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Italiens Gold steigt in das politische Gefecht ein. Aber wer besitzt es wirklich?

18.02.2019  |  Ronan Manly

Italiens unvorhersehbare politische Situation wartet mit weiteren Überraschungen auf. Die Neueste ist die kontroverse Behauptung in der nationalen Zeitung La Stampa, dass die Koalitionsregierung des Landes einen Teil der italienischen Goldreserven verkaufen wolle, um geplante Ausgaben zu decken und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer im kommenden italienischen Staatshaushalt zu vermeiden.

Obwohl die Behauptungen der La Stampa auf nichts Neuem basieren, brachten sie dennoch ein internationales Medienspektakel hervor, da sie nur einige Tage nach den verbalen Attacken der italienischen Regierungskoalition auf Italiens Zentralbanker und Finanzmarktaufsichten herauskamen.

Beachten Sie: Italien behauptet, der Staat mit den weltweit drittgrößten Goldbeständen nach den USA und Deutschland zu sein, mit offiziellen Währungsgoldbeständen in Höhe von 2.451,8 Tonnen. Interessanterweise gehört das italienische Gold offiziell der italienischen Zentralbank, Banca d'Italia (Bank von Italien) und nicht dem italienischen Staat, im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern, in denen Staatsgold dem Staat gehört aber von der Zentralbank des Landes verwaltet wird.

Die Banca d'Italia behauptet außerdem, dass 1.199,4 Tonnen des Goldes (ungefähr die Hälfte) in den Goldtresoren der Bank, unter ihrem Hauptsitz im Palazzo Koch in Rom, aufbewahrt werden. Ein Großteil der anderen Hälfte werde in den Tresoren der Federal Reserve Bank of New York (FRBNY) aufbewahrt, und ein kleiner Rest liege in der Bank of England und in einem Schließfach der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in den Tresoren der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in Bern.

Aber ohne jegliche schriftlichen Nachweise oder unabhängige Revision oder Prüfung dieses Goldes, besonders der Bestände, die im Ausland aufbewahrt werden, sind diese Behauptungen unmöglich nachweisbar.

Beachten Sie auch: Die aktuelle italienische Regierung besteht aus einer Koalition aus der rechtsnationalen Partei Lega mit Matteo Salvini an der Spitze und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), eine Partei angeführt von Luigi Di Maio. Zum Ministerpräsident wurde Guiseppe Conte (unterstützt durch Lega und M5S) ernannt und Salvini und Di Maio sind Vizeministerpräsidenten.

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Luigi Di Maio, Chef von M5S und Matteo Salvini, Chef von Lega


La Stampa heizt die Kontroverse mit Grillo und Borghi auf

La Stampa, eine der berühmtesten Zeitungen Italiens, stützt die neue Behauptung über Goldverkäufe auf zwei, ihrer Meinung nach, relevante politische Entwicklungen, die beide nicht besonders neu sind.

Erstens sagt La Stampa, dass am 9. September letzten Jahres Beppe Grillo, Gründer der M5S, einen Artikel auf seinem persönlichen Blog (in Kollaboration mit Universitätsprofessor Gabriele Gattozzi) veröffentlichte, indem er darauf hinwies, dass Italien kein Gold bei früheren Goldabkommen der Zentralbanken (CBGA) verkaufte, es aber in diesem Durchgang durchaus tun könnte. Die Goldverkäufe könnten schon im vierten Quartal 2019 beginnen.

Zweitens sagt La Stampa, dass die Lega, der Koalitionspartner der M5S, mit dem Goldverkäufen einverstanden sei, da deren wirtschaftspolitische Sprecher, Claudio Borghi, dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt hat, in dem der Besitz des italienischen Goldes dem italienischen Staat zugesprochen wird.

Betrachten wir kurz jede der beiden Behauptungen von La Stampa. Es ist wahr, dass Beppe Grillo am 9. September 2018 einen Artikel auf Italienisch auf seinem persönlichen Blog veröffentlichte. Der Titel lautet "Vendo Oro!" (Verkauft Gold!) und kann hier aufgerufen werden. Darin preist er den Verkauf eines Teils der italienischen Goldbestände an. Dieser Artikel (der auch von Gabriele Gattozzi unterschrieben war) fing folgendermaßen an:

"Wir hören oft, dass die Republik Italien fast immer weiter unten in den internationalen Ranglisten abschneidet, in denen es zum Beispiel um Wettbewerb, Transparenz, Korruption, Pressefreiheit usw. usf. geht. Aber es gibt einen klassischen Fall, in dem wir an der Spitze sind, sogar auf dem Podest mit der Bronzemedaille. Es handelt sich um die Weltrangliste der Länder mit den größten Goldreserven." (Er bezieht sich auf Italiens Position auf Platz 3)

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Beppe Grillos Blog-Post vom 9. September 2018, indem er für die Verkäufe von Italiens Gold plädiert




Dann argumentiert Grillo für den Verkauf von 500-600 Tonnen italienischen Goldes. Nach diesem Verkauf würde Italien, seinen Angaben zufolge, immer noch die viertgrößten Goldreserven weltweit haben:

"Kurz gesagt, würde es sich, um eine potenzielle Variable von 500-600 Tonnen handeln, (nicht mehr oder weniger als was Frankreich vor einigen Jahren verkaufte) die Einnahmen in Höhe von 16 bis 20 Milliarden Euro entsprechen, über 4-5 Jahre verteilt (d. h. 4-5 Milliarden Euro in einem Jahr) in bar und jederzeit verfügbar.

Außerdem würden uns diese Verkäufe gestatten, auf jeden Fall unter den Ländern mit den weltweit größten Goldbeständen zu bleiben, auch wenn wir vom dritten auf den vierten Platz rutschen würden. Zudem könnten diese Mengen leicht von Ländern mit großer Goldnachfrage gekauft werden, wie China, Indien, Russland, Brasilien, Südkorea und andere sogenannte Schwellenländer, die bereits ihre Absichten erklärt haben, ihre Goldreserven zu erhöhen."


Zufall oder nicht, La Stampa weist darauf hin, dass Einnahmen in Höhe von schätzungsweise 16-20 Milliarden Euro "etwas weniger [seien] als benötigt werden, um die Mehrwertsteuererhöhung abzuwenden".

Grillo beendete seinen Blog-Artikel im September mit der Aussage, dass jeglicher Goldverkauf eine einmalige Maßnahme wäre:

"Dies ist selbstverständlich eine einmalige fünfjährige Maßnahme, aber sie könnte uns Zeit zum Luftholen einräumen und zusätzliche Mittel für die Haushaltsdeckung zu besorgen - ohne die strengen Parameter der Gesellschaft zu brechen - um sie für dringende und nicht übertragbare Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Aber vor allem würde es endlich dieser lästigen Litanei, dass "es kein Geld gibt", ein Ende machen."

Als Nächstes, ein kurzer Blick auf die andere Entwicklung, die La Stampa für relevant hält, also auf den wirtschaftspolitischen Sprecher der Lega Claudio Borghi und seinen Gesetzesentwurf im Parlament, der gesetzlich festlegt, dass Italiens Gold dem italienischen Staat und nicht der Zentralbank gehört.

Wenn man den etablierten Finanzmedien Glauben schenkt, könnte man meinen, dass Borghi seinen Gesetzesentwurf erst im Februar 2019 einbrachte. Aber das ist nicht der Fall. Es gab eine umfangreiche Berichterstattung über diesen Gesetzesentwurf in italienischen Medien Ende November 2018 (z. B. hier: "Claudio Borghi: ein Gesetz, um die Goldbarren der Banca Italia unter die Kontrolle der Regierung zu bringen").

Noch viel wichtiger ist, dass der Gesetzesentwurf als "Gesetzesvorschlag" der italienischen "Camera dei Deputati (Abgeordnetenkammer)" bereits am 6. August 2018 vorgelegt wurde. Borghi betitelt seinen Gesetzesentwurf "Authentische Auslegung von Artikel 4 des konsolidierten Gesetzes zu Währungsangelegenheiten, gemäß Präsidialdekret vom 31. März 1988, n. 148, bezüglich der Verwaltung der offiziellen Reserven".

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Gesetzesentwurf von Claudio Borghi der Lega-Partei zum Besitz des italienischen Goldes


Der Einleitung des Gesetzesentwurfs von Borghi zufolge

"[erscheint] die Angelegenheit des Besitzrechts der nationalen Goldreserven, obgleich unbestreitbar in den Herzen aller italienischen Bürger, von Zeit zu Zeit in der Parlamentsdebatte als Diskussionsthema.

[…] Es besteht kein Zweifel, dass der italienische Staat das Besitzrecht an dem Gold hat und immer hatte […]

[…] Da es weitverbreitete Debatten und sogar Fehlinterpretationen gibt, ist es nötig, eine Erklärung und Interpretation in der nationalen Gesetzgebung zur Verfügung zu stellen […] in einem klaren und unmissverständlichen Ausdruck […]

[…] Der vorgelegte Gesetzgebungsvorschlag strebt eine deutliche Auslegung an, da die Bank von Italien in Befolgung der Satzungen der ESZB und EZB für die Verwaltung der offiziellen Reserven aufkommt, […]

… (aber) die Regelung bezüglich der Verwaltungstätigkeit die Dauerhaftigkeit des Besitzrechtes an den Goldreserven in den Händen des italienischen Staates nicht ausreichend deutlich zu unterstreichen scheint, weshalb eine Spezifizierung in diesem Punkt notwendig ist."




Borghis eigentliches vorgeschlagenes Gesetz, um die Besitzrechte für das italienische Gold zu klären, ist recht kurz und lautet folgendermaßen:

"Art. 1. Der zweite Paragraph von Artikel 4 des konsolidierten Gesetzes zu Währungsangelegenheiten, gemäß Präsidialdekret vom 31. März 1988, n. 148, ist dahingehend auszulegen, dass die Bank von Italien die Goldreserven als exklusive Einlage verwaltet und aufbewahrt, unbeschadet des Besitzrechtes des italienischen Staates an diesen Reserven, einschließlich solchen im Ausland."

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Italiens Abgeordnetenkammer


Obwohl dieser Gesetzesentwurf am 6. August 2018 aufgesetzt wurde und obwohl Claudio Borghi seit Monaten darüber twittert, haben die etablierten Finanzmedien erst jetzt, sechs Monate später, von diesem Gesetzesentwurf Wind bekommen. Zum Beispiel veröffentlichte Reuters einen Artikel am 11. Februar 2019 mit dem Titel: "Lega verfasst Bedingungen für möglichen Verkauf von Italiens Goldreserven".

Gemäß dieses Artikels sagte Borghi Reuters gegenüber, dass der Gesetzesentwurf dem Parlament noch nicht vorgelegt wurde und "nur eine Hypothese" wäre. Borghi sagte auch, dass der Gesetzesentwurf keinen Plan ankündige, italienisches Gold zu verkaufen, sondern "dem Volk versichern [solle], dass die Regierung keine Absichten hätte, Reserven zu verkaufen, um ihre momentanen Schwierigkeiten bei den öffentlichen Finanzen zu lösen".

Bloomberg beteiligte sich auch an der Berichterstattung über Borghis Gesetzesentwurf. In dem Artikel "Italienischer Populist zielt auf riesige Goldreserven ab und erntet Kritik" gibt es weitere interessante Zitate von Borghi, der sagte:

"Mein Gesetzesentwurf soll nur klarstellen, dass das Gold dem Staat und nicht der Regierung gehört […] Sollte es Zweifel an unseren Absichten geben, können wir ein weiteres Gesetz verabschieden, das vorschreibt, dass es für den Verkauf von Goldreserven mindestens einer Zweidrittel-Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments bedarf."

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Auftritt der Banca d'Italia

Wenn Beppe Grillo und die M5S etwas von dem italienischen Gold verkaufen wollen oder wenn Claudio Borghi und Lega die Besitzrechte für italienisches Gold klarstellen wollen, wird ihr erstes Problem, wie immer, die Bank von Italien und Italiens listige Zentralbanker sein. Offiziell gehört nämlich Italiens Gold der italienischen Zentralbank, der Banca d'Italia, oder zumindest behauptet das die Banca d'Italia.

In einer Informationsbroschüre der Banca d'Italia von 2014 über die italienischen Goldreserven verdeutlicht die Zentralbank ihre Ansicht im allerersten Satz der Broschüre, wo es heißt: "Das Besitzrecht der offiziellen Reserven ist per Gesetz der Bank von Italien zugeteilt."

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Seite 1 einer Infobroschüre von 2014 über die Goldreserven der Bank von Italien, in der steht, dass das Gold der Bank gehört




Darüber hinaus gehört die Banca d'Italia nicht dem italienischen Staat. Sie ist im Besitz der italienischen Geschäftsbanken, wobei Intesa Sanpaolo und UniCredit die größten Aktienanteile innehaben. Hier ist eine Liste der Finanzinstitute, die Anteilseigner der Bank von Italien sind. Demnach gehört der Bank von Italien das Gold und die italienischen Banken besitzen die Bank von Italien.

Die Gründe dafür, dass das italienische Gold der Bank von Italien und nicht dem italienischen Staat gehört, sind historisch bedingt. Sie werden in meinem Artikel vom September 2016 "Von Goldzügen zu Goldkrediten - die riesigen Goldreserven der Banca d'Italia" aufgeführt und lauten kurz gesagt wie folgt:

"Bis in die 1960er waren die meisten, wenn nicht alle, der offiziellen Goldreserven Italiens nicht in der Hand der Banca d'Italia, sondern einer dazugehörigen Körperschaft namens "l'Ufficio Italiano dei Cambi" (UIC). Auf Deutsch ist es die "Italienische Devisenbehörde". Die UIC wurde 1945 kreiert. Eine ihrer Aufgaben bestand darin, Italiens Devisenreserven (Gold eingeschlossen) zu verwalten.

Italienische Goldkäufe in den 1950ern und 1960ern wurden für Rechnung der UIC, nicht der Banca d'Italia, vorgenommen. Allerdings gab es in den 1960ern zwei große Goldtransfers von der UIC zur Banca d'Italia; eine 1960 und die zweite 1965. Insgesamt machten diese zwei Transaktionen einen Transfer von 1.889 Tonnen von der UIC zur Banca d'Italia aus. Die Hauptfunktion der UIC bestand danach in der Verwaltung der nationalen Währung und nicht des nationalen Goldes. Im Januar 2008 wurden alle Aufgaben und Befugnisse der UIC an die Banca d'Italia übertragen, sodass die UIC wegfiel."



Fazit

Wie immer, ist es amüsant, dass Politiker, in diesem Fall Italiens politisches Establishment, beim Thema echtes Geld und Finanzkrise anderer Meinung sind als das Wall Street Journal, das Gold lediglich als Modeerscheinung sieht. Ich bin gespannt, wie weit Borghis Gesetzesentwurf es im italienischen Parlament schafft, um die Besitzverhältnisse von Italiens Gold klarzustellen.

Vizeministerpräsident Salvini sagt, dass die italienischen Goldreserven "das Eigentum des italienischen Volks [seien], niemanden sonst." Aber die elitären Zentralbanker der Bank von Italien sind da anderer Meinung.

Außerdem haben dieses Mal die Zentralbanker das Gesetz auf ihrer Seite (da es gesetzlich festgelegt ist, dass die italienische Zentralbank die Goldreserven besitzt). Die Banca d'Italia wird wohl kaum über Goldverkäufe diskutieren wollen, geschweige denn ihnen zustimmen.

Es wäre in erster Instanz förderlicher, wenn die italienischen Politiker auf eine vollständige und unabhängige Bestandsprüfung des italienischen Goldes drängen würden. Diese sollte sowohl die 1.200 Tonnen Gold, die unter dem Hauptsitz der Bank in Rom gelagert werden beinhalten, als auch die "andere Hälfte" des Goldes, die nach Aussagen der Bank von Italien größtenteils in den Tresoren der Federal Reserve in New York (FRBNY) aufbewahrt werden soll, die aber niemand, auch nicht italienische Politiker, jemals zu Gesicht bekam.

Ein Bestandteil dieser Prüfung sollte die Veröffentlichung der gesamten "Gewichtsliste" des italienischen Goldes, einschließlich jeder Seriennummer von jedem Goldbarren, der zu den offiziellen italienischen Goldbeständen gehören soll, sein. Denn hat man das Gold nicht, kann man es auch nicht verkaufen. Und der erste Beweis, dass man das Gold hat, ist eine volle und unabhängige Bestandsprüfung.

Das italienische Gold in New York könnte längst weg sein. Den letzten Beweis dafür, dass es sich tatsächlich in den Tresoren der Fed in New York befand, gab es zwischen 1974 und 1978, als ca. 542 Tonnen dieses Goldes als Sicherheit für eine Reihe von Krediten in US-Dollar von der Deutschen Bundesbank benutzt wurden.

Wenn die italienischen Politiker die Liquidität des italienischen Goldes nutzbar machen wollen, könnten sie auch auf einen neuen internationalen Kredit drängen, bei dem wieder italienisches Gold als Sicherheit eingesetzt werden könnte. Aber das setzt voraus, dass die Italiener die Goldmenge haben, die sie behaupten, und es gibt keinen unabhängigen Beweis dafür.

Es ist zugegebenermaßen sehr merkwürdig: In den 1990ern und 2000ern verkauften viele Länder mit großen Goldbeständen Gold - wie die Niederlande, Belgien, das Vereinigte Königreich, Frankreich, die Schweiz, Spanien, Portugal, Kanada und Australien. Doch Italien verkaufte "nicht eine Unze", wie es Beppe Gillo hervorhob. Vielleicht verkaufte die Bank von Italien in den 1990ern und 2000ern viel Gold, war aber zu beschämt es mitzuteilen und hielt es deshalb geheim. Es sind schon seltsamere Dinge vorgekommen, und in der Welt von intriganten Zentralbankern ist alles möglich.


© Ronan Manly
BullionStar



Dieser Artikel wurde am 12. Februar 2019 auf www.bullionstar.com und zuvor auf RT.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.