Manipulation der Gold- und Silberpreise - Der größte Trick, den es je gab
31.07.2019 | Ronan Manly
Auf den Gold- und Silbermärkten gibt es wahrscheinlich kein Thema, das eine hitzigere Debatte entfacht als die Edelmetallpreismanipulation.
Dass die Edelmetallmärkte manipuliert werden, ist keine Spekulation, sondern Fakt. Ein Fakt, den zuletzt das Urteil der Commodity Futures and Trading Commission (CFTC) gegen die Investmentbank Merrill Lynch Commodities Inc. (MLCI) wegen der Manipulation der Preise der Gold- und Silberfutureskontrakte an der Terminbörse COMEX erneut verdeutlichte.
Die Zahl der Untersuchungen, Rechtsfälle, Sammelklagen und Finanzschlagzeilen, in denen es um die Manipulation von Edelmetallen geht, sind nun so allgegenwärtig, dass es schwierig ist, den Überblick darüber zu behalten, welche Fälle behandelt werden und welche Investmentbanken untersucht werden.
Doch jenseits der profit- und giergetriebenen Bullionbankmanipulationen der Gold- und Silberpreise ist noch das Problem der Interventionen durch die Zentralbankpolitik, um den Goldpreis durch den offenen Goldverkauf oder mithilfe des intransparenten und verschwiegenen Goldleihemarkts zu drücken. Diese Manipulation wird weniger thematisiert, da alles, was mit Zentralbanken und Gold zu tun hat, geheimgehalten wird. Auch die Finanzmedien sind nicht bereit, dieses Thema anzuschneiden und Aufsichtsbehörden sträuben sich, "diese Büchse zu öffnen", sollten sie die Goldmarktaktivitäten der Zentralbanken auch nur ansehen.
Dass Zentralbankoperationen auf dem Goldmarkt existieren, ist ebenfalls Fakt. Solche Operationen umfassten Kursglättung und Preisstabilisierung, Kursstützung sowie koordinierte Gold-Pools. Für mehr Hintergründe gibt es in englischer Sprache die Artikel: "New Gold Pool at the BIS Basle, Switzerland: Part 1", "New Gold Pool at the BIS Basle: Part 2 - Pool vs Gold for Oil" und "The Bank of England and the London Gold Fixings in the 1980s"
An verschiedenen Stellen wurden umfangreiche Belege für die Zentralbankenmanipulation dokumentiert, zum Beispiel auf der Webseite des Gold Anti-Trust Action Committee (GATA). Die Beweggründe für solche Zentralbankinterventionen lauten unter anderem:
- das bestehende Finanzsystem schützen,
- langfristig niedrige Realzinsen erhalten und
- verhindern, dass Gold als Barometer für Inflation fungiert.
Doch über die Gold- und Silberpreismanipulation der Geschäftsbanken und die Goldmanipulation der Zentralbankpolitik hinaus, gibt es wohl eine weitere, viel maßgebendere Form der Manipulation auf den Edelmetallmärkten, um die Preisfindung zu unterdrücken.
Sie ist eben das Gerüst, mit dem diese Märkte Unmengen von Futures-Kontrakten sowie synthetische und papierende Gold- und Silberpositionen handeln, die überhaupt nichts mit den zugrunde liegenden physischen Metallen zu tun haben. Dieses Trading ist natürlich auf der US-Terminbörse COMEX und den nicht allokierten Gold- und Silbermärkten in London beheimatet. Beide Schauplätze werden von den LBMA-Bullionbanken beherrscht.

Merrill "Spoofing" Lynch
Widmen wir uns erst dem letzten Merrill-Lynch-Fall. Ende Juni dieses Jahres gab die CFTC bekannt, dass sie Merrill Lynch Commodities Inc (MLCI) ein Bußgeld in Höhe von 25 Millionen Dollar für die Manipulation von Gold- und Silberfutureskontrakten an der Terminbörse COMEX zwischen 2008 und 2014 auferlegte.
Der CFTC zufolge manipulierten MLCI-Trader den Markt "tausende Male" mit sogenanntem "Spoofing", das bedeutet, erst eine Order einstellen und sie wieder löschen, bevor sie ausgeführt wurde. Indem sie künstlich Angebot oder Nachfrage und somit falsche Preise kreierten, beeinträchtigen sie die (bereits defekte) Edelmetallpreisfindung, die ansonsten stattgefunden hätte.
Interessanterweise, aber nicht überraschend, kam der Großteil der Beweise, die die CFTC für ihr Urteil benutzte, aus den unzähligen Protokolldateien der Trader-Chat-Apps, die für die Koordination des Spoofing verwendet wurden. Zum Beispiel wurde ein Trader aus einem Chat von 2010 wie folgt zitiert: "Jungs, die Algos hier sind wirklich bereit. [Bei]m Spoofen bewegt sich wirklich was..."
Obwohl es für die meisten Leute viel Geld ist, ist ein Bußgeld von 25 Millionen Dollar für eine globale Investmentbank wie Merrill Lynch eine lächerliche Summe und bloß der Preis für Geschäfte an der bankenbeherrschten Wall Street. Allerdings zeigt die Entscheidung wenigstens, dass viele tatsächlich richtig liegen, wenn sie die Preisfindung der Edelmetallfutures als manipuliert ansehen.
Zusätzlich zum Bußgeld über 25 Millionen Dollar ging Merrill eine Nicht-Stafverfolgungsvereinbarung mit dem US-Justizministerium (DoJ) ein. Sie stimmte einer Kooperation bei der DoJ-Ermittlung krimineller Verstöße zu und zahlte eine Geldstraße in Höhe von 11,5 Millionen Dollar an die CFTC. Außerdem wurde Anklage gegen zwei ehemalige MLCI-Edelmetall-Trader, Edward Bases und John Pacilio, erhoben.

Die üblichen Verdächtigen - UBS, HSBC und Deutsche Bank
Der jüngste Fall gegen Merrill ist kein Einzelfall. Er folgt auf ähnliche Schritte der CFTC Anfang 2018. Damals klagte sie die Investmentbanken UBS, Deutsche Bank und HSBC sowie eine Vielzahl ihrer Trader wegen Spoofing auf den Edelmetallfuturesmärkten, das schon seit 2008 durchgeführt wurde, an. Zusätzlich wurden den Banken ein Bußgeld von insgesamt 46,6 Millionen Dollar auferlegt (von denen 30 Millionen Dollar gegen Deutsche Bank und 15 Millionen Dollar gegen HSBC erhoben wurden).
Zurück zu diesem Jahr: Im Februar 2019 erlegte das Bundesbezirksgericht von Connecticut dem ehemaligen Edelmetall-Trader von UBS, Andre Flotron, eine Geldstrafe über 100.000 Dollar auf, da er mit Preismanipulation und Spoofing gegen das Commodity Exchange Act (CEA) und die CFTC-Vorschriften verstieß. In dem Prozess befand die CFTC, dass Flotron große Orders auf den Edelmetallmärkten von "mindestens August 2008 bis mindestens November 2013, während seiner Beschäftigung bei UBS" manipulierte. Das folgte auf die Wiederaufnahme des Falles durch die CFTC gegen Flotron im Dezember 2018.
Einen exzellenten Einblick in die Art und Weise, wie diese Trader der UBS und anderer Investmentbanken ihr Spoofing durchführten, geben die im April 2018 veröffentlichen englischsprachigen Artikel von Allan Flynn: "US Gold and Silver Futures Market - Easy Targets" und "UBS and Deutsche Bank gold and silver traders, April 2018".
Zum Beispiel sagte Mike Chan, ein UBS-Junior-Trader von Flotron, während seiner Arbeit in Singapur, im Flotron-Prozess vor Gericht aus: "Während der Einarbeitung, sah ich ihn beim Spoofing und - genug, um es direkt nachzuahmen, um dasselbe zu erreichen. Und im Verlauf meiner Karriere bei USB, habe ich immer mehr Leute beim Spoofing gesehen, je mehr Trader ich traf."

Ein abgekartertes Spiel - Manipulation der Gold- und Silberbenchmarks
Jenseits des Gold- und Silberfuturesmarkts - doch mit Futures in Verbindung stehend - sind eine Gruppe Bullionbank-Trader, nicht überraschend, ebenfalls in Kartellrechtsfälle involviert. Der Vorwurf lautet, dass diese Banken die Preise am Londoner Gold- und Silberfixing manipulierten.
Obwohl sich diese Fälle noch durch die New Yorker Gerichte winden und es bisher kein rechtskräftiges Urteil gibt, sind die Chatroom-Protokolle über die manipulativen Preisabsprachen schockierend. Chat-Protokolle, von denen jeder, der der auch nur ansatzweise darüber nachgedacht hat, wusste, dass sie seit mindestens 2004 existieren.
Die besagten Fälle wurden von Edelmetallinvestorengruppen gegen die kartellartigen Unternehmen des Londoner Gold- und Silberfixing herbeigebracht. Die Vorwürfe lauten, dass die Bank of Nova Scotia und die HSBC die Preise bei Silberfixing von 2007 bis 2013 manipulierten und dass die Scotiabank, die HSBC, Barclays sowie Société Générale die Fixing-Preise von 2004 bis 2013 manipulierten. Mit Abwesenheit glänzen die Deutsche Bank, die sich ihren Weg aus beiden Fällen durch eine Einigung bahnte, und UBS, die durch Kooperation und teure Anwälte beide Fälle erfolgreich abwies.
Wieder bedienen wir uns eines Artikels von Allan Flynn von Dezember 2016 mit dem Titel "How to Trigger a Silver Avalanche by a Pebble: Smash(ed) it Good", der viele exzellente Zitate aus Chatroom-Protokollen aufführt, wie Trader angeblich den Silbermarkt manipulierten. Zum Beispiel:
UBS-Trader A: "werde Silber tiefer schicken"; "wie ich sagte ich schicks tiefer": "ha cool, es wird hässlich"; "benutzt sofort die Klinge an Silber, das wirds aufhalten"; "werd Silber jetzt kappen."
Deutsche-Bank-Trader B weist Barclays-Trader A an: "heute zerschmetterst du es"
UBS-Trader A: "ein Kiesel kann eine Steinlawine auslösen wenn das Timing stimmt" und "Silber gibt’s noch, Silber kann man leicht manipulieren"
Die Fälle gegen die Unternehmen des Londoner Gold- und Silberfixing befinden sich noch in der Beweisführung in den New Yorker Gerichten. Man kann also mit weiteren Enthüllungen zum Ende des Jahres rechnen, doch angesichts der Nachsicht des Systems, nicht mit vielen Strafmaßnahmen.
Leser, die wissen, wie der Handel mit Gold- und Silberfutureskontrakten und um das Londoner Gold- und Silberfixing funktioniert, werden sehen, dass das Hin- und Herschieben der Preise an beiden "Plätzen" stattfindet, an der COMEX und auf dem Londoner Gold- und Silbermarkt, insbesondere im Vorfeld und während des Fixings.
Dieselben Investmentbank-Edelmetalltrader handeln mit den Gold- und Silberfutureskontrakten und den Londoner OTC-Kontrakten. Und sie handeln mit ihnen zeitgleich auf den Londoner und COMEX-"Plätzen". Kursbewegungen an einem Standort werden sofort am anderen widergespiegelt.
Das wird alles im englischsprachigen Artikel "Spoofing Futures and Banging Fixes: Same Banks, Same Trading Desks" von April 2018 erklärt. Zu der Zeit schrieb ich das Folgende, was jetzt angesichts der jüngsten CFTC-Anklage von Merrill Lynch Commodities Inc. (MLCI) sogar passender ist:
"Die strafrechtliche Verfolgung von Banken und Tradern wegen der Preismanipulation von COMEX-Futures, während der viel größere Londoner Markt und sein Gold- und Silberfixing ignoriert werden, sieht nach einer halben Sache aus. Trading-Desks und ihre Trader spielen auf Handelsplätzen und verknüpften Märkten keine Rolle; die COMEX und die Londoner Fixings sind zwei Seiten einer Medaille."

Fazit - Der größte Trick, den es je gab
Gold- und Silberpreise zu manipulieren, indem man Futures-Trades einstellt und wieder löscht, ist die eine Sache. Die Zentralbankintervention auf den physischen Goldmärkten, um den Goldpreis zu drücken, ist eine ganz andere. Aber die vielleicht weitreichendste und doch unbeachtete Manipulationsmethode wird ganz offen praktiziert.
Es ist die Struktur der derzeitigen "Gold- und Silbermärkte". Auf ihnen wird der Preis durch den Handel mit Unmengen von minimal gedeckten synthetischen Gold- und Silberkrediten aufgestellt; sei es in Form von Unmengen von nicht allokierten Positionen, die nur dem Namen nach "Gold" oder "Silber" sind oder in Form von Gold- und Silberfutures, die in keiner Verbindung zu den von der CME zugelassenen Edelmetalltresoren und -lagern stehen.
Indem sie die Nachfrage nach echtem Gold und Silber abzapfen und sie auf die ungedeckten oder minimal gedeckten Kredite und Futures lenken, haben die Zentralbanken und ihre Pendants unter den Bullionbanken erstaunliche Arbeit geleistet.
Sie schufen eine komplette Marktstruktur aus dem Handel mit Futures und Synthetik, die vom den physischen Gold- und Silbermärkten losgelöst ist. Diese Struktur leitet die Nachfrage von den physischen Edelmetallmärkten weg und schafft so ein Preisfindungssystem, das nichts mit Angebot und Nachfrage von physischem Gold und Silber zu tun hat.
Abgesehen vom Mindestreserve-Bankwesen ist die Edelmetallmarktstruktur wohl eins der größten Schwindel überhaupt. Wenn Sie also das nächste Mal an die Edelmetallmanipulation denken, vergessen Sie nicht, dass außer dem Spoofing und den verschwiegenen Zentralbank-Goldleihen auch die komplette Edelmetallmarktstruktur leider eine einzige unverhohlene Manipulation ist.
© Ronan Manly
BullionStar
Dieser Artikel wurde am 20. Juli 2019 auf www.bullionstar.com und zuvor auf RT.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.