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Moderner Geldwahnsinn

14.03.2019  |  John Mauldin

Vor mehr als zehn Jahren brachten mir australische Leser die Ideen des Volkswirtschaftlers Bill Mitchell von der University of Newcastle in New South Wales näher. Er lehrte dort etwas, das er (und er prägte diesen Begriff) moderne Geldtheorie (MMT) nannte. Ich habe mich damit näher befasst und dies rasch als kompletten Unsinn abgetan. Gelddruckerei als wirtschaftliche Maßnahme? Hören Sie auf zu träumen.

Die MMT ist die Wiedererweckung einer Idee, die ursprünglich in den frühen 1900er Jahren aufkam: der Chartalismus. Nun beeinflusst sie das Denken neuer sozialistischer Bewegungen in den USA und anderen Orten und wird zudem von Politikern zitiert. Die MMT tritt zunehmend in den Mainstream-Medien auf. Da sie in der Öffentlichkeit mehr und mehr behandelt wird, sollten Sie über diese Theorie Bescheid wissen. Das ist unser heutiges Thema.


Moderner Geldwahnsinn

Allgemein vertritt die MMT die Idee, dass sich die Öffentlichkeit - via Regierung - im Besitz des Prozesses zur Geldschöpfung befindet. Zusätzlich zu Kreditaufnahme und Besteuerung solle sie einfach Währung emittieren, um ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Das ist nicht die Art von Taschenspielertrick, den man mit der quantitativen Lockerung verbindet, sondern eine direkte Monetisierung anstelle einer Kreditaufnahme.

Wenn sich das für Sie wie Gelddruckerei anhört, dann weil es genau das ist. Sie wird offen heraus und schonungslos als ernsthafter wirtschaftlicher Vorschlag präsentiert. Oftmals ist es so, dass gelächelt, vielleicht geschmunzelt und Köpfe geschüttelt werden, wenn jemand in unserer Gesprächsrunde - die aus meinen Mitautoren und Mitvolkswirtschaftlern besteht - die MMT erwähnt. Das Problem ist, dass dieser Witz scheinbar an Boden gewinnt.

Lassen Sie uns die offizielle Definition für die MMT aus Wikipedia heraussuchen. Ich füge hier meine Kommentare in eckigen Klammern ein:

In der MMT ist es so: Das "vertikale" Geld (Geld, das von der Regierung geschaffen und im privaten Sektor ausgegeben wird) wird mithilfe von Staatsausgaben in Umlauf gebracht. Die Besteuerung und deren Status als gesetzliches Zahlungsmittel ermöglichen das Bezahlen von Schulden und die Etablierung des Fiatgeldes als Währung. Damit wird ihm Wert verliehen, indem Nachfrage in Form von privaten Steuerverbindlichkeiten geschaffen wird, die erfüllt werden müssen. [Und deshalb schaffen höhere Steuern stärkere Nachfrage nach der Währung und helfen so dabei, deren Wert beizubehalten.]

Zusätzlich schaffen auch Gebühren und Lizenzen Nachfrage nach Währung. Eine laufende Steuerverbindlichkeit sowie privates Vertrauen und Akzeptanz der Währung sorgen dafür, dass sie ihren Wert beibehält. Da die Regierung ihre eigene Währung bei Bedarf ausgeben kann, besagt die MMT, dass das Steuerniveau gegenüber den Staatsausgaben (Die Defizitfinanzierung oder der Haushaltsüberschuss der Regierung) in Wirklichkeit ein politisches Instrument ist, das die Inflation und die Arbeitslosenzahlen reguliert, und keine Maßnahme zur Finanzierung der Regierungsaktivitäten an sich. [Je mehr die Regierung Ihrer Ansicht nach ausgeben sollte, desto höher müssen die Steuern sein, um Inflation zu verhindern, so hießt es gemäß der Theorie.]

Befürworter argumentieren, dass die Arbeitslosigkeit durch fehlende Nachfrage verursacht wird und die fehlende Nachfrage einer unzureichenden Menge Geld zuzuschreiben ist, das in den privaten Sektor fließt. Das sei ein Problem, das die Regierung durch den Druck von Geld und Ausgaben in den privaten Sektor beheben können soll. Et voilà: Eine Nachfrage wurde geschaffen und die Arbeitslosenzahlen nehmen ab. Inflation? Die kann mit höheren Steuern eingedämmt werden. Hey, es ist deren Theorie. Fragen Sie mich nicht danach, Ihnen diese zu erklären.

Volkswirtschaftler, die wichtige Präsidentschafts- und Kongresskandidaten auf der progressiven und sogar "moderaten" linken Seite des politischen Spektrums beraten, reden immer direkter von der MMT und deren praktischen Anwendungsbereichen.


Volkswirtschaftler als Schoßhündchen

Ich habe bereits zuvor einmal erwähnt, dass Volkswirtschaftler das moderne Äquivalent der Schamanen und Priester sind. Anstatt aus den Eingeweiden von Schafen zu lesen, betrachten sie "Daten" und erzählen Politikern (Königen, Kaisern oder Oberhäuptern ...) was sie hören möchten. Ich nahm bereits an mehr als nur einem Treffen teil, in dem ein Politiker darauf aus war, eine Begründung für etwas zu erhalten, das er vorschlagen und tun wollte. Jeder ernsthafte Politiker wird mehr als nur eine Handvoll Wirtschaftsberater für seine Kampagne verpflichten.

Lassen Sie mich hier rasch erwähnen, dass ich die Rolle der Volkswirtschaftler als politische Berater hier nicht verunglimpfen möchte. Schließlich habe ich das selbst einmal getan. Tatsächlich ist es einer der Grundgedanken dieser Disziplin. Es wäre sogar merkwürdig, wenn das nicht der Fall wäre.




Kann das wirklich der Wahrheit entsprechen?

Etwa 90% meiner Leser wundern sich vielleicht, warum wir hierüber überhaupt ernsthaft sprechen. Der Rest von Ihnen möchte mir vielleicht erklären, warum ich falsch liege und dass diese Theorie wirklich funktioniert. Lassen Sie mich rasch sagen, dass es vor 10 Jahren deutlich weniger als 1% waren. Und derartige Worte beginnen von Lesern zu stammen, die ich als ziemlich ernst einschätze.

Es gibt verschiedene und zunehmende Beweggründe und Erkenntnisse für die Eingliederung der MMT in Ihre eigenen philosophischen Grundgedanken.

Warum sollten Sie das auf dem Radar haben? Lassen Sie mich hier einige Szenarien aufführen...

Politiker sprechen zunehmend über "kostenlose Dinge." Kostenloses College, bedingungsloses Grundeinkommen, mehr gesundheitliche Vorteile, die von der Öffentlichkeit bezahlt werden, allgemeine Unterkünfte und vieles mehr. Es ist fast wie die Durchführung einer Auktion, um zu sehen, wer die meisten kostenlosen Vorteile versprechen kann, die durch Besteuerung der Reichen bezahlt werden. Man wird wirtschaftliche Berater zitieren, die sagen, dass dies auf jeden Fall machbar und sogar notwendig für das Allgemeinwohl sei.

"Das reichste Land der Geschichte reicher Länder kann es sich leisten, mehr Geld für seine Bürger auszugeben, um ein bedingungsloses Grundeinkommen und eine Vermögensgleichheit zu garantieren." Das ist mehr oder weniger ein direktes Zitat aus mehreren Interviews. Vergessen Sie einfache Einkommenssteuern. Die neue politische Ante wird eine Vermögenssteuer sein.

Das bedeutet, dass diese Ideen zunehmend in der Öffentlichkeit bejubelt werden. Mehr und mehr Politiker werden dafür argumentieren, die Ausgaben zu erhöhen und/oder zumindest andere Ausgabeprioritäten zu setzen. Waffen und Butter.

In den nächsten Jahren wird sich das im nationalen Denken verankern. Eine wachsende Anzahl an Wählern, vor allem jüngere Menschen, werden eine natürliche Affinität für den Idealismus entwickeln. Warum sollte eine reiche Nation nicht denjenigen helfen, die weniger begünstigt sind?

Dann wird es irgendwann - während wir diese Konversation führen - eine Rezession geben. Die Arbeitslosigkeit wird steigen und Defizite zunehmen, bis wir uns in ein paar Jahren auf dem Weg zu 30 Billionen Dollar Schulden befinden. Das wird Privatinvestitionen verdrängen, die vorhandene Erholung verlangsamen und uns angreifbarer für eine schnelle und zweite Rezession machen; ähnlich wie die Rezessionen in den Jahren 1980 und 1982.

Doch dabei wird auch das Potenzial für eine echte Wahl der "Veränderung" geweckt. Die Frustration unter den Wählern Trumps wird bestehen bleiben, doch wird auch von vielen auf der linken Seite geteilt werden, die diese Versprechungen als Möglichkeit empfinden, die Dinge zu ändern. Es ist schwer, inmitten einer Finanzkrise und Rezession zu argumentieren, dass wir keinerlei Veränderung brauchen.

Es wird keinen zweiten Präsidenten Warren Harding geben, der während einer der schlimmsten Rezessionen/Depressionen der amerikanischen Geschichte in den frühen 1920er Jahren grundsätzlich nichts tat. In diesem Fall erlaubte strenge Austerität Ausverkäufe der Märkte, doch die Erholung bescherte uns die goldenen 1920er Jahre. Ursache und Wirkung? Verschiedene Lehrbücher wurden darüber geschrieben.

Doch 100 Jahre später, und mit den 2020er Jahren konfrontiert, wird das nicht der Fall sein. Es wird zunehmend Aufrufe geben, "etwas zu tun." Der Schrei nach Veränderung wird zum neuen Mantra werden.

Die Vorstellung, dass das Weiße Haus mit dem Kongress zusammenarbeiten wird, um die Prinzipien der MMT zu etablieren oder sogar direkt und mit deutlich höheren Steuern und Ausgaben einzuführen, ist nicht weit hergeholt.

An dieser Stelle wird alles ein wenig schleierhafter. Die Federal Reserve besitzt nicht die gesetzliche Autorität, direkt Geld zu drucken; selbst wenn ein neuer Präsident das Board mit Mitgliedern füllen könnte, die philosophisch an den Wunsch des Präsidenten angepasst sind, die Staatsausgaben durch Gelddruckerei zu erhöhen. Es ist ein Recht, das strikt für die Staatsregierung reserviert ist und insbesondere für das US-amerikanische Finanzministerium.

Das Ministerium kann so viele Schulden in den privaten Sektor pumpen, wie es möchte. Die Federal Reserve kann dann an den privaten Markt gehen und so viel Schulden erwerben, wie es möchte und diese so in ihrer Bilanz erhöhen. Das nennt sich quantitative Lockerung. Es ist technisch gesehen nicht dasselbe.

Der Kongress hat versucht, Agenturen zu gründen, die die Federal Reserve dazu verwendet hätten, direkt Geld zu drucken. Diese Agenturen und Methoden wurden vom Supreme Court überwiegend als verfassungswidrig erklärt. Damit die Federal Reserve Geld drucken lassen kann, wie die MMT vorsieht, müsste der Federal Reserve Act angepasst werden. Das ist sicherlich eine Möglichkeit, doch nicht einfach.




Volkswirtschaft der markigen Sprüche

Befürworter der MMT heben hervor, wie erfolgreich eine ähnliche Politik in Japan implementiert wurde. Man schob 140% dessen Bruttonlandprodukts unter die Bilanz der Bank of Japan - und kaufte somit essentiell jede verfügbare Anleihe an den privaten Märkten. Deren Bilanz wächst, da sie Aktien kauft und Japans gesamtes - und ziemlich großen - Jahreshaushaltsdefizit trägt.

Warum können wir nicht dasselbe tun? Japan und die USA sind moderne Länder und Volkswirtschaften. Europa führte die quantitative Lockerung selbst relativ stark durch - wenn auch nicht in demselben Ausmaße wie Japan. Wenn es letztes Mal keinerlei Probleme verursacht hat, warum das Ganze nicht in größerem Ausmaß versuchen? Vor allem, wenn es zur Krise kommt?

Die Erklärung, warum Japan keine Inflation oder Hyperinflation verzeichnet, wäre zu lang für ein Zitat. Befürworter der MMT können diese Frage mit abweisenden markigen Sprüchen beantworten, die sogleich von der nach Veränderung strebenden Öffentlichkeit verschlungen und geglaubt werden; gepaart mit der Automatisierung, die zunehmend Arbeitsplätze nimmt und Gehälter drückt. Das wird zu einem Feuersturm politischer Gegenreaktionen führen und schreit nach Veränderung.


Sind Defizite von Bedeutung?

Der einzig wahre Weg, die zunehmenden Defizite zu bewältigen, ist ...

... die Vorteile von Medicare und Medicaid zu reduzieren, Bedürftigkeitsprüfungen durchzuführen und zeitgleich das Berechtigungsalter zu erhöhen. Doch nur wenige Politiker werden Kampagnen auf der Basis starten, Medicare und Sozialhilfe einzuschränken. Denn egal, was versprochen wird, darauf wird es hinauslaufen.

... die Steuern für Medicare und Sozialhilfe zu erhöhen, oder einfach Jedermanns Steuern zu erhöhen, oder zumindest die der "Reichen." Deutlich. Die Definition der "Reichen" ist breitgefächerter als man glauben mag. Die meisten meiner Leser werden als reich angesehen werden. Ob Sie sich nun reich fühlen, ist nebensächlich. Das wird den Haushalt noch immer nicht ausgleichen, doch es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass uns dies in eine weitere Rezession treiben wird und direktere Ausgaben und eine Form der Gelddruckerei als Reaktion erfordert. Das ist es, was wir laut der MMT tun sollten.

Jeder Politiker, der Leistungsansprüche einschränken möchte, um den Haushalt auszugleichen, wird beschuldigt werden, denjenigen Sparmaßnahmen aufdrücken zu wollen, die es sich am wenigsten leisten können. Das ist kein Siegesprogramm. Da wird es keinerlei Clinton/Gingrich-Kompromiss geben. Austerität benötigt eine gewisse Menge Schmerz, was im Allgemeinen politisch nicht sonderlich populär ist.

Oh, ein Teil der Bevölkerung wird so etwas akzeptieren, doch wir müssen uns daran erinnern, dass Wahlen mit Vorsprüngen gewonnen werden. Präsident Trump gewann in einigen Staaten des Mittleren Westens mit extrem geringen Vorsprüngen. Eine Wahl der "Veränderung" inmitten einer Rezession oder deren Folgen könnte dazu führen, dass sich diese Vorsprünge in Luft auflösen, jedoch eine Welle progressiver und sozialistischer Politiker mit sich bringen, die sich Alexandria Ocasio-Cortez und ihren Freunden anschließen werden.

Denken Sie an 1932. Das Land befand sich inmitten echter Unruhen und es gab eine große Wende zur linken Seite des politischen Spektrum hin. Franklin Roosevelt konnte nicht alle politischen Maßnahmen durchsetzen, die er sich wünschte, doch zumindest einen Großteil von diesen. Das war wahrhaft verändernd und beeinflusste die USA in den letzten 100 Jahren.

Dies sind keine einfachen Veränderungen wie Kauf- und Verkaufsinstruktionen, sondern werden tiefgreifendere strukturelle Veränderungen voraussetzen; nicht nur in Ihrem Portfolio, sondern auch in Ihrem Leben. Es ist etwas, über das sie ernsthaft nachdenken sollten, während Sie noch die Zeit dazu haben. Warten Sie nicht bis zur letzten Sekunde. Warten Sie zu lange, bedeutet das, dass Sie nicht so vorbereitet sein werden, wie Sie sich gewünscht hätten.

Denken Sie darüber nach, wie Sie mit Steuern umgehen würden, die 20% oder 30% (oder mehr!) höher sind als die heutigen. Wie könnte das Ihren Lebensstil verändern? Was können Sie heute tun, um mit dem fertig zu werden, was auf Sie zukommt? Das könnte bedeuten, dass Sie Ihren Lebensstil anpassen müssen, mehr Ersparnisse ansammeln und Ihre Schulden begleichen müssen; das braucht Zeit. Für die meisten Familien sind das keine schnellen Entscheidungen. Doch ich halte sie für notwendig. Vor allem, wenn die erste Welle dieser verändernden Wahlen im Jahr 2020 stattfindet.

Was, wenn es plötzlich wieder zu Sparmaßnahmen kommt? Oder eine Krise uns zu diesen zwingt? Das würde zu noch mehr Veränderungen führen, auf die Sie vorbereitet sein müssen. Und leider ist nicht klar, was passieren wird. Wir müssen deutlich näher an diese Ereignisse und die Wahlen rücken, um herauszufinden, wie sich das tatsächlich entwickeln wird.


© John Mauldin
www.mauldineconomics.com


Dieser Artikel wurde am 15. Februar 2019 auf www.mauldineconomics.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.