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Die Fed hört auf, den Schein zu wahren

22.06.2019  |  Peter Schiff

Nun, es brauchte nicht viel und es dauerte nicht lange. Nach Jahren der Aufschübe, einem zögerlichen Start, vielen vorsichtigen Pausen auf dem Weg und einer Höchstgeschwindigkeit, die nie wirklich Spazierfahrtgeschwindigkeit erreichte, nahm die Fed die erstbeste Ausfahrt von der Straße in Richtung Politik-"Normalisierung".

In einer Rede in Chicago am Dienstag, begeisterte der Vorsitzende der Federal Reserve, Jerome Powell, die Wall Street mit dem Signal, dass die Fed bald das Geschenk liefern würde, auf das Investoren gehofft haben: die erste Zinssenkung seit fast einem Jahrzehnt.

Obwohl viele schlaue Wirtschaftswissenschaftler das spätestens seit Oktober letzten Jahres hätten kommen sehen müssen, dachte kaum jemand in der Finanzwelt, dass die Fed so einfach ihre lange vertretende Ausrichtung ohne eine orkanartige Rezession, die sie vom Kurs abbringt, aufgeben würde. Aber in Wirklichkeit, war bloß eine leichte Brise nötig, um eine 180-Grad-Wende zu erzwingen.

In den Jahren 2017 und 2018 zeigte die Fed eine strenge Haltung. Sie argumentierte, dass die Wirtschaft sich endlich genug verbessert habe, um die "unkonventionelle" Politik abzuschaffen, die sie nach der großen Rezession von 2008 eingeführt hatte. Diese Schritte, darunter die Nullzinspolitik und Direktkäufe von Billionen Dollar in Hypotheken und Staatsanleihen, wurden vor 2008 noch nie versucht.

Aber da die Finanzkrise beispiellos war und die anschließende Rezession so schlimm, war die Fed bereit, alles zu tun, um eine Wiederholung der Weltwirtschaftskrise zu verhindern. Und obwohl die Fed anfing, ihre Politik bereits 2014 zu straffen (als sie ihre Anleihekäufe verringerte), blieb die Politik fast allen Ansichten zufolge stimulierend. Die Fed gab im Verlauf ihres Straffungszyklus zu, dass sie noch einen langen Weg bis "neutral" vor sich habe, aber sie war offenbar fest entschlossen, es zu erreichen.

Anfang 2018 wuchs das BIP um fast 3%, der Aktienmarkt war im Flug zu Höchstständen und die Arbeitslosenquote auf dem niedrigsten Niveau seit mehreren Generationen und es schien, als wäre die Fed mit ihrem Plan auf dem richtigen Weg. Die Fed gab diese freundlichen Bedingungen als Grund an, um den Weg in Richtung neutral fortzusetzen und um die geldpolitischen Krücken abzulegen, die die Wirtschaft seit 2008 stützten.

Zu diesem Zweck zeigte die Fed eindeutig an, dass sie plante, die Zinsen 2018 und 2019 kontinuierlich zu erhöhen (und somit die Zinsen bis 2020 auf ca. 3,5% zu bringen) und die Bilanz der Fed in Höhe von 4,5 Billionen US-Dollar durch "automatische" monatliche Anleiheverkäufe in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar zu reduzieren. Sie signalisierte, dass diese "quantitative Straffung" Jahre dauern würde.

Die Investoren waren von der Zuversicht der Fed infiziert. Viele schienen Präsident Trump zuzustimmen, dass die US-Wirtschaft so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr war, vielleicht sogar, wie Trump behauptete, die stärkte in der Geschichte der USA.

Damals argumentierte ich, dass wir lediglich in den letzten Zügen eines "Zuckerrausches" leben, der vom nachklingenden deregulierten Optimismus von Trumps überraschendem Wahlsieg 2016 herrührt, und dem Kurzzeitstimulus der US-Steuersenkungen und der rekordhohen Defizitfinanzierung. Aber wie immer wurden solche Bedenken nicht ernst genommen.

Doch dann sanken die Märkte im November und Dezember um 20% und brachten uns kurzzeitig in den ersten "Bärenmarkt" seit fast einem Jahrzehnt. Jetzt war alles offen. Wie Schwergewichtsweltmeister Mike Tyson zu sagen pflegte: "Jeder hat einen Plan, bis ihm ins Gesicht geschlagen wird."

Ich legte dar, dass eine Verkaufswelle unvermeidbar sei, angesichts dessen, dass die US-Wirtschaft auf einem Fundament aus künstlich niedrigen Zinsen errichtet wurde und dass selbst so niedrige Zinsen wie 2% eine zu hohe Last darstellten, als dass die Wirtschaft sie tragen könne. Aber Mainstream-Analysten waren überwiegend nicht am wahren Grund, weshalb der Markt einbrach, interessiert. Sie wollten einfach, dass die Verkäufe aufhören.

Immerhin sollten Märkte nur aufwärts steigen - so, wie es seit fast einem Jahrzehnt ununterbrochen der Fall war. Und so wurden die Stimmen lauter, dass die Fed ihr Bestreben nach Normalisierung aufgeben solle. Die lauteste unter den Stimmen kam von Trump selbst, der die Fed-Politik "verrückt" nannte. Der Druck erwies sich bald als wirkungsvoll.

In Bemerkungen Ende Dezember offenbarte Vorsitzender Powell einen Strategiewechsel. Er deutete an, dass die Fed bei ihrer Herangehensweise der weiteren Straffungen "geduldig" sein würde. Obwohl er seine Absicht, den Weg zur Normalisierung fortzusetzen, nicht aufgab, versprach er, dabei mehr auf die Marktbedingungen zu achten. Diese "Powell Pause" entfachte eine Erholungsrallye, die einem sterbenden Bullenmarkt neues Leben einhauchte.

Die Nerven wurden noch mehr beruhigt, als die Fed bekannt gab, dass der "Autopilot" ihres Anleiheverkaufsprogramms abgestellt wird. Kurz darauf meldete sie in aller Stille, dass das Programm im September vollständig eingestellt werde; Jahre früher als erwartet. Das hinterließe eine viel größere Bilanz als versprochen. Aber die Fed hielt den Vorwand aufrecht, dass weitere Straffungen stattfinden würden, nur eben nach einem längeren, nicht näher beschriebenen Zeitraum.

Obwohl diese Zugeständnisse wieder Wind in die Segel der Wall Street brachten, hatte sich in der Wirtschaft nichts Wesentliches geändert. Der Zuckerrausch, den die meisten Analysten mit echtem Wirtschaftswachstum verwechselten, ließ lediglich nach und drohte eine Wirtschaft bloßzulegen, die unausgeglichener, mit mehr Schulden belastet und anfälliger für einen möglichen Zusammenbruch war als im Jahr 2008.

Im Mai dieses Jahres wurde es unmöglich, die zugrundeliegende Schwäche in der Wirtschaft zu ignorieren. Obwohl die Anzeichen schon fast das ganze Jahr 2018 deutlich sichtbar waren, besonders in der Immobilien- und Automobilbranche sowie im Einzelhandel, dauerte es bis zum Frühjahr - als die Renditekurve schließlich umkehrte - bis Investoren aufmerkten.

Üblicherweise sinkt die Rendite von langfristigen Anleihen nur unter die Rendite von kurzfristigen Anleihen, wenn die Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert. Während viele Analysten Theorien aufstellten, wieso dieser üblicherweise verlässliche Rezessionsprädiktor nicht mehr zutrifft, breitete sich die Angst aus.



In den letzten Wochen sind die Wirtschaftsdaten viel schwächer geworden. Der Rückgang nahm auf dem Immobilienmarkt (wo es die niedrigsten Hypothekenzinsen seit Jahren nicht schafften, zu Immobilienverkäufen oder Hypothekenvergaben zu führen), in den Auftragseingängen, dem industriellen Ausstoß und bei den Konsumausgaben zu. Neue Daten vom Automobilmarkt zeigen, dass die Zeit für den Verkauf von neuen Autos zuletzt nur im Rezessionsjahr 2010 länger war.

Zahlungsrückstände bei Auto-, Kreditkarten- und Studentendarlehen stiegen laut Angaben der New York Federal Reserve Bank ebenfalls auf Niveaus, die seit der großen Rezession nicht mehr gesehen wurden. Die Angst wurde diese Woche erhöht, als das ADP seinen schlechtesten Beschäftigungsbericht seit fast zehn Jahren veröffentlichte. Demnach wurden im Mai nur 27.000 Jobs im Privatsektor geschaffen.

Unheilverkündend ist, dass die größten Verluste bei den hochbezahlten Stellen in der Warenproduktion verzeichnet wurden. Daran anschließend meldete das Arbeitsministerium einen viel kleiner als erwarteten Zuwachs um 75.000 Stellen außerhalb der Landwirtschaft im Mai zusammen mit deutlichen Abwärtskorrekturen der Zahlen der vorherigen Monate.

Aber der größte Schatten, der über der Wirtschaft hängt, rührt von der Unsicherheit her, die von Präsident Trumps Handelskrieg an mehreren Fronten erzeugt wurde. Da die Gespräche zwischen den USA und China zum Erliegen kamen und die Rhetorik beider Seiten anfängt, an den Kalten Krieg zu erinnern, mussten Wirtschaftswissenschaftler die Möglichkeit höherer Verbraucherpreise, unterbrochener Lieferketten und sinkender Exporte einkalkulieren. Schlimmer noch, die Situation mit China könnte noch schlimmer werden, bevor sie sich verbessert.

Und erst diese Woche wurde die ganze Sache noch riskanter, als Trump jeden mit seinen überraschenden Ankündigungen über Zölle gegen Mexiko schockierte. Obwohl die Regierung bereits viel politisches Kapital in die Aushandlung und Durchsetzung des United States Mexico Canada Trade Agreement (USMCA - der Nachfolger von NAFTA) investiert hat, schien der Präsident mehr als gewillt, das komplette Abkommen in den Wind zu schlagen, um bei der Grenzsicherheit einen Sieg einzuheimsen. Solche launenhaften Zurschaustellungen in der Handelspolitik könnten die Verhandlungen der Regierung mit ihren Handelspartnern untergraben.

Wie ich bereits in der Vergangenheit darlegte, sind sich viele Amerikaner gar nicht bewusst, welche Vorteile wir aus dem freien Handel in Form von niedrigeren Verbraucherpreisen und niedrigeren Zinsen haben. Wenn die Preise für alle Produkte im Wallmart steigen und wenn US-Amerikaner höheren Hypotheken- und Kreditkartenzinsen gegenüber stehen, wird der wahre Preis eines unüberlegten Handelskriegs deutlicher.

Mit dieser Anhäufung von Unsicherheiten stellte sich Powell diese Woche vor das Mikrofon und sagte uns, was wir längst hätten wissen müssen: Es gibt keine Tendenz zur Straffung mehr und der nächste Schritt der Fed könnte eine Zinssenkung, keine Erhöhung, sein.

Als die Fed zuletzt im Dezember umstritten die Zinsen erhöhte, argumentierte ich, dass es das letzte Mal sein würde und dass ihr nächster Schritt eine Senkung werde. Damals tanzten diese Prognosen kläglich aus der Reihe, grenzten schon an Wahnvorstellung.

Zu glauben, dass die Fed so schnell von ihrem Kurs abweichen würde, nachdem sie so laut zum Vormarsch blies, wäre wie ein Eingeständnis, dass sie nicht wusste, was sie tat und dass die klügsten Köpfe der Wall Street eine Krise, die sich vor aller Augen anbahnte, nicht sehen konnten. Ja. Das kommt so hin. Da sie ja alle von der Krise 2008 überrumpelt wurden, warum sollten wir dann erwarten, dass ihr Weitblick nun besser wäre?

Das Offensichtliche, das niemand einräumen möchte, ist, dass die "unkonventionelle" Politik, die eingeführt wurde, um gegen eine "Jahrhundert"-Krise anzugehen, nun die konventionelle Politik der Wahl ist, um normale Schwankungen eines Geschäftszyklus zu bekämpfen.

Aber Nullzinspolitik und quantitative Lockerung (QE) haben vor einem Jahrzehnt nur gewirkt, weil die Leute sie für vorübergehend hielten. Wenn sie gewusst hätten, dass diese Maßnahmen von Dauer sind, wäre der Dollar vielleicht abgestützt und die daraus entstandene Inflation hätte wohl alle Vorteile des Stimulus überwältigt.

Aber der einfältige Glaube, dass die Fed ihre Politik umkehren, ihre aufgeblasene Bilanz auflösen und Zinsen normalisieren könne, hat das Spiel am Laufen und den Dollar stark gehalten. Nun, da die Illusion vielleicht kurz davor ist, zerstört zu werden, könnte der Dollar die nächste Runde verstärkter QE und Nullzinspolitik nicht überstehen.

Als die Fed diesen Weg zum ersten Mal einschlug, hielt ich das für einen Fehler. Ich verglich die Ausstiegsstrategie der Fed damit, dass man den Tisch wegzieht und die Tischdecke und das Geschirr in der Luft schwebend zurücklässt. Ich sagte, die Fed habe uns in eine ausweglose Lage gebracht und dass es letzten Endes mehr QE-Programme geben werde als Rocky-Filme. Obwohl meine Vergleiche oft Gelächter bei meinen Anhängern auslösen, wurden sie von allen anderen ignoriert.

QE4 wird größer sein müssen als die drei vorherigen Runden zusammen, da die jährlichen US-Haushaltsdefizite über 3 Billionen steigen könnten. Während allerdings China, Russland und viele Schwellenländer eifrige US-Anleihenkäufer in diesen ersten Runden waren, könnten sie wahrscheinlich US-Anleihenverkäufer in der nächsten Runde sein. Das bedeutet, dass nichts von der zur Finanzierung von QE geschaffenen Inflation exportiert werden würde.

Also könnten nächstes Mal die großen Preiserhöhungen im Supermarkt stattfinden, anstatt auf dem Aktienmarkt. US-Amerikaner wären schließlich gezwungen, mit den negativen Auswirkungen der Inflation umzugehen, von denen wir in den letzten zehn Jahren verschont blieben. Das wird nicht schön.

Leider wird die Schuld für das wirtschaftliche Massaker Trump und dem Kapitalismus in die Schuhe geschoben. Also wird, so wie die Finanzkrise 2008 uns Barack Obama gab, uns die kommende Krise etwas viel Schlimmeres geben; einen demokratischen Präsidenten, der wild entschlossen ist, die USA so umzugestalten, wie Hugo Chavez Venezuela umgestaltete. Sozialismus wird es hier nicht viel besser abschneiden als dort.

Die Fed schloss 2008 einen Vertrag mit dem Teufel und opferte Amerikas Seele im Austausch für ein Jahrzehnt des Scheinwachstums. Dieses Jahrzehnt neigt sich nun dem Ende und der Teufel holt sich nun, was ihm zusteht.


© Peter Schiff
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Dieser Artikel erschien am 07.06.2019 auf www.24hgold.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.