Ausbreitung der Krise ins globale Finanzsystem!
17.08.2018 | Uli Pfauntsch
Am letzten Freitag erlebte der Markt einen der schlimmsten Währungseinbrüche in der jüngsten Geschichte, nachdem es bei der Türkischen Lira zu einer regelrechten Kernschmelze kam. Die Währung befindet sich im freien Fall. Allein in der letzten Woche stürzte die Lira gegenüber dem Dollar um 21 Prozent ab. Das ist ein unglaublicher Einbruch. Denn wir sprechen nicht über dünn gehandelte Kryptowährungen, sondern um eine Landeswährung, die sich in den Geldbörsen von 80 Millionen Türken befindet.
Seit Jahresbeginn hat die Türkische Lira rund 50 Prozent gegenüber dem Dollar verloren. Damit ist es die schlimmste Währung hinter dem Venezolanischen Bolivar und dem Sudanesischen Pfund.
Man darf gespannt sein, wie lange die Türken die Bewältigung dieser Krise ihrem "geliebten Präsidenten" Recep Tayyip Erdogan und seinem in Finanzdingen unerfahrenen, 40-jährigen Schwiegersohn (den er als Finanzminister einsetzte) noch zutrauen. Inzwischen werden übrigens missliebige Kommentare auf auf Social Media-Plattformen wie Facebook in der Türkei polizeilich verfolgt. Mehrere hundert Festnahmen soll es bereits am ersten Tag gegeben haben … Auch wenn sich der wirtschaftliche Niedergang der Türkei durch die größenwahnsinnige und realitätsfremde Politik von Präsident Erdogan zweifelsfrei beschleunigt hat, kommt diese Entwicklung alles andere als unerwartet.
Neue Schwellenland-Krise und die Folgen!
Die Lage, in der sich nicht nur die Türkei, sondern der gesamte Emerging-Markets-Komplex nun befindet, hat viel damit zu tun, dass die Fed, EZB und andere wichtige Notenbanken die Zinsen für fast ein Jahrzehnt nahe der Nulllinie hielten. Das machte es für Länder wie die Türkei unglaublich billig, Geld zu leihen. Mit diesem kreditfinanzierten Wachstum konnte die türkische Wirtschaft stark expandieren. Im letzten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt um 7,4%. Das ist fast dreimal so stark wie das Wachstum der US-Wirtschaft. Doch Schulden zuliebe des Wirtschaftswachstums aufzunehmen funktioniert nur, wenn diese Schulden auch zurückbezahlt werden können.
Die Türkei machte - wie viele andere Schwellenländer auch - den Fehler, einen Großteil der Schulden auf Fremdwährungen aufzunehmen, etwa Dollar oder Euro. Das Problem: Verliert die die eigene Währung stark an Wert, wird es schwer bis unmöglich, diese Schulden zurückzuzahlen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass die Schulden der Türkei auf Fremdwährungen nun bereits 50% der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes überschreiten.
Somit besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die türkische Währungskrise in einer vollumfänglichen Schuldenkrise endet. Das bedeutet, dass das türkische Finanzsystem schon bald in eine verhängnisvolle Abwärtsspirale geraten könnte, aus der es keinen Ausweg gibt.
Im CompanyMaker-Update vom 24. Mai hieß es unter anderem: "… die weitaus größte Gefahr, die sich derzeit vor unseren Augen abspielt, ist der Stresstest des gesamten Emerging Markets Komplex, der nahezu über das gesamte vergangene Jahrzehnt unerbittlich von der globalen Jagd nach Rendite profitierte, verursacht durch die Zentralbank-Politik des billigen Geldes der entwickelten Länder. Kurz gesagt, ist die Befürchtung groß, dass sich der Carry Trade in unkontrollierter Art und Weise abwickelt und der Druck in Indonesien, Hong Kong, Argentinien, Brasilien und vor allem der Türkei zunimmt.
Natürlich könnte man argumentierten, "wen interessiert schon die Türkei?". Die wenigsten Marktteilnehmer können sich vorstellen, dass der Kollaps der türkischen Lira etwa Einfluss auf den US-Aktienmarkt zeigen könnte. Verschiedene Länder des EM-Komplex werden auf exogene Schocks mehr oder weniger verwundbar sein. Doch was sich historisch betrachtet in der Regel zeigt, ist, dass sobald der wackeligste Dominostein gekippt ist, die Babys mit dem Badewasser ausgeschüttet werden.
Das Chaos, das sich insbesondere in der Türkei abzeichnet, wird sich natürlich zuerst im breiteren EM-Komplex manifestieren, der nächste Schritt ist jedoch die Ansteckung der entwickelten Märkte“.
Wir sehen nun, dass der Dollar nicht nur gegenüber der türkischen Lira gewinnt. Der Greenback legte etwa 64% gegenüber dem Argentinischen Peso dieses Jahr zu … 19% gegenüber dem Russischen Rubel … oder 16% gegenüber dem Südafrikanischen Rand. Nun sind dies augenscheinlich keine großen Wirtschaften. Doch auch gegenüber dem Euro ist der Dollar auf ein Jahreshoch ausgebrochen. Noch im Februar wurden für einen Dollar mehr als 1,25 Euro bezahlt. Aktuell sind es mit weniger als 1,14 Euro rund neun Prozent weniger. 
Das ist eine Entwicklung, die wir nicht unterschätzen sollten. Denn immerhin ist der Euro das stärkste Gegengewicht für den Dollar. Wertet der Dollar gegenüber dem Euro auf, kommen andere Währungen, insbesondere die der Schwellenländer, tendenziell sehr viel stärker unter Druck.
Ansteckungsgefahr ins globale Finanzsystem
Laut Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) haben Banken weltweit rund 224 Milliarden Dollar an Geschäftspartner in der Türkei verliehen. Nach den Zahlen für das erste Quartal sind spanische Institute mit mehr als 83 Milliarden Dollar in der Türkei engagiert, französische Banken mit 38 Milliarden Dollar und deutsche und italienische Banken mit jeweils 17 Milliarden Dollar. Die EZB zeigt sich nach einem Bericht der Financial Times insbesondere besorgt über die Engagements der Banco Bilbao (BBVA), UniCredit und BNP Paribas.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Steve Eisman (der auf den Zusammenbruch der Immobilienblase spekulierte und in "Big Short" verfilmt wurde) letzten Monat auf Bloomberg offenlegte, dass er aufgrund der "ziemlich großen Engagements in der Türkei" Short-Positionen in BBVA und UniCredit fährt.
Darüber hinaus ist der Markt weiterhin sehr besorgt über den finanziellen Pfad Italiens, wo der gesamte Bankensektor aufgrund rekordhoher notleidender Kredite ohnehin am seidenen Faden hängt.
Einige Investoren beginnen sich zu fragen, welches Land die nächste Katastrophe nach dem Vorbild der asiatischen Währungskrise von 1997 auslösen wird, die zunächst an der Oberfläche begrenzt schien, sich aber schon bald ins globale Finanzsystem ausbreitete. Damals lösten die abstürzenden Währungen schon bald einen veritablen Crash am Aktienmarkt aus. Der DAX verlor damals in der Spitze 40%, Gold und Rohstoffe fielen auf Mehrjahrestiefs.

Extrem bullish für Gold!
Natürlich ist "King Dollar" aufgrund der derzeitigen Gemengelage gefragt wie selten zuvor. "Long Dollar" ist nach "Long FAANG" der meist überlaufene Trade in der Finanzwelt. Gleichzeitig erleben wir im Gold das exakte Gegenteil: Die spekulative Short-Position steigt seit neun Wochen in Folge und hat nun die höchste negative Gold-Positionierung in der Historie der COT-Daten erreicht.
Es ist interessant zu sehen, dass die jüngste Erhöhung der spekulativen Shorts um 22.000 Kontrakte lediglich zu einem 8-Dollar-Rückgang im Goldpreis führte. Dies deutet darauf hin, dass der Einfluss der Papiergold-Verkäufer am Markt deutlich abnimmt und von physischer Nachfrage von anderer Seite abgefangen wird. Ein bullishes Signal.
Darüber hinaus ist wichtig zu wissen, dass der Absturz der Schwellenland-Währungen tatsächlich bullish für Gold ist. Währungskrisen resultieren immer in höherer Inflation, was sowohl die Nachfrage in Dollar als auch Gold steigen lässt.
Doch im Gegensatz zu früheren Zeiten ist der Dollar als "Sicherer Hafen" weitaus weniger sicher. Unter Trump haben sich die USA sowohl von Verbündeten als auch ihren ausländischen Gläubigern entfremdet und somit ein Risiko für den Besitz von Dollars geschaffen. So hat etwa die russische Zentralbank ihre Bestände an Staatsanleihen über die letzten Monate nahezu komplett abgestoßen und stockt weiterhin ihre Goldbestände auf.
Darüber hinaus sagte der russische Finanzminister zuletzt, dass der US-Dollar ein "unzuverlässiges Zahlungsmittel im internationalen Handel wird" und deutete auf die Möglichkeit hin, im Öl-Handel nationale Währungen anstelle des Dollars zu verwenden.
"USA die wahre Türkei"!
Derzeit verdecken die Turbulenzen in den Schwellenland-Währungen das immense Schuldenproblem der USA. Laut Peter Schiff (Schiffgold) sind die Vereinigten Staaten in diesem Hinblick die „wahre Türkei“. Diese Entwicklung ist sehr alarmierend. Denn je schneller der Schuldenberg wächst und je mehr Zinsen die U.S. Regierung aufbringen muss, desto mehr neues Geld muss die Regierung aufnehmen, nur um die Zinsen für die Schulden zu zahlen, die man bereits aufgenommen hat.
Aufgrund der Tatsache, dass die USA schon heute mehr als eine halbe Billion Dollar allein für Zinsen aufbringen müssen und das jährliche Defizit über die kommenden Jahre auf weit über 1 Billion Dollar explodieren wird, wird das Angebot neuer Anleihe-Platzierungen durch das Schatzamt massiv ansteigen. Gleichzeitig plant bekanntlich die Fed, ihre aufgeblähte Bilanz durch den Verkauf ihrer eigenen Anleihe-Bestände zu schrumpfen.
Was glauben Sie, wird passieren, wenn abnehmende Nachfrage nach U.S. Staatsanleihen auf ein rekordhohes Angebot trifft?
Erstens, könnte die Federal Reserve die Zinsen drastisch senken, um ihren Schuldendienst zu reduzieren, was bullisch für Gold wäre, da der Anreiz für Bond-Käufe entfällt.
Zweitens, könnten die USA einen Schuldenschnitt (Default) beschließen, was das Vertrauen in den Dollar und andere Fiat-Währungen massiv erschüttern und eine Kaufpanik für Gold auslösen würde.
Drittens, könnten die USA ihre Schulden weg-inflationieren (die wahrscheinlichste Option), etwa mit Negativzinsen, weiteren Gelddruckprogrammen (QE4), bis hin zum "Helicopter Money", was ebenfalls extrem bullisch für Gold und Silber wäre.
Jede dieser Optionen wird im Wesentlichen zwei Effekte haben: Der Dollar wird heftig abwerten und Gold wird steil ansteigen, genauso wie in der Phase von 2008 bis 2011, als die Fed eingesprungen ist. Genau deshalb setzen wir weiterhin auf Gold und attraktive Goldaktien!
Fazit
Wenn die US-Regierung offiziell zugibt, dass die Inflation bereits bei 2,9% liegt und über die kommenden Quartale auf voraussichtlich 3,5% steigen wird, können Sie davon ausgehen, dass die tatsächliche Inflation wesentlich höher liegt. Wer sein Geld der US-Regierung für 10 Jahre leiht, bekommt derzeit 2,85% Rendite. Mit anderen Worten: US-Anleihen notieren bereits zu negativen Realzinsen und sind faktisch ein Verlustgeschäft! Dennoch betrachten Investoren den US-Bondmarkt als sicheren Hafen – was völlig absurd ist!
Tatsächlich könnten Dollar-Bullen schon bald eine böse Überraschung erleben. Die Trump-Regierung hat kein Interesse an einem festen Dollar, der die Bemühungen um die Strafzölle zunichtemacht, etwa durch die konsequente Abwertung des chinesischen Yuans. Und vor dem Hintergrund der sich zusammenbrauenden Währungskrise, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Fed von ihrem bisherigen Plan abrückt.
Pausiert die Fed sowohl bei ihren Zinsanhebungen, als auch Anleihe-Aufkäufen, werden die Investoren in Scharen ihre Dollar-Long-Positionen liquidieren. Dieses Szenario könnte gleichzeitig einen heftigen Short-Squeeze im Gold auslösen, ähnlich wie in 2016, als der Goldpreis binnen sechs Monaten um mehr als 300 Dollar oder 25% zulegte.
Mit anderen Worten: Dollar-Long erscheint derzeit als "idiotensicher". Doch bekanntlich sind sehr es oft die Trades, die von denen alle denken, dass die idiotensicher sind, die Menschen zum Idioten machen.
© Uli Pfauntsch
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