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Manipulationen am Silbermarkt: Was viele Analysten übersehen

05.01.2018  |  Steve St. Angelo

Zu den Hauptthemen, die von der Gemeinschaft der Edelmetallanleger und -analysten diskutiert werden, zählt die Manipulation der Gold- und Silberpreise durch die großen Bullionbanken. Viele Marktbeobachter weisen auf die massiven Short-Positionen von JP Morgan, der Scotiabank und anderen "Commercials" am Terminmarkt hin und sehen darin den wichtigsten Grund für den niedrigen Silberpreis. Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass die Großbanken den Silberkurs durch den Verkauf von Terminkontrakten bis zu einem gewissen Grad kontrollieren können. Es gibt jedoch noch einen anderen, entscheidenden Faktor, der von den meisten Analysten übersehen wird.

In einem seiner Artikel über die Short-Position von JP Morgan am Silbermarkt schreibt Ed Steer Folgendes:

"In der aktuellen Berichtswoche entspricht die Short-Position der vier größten Marktteilnehmer der weltweiten Silberproduktion von 148 Tagen, während die großen Trader auf den Plätzen 5 bis 8 zusammen die globale Silberproduktion weiterer 62 Tage geshortet haben. Insgesamt entspricht die Short-Position der 'Großen Acht' also der weltweiten Silberfördermenge von 210 Tagen bzw. sieben Monaten. Damit kontrollieren diese Marktteilnehmer 510,3 Mio. Unzen Papiersilber.

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Wie ich oben erwähnt habe, beträgt die Short-Position von JP Morgan Ted Butler zufolge rund 39.000 Kontrakte bzw. 195 Mio. Unzen und hat sich seit dem COT-Bericht der letzten Woche damit um 35 Mio. Unzen erhöht. 195 Mio. Unzen entsprechen in etwa der globalen Silberproduktion von 80 Tagen. Vergleichen Sie das mit der Fördermenge von 210 Tagen, die die 'Großen Acht' insgesamt geshortet haben. JP Morgan hat allein einen Anteil von 38% an der gesamten Short-Position der acht größten Marktteilnehmer.

Die Terminkontrakte, die die beiden Banken mit der größten Short-Position am Silbermarkt - JP Morgan und die kanadische Scotiabank - leerverkauft haben, repräsentieren die globale Silberproduktion von insgesamt 111 Tagen. Diese 111 Tage entsprechen wiederum 75% des roten Balkens im obenstehenden Chart. Die anderen beiden Marktteilnehmer, die zu den 'Großen Vier' zählen, haben Schnitt jeweils die Weltsilberproduktion von 18,5 Tagen geshortet. Die Short-Positionen der vier Trader auf den Plätzen 5 bis 8 entsprechen durchschnittlich jeweils 15,5 Tagen."




Ed Steer macht in seinem Artikel deutlich, dass die acht größten Trader am Silberterminmarkt insgesamt eine so riesige Short-Position halten, dass zur Deckung der Leerverkäufe die weltweite Silberproduktion von 210 Tagen notwendig wäre. 53% dieser Short-Position entfallen zudem allein auf die zwei größten Bullionbanken, JP Morgan und die Scotiabank. Der Chart zeigt zudem, dass die Short-Position am Silbermarkt im Verhältnis zur tatsächlichen Fördermenge höher ist als bei jedem anderen Metall oder Rohstoff.

Der bekannte Marktbeobachter Ted Butler macht in seinem Artikel "Life Under Manipulation" außerdem folgende Anmerkungen:

"Als Einzelpersonen haben wir wenig oder gar keinen Einfluss auf die Märkte. Und bleibt nicht anderes übrig, als uns an die realen Gegebenheiten anzupassen. Im Fall von Silber ist die Realität, dass sich der Markt im eisernen Griff der Preismanipulationen befindet. Die Geschichte zeigt, dass die Gold- und Silberpreise von den verschiedensten Regierungen rund um den Globus oft willkürlich und in Anlehnung an die jeweilige offizielle Geldpolitik festgelegt wurden. Seit 35 Jahren besteht jedoch eine ganz neue Form der Preismanipulation: Die Positionierung am Silbermarkt durch den Kauf und Verkauf von Futures an der Commodities Exchange, Inc. (COMEX).

Ob man an diesem manipulierten Markt teilnehmen möchte oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen. Mir fällt die Entscheidung leicht. Bei den Manipulationen der Vergangenheit ging es fast immer darum, die Preise nach oben zu treiben. Ein unnatürlich teures Asset zu kaufen ist jedoch eine todsichere Methode, um letzten Endes Geld zu verlieren. Da die Manipulationen am Silbermarkt jedoch auf eine Verringerung des Preisniveaus abzielen, ist der Silberkurs unnatürlich niedrig und garantiert auf diese Weise, dass Anleger, die die Kaufgelegenheit jetzt nutzen, von künftigen Kursgewinnen profitieren werden.

Wenn sich der überwiegende Teil der Leerverkäufe am Silbermarkt der COMEX auf hunderte oder tausende verschiedene Trader verteilen würde, wären Preismanipulationen unmöglich. Doch an der COMEX befinden sich die Short-Positionen hauptsächlich in den Händen einiger weniger Akteure und erst diese Konzentration macht die Einflussnahme möglich. Es gibt keine einleuchtende Erklärung dafür, dass vier oder acht große Trader am Silbermarkt eine viel größere Short-Position halten als an anderen Rohstoffmärkten - abgesehen davon, dass sie auf diese Weise den Preis deckeln und kontrollieren und zudem versuchen, ihre perfekte Tradingbilanz zu beschützen."


Wie Ed Steer impliziert auch Ted Butler, dass die Bullionbanken den Silberpreis durch den massiven Verkauf von Futures manipulieren. Es ist wahr, dass die Short-Positionen am Silbermarkt stärker auf wenige Marktteilnehmer konzentriert sind als an allen anderen Metall- oder Rohstoffmärkten, doch andere Faktoren dürfen dennoch nicht außer Acht gelassen werden.

Wie ich in zahlreichen Artikel und Interviews erklärt habe, basiert der Preis von Energie, Metallen und Rohstoffen im Allgemeinen in erster Linie auf ihren jeweiligen Produktionskosten - nicht etwa auf Angebot und Nachfrage. Diese Faktoren beeinflussen den Preis zwar ebenfalls, rufen aber eher kurzfristige Schwankungen hervor. Die nächsten beiden Charts illustrieren eindeutig, dass sich die Produktionskosten und die Marktpreise von Gold und Silber parallel zueinander entwickeln.

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Aus der ersten Grafik können wir ablesen, dass die Produktionskosten von Barrick und Newmont immer niedriger waren als der Marktpreis für Gold. Beide Bergbauunternehmen haben in bestimmten Jahren zwar einen Nettoverlust verbucht, doch zur Berechnung der Produktionskosten habe ich den "angepassten" Gewinn verwendet, nicht den Nettogewinn. Das gilt auch für Pan American Silver. Als der Silberpreis 2011 im Schnitt bei 35 $ lag, machte das Unternehmen einen Gewinn von 9 $ je Unze. Als der Kurs wieder fiel, sanken auch die Produktionskosten. Grund dafür war zum einen der gleichzeitige Rückgang der Energiekosten und zum anderen die massive Kürzung der Ausgaben, u.a. für Explorationsprogramme.

Der nachfolgende Chart zeigt, dass die Produktionskosten von Pan American eine Korrelation zum Ölpreis aufweisen:

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Die Produktionskosten für Silber standen schon immer in engem Zusammenhang zum Marktpreis. Gleiches gilt für Gold und Kupfer. Ich habe die Finanzergebnisse der größten Gold-, Silber- und Kupferunternehmen in den ersten drei Quartalen 2017 analysiert und ihre Gewinnspannen gegenübergestellt:



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Gemäß den finanziellen Ergebnissen der Unternehmen lagen die Gewinnspannen von Barrick und Newmont im Schnitt bei 9%, während die Silberproduzenten Pan American Silver und Coeur Mining 6% Gewinn machten und die Kupferunternehmen Codelco und Freeport McMoRan 5%. Die Produktionskosten für Gold, Silber und Kupfer liegen in den Top-Minengesellschaften also noch immer unter dem Marktpreis.

Die enorme Konzentration der Short-Positionen in den Händen weniger Trader an der COMEX und insbesondere am Silberterminmarkt ist erschreckend, aber sie ist nur ein Teil des Gesamtbildes. Obwohl am Silbermarkt so viele Kontrakte leerverkauft werden, dass dies einem Großteil der jährlichen Silberproduktion weltweit entspricht, machen die meisten Silberunternehmen noch immer einen Gewinn.

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Das Gleiche gilt übrigens auch für Minengesellschaften, die hauptsächlich Platin fördern:

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Zugegeben, der Chart stammt aus dem Jahr 2015 und ist damit schon etwas älter. Wir können dennoch erkennen, dass die Produktionskosten von Platin in der Nähe der Marktpreise lagen. Wenn man die Short-Positionen am Terminmarkt in die Zeit umrechnet, die zur Förderung einer entsprechenden physischen Edelmetallmenge benötigt würde, wird deutlich, dass der Platinmarkt die zweitgrößte Konzentration an Shorts aufweist. Der Marktpreis liegt allerdings trotzdem in der Nähe der Produktionskosten.

Leider berücksichtigen weder Ted Butler noch Ed Steer die Produktionskosten in ihren Analysen des Silberpreises. Sicherlich haben die Banken einen gewissen Einfluss auf den Silberkurs, doch die umfassendsten Manipulationen spielen sich an anderen Märkten ab, genauer gesagt an den Aktien-, Anleihe- und Immobilienmärkten, an denen die Preise gestützt und immer weiter nach oben getrieben werden. Nach Angaben von Savills World Research entsprach der Wert aller Finanzassets 2015 weltweit 372 Billionen $. Der Großteil des globalen Vermögens ist in Aktien, Anleihen und Immobilien investiert. Die Zentralbanken konzentrieren sich daher in erster Linie darauf, die Kurse an diesen Märkten vor dem Einbruch zu bewahren.

Wenn der Silberpreis in Zukunft in die Höhe schießt, dann wird das nicht daran liegen, dass die Bullionbanken nicht mehr in der Lage sind, ihre Short-Positionen am Silberterminmarkt einzudecken. Grund dafür werden vielmehr der Zusammenbruch der globalen Ölindustrie und dessen verheerende Auswirkungen auf den Wert der Aktien, Anleihen und Immobilien sein.


© Steve St. Angelo
(SRSrocco)



Dieser Artikel wurde am 25. November 2017 auf www.srsroccoreport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.