang mit Gold bestehen und nach Meinung der Krypto-Fans mit Bitcoin gelöst sind, wurden in Wirklichkeit bereits gelöst. Doch mit dem kometenhaften Aufstieg der virtuellen Währung in den letzten Jahren und den spektakulären Gewinnen der letzten Zeit geriet diese Tatsache aus dem Blickfeld. Leider werden viele Anleger einen Großteil ihres in Windeseile mit Bitcoin verdienten Vermögens auch genauso schnell wieder verlieren.
Bitcoin-Fans weisen gerne darauf hin, dass die Kryptowährungen Gold aufgrund ihrer Anonymität und Sicherheit überlegen sind. Doch der Eindruck der Sicherheit trügt. Vielleicht wird es den Regierungen nicht möglich sein, sich in die Programmierung der Blockchain zu hacken, aber sie können alle Transaktionen mit Kryptowährungen für illegal erklären. Für die Steuerfahndung wäre es ein Leichtes festzustellen, welches Unternehmen seine Geschäfte in Bitcoin abwickelt. Nur eine einzige Abstimmung im US-Kongress könnte alle Kryptowährungen an den Schwarzmarkt verbannen, wo sie nie einen ernstzunehmenden Einfluss auf die Gesamtwirtschaft ausüben werden.
Die Befürworter der virtuellen Währungen behaupten zudem, dass Gold weniger effizient sei, weil mit der Lagerung durch eine außenstehende Partei Kosten und Risiken verbunden sind - ein Problem, das die Kryptowährungen nicht haben. Diese Hürden sind jedoch viel niedriger, als sie oft dargestellt werden. Brinks, das Unternehmen, dem wir unser Gold anvertrauen, lagert für seine Kunden beispielsweise schon seit 150 Jahren Gold ein, ohne dass je ein Klient eine einzige Unze verloren hätte.
Die Erfordernis, Gold sicher zu verwahren, hat seiner Verwendung als Geld in der Vergangenheit keinen Abbruch getan und wird auch in Zukunft kein Hindernis darstellen. Das gelbe Metall muss schließlich gerade deshalb sicher aufbewahrt werden, weil es wertvoll ist. Bei Bitcoin ist das nicht notwendig, weil die Kryptowährung keinen Wert besitzt. Aber versuchen Sie einmal, das jemandem zu erklären, der Bitcoins besitzt ...
© Peter Schiff
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Dieser Artikel erschien am 19.09.2017 auf www.news.gold-eagle.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.