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Die vernünftige Geldwissenschaft

19.06.2018  |  Dr. Keith Weiner

Stellen Sie sich vor, Sie fahren ein Auto und Sie drehen das Lenkrad nach links. Sie werden fühlen, wie die Tür und Säule Ihres Fahrzeuges gegen Ihre linke Schulter drücken (in einem links fahrenden Auto). Das ist eine beobachtete Tatsache.


Die vernünftige Physik

Die eine Idee - nennen wir sie vernünftige Physik - ist, dass Sie von einer Kraft nach außen in die Tür gedrückt werden. Wenn Sie sich das Zentrum des Kreises vorstellen, den das Auto durch das Abbiegen entstehen lässt, wirkt eine scheinbare radiale Kraft auf Sie. Diese Kraft wirkt nach außen. Man nennt Sie Zentrifugalkraft.

Oder stellen Sie sich vor, wie Sie ein Glas mit Wasser und gemischten Bodensedimenten füllen. Sie platzieren dieses Glas in einer Maschine, die sich mit sehr hoher Geschwindigkeit dreht; dabei ist der Deckel des Glases nach innen und in Richtung Zentrum gedreht. Nachdem sich die Maschine eine Weile gedreht hat, halten Sie diese an und entnehmen das Glas. Die schwersten Partikel befinden sich am Boden des Glases.

Über ihnen befinden sich die etwas weniger schweren - und so weiter - bis zu den leichtesten Partikeln. Das Wasser ist ganz oben. Dieses Experiment bestätigt die obengenannte Idee. Es scheint als würden die schwersten Partikel von etwas nach außen und weg vom Zentrum gedrückt. Zentrifugalkraft.

In jeder Personengruppe, die nicht Physik studiert hat, ist diese Ansicht komplett unumstritten. Tatsächlich würde fast jeder, der nicht Physik studiert hat, dem zustimmen, was wir im obigen Absatz geschrieben haben.

Wenn man sich jedoch an eine Gruppe Leute wendet, die Physikkurse am College besuchte, erhält man eine gegenteilige Reaktion. Die obengenannte Ansicht ist falsch. Und keiner von ihnen (der den Kurs bestanden hat) würde sie verteidigen.

Jeder Physikstudent im ersten Semester würde den Kreis und den Radius zeichnen. Aber er würde noch ein weiteres Konzept hinzufügen - die Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit eines Objekts ist tangential zum Kreis. Es gibt eine Kraft, die das Objekt zieht. Es ist eine radiale Kraft, doch sie ist nach innen gerichtet - die Zentripetalkraft. Das Objekt fällt nicht ins Zentrum, weil die Geschwindigkeit tangential ist. Das Endresultat lautet, dass der Weg ein Kreis ist.

Man kann sich Experimente ausdenken, um Probleme innerhalb der vernünftigen Physik darzustellen. Man bindet beispielsweise eine Schnur mit eingebettetem Kraftmesser an ein kleines Gewicht. Dann schwingt man es in einem horizontalen Kreis. Das Messgerät zeigt die Spannkraft, die auf der Schnur lastet. Da die Schnur nun mal eine Schnur ist, ist sie nicht in der Lage, das Gewicht nach außen zu drücken. Die Spannkraft ist eine Kraft, die nach innen wirkt.

Man kann sich Experimente ausdenken, um den Fokus auf einen Fall zu legen, bei dem die vernünftige Physik das eine Ergebnis und die physikalische Physik das gegenteilige Ergebnis vorhersagt. Gehen wir zurück zu dem Gewicht, das an einer Schnur im Kreis geschwungen wird. Was passiert, wenn man die Schnur in einem bestimmten Moment kappt? Unter Verwendung der Hochfrequenzphotographie könnte man sehen, was genau in dem Moment passiert, in dem die Schnur gekappt wird.

Die vernünftige Physik nimmt an, dass das Gewicht radial aus dem Zentrum des Kreises geschleudert wird. Die physikalische Physik nimmt an, dass es tangential herausgeschleudert wird. Wir werden Sie mit diesem Cliffhanger nicht bis nächste Woche warten lassen: Das Gewicht wird tangential hinausgeschleudert.

Physik ist eine Naturwissenschaft. Es ist eine Beobachtung von Tatsachen und ihre Theorien der Welt sind schwarz und weiß. Sie sind nicht bestreitbar (wenn wir unsere Diskussion auf die Newton'schen Mechanik beschränken).

In der Physik gibt es keinen Platz für Meinungsäußerungen. Die vernünftige Physik liegt falsch. Die physikalische Physik liegt richtig. Es geht natürlich nicht darum, der Physik zuzustimmen, sondern sie zu verstehen. Demnach versteht die Personengruppe, die Physik nicht studiert hat, sie einfach nicht. Sie glaubt an eine Ansicht, die vernünftig erscheint, aber falsch ist. Diejenigen, die Physik studiert haben, kennen die Wahrheit.

Sie fragen sich sicher, wohin uns diese Thematik führen soll. Nein, Monetary Metals möchte sich keineswegs neue Berufsfelder eröffnen und Studenten die Physik beibringen. Wir bleiben bei unserem monetären Hauptgebiet. Es gibt eine Analogie zwischen Physik und Geld. Betrachten wir nun die vernünftige und die physikalische Geldwissenschaft.


Die vernünftige Geldwissenschaft

Die vernünftige Physik beginnt mit einer Beobachtung. Sie sucht nicht nach anderen Beobachtungen, sondern springt direkt zur scheinbaren Erklärung. Sie identifiziert nie den Grund oder begreift gar die Mechanik. Dasselbe gilt für die vernünftige Geldwissenschaft. Die vernünftige Physik meint, dass Sie eine Kraft an Ihrer linken Schulter spüren; dass Sie von etwas nach außen ins Fahrzeug gedrückt werden. Sie hinterfragt nicht, ob Sie nicht von dem Fahrzeug selbst nach innen gedrückt werden.



Die vernünftige Geldwissenschaft beginnt mit ihrer eigenen scheinbaren Beobachtung. Die Menschen kaufen und verkaufen alles im Austausch gegen gedrucktes Papier oder elektronische Gutschriften, die man nur für Papierfetzen einlösen kann. So wie die vernünftige Physik schlussfolgert, dass der Körper des Fahrers nach außen gegen die Fahrzeugtür gedrückt wird, so schlussfolgert die vernünftige Geldwissenschaft, dass diese Papierfetzen Geld sind. So wie die physikalische Physik die Zentrifugalkraft als scheinbare Kraft bezeichnet, so bezeichnet die physikalische Geldwissenschaft dieses Papier als scheinbares Geld.

Die vernünftige Physik beruft sich nicht auf Experimente; fragt nicht danach, welche Kraft aus der Ferne wirkt (was Einstein im Übrigen als "gruselig" bezeichnete). Die scheinbare Kraft reicht aus. Hier gibt es Nichts zu sehen, gehen Sie weiter.

Dasselbe gilt für die vernünftige Geldwissenschaft. Die Leute handeln mit Papierdollar (oder Pfund, Euro, Yuan, etc.) gegen Lebensmittel, Fahrzeuge, Häuser und iPhones. Diese Papierfetzen sind offensichtlich also Geld. Genug der Worte.

Die physikalische Physik meint hingegen, dass man ein Gewicht an eine Schnur binden, diese im Kreise drehen und dann kappen soll. Warten wir ab, was passiert. Das Gewicht wird tatsächlich weggeschleudert - tangential.

Die physikalische Geldwissenschaft sollte demnach also das scheinbare Geld betrachten, dieses Papier, und hinterfragen, was geschehen wird, wenn der Emittent abgeschnitten wird. Wird das Papier weiterhin auf unbegrenzte Zeit als Geld zirkulieren? Wird es seine Identität als Geld behalten? Oder wird es in einem kurzen Bogen herausgeschleudert, der dann mit einem Schlag auf festen Boden endet? Wenn der letztere Fall eintritt, wovon hängt dann sein Wert ab? Die Menschen schätzen das scheinbare Geld nicht für irgendein Attribut, das es besitzt, sondern aufgrund des Emittenten ...

Das ist eine interessante Argumentationskette (und ja, wir wissen um den einen Fall, in dem sich eine Fiat-Währung weiterhin nach dem Zusammenbruch der Zentralbank in Umlauf befand, zumindest für eine Weile). Ist Geld etwas, das eine Partei der anderen schuldet, oder das, was man bezahlt, um Schulden zu tilgen?

Wenn Geld das letztere ist, also nichts, was man schuldet, dann hängt dessen Wert (und damit die Zirkulation) nicht von der Solvenz einer Partei ab. Wenn im Gegenzug der Zusammenbruch des Emittenten also den Zusammenbruch des scheinbaren Geldes bedeutet, liefert dies dann nicht Argumente dafür, dass das scheinbare Geld gar kein echtes Geld ist?

Die scheinbare Zentrifugalkraft in der Physik ist analog zum scheinbaren Dollargeld. Es gibt keine Ursache, die auf den Fahrer des Autos wirkt, um eine nach außen gerichtete Kraft zu erzeugen. Das ist ein Widerspruch, da auf jede Aktion eine Reaktion folgen muss. Das scheinbare Dollargeld besitzt seinen eigenen Widerspruch. Eine Schuld wird mit Geld beglichen. Wenn Geld an sich Schulden sind, dann bezahlen wir Schulden mit Schulden. Das ist ein Widerspruch, denn damit werden die Schulden nicht getilgt, sondern nur umverteilt. Also besitzen wir scheinbares Geld, das seine Funktion als Geld nicht erfüllen kann.

Unsere Analogie bricht jedoch ab, wenn man weiß, dass die meisten Hochschulabsolventen der Volkswirtschaftslehre einer Laiengruppe zustimmen würden, die keine Ahnung hat.

Wir wollen nicht ständig auf den Fragen und Beobachtungen der echten physikalischen Geldwissenschaft herumreiten, da wir häufig darüber schreiben. Unser heutige Punkt ist, dass die Wissenschaft und deren einzigartige Beobachtungsmethodik in das Reich des Geldes und des Kredits eintreten muss. Die wirtschaftliche Welt dreht sich an einer Schnur und diese Schnur wird sicherlich irgendwann reißen.


Mainstream-Geldwirtschaft ist Lyssenkoismus

Ein wichtiger Unterschied zwischen der Physik und der Geldwissenschaft ist, dass niemand daran interessiert ist, die Leute in der vernünftigen Physik zu schulen (auch wenn Regime wie die UdSSR Lyssenkoismus förderten - also die Theorie, dass Eigenschaften durch die Umwelt bestimmt werden und nicht durch innewohnende Attribute oder Gene). Leider fördert heutzutage jede Regierung der Welt vernünftige Geldwissenschaft.

Die Zentralbank sucht nach einem gruseligen "ohne Gegenleistung" Konzept. Sie wollen keinen Konsensus darüber, dass das Zentralbankensystem oder Zentralplanung schädlich ist. Sie möchten eine scheinbare gratis Mahlzeit weiterhin genießen, bei der man umsonst Annehmlichkeiten bekommt, ohne die notwendigen Steuern zu erheben.

Die vernünftige Geldwissenschaft glaubt, dass das, was Zentralbanken tun, Gelddruckerei ist. Die physikalische Geldwissenschaft besagt, dass diese scheinbare Druckerei nur die Aufnahme von Krediten ist und das scheinbares Geld Schulden sind. Ihre Lösung der zusätzlichen Gelddruckerei ist in Wirklichkeit die Aufnahme weiterer Schulden. Das ist eine wichtige Unterscheidung, da es keine bestimmte Mengengrenze für das gedruckte Geld gibt, es jedoch eine sehr deutliche Grenze gibt, wie viel Schulden ein Kreditnehmer bedienen kann.

Also ist es viel schwerer, physikalische Geldwissenschaft zu lehren als physikalische Physik. Wir versuchen hierbei nicht, Ihnen etwas Neues beizubringen. Wir müssen Ihnen beibringen, dass das, was Menschen zu wissen glauben, so nicht ist.


© Keith Weiner
Monetary Metals



Der Artikel wurde am 11. Juni 2018 auf www.monetary-metals.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.