Eine der besten Finanzanalysen zur realen deutschen Situation, die ich in den letzten 3 Jahren gelesen habe
06.03.2019 | Dr. Dietmar Siebholz
Meine Frau kritisiert mich seit Jahren (eher: seit Jahrzehnten) wohl zu Recht, dass ich unfähig sei, jemanden oder etwas zu loben und immer noch etwas finde, was ich beanstande und verbessern will. Mit dem heutigen Kommentar will ich versuchen, mich zu bessern.
Zur Sache: Ich sehe mir auch aus der Ferne keine Talk-Shows an, weil ich in der Zwischenzeit weiß, wie solche Shows für uns, das dumme Volk, organisiert und aufbereitet werden. Lieber ziehe ich mir alte DVD´s am Fernseher rein, weil selbst die Soap Operas der Vergangenheit einen höheren Informationsnährwert für mich haben als heutzutage die "Brot-und-Spiele-Talk-Shows". Und mit Verlaub, ich kann den Markus Lanz einfach nicht mehr hören.
Aber als ich hörte, dass Dr. Daniel Stelter bei dieser Show auch anwesend sei und ich mir die Darstellungen der anderen Anwesenden neben Herrn Lanz auch Herr Eichel einfach nur schenken wollte, habe ich versucht, an Dr. Stelters Unterlagen zu kommen. Und dank "Tichy´s Einblick" konnte ich mich über Daniel Stelters Vorbereitungen für die Lanz-Show unterrichten. Nach dem Studium seiner Unterlagen gibt es von mir ein dickes Lob für seine klare Darstellung der Faktenlage und damit einen direkten Schlag ins Gesicht unserer Regierung,
Warum ich der Person Stelter so folge, hängt nicht von seinen Initialen DS ab, sondern von meinen Erfahrungen und der Kompetenz dieses Ökonomens, als er noch bei der Boston Consulting Group tätig war. Zusammen mit seinen beiden Kollegen der eine war Herr Lelle, der heute für das Bundesamt für Finanzen arbeitet (den anderen Namen habe ich vergessen), hat die Dreier-Gruppe ein Werk unter dem Titel "Mesopotamia" veröffentlicht, auf das ich durch Zufall - einer der Partner der BC Group war mein Kunde - aufmerksam wurde.
In dieser Analyse hatte damals die Gruppe eine Untersuchung veröffentlicht, wie die damalige (2010) Überschuldung der EU-Staaten gebremst und in erträgliche Dimensionen gebracht werden könnte. Schon damals kamen die Drei von der BC zur Erkenntnis, dass viele europäische Staaten gar nicht mehr in der Lage waren, durch "unfreundlichen Einsatz" (sprich Beraubung der Sparer ihres Landes) der Spareinlagen diese Überschuldung bis hin zu einer erträglichen Höhe abzubauen.
Ich erinnere mich daran, dass damals Irland z.B. überhaupt nicht über die Spareinlagen verfügte, um seine Staatsverschuldung auf ein vertretbares Maß zu reduzieren, selbst durch wirklich "unfreundliche Aktionen". Über "Mesopotamia" und seine Folgen und die dahinter stehenden Motive berichtete ich mit einem Kommentar mit dem Titel "Wacht auf, Verdammte dieser Erde" am 31.12.2011 - lange bevor der Zypern-Raub an den Bankkonten Realität wurde.
Übrigens eine kleine Anmerkung: Der Präsident der zypriotischen Nationalbank erklärte genau einen Tag vor dem Kontoraubzug, eine solche Maßnahme würde die zypriotische Zentralbank nie zulassen. Ein langjähriger Freund und Rechtsanwalt aus Zypern hat mir damals stolz diese Zusage übermittelt. Wie man sieht, liegt die Halbwertzeit von Zusagen aus dem Munde von Politikern maximal bei einem Tag oder besser nach Herr Juncker: "Wenn es eng wird, muss man lügen" ...
Damals gab es ja noch die Aktionen der Staaten zur Bankenrettung nach dem Prinzip BAIL-OUT (das konnte ich als gelernter Bänker noch verstehen - weil es ja "Ausbietung von schwachen Forderungen" bedeutet). Ganz neu damals war die Wortschöpfung durch das Werk "Mesapotamia". Es empfahl den Zugriff auf die Spareinlagen der Bürger unter dem damals unverständlichen Begriff BAIL-IN durchzuführen.
Heute - nach dem Beutezug der zypriotischen Regierung zu Lasten der Bankguthaben ihrer Bürger - wissen wir, was mit BAIL-IN gemeint war und ist: Der legale Raub an den Bankguthaben der Bürger. Ob Daniel Stelter damals nur auftragsgemäß gehandelt hat oder den Weitblick über die einzig verbleibende Option hatte, wage ich nicht zu entscheiden. Aber seine Detail- und Sachkenntnis hat mich schon damals stark beeindruckt.
Und noch eines darf ich Ihnen aus meinen Erfahrungen mit auf den Weg geben und darüber habe ich mich schon vor langer Zeit und später immer wieder geäußert: Passen Sie auf, wenn Sie von der Politik neue Begriffe gereicht bekommen. Die neue Semantik dient nur der Verdummung und Ablenkung. Ein paar Bespiele gefällig?
Da war vor vielen Jahren das Wort "finaler Rettungsschuss" geprägt worden; das Wort sollte den wahren Zweck dieser Verordnung, nämlich das Töten eines z.B. Terroristen durch die Polizei zum Ausdruck bringen, also eine Hinrichtung ohne Gerichtsurteil. Oder auch "Alternativlosigkeit" - wer das Leben kennt, weiß, dass es immer Alternativen gibt. Mit der Prägung dieses Wortes wird jede Demokratie beerdigt, weil der Herrscher keine Diskussion über seine Entscheidungen mehr zulässt. Also Achtung: Neue Worte sind wie "Smoke and Mirror" (= Raucheinsatz vor dem Spiegel).
Nun aber zu den Fakten: Man kann nun die Schlussfolgerungen aus den Unterlagen von Daniel Stelter nachvollziehen und weil sie so klar und einfach sind, auch verstehen, so dass man kaum ein weitere Erklärungen benötigt.
1. Seit Jahren wird uns bescheinigt, dass der Bundeshaushalt unter dem Prädikat "die schwarze Null" erstellt wird. Zu gut Deutsch: Der Haushalt ist gerade so ausgeglichen und ist damit solide und auf die Zukunft ausgerichtet.
2. Und es wird suggeriert, dass, wenn man auch weiterhin diesem Prinzip "schwarze Null" frönt, die BRD auf der Sonnenseite voranschreitet. Und das ist eine Lüge und die seit Jahren gepflegte "Schwarze-Null-Strategie" bestätigt die Aussage eines Propaganda-Ministers aus Deutschlands schwärzester Zeit, der die Aussage getroffen hat „man muss eine Lüge nur permanent solange bestätigen, bis sie als die Wahrheit vernommen wird..:"
3. Daniel Stelter sagt dazu:
a) Die schwarze Null ist keine politische Leistung, weil sie nur durch die EZB-Politik des gedrückten Zinsniveaus ermöglicht wird,
b) Diese EZB-Politik ist eine große Dummheit, weil diese EZB-Politik die Ersparnisse der Deutschen vernichtet und letztendlich das Kapital aus Deutschland treibt.
c) Sie ist eine Lüge, weil in der Zwischenzeit die Staatsverschuldung explodiert ist und die Politiker wegen der "günstigen" Lage unendliche Leistungsversprechen für die Zukunft abgegeben und - nicht wie vorsichtige Kaufleute und Staatenlenker - dafür Risiko-Rückstellungen eingestellt haben.
4. Herr Stelter ist vorsichtig und nimmt als Betrachtungszeitraum die Zeit vom 2009 bis 2018 an; damit werden atypische Abweichungen eliminiert, die sonst das Bild verzerren könnten.
5. Er weist nach, dass die Staatseinnahmen der Jahre 2009 bis 2018 kumuliert um 277 Milliarden gestiegen sind und stellt darauf die Frage: "Wie sind die erhöhten Staatseinnahmen zustande gekommen, geschah das durch langfristige Einflüsse und was hat die Politik mit diesen Einnahmeerhöhungen gemacht?"
a) Die Gründe für die Mehreinnahmen sind einfach nachzuvollziehen; da waren erhebliche Zinseinsparungen wegen der von der EZB nach unten manipulierten Zinsen, aber auch reale Steuererhöhungen ursächlich verantwortlich.. Und dazu mein Kommentar: Der Stolz der Finanzpolitiker auf den starken Anstieg der Steuereinnahmen ist eine Sache, aber über die Tatsache, dass für die Bürger Steuermehreinnahmen des Staates für ihn schlichte Mehrkosten sind, spricht niemand.
b) Hat der Staat die Verschuldung reduziert? Nein, er hat trotz erheblicher Zinseinsparungen die Verschuldung im betrachteten Zeitraum um € 240 Milliarden erhöht.
c) Die Ausgaben des Bundes sind in den zehn Jahren um 280 Mrd. € gestiegen. Gleichzeitig sind die Zinsen kumuliert um136 Mrd. € gefallen. Durch die gute Lage am Arbeitsmarkt hat sich der Bund kumuliert weitere 46 Mrd. € eingespart. Damit hätte der Bund in diesen zehn Jahren eine Verteilungsmasse von 462 Mrd. € kumulieren können.
d) Bevor er dann in seiner Analyse weitergeht, stellt er fest, dass diese Geldschwemme dank der manipulierten Zinsen, dank des Verfalls der Währung EURO dem Exportland Deutschland unendlich hohe Überschüsse und die Reduzierung von Sozialabgaben z.B. Arbeitslosen-Leistungen brachte. Nun stellt er die Frage: Haben diese positiven Effekte Dauerwirkung? Sein Vergleich mit dem Mann auf der Straße, der einen Lottogewinn von 1.000 € macht und sich daraufhin sich neue Wohnung leistet, die monatlich 1.000 € mehr kostet, leuchtet ein.
Und seine Kernaussage ist: Unsere Politiker denken, dass sie weiterhin im Lotto gewinnen werden und dies für die kommenden Jahrzehnte. Dagegen spricht aber die Mathematik. Tipp: Probieren Sie diese Strategie in der Spielbank in Baden-Baden & Co aus. Sie tun damit einen guten Zweck, denn an die 70% der Gewinne werden an den Staat abgeführt. Mit dieser Art von Glückspiel-Mathematik kennt sich ja der Staat hinreichend aus..
e) Wie wurden denn die o.g. 462 Mrd. verwendet?
- e1) Rund 100 Mrd. € wurden an die Rentenkasse überwiesen
- e2) Die deutlich gewachsenen Zuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung erreichten kumuliert ebenfalls 100 Mrd. €
- e3) Familienzuschüsse erhöhten sich kumuliert auf 15 Mrd. €
- e4) Den größten Zuwachs erreichten die "sonstige Leistungen" (wer solche großen Positionen in einem Titel versteckt, hat etwas zu verbergen, das ist meine Erfahrung als Bankier) - also hat auch Daniel Stelter diese restlichen Leistungen aufgeschlüsselt. Es sind
- e4-1: Zuweisungen und Zuschüsse an Sondervermögen z.B. für den Klimaschutz (wie kann man etwas schützen, das ein Naturereignis ist?)
- e4-2: dgl. für Kinderbetreuungen
- e4-3: dgl. für Integration von Migranten (allein in 2017 wurden dafür 20,8 Mrd. € ausgegeben)
- e4-4. Die restlichen Mehrausgaben entfallen auf Investitionen (50 Mrd. €), auf Personal (26 Mrd. €), auf den Europäischen Rettungsfonds ESM (22 Mrd. €) auf neue Ausrüstungen der Bundeswehr (4 Mrd. €)
Seine Schlussfolgerungen sind einfach nachvollziehbar.
a) Der überwiegende Teil der praktisch ersparten kumulierten 462 Mrd. € sind keine Einmalzahlungen sondern in Gesetze gegossene nachhaltige und dauerhafte Verpflichtungen, während die für unsere Zukunft wichtigen Bereiche wie Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur etc. vernachlässigt wurden. Dazu berauschen sich die Politiker in der Öffentlichkeit mit dem Zitat vom "reichen Land" und (das ist meine Meinung) wir erregen dadurch Neid und Missgunst bei unseren Nachbarn, die daraufhin ganz locker ihre Verrechnungsschulden aus dem TARGET-2-Programm von ca. 300 Mrd. € auf weit über 900 Mrd. € erhöht haben. Es dürfte doch jedem klar sein: Diese Forderungen sind wertlos, weil niemand sie mehr bedienen kann und wird.
b) Wenn man die kommenden Kosten aus dem Kohleausstieg mit geschätzten Beträgen zwischen 40 und 80 Mrd. € bei großzügiger Bewertung als "Konsum" bezeichnet, denn Investitionen sind es ja nicht und diese Aufwendungen dienen ja auch nicht der BRD als Zukunftssicherung, dann bekommen wir zusätzliche a.o. Kostenlasten. Damit wird die schlimme Situation nur noch übler: Keine Rohstoffe, fällige Entschädigungskosten und mangelnde Liquidität für Investitionen in Bildung und Technologie.
c) Laut Tragfähigkeitsbericht zu den öffentlichen Finanzen müssten ab sofort 36 bis 115 Mrd. € jährlich gespart werden, um die finanziellen Folgen der demografischen Entwicklung in Deutschland aufzufangen.
d) Fakt ist, dass sofortige Maßnahmen beschlossen werden müssten, um einen unerträglichen Absturz zu vermeiden und das wären folgende:
- d-1: Produktivitätserhöhung durch Investitionen in Bildung, Innovation und Bildung eines Kapitalstocks
- d-2: Reduktion der Belastung der Beitragszahler, anders als die Folgen der Energiewende aufgrund der die Deutschen die die Stromkosten in Europa zahlen
- d-3: die Zahl der Beitragszahler stark erhöhen durch qualifizierte Zuwanderer, die in gleicher Höhe wie die Bürger der BRD verdienen
- d-4: die Zahl der Empfänger wesentlich verringert wird, die durch die Zuwanderung ins Sozialsystem geholt wurden und das System selbst gefährden
Kurze Zusammenfassung und mein zusätzlicher Kommentar:
Der "Lottogewinn" durch die nach unten manipulierten Zinsen, die daraus entstandene Schwäche des EURO-Kurses und die daraus resultierenden Exportüberschüsse haben uns Ersparungen und Einnahmen beschert, die nicht langfristig bestehen werden.
Die Energiewende und der Umweltwahnsinn mit der damit verbundenen Schädigung der deutschen Industrie (ob man dies so sehen will oder nicht, tut nichts zur Sache) und die Festschreibung von langfristigen Verbindlichkeiten gegenüber den Bürgern, der EU und den EU-Institutionen werden sich schon bald permanente Belastungen als einmalig herausstellen. In einer solchen Firma Bundesrepublik Deutschland GmbH möchte ich weder als aktiver Mitarbeiter engagiert sein und schon gar nicht als Pensionär geführt werden.
Aber die Politik hat ganz locker die erzielten "Lottogewinne" in langfristige Verbindlichkeiten umgewandelt; eine Sünde, die bisher alle Unternehmen an den Rand des Ruins gebracht hat. Hochrechnungen in der Wirtschaft und das Nichtbilanzieren von eingegangenen, sich jährlich wiederholenden Verbindlichkeiten sind russisches Roulette mit 5 Kugeln in der Trommel. Warum sollten die Grundregeln der sorgfältigen Einnahmen-Überschussrechnungen und Bilanzen auf einmal nicht mehr für Staaten gelten? Doch nur weil sie als Ausweg die Alternative haben, Geld zu drucken oder die Bürger zu berauben? Wahrlich haben die Politiker dafür keine Vollmacht.
Deutschland hat keine Chance: Wir haben außer unserer intellektuellen Historie, unserer Kultur, unserer Erziehung keine Rohstoffe. Die Demografie zerstört unser Gesellschaftsmodell und die Aufrechterhaltung von Köpfen hilft nur der Statistik. Um es mit einem alten Witz auf den Punkt zu bringen: Auf die Frage eines höheren Beamten an einen Bürgermeister einer Kleinstadt "warum verändert sich die Zahl Ihrer Einwohner kaum?" Kommt die Antwort "na, ja immer wenn ein uneheliches Kind geboren wird, verschwindet ein (Leistungsträger) Mann spurlos".
So ähnlich geht es Deutschland. Fast 200.000 Leistungsträger oder Vermögende verlassen jährlich das Land und zum Ersatz dieser Bevölkerungsverluste werden halt 200.000 neue Kulturfremde importiert.
Meine Aussage "Deutschland schafft sich mit dieser Politik ab und verkauft seine Zukunft von Tag zu Tag", dürfte mit den Aussagen von Dr. Stelter selbst für relativ Uninformierte nachzuvollziehen sein.
Und Dr. Stelter stellt klar, dass das Vermögen der Deutschen pro Kopf wesentlich unter dem Durchschnittsniveau der EU unter Einschluss von Ländern wie Portugal, Zypern, Italien, Griechenland etc. liegt. Was er nicht sagt, ist aber logisch: Da wir nach Belgien die höchsten Steuerabgeben zu entrichten haben, steht der bei anderen EU-Ländern anfallende Effekt der niedrigeren Steuerlast pro Jahr mit 10% den Deutschen nicht für die steuerfreie Vermögensbildung zu Verfügung.
Da kommen in einem 40-jährigen Berufs- und Erwerbsleben richtig große Beträge zusammen. Diese fehlen den Deutschen beim Nettovermögen. Und die Politik spricht von unserem Reichtum. Welcher Hohn, Kinder-, Jugend- und Altersarmut und geringeres Vermögen sprechen eine deutliche Sprache über die Wahrhaftigkeit dieser Aussage.
Mathematik und Logik sind Geschwister, aber genau das Gegenteil von Realpolitik.
Denken Sie nach, was Sie aus diesen unveränderbaren Fakten für Konsequenzen ableiten müssen; wenn Ihnen dazu die Vorstellungskraft fehlen sollte, kann ich Sie gern beim Lernprozess unterstützen.
© Dr. Dietmar Siebholz
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