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Die FED sorgt für tiefere Zinsen und treibt den Gold-Preis weiter in die Höhe

25.10.2019  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit

Die US-Notenbank wird ihre Zinssenkungen fortsetzen, damit die Kredit- und Geldmengen weiter anschwellen können und der inflationäre Boom weitergeht; ein Ausstieg aus dieser Geldpolitik ist nicht in Sicht. Anleger sind gut beraten, Gold im Portfolio zu halten.

"Herr, die Noth ist groß, Die ich rief die Geister,
Werd ich nun nicht los."

- Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), Der Zauberlehrling.


Den Zins zu "normalisieren", ist der US-Zentralbank (Fed) im vergangenen Zinssteigerungszyklus nicht gelungen. Bei 2,50 Prozent war Schluss (Abb. 1 a). Die bittere Einsicht ist: Die Zinsen lassen sich nicht mehr auf "normale" Niveaus zurückbringen, ohne die Konjunktur und die Finanzmärkte aus dem Gleis zu werfen.

Zu hoch ist die Verschuldung - in den USA und anderswo auf der Welt -, als dass die Kreditnehmer höhere Zinskosten tragen könnten; zu abhängig ist die Produktions- und Beschäftigungsstruktur von der langen Phase extrem niedriger Zinsen; und zu groß ist der politische Druck, als dass die Fed sich weiteren Zinssenkungswünschen erwehren könnte: 2020 ist Präsidentschaftswahljahr in den USA. Die Fed hat daher den Zinssenkungszyklus wieder eingeleitet.

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Quelle: Thomson Financial; Berechnungen und Graphiken Degussa.


Schon Ende Oktober 2019 wird vermutlich der US-Leitzins, so erwarten wir, um weitere 0,25 Prozentpunkte sinken; das entspräche dann einem neunen Zinsband von 1,50-1,75 Prozent. Es ist so wie in Goethes Zauberlehrling: Die Fed wie auch die anderen Zentralbanken werden die Geister, die sie gerufen haben, nicht mehr los. Die wirtschaftlichen und politischen Anpassungskosten, die in Kauf zu nehmen wären, um den Null- und Minuszinsen den Rücken zu kehren, werden gescheut.

Nicht nur von den Regierenden, sondern auch von den Regierten. Eine Rückkehr zu "normalen Höhen" würde nämlich die bestehende Produktions- und Beschäftigungsstruktur auseinandersprengen und eine schwere Rezession-Depression auslösen. Das Fortführen der Niedrigzinspolitik scheint für alle "Beteiligten" die einfachste Lösung zu sein - auch wenn sie bestehende Ungleichgewichte vergrößert und zu allem Übel auch noch neue schafft.

Der Goldpreis (in US-Dollar gerechnet) steigt seit Anfang 2016 wieder an - er ist also schon in der Phase in die Höhe geklettert, in der die US-Zinsen angehoben wurden (Abb. 1 b). Das dürfte mehrere Gründe haben. Der Goldpreisanstieg reflektiert einen "Aufholeffekt", da zuvor der Preis des gelben Metalls stark korrigiert hatte. Zudem ist der US-Zins nur ein Faktor, beileibe aber nicht der einzige Faktor, der den Goldpreis beeinflusst. Der Goldpreis wird, langfristig gesehen, in entscheidendem Maße durch die (weltweite) Geldmengenausweitung getrieben. Das ist ein wichtige Einsicht: Denn die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass die Geldmengen auch künftig weiter stark steigen werden.


Ungebremstes Bilanzwachstum

Dazu betrachte man nur einmal die Bilanzsummen der Zentral- und Geschäftsbanken in den großen Währungsräumen (siehe dazu die Übersicht auf der folgenden Seite). Die Bilanzsumme des weltweiten Bankenapparates - die sich zusammensetzt aus Zentralbank- und Geschäftsbankenbilanz - ist seit der Krise 2008/2009 gewaltig angeschwollen. Das liegt daran, dass die Zentralbanken den Geschäftsbanken kräftig unter die Arme griffen, ihnen mit Anleihekäufen und Direktkrediten aus der Patsche geholfen haben. Dadurch konnte zwar der Zahlungsausfall des Bankensystems abgewendet werden. Aber der Preis für diese "Rettungs-Geldpolitik" ist immens.

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Quelle: Thomson Financial; Berechnungen Degussa. (1) Berücksichtigt wurden USA, Euroraum, China, Japan, Großbritannien und Schweiz. Serien sind indexiert (Juli 2007 = 100).




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Quelle: Thomson Financial; Berechnungen Degussa.


Man kommt nämlich aus der "Rettungspolitik" kaum mehr heraus. Die Regierenden und die Regierten haben die Wohltat der niedrigen Zinsen kennengelernt - und sie werden sich bitterlich beklagen, sollten die Zinsen wieder steigen, weil sich dann die "Scheinstabilität" des Wirtschafts- und Finanzsystem als Wunschdenken entzaubert. Die Konjunktur in Gang zu halten und jede systemgefährdende Erschütterung im Keim zu ersticken, ist daher zum unausgesprochenen Hauptbestreben der Geldpolitiker geworden. Dass dafür die Geldmenge immer weiter ausgeweitet werden muss, liegt auf der Hand.

Mit Null- oder Negativzinsen lässt sich die wahre Lage zwar für eine gewisse Zeit übertünchen. Beispielsweise indem niedrige Zinsen Aktien- und Häuserpreise in die Höhe treiben und neue Investitionen in Gang setzen. Wenn aber die Zinseffekte ausgeschöpft sind, dann müssen die Geldmengen umso schneller anwachsen, damit die Wohlstandsillusion aufrechterhalten werden kann. Die Null- und Minuszinspolitik ist so gesehen die "Vorhut", auf die die "handfeste" Politik der Geldentwertung wird folgen müssen.

Dass weltweit die Zinsen sinken, dass sie hier und da bereits auf oder unter die Nulllinie gefallen sind, und die Bilanzen der Bankensektoren weiter anschwellen, ist so gesehen alles andere als Zufall.


Geldwert schwindet

Für Anleger stellt die Geldpolitik der Zentralbanken eine große Herausforderung dar. Die "Absturzrisiken" des Systems nehmen zwar zu, gleichzeitig sind jedoch die Zentralbanken, indem sie die Marktkräfte aushebeln und lahmlegen, in der Lage, für "Überraschungen" zu sorgen: Pleiten von Staaten und Banken abzuwehren, Sorgen vor Kreditausfällen einzuschläfern, Konjunkturzyklen künstlich in die Länge zu ziehen. Eines dürfte dabei allerdings unausweichlich sein: Die Kaufkraft des Geldes wird leiden.

Genau das wird die unausweichliche Folge sein, wenn die Geldmengen immer weiter ausgeweitet werden: Die Anzahl der Güter, die man für eine Geldeinheit erhält, nimmt im Zeitablauf ab.

Wer beispielsweise Euro-Sicht-, Termin- oder Spareinlagen hält, oder wer auf Euro denominierte Schuldpapiere setzt, wird sehr wahrscheinlich das Nachsehen haben. Für den Anleger ist es daher sinnvoll, ein "Euro-Klumpenrisiko" in seinem Portfolio zu vermeiden. Wer den ungedeckten Währungen treu bleiben will, der kann beispielsweise auf US-Dollar ausweichen - denn der Greenback ist nach wie vor, und wird es auf absehbare Zeit bleiben, die weltweit bedeutendste Währung; er ist gewissermaßen der "Einäugige unter den Blinden".(1) Eine andere Option besteht im Halten von physischem Gold. Das gelbe Metall ist international liquide, in Normal- und in Krisenzeiten.

Der Wert des Goldes ist immun gegenüber geldpolitischen Manövern: Die Geldpolitik der Geldmengenvermehrung und der Null- und Minuszinsen kann den Tauschwert des Goldes nicht in die Knie zwingen. Dass die Geldpolitik künftig noch ungehemmter eingesetzt wird, um das "System" zu retten, ist sehr wahrscheinlich.

Die Handlungsspielräume, über die die Zentralbanken verfügen, sind nach wie vor weit gespannt (Stichwort: Hubschraubergeld). Die breite Öffentlichkeit verfügt weder über die Mittel, dem Treiben der Geldpolitiker einen Riegel vorzuschieben, noch zeigt sich bislang der Wille, dem Spuk ein Ende zu bereiten. So gesehen ist es ratsam, zumindest einen Teil der liquiden Mittel in der Währung Gold zu halten. Gold ist eine verlässliche Versicherung.

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Quelle: Thomson Financial; Graphik Degussa. Gepunktete Linie: linearer Trendverlauf.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


(1) Siehe hierzu Degussa Marktreport, Null- und Negativzinsen in den USA - und das Geldchaos ist perfekt, 26. September 2019.