Eine kurze Geschichte der finanziellen Entropie
01.06.2019 | Michael Pento
Die Weltwirtschaft begann ein Experiment der fiskal- und geldpolitischen Alchemie, als sie den Goldstandard vor fast 50 Jahren hinter sich ließ.
Im Jahr 1971 wurde die letzte Verbindung zwischen US-Dollar und Gold vollständig entfernt. Tatsächlich wurde das Wachstum der Geldmenge innerhalb des weltweiten Geldsystems nicht länger eingeschränkt, da es nicht mehr an die Zunahmen des Goldminenangebots gebunden war. Grund dafür ist die Tatsache, dass der US-Dollar einst eine Verbindung zu Gold hatte und der Rest der Welt seine Währungen mit dem Dollar verknüpfte. Das war seit der Vereinbarung von Bretton Woods im Jahr 1944 der Fall.
Demnach begann mit dem Kappen dieser Verbindung das zum Scheitern verurteilte Experiment der weltweiten Fiatwährungen. Der Weg zur Finanzentropie wurde geebnet.
Ein wenig Hintergrund
Paul Volcker (Vorsitzender der Federal Reserve von August 1979 bis August 1987) hatte die Inflation, die Anfang der 1980er Jahre von der lockeren Geldpolitik der Johnson- sowie Carter-Regierung geschaffen worden war, zum Verschwinden gebracht. Doch ein Rückfall der Fed führte Mitte des Jahrzehnts erneut zu steigender Inflation. Bis zur ersten Hälfte des Jahres 1987 waren die Aktienmärkte in die Höhe geschossen und stiegen bis Ende August insgesamt um erstaunliche 44%. Doch Mitte Oktober verkündete die Regierung ein Handelsdefizit, das größer als erwartet ausfiel. Dies führte zum weiteren Wertverlust des Dollar und ließ die Märkte aus den Fugen geraten.
Zum Handelsschluss am Freitag, den 16. Oktober, war der Dow Jones Industrial Average (DJIA) um 4,6% gesunken. Am folgenden Montagmorgen befanden sich die Aktienmärkte in und nahe Asiens im freien Fall. Das ließ den DJIA zum Handelsbeginn zusammenbrechen; letztlich fiel er um 508 Punkte, was einem Tagesrückgang von brutalen 22,6% entspricht.
Der Vorsitzende der Federal Reserve, Alan Greenspan, beeilte sich, den Märkten zu versichern, dass seine Fed als Quelle der Liquidität dienen würde und er genügend Geld zu drucken gedenke, um das Finanzsystem zu stützen. Demnach ermutigte er Finanzinstitutionen nicht nur dazu, ruhig zu bleiben, sondern auch hemmungslos Aktien mit Genehmigung der Zentralbank zu erwerben.
Zum ersten Mal seit ihrer Gründung 1913 rettete die Fed nicht nur eine einzelne Bank oder bastelte an den Seitenrändern herum, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln; Alan Greenspan machte klar, dass die Fed den Aktienmarkt nun auch direkt unterstützen würde. Der DJIA machte in nur zwei Handelstagen 288 Punkte wieder gut. Damals im Jahr 1987 machte der Gesamtwert der Aktien nur etwa 66% der Wirtschaft aus. Und das Reinvermögen der Haushalte als Prozentsatz des BIPs belief sich auf 370%.
In den späten 1990er Jahren traten neue Marktsorgen auf, wie beispielsweise die "Asienkrise." Von 1985 bis 1996 wuchs Thailands Wirtschaft um mehr als 9% im Jahr. Im Jahr 1997 wurde jedoch klar, dass ein Großteil dieses Wachstums auf ungezügeltem Kreditwachstum basierte, das eine Vielzahl fauler Kredite mit sich brachte. Ebenso nahmen Auslandsgläubiger eine erstaunliche Zahl an auf Dollar und anderen ausländischen Währungen basierten Kredite auf. Das brachte Wechselkursrisiken für die thailändische Wirtschaft mit sich, die zuvor von langwierigen Währungskoppelungen verschleiert worden waren.
Als sich diese Koppelungen als nicht nachhaltig herausstellten und zwangsläufig gebrochen werden mussten, waren Unternehmen nicht länger in der Lage, ihre in ausländischen Währungen angegebenen Kredite zu begleichen - was zur Insolvenz führte. Dieser Zusammenbruch breitete sich wie ein Lauffeuer durch ganz Asien aus und führte dazu, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) ein Bailout von mehr als 20 Milliarden Dollar anbot.
Kurz nach der Asienkrise traten Probleme in Russland auf. Dessen schwache Wirtschaft, Defizite und Abhängigkeit von kurzfristigen Finanzierungen führte zum Ausbruch einer schwerwiegenden Staatsschuldenkrise. Im August 1998 schockierte die russische Regierung die Märkte, als sie ankündigte, den Rubel zu entwerten und ihren Schuldenverpflichtungen nicht länger nachzukommen; ein Finanzchaos war die Folge.
Viele Regierungen und Finanzinstitutionen fanden sich auf der falschen Seite des Handels wieder, doch nicht so deutlich wie der äußerst gehebelte Hedgefonds Long Term Capital Management, der in kurzer Zeit 4,6 Milliarden Dollar verlor. Aus Angst eines systematischen Finanzcrashs kam die Fed erneut zur Rettung der Märkte und organisierte mithilfe eines Konsortiums aus 14 Finanzunternehmen ein Bailout. Natürlich wurde das alles von der internationalen Fiatdruckerpresse gesponsert.
Diese von der Regierung genehmigte Geldfälscherei verschlimmerte die NASDAQ-Blase von 2000 noch weiter, die kurz darauf platzte und dafür sorgte, dass die Tech-Aktien bis 2002 etwa 78% ihres Wertes verloren hatten. Am Höhepunkt dieser Blase belief sich der gesamte Marktanteil an Aktien als Prozentsatz der Wirtschaft nicht länger auf 66%, sondern war auf ganze 148% des BIPs gewachsen! Und das Reinvermögen der Haushalte stieg auf 450% des BIPs.
Aufgrund des Dot-Com-Crashs legte die Federal Reserve die Zinsen bei 1% fest und behielt sie ein Jahr lang auf diesem Niveau - von Juni 2003 bis 2004. Das verursachte die Immobilienblase und die Große Rezession von 2007 bis 2009. Kurz vor dem Zusammenbruch stieg das Reinvermögen der Haushalte auf ein damaliges Rekordhoch von fast 490% des BIPs.
Die Reaktion der Fed auf die schlimmste Notlage seit der Weltwirtschaftskrise bestand aus der Reduzierung der Zinsen von 5,25% im Jahr 2007 auf praktisch 0% Ende 2008. Fast neun Jahre lang behielt man sie auf diesem Niveau. Des Weiteren erwarb sie Vermögenswerte von Banken im Wert von 3,7 Billionen Dollar, um dieselben Assets in eine weitere Blase zu befördern. Die aktuellste Wiederholung dieses Zentralbankenwahnsinns versetzte die Wirtschaft in eine Position, in der sie zum ersten Mal in der Geschichte drei große Blasen hintereinander ertragen musste (Immobilien-, Aktien- und Anleiheblase).
Folglich sind Aktien nicht nur 1,5-mal so viel Wert wie die Wirtschaft, die Immobilienpreise sind zudem um etwa 35% überbewertet; die Anleihepreise sind außerdem so verzerrt, dass die Regierungen sogar dafür bezahlt werden, Kredite aufzunehmen. Diese aktuelle Blase hat dafür gesorgt, dass das Reinvermögen der Haushalte als Prozentsatz des BIPs auf rekordverdächtige 535% gestiegen ist!
Von Ordnung zu Chaos
Das offensichtlichste Problem ist, dass jede Krise durch das Drucken von mehr Geld und der Reduzierung der Kreditkosten - deutlich niedriger als der freie Markt es verlangt hätte - verbessert wurde. Steigende Zinsen hätten den Zugang zu billigem Kredit üblicherweise versperrt, der nicht lebensfähige Unternehmen über Wasser hält. Rezessionen sind gesund, da sie die Fehlinvestitionen innerhalb der Wirtschaft bereinigen. Doch aufgrund ihrer systematischen Praxis, die Zinsen mit zunehmenden Verzerrungen künstlich nach unten zu drücken, haben Zentralbanken eine massive Anzahl an fehlerhaften Kapitalallokationen verursacht, die zu einer noch nie dagewesenen Zahl an Schulden und Assetblasen geführt haben.
Aufgrund dessen ist das Reinvermögen der Haushalte als Prozentsatz des BIPs nun 50% höher als sein historischer Durchschnitt.
Eine wichtige Komponente des Haushaltsreinvermögens sind die Aktienbewertungen. Wie Sie im unteren Chart sehen können, befinden wir uns nun auf Höhen, die wir bisher nur während der Tech-Blase erreicht haben.
Eine weitere wichtige Komponente sind die Immobilienpreise. Hier stellt sich heraus, dass die US-amerikanischen Immobilienpreise ihre Blasenhochs, die vor 13 Jahren während des Höhepunkts der Immobilienblase verzeichnet wurden, deutlich überschritten haben.
Wenn wir zu dieser Gleichung die Anleihekurse hinzufügen - die Staatsschulden mit negativer Rendite im Wert von etwa 10 Billionen Dollar umfassen - dann ist das Ergebnis die Alles-Blase. Zuvor war es unvorstellbar, vor der Großen Rezession Schulden mit negativer Rendite im Wert von auch nur einem Dollar zu besitzen.
Folglich sind die Vermögenswertpreise deutlich höher als die zugrundeliegende Wirtschaft gestiegen und können diese ganze Scharade folglich auch sehr einfach zum Einsturz bringen.
Der Wert der Subprime-Hypothekenschulden vor dem Platzen der Immobilienblase, belief sich auf fast 1,5 Billionen Dollar - dessen Platzen brachte die gesamte Wirtschaft zum Einsturz. Vergleichen Sie diese Zahl mit der Anzahl an "Subprime"-Unternehmensschulden und Sie verstehen das Ausmaß, das nur eine einzige dieser Assetpreisverzerrungen hätte.
Wenn man die Gesamtzahl an Schrottanleihen und gehebelten Krediten addiert, dann kommt man auf einen Wert von 2,8 Billionen Dollar. Wenn Sie dann die Schulden mit BBB-Rating im Wert von etwa 2,6 Billionen Dollar dazurechnen - nur eine Klasse über den Schrottanleihen - dann kommt man auf wirtschaftlich extrem heikle Unternehmensschulden im Wert von 5,4 Billionen Dollar.
Im Übrigen bedeutet das nicht, dass man eine übermäßige Fremdfinanzierung nur bei den Unternehmensschulden beobachten kann; seit dem ersten Quartal 2019 gibt es ausstehende Haushaltsschulden im Wert von rekordverdächtigen 13,6 Billionen Dollar, was fast eine Billion Dollar mehr ist als während der vorherigen Spitze im dritten Quartal 2008. Demnach könnte selbst ein geringer Rückgang des BIPs rasch zu einer Lawine an Zahlungsausfällen und wirtschaftlichem Chaos führen.
Der Punkt ist hierbei, dass die Wirtschaft in der Lage war, den Aktienmarkt anzuführen, als der Gesamtwert der Aktien etwa der Hälfte des BIPs entsprach. So wie es Mitte der 1970er bis Mitte der 1990er Jahre der Fall war. Doch als die Gelddruckerei dafür sorgte, dass der Wert der Aktien auf ein 1,5-Faches der Wirtschaft stieg, waren es die Aktien, die das BIP anführten. Ebenso waren Assetpreise vielmehr eine Funktion des Wirtschaftswachstums, als das Reinvermögen der Haushalte 370% des BIPs ausmachte. Doch nun, da die Assetpreise 535% des BIPs betragen, sind es die Vermögenswertpreise, die die Wirtschaft hinter sich herziehen.
Demnach ist es nun Pflicht, die Aktien in einer Blase zu halten, da ein Marktrückgang die Wirtschaft recht einfach zum Einsturz bringen kann sowie jedes politisches Oberhaupt, das gerade an der Macht ist, zu Fall bringen könnte. Donald Trump ist sich dieser Tatsache nur allzu gut bewusst. In Wahrheit sind sich sehr wohl alle Machthaber dieser Tatsache bewusst. Ein Beispiel dessen konnten wir im vierten Quartal 2018 beobachten, als der Schrottanleihemarkt 41 Tage lang ohne etwaige neue Emission stillstand und die Aktienkurse einen Bärenmarkt betraten. Die Fed gab ihre Pläne zur Zinserhöhung rasch auf und versprach, ihr QT-Programm zu beenden.
Doch natürlich wirkt sich diese Blase nicht nur auf die Vereinigten Staaten aus. Laut Kyle Bass ist das Bankensystem Hongkongs nun explodiert und stieg auf das 8,5-fache des inländischen BIPs. Dessen Nachbar, China, besitzt massive und unproduktive Schulden im Wert von 40 Billionen Dollar, die sich seit 2007 vervierfacht haben. Die japanische Wirtschaft würde epochal zusammenbrechen, sollte die Bank of Japan (BoJ) ihre Stützung der Assetblasen jemals unterlassen.
Der Markt der japanischen Staatsanleihen im Wert von Billiarden Yen würde ohne die BoJ als primärer Käufer bankrott gehen - sie besitzt nun mehr als 50% des gesamten Staatsanleihemarktes. Ebenso besitzt die BoJ bereits nahezu 80% des ETF-Marktes. Würde die japanische Regierung auch nur den leisesten Hinweis darauf geben, ihre Aktienkäufe unterlassen zu wollen, so würde das sehr wahrscheinlich zu einem Crash des NIKKEI Dow führen, der den spektakulären Zusammenbruch von 1989 wie einen bloßen Bullenmarkt erscheinen lassen würde.
In anderen Worten: Die Macht, die es einmal an den freien Märkten gab, wurde nun vollständig von Regierungen und Zentralbanken verdrängt. Zur Durchführung ihrer Preismanipulationen haben sie alles gegeben und sind nun dazu gezwungen, Schulden fortwährend zu monetisieren oder das Risiko eines weltweiten Assetpreiszusammenbruchs eingehen, der fast sicherlich eine weltweite Depression auslösen würde. Das ist der wahre Grund, warum sich die Wall Street wenig um die Quartalsberichte und die Wirtschaft kümmert und sich stattdessen vollkommen auf jedes einzelne Wort fokussiert, das aus dem Munde eines Zentralbankers kommt.
Die Verknüpfung zwischen Geld und Gold war ein Funken menschlichen Genies, doch es war auch die habgierige Natur des Menschen, die für deren letztliche Zerstörung verantwortlich war. Was unausweichliche und schwere Folge mit sich bringt.
© Michael Pento
www.pentoport.com
Der Artikel wurde am 17. Mai 2019 auf www.pentoport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.