Wie die Minenindustrie über ihre eigene Zukunft denkt
19.12.2017 | Dr. Jürgen Müller
Die aktuelle Firmenpräsentation des Explorers Seabridge Gold [1] ist in einigen Punkten sehr interessant, und kann als Hinweis dafür dienen, wie die Minenindustrie selbst ihre eigene Zukunft sieht. Die folgenden Ausführungen stellen keine Kaufempfehlung für diese oder für eine andere Aktie dar, sondern dienen lediglich der allgmeinen Information.
Zu Beginn der Präsentation werden die aktuell 17 größten Reservenhalter aufgelistet.
Abb. 1: Nachgewiesene und wahrscheinliche Goldreserven der 17 größten Reservehalter
(Quelle: Firmenpräsentation Seabridge Gold [1])
(Quelle: Firmenpräsentation Seabridge Gold [1])
Die jeweiligen Firmen-Webseiten ergeben in Zahlen folgendes Bild für die ausgewiesenen "Proven" (nachgewiesene) und "Probable" (wahrscheinliche) Reserven:

Sollte demnach die Auflistung aus der Seabridge Präsentation richtig und vollständig sein, so betragen die nachgewiesenen und wahrscheinlichen Reserven der 17 größten Reservenhalter knapp 600 Mio. Unzen, was 18.700 Tonnen entspricht und damit auf dem aktuellen Niveau ca. 6 Jahresförderungen.
Das U.S. Geological Survey (USGS) beziffert in seinem aktuellsten Report zu Gold die weltweiten Reserven mit 57.000 Tonnen [2], d. h. 3x so viel wie die der 17 oben aufgelisteten größten Reservehalter.
Wie zuvor in meinen Artikeln gezeigt, ist jedoch die Größe einer Lagestätte ein entscheidender Faktor, ob aus einer Lagerstätte auch wirklich eine fördernde Mine wird. "Size matters" wie Amir Adnadi, CEO von GoldMining Inc., auf der Edelmetallmesse in seinem Vortrag sagte. Dessen Firma gibt seine Reserven im Übrigen mit 24,4 Millionen Unzen an, die in der Graphik von Seabridge ebenso fehlen, wie die Millionen Reserven vieler anderer Projektierungsfirmen wie z. B. einer First Mining Finance von Keith Neumeyer. Insofern ist die Zahl des USGS von 57.000 Tonnen (oder 1.830 Mio. Uz.) nicht anzuzweifeln.
In der Präsentation von Seabridge werden ebenfalls die zunehmenden politischen Risiken aufgezeigt:

Abb. 2: Politisches Risiko verschiedener Länder
(Quelle: Firmenpräsentation Seabridge Gold [1])
(Quelle: Firmenpräsentation Seabridge Gold [1])
So führten in Peru nicht genehmigte Streiks und örtlicher Widerstand zu Verzögerungen bei genehmigten Projekten. In Argentinien wurde in bestimmten Gebieten der Übertagebergbau und die Verwendung von Zyanid verboten. Für einige Projekte wurde die Steuerlast auf exportiertes Material auf 100% festgesetzt. In Ecuador stiegen ebenfalls die Steuern.
Freeport-McMoRan musste erst vor kurzem 51% ihrer Grasberg Mine, die größte Gold- und zweitgrößte Kupfermine der Welt, an die indonesische Regierung übertragen, um weiterhin Material aus der Mine exportieren zu dürfen [3]. Insgesamt ist also ein Trend zu erkennen, dass die Länder bzw. deren Regierungen mehr an ihren Bodenschätzen partizipieren möchten als früher.
Kanada gilt demgegenüber nach wie vor als die Bergbaunation Nummer 1 in der Welt: Stabile juristische und steuerliche Lage, ein etabliertes System für die Vergabe von Abbaulizenzen, gute Infrastruktur und eine erfahrene Arbeiterschaft.
Unter der Überschrift "Industry not making new gold discoveries" (dt.: Die Goldminenindustrie macht keine neuen Goldfunde mehr) wird zum Ende der Präsentation hin folgende Graphik gezeigt.

Abb. 3: Entwicklung der globalen Goldförderung (hellblaue Balken), Ausgaben für die Exploration (rote Kurve) und Goldfunde (in Mio. Uz.) für 1991 - 2016
(Quelle: Firmenpräsentation Seabridge Gold [1]).
(Quelle: Firmenpräsentation Seabridge Gold [1]).
Diese Graphik ist in größerer Auflösung auch auf unserer Facebook-Seite [4] zu sehen und sollte in Ruhe studiert werden. Als Quellen werden "SNL, GFMS und Paradigm Capital Inc." genannt.
Die Entwicklungen zeigen das ganze Dilemma der Goldminenindustrie in einer einzigen Graphik auf:
a) die globale Förderung steigt (um die steigende Nachfrage befriedigen zu können)
b) seit 1999 gab es jedoch nur zwei Jahre (nämlich 2005 und 2006), in denen mehr Gold gefunden, als gefördert wurde.
c) seit 2006 gilt der Zusammenhang "mehr Geld für die Exploration = mehr Funde" nicht mehr. Owohl die Explorationsausgaben sich von ca. 3 Mrd. Dollar in 2006 auf knapp 10 Mrd. Dollar in 2012 ca. verdreifachten, fiel die Fundrate von ca. 110 Mio. Unzen auf < 10 Mio. Unzen, d. h. um einen Faktor 11 ab.
Neuentdeckungen fallen hinter die Förderung zurück, so Seabridge weiter: Von 1990 bis 1999 wurden für jede geförderte Unze 1,4 Unzen neu entdeckt. Von 2000 bis 2009 fiel diese Ratio auf 0,7. Für die Jahre 2010 bis 2016 schätzt die Industrie, dass das Verhältnis auf nur noch 0,3 weiter dramatisch gefallen ist. Die Folgerung: Die großen Majors benötigen große skalierbare neue Projekte mit einer ausreichenden Kapitaleffizienz in sicheren und stabilen Ländern. Überspitzt formuliert: Kein Förderer kann heute mehr Milliarden in den Bau einer Mine investieren, die er dann später zu 51% an den Staat abzugeben hat, um überhaupt weiterarbeiten zu dürfen.
Die Explorationskosten pro Unze explodieren:

Die Explorationsausgaben 2010 - 2015 waren ungefähr doppelt so hoch wie 2000 - 2009 und dreimal so hoch wie 1990 - 1999. Trotzdem sanken die Entdeckungen - Zitat - "dramatisch". Die Kosten stiegen von 11 Dollar pro Unze im Zeitraum 1990 - 1999 auf 147 Dollar im Zeitraum 2010 - 2016.
Steigen die Kosten des Findens zusammen mit den Kosten der Förderung (sinkende Erzgehalte, steigende Energiekosten, steigende Steuerlast etc.) für eine sinkende Zahl an geförderten Unzen pro Zeiteinheit, wird klar, dass der Markt dies nur über steigende Preise wird ausgleichen können. Dies erscheint keine Ob-Frage, sondern lediglich nur eine Wann-Frage zu sein.
In einer abschließenden Graphik bestätigt die "Insider-Präsentation" dann schließlich das Peak Gold Szenario, welches ich schon seit Jahren propagiere.

Abb. 4: Peak Gold
(Quelle: Firmenpräsentation Seabridge Gold [1]).
(Quelle: Firmenpräsentation Seabridge Gold [1]).
Die Überschriften dieser Folie sagen: "Goldminenindustrie im großen / übergeordneten Niedergang" und "Die großen Bergbauunternehmen (Majors) brauchen neue Projekte / Lagerstätten, um die Produktion zu ersetzen". Bereits in meinem ersten Buch "Generation Gold" veröffentlichte ich 2006 ein simples Peak-Gold Modell. Auf einer Messe im September 2007 in München hielt ich einen ersten Vortrag zum Thema Endlichkeit der Rohstoffe. Im Messemagazin schrieb ich damals vor 10 Jahren:
"Den Statistiken zufolge gehen uns die natürlichen Ressourcen nicht gerade morgen aus. Jedoch wird es immer aufwendiger, teurer und risikoreicher werden, diese der Erde abzuringen. Und trotz Einsatz modernster Technologie werden die heutigen Fördermengen dennoch nicht gehalten werden können. [..] Für Metalle könnten sicherlich Peak-Theorien entwickelt werden: Peak-Gold, Peak-Silber, Peak-Kupfer, Peak-Blei, Peak-irgendwas." [5]
Es ist sehr interessant zu sehen, wie die Minenindustrie nun selbst beginnt, diese Zukunft anzuerkennen. Wie wichtig und richtig es kurzfristig ist, Edelmetalle zu besitzen, so sinnvoll ist es langfristig: Weniger Unzen werden von mehr Menschen nachgefragt werden.
© Dr. Jürgen Müller
Einkaufsgemeinschaft für Sachwerte GmbH
www.goldsilber.org
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Quellen:
[1] http://seabridgegold.net/pdf/corp_pres.pdf (Stand: 03.11.2017)
[2] https://minerals.usgs.gov/minerals/pubs/commodity/gold/mcs-2017-gold.pdf
[3] https://www.nytimes.com/2017/08/29/business/indonesia-freeport-mcmoran-grasberg-deal-majority.html
[4] https://www.facebook.com/Einkaufsgemeinschaft-für-Sachwerte-GmbH-1181950935270896
[5] Jürgen Müller: "Über das Ende des Rohstoff-Booms", Interpremeco Messekatalog 2007, S. 41 - 42