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Bear Stearns Déjà-vu?

15.03.2020  |  Theodore Butler

Da die April-Goldkontrakte an der COMEX sowie die März-Silberkontrakte am Montag bei 1.691 Dollar und 18,92 Dollar auf nahezu Rekordvolumen gehandelt wurden und nicht weit entfernt von diesen Niveaus schlossen, fand nach Geschäftsschluss ein dramatischer Ausverkauf statt. Wie erwartet, führte das allzu häufig auftretende Ereignis zu einigen Marktmanipulationsanschuldigungen.

Sicherlich war der plötzliche Selloff fragwürdig, doch die angeblichen Täter waren nicht überraschend, wenn man die bekannten Daten untersucht. Durch starkes Herabdrücken der Preise, während sich die Liquidität auf ihrem niedrigsten Niveau befand, hatten diese Longs nichts zu gewinnen. Die einzigen Entitäten, die etwas von diesem plötzlichen Selloff gewinnen hätten können, waren die meisten Shorts - oder eben die sieben größten Short-Seller.

Zu den Preishochs am Montag steckten die sieben größten Shorts an den COMEX-Gold- und Silberfuturesmärkten mit einer weiteren Milliarde Dollar in der Klemme, was ihren Gesamtverlust auf rekordverdächtige 8,2 Milliarden Dollar brachte. Der Selloff begann um 14:30 EST und überdauerte Dienstagmorgen. Das erlaubte es den großen Shorts, zusätzliche Milliarden-Dollar-Einschränkungen loszuwerden und am Freitag bei rekordverdächtigen 7,2 Milliarden Dollar Verlust zu schließen. Wenn man verstehen möchte, wie Gold- und Silberpreis funktionieren, dann ist es klug, diejenigen zu betrachten, die das Meiste verlieren oder gewinnen können. Das ist der Grund, warum ich die sieben größten Shorts im Auge behalte.

Alle Derivatpositionen, sowohl Long als auch Short, sind offene Positionen, die letztlich irgendwann geschlossen werden müssen. Futures-Positionierungen können fast unendlich verlängert werden, im Gegensatz zu Positionen, die zu einem bestimmten Datum beendet werden. Da Futures-Positionen offen bleiben können (indem sie verlängert werden), müssen sowohl Longs als auch Shorts zusätzliches Margin-Geld hinterlegen, wenn sich Positionen gegen sie bewegen; somit wir die Integrität des Kontrakts sichergestellt. Das ist ein weiterer Grund, warum ich die 7 größten Shorts im Auge behalte.

Den finanziellen Zustand der 7 größten Shorts in COMEX-Gold und -Silber tatsächlich zu kalkulieren, ist recht einfach. Ich nehme einfach die wöchentlichen Netto-Short-Positionen der 8 größten Händler von COMEX-Gold- und -Silberfutures her und ziehe sie von JPMorgans Short-Position ab (da es massive, physische Gold- und Silberbestände besitzt; im Gegensatz zum Rest der Big Shorts.)

Laut dem aktuellsten CoTs-Bericht hielten die 7 größten Gold-Shorts 280.000 Netto-COMEX-Kontrakte (28 Millionen Unzen) und 90.000 COMEX-Silber-Short-Kontrakte (450 Millionen Unzen). Demnach bedeutet jede Dollarbewegung in Gold 28 Millionen Dollar für die 7 größten Shorts und alle 10 Cent in Silber 45 Millionen Dollar Gewinn oder Verlust.

Obwohl es der Wahrheit entspricht, dass die 7 Big Shorts niemals kollektiv Short-Positionen aufgrund höherer Preise und zu einem Verlust zurückkaufen, so heißt das nicht, dass sie niemals dazu gezwungen sein werden. Wenn die Big Shorts jemals Short-Positionen aufgrund höherer Preise zurückkaufen - während es zeitgleich das erste Mal ist, dass so etwas passiert - dann wird das zu einer massiven Veränderung der 40-jährigen Preisfestlegung von Gold und Silber führen.

Lassen Sie mich klar sagen, was ich meine - ich kann nicht wissen, wann die Big Shorts zum ersten Mal kollektiv Short-Positionen aufgrund höherer Gold- und Silberpreise zurückkaufen werden. Doch während und wenn sie das tun, dann werden sich die Preise anders verhalten als alles, was wir bisher erlebt haben. Der einzige Grund, warum vor allem Silber so billig ist, ist die Tatsache, dass die Position der Big Shorts die Preise belastet hat. Ohne diese "Preisdeckelung" wäre der Silberpreis viel höher.

Die einzige mögliche Alternative wäre, dass wir einen dramatischen Selloff erleben, bei dem die Big Shorts mal wieder ihre Short-Positionen aufgrund niedrigerer Preise zurückkaufen und dann keine neuen Shorts hinzufügen, wenn die Preise steigen. Diese Alternative behalte ich nun schon seit einiger Zeit im Kopf, doch es scheint, dass sich die Big Shorts ein noch tieferes Loch gegraben zu haben scheinen, selbst im Falle eines dramatischen Selloffs. Es scheint schwer vorstellbar, dass sie Short-Positionen zurückkaufen ohne starke realisierte Verluste zu verzeichnen - was ebenso das erste Mal wäre.

Da der einzig wichtige Preisfaktor die Frage ist, ob die 7 Big Shorts in der Lage sein werden, den Preis zu deckeln und weiter nach unten zu drücken oder daran scheitern werden und sich beeilen werden müssen, ihre Positionen zu decken und somit eine diskontinuierliche Aufwärtsbewegung auslösen könnten, lassen Sie uns die Aussichten für jede dieser Möglichkeiten so objektiv wie möglich betrachten. Es besteht kein Zweifel, dass die 7 Big Shorts die größten Netto-Short-Positionen in Gold und Silber halten und zu den größten Verlusten überhaupt - mehr als das Doppelte der vorherigen Verluste im Jahr 2016. Es sind diese Umstände, die zeitgleich extreme Gefahr und Motivation für die 7 Big Shorts darstellen.

Niemals waren die Big Shorts so motiviert, einen Selloff zu manipulieren - und niemals waren sie in derartiger Gefahr, sollten sie daran scheitern. Oder anders gesagt: Der Einsatz war noch nie so hoch. Das letzte Mal, dass wir in uns in einer derartigen Situation befanden, war vor 12 Jahren, als Bear Stearns der größte Short-Seller der COMEX-Gold- und -Silberfutures war und sich auf einer rapiden Reise hin zur Selbstzerstörung befand.

Zu dieser Zeit hatte ich keine Ahnung, dass Bear Stearns der große Short-Seller von COMEX-Gold und -Silber war und würde dies auch erst Monate später erfahren. Doch wie es sich herausstellte, hallen die Lektionen, die uns Bear Stearns' Zusammenbruch lehrten, jeden Tag stärker in uns nach.

Es ist fast schon erstaunlich, dass nicht mehr Leute darauf hinweisen, dass der Zusammenbruch von Bear Stearns eng mit dessen Short-Positionen in COMEX-Gold- und -Silberfutures verbunden war. Anfang Januar 2008 wurde eine Bear-Stearns-Aktie für mehr als 90 Dollar verkauft. Etwas mehr als zwei Monate später scheiterte Bear Stearns und ließ sich von JPMorgan gegen 2 Dollar je Aktie übernehmen. In derselben Zeitspanne stieg der Goldpreis um 200 Dollar auf mehr als 1.000 Dollar je Unze, das höchste Niveau in der Geschichte; Silber stieg um 5 Dollar auf 21 Dollar je Unze, sein höchster Preis in 30 Jahren. Wie konnte das dem größten Short-Seller nicht schaden?

Glauben Sie, dass es nur ein Zufall sein könnte, dass Bear Stearns am selben Tag (17. März 2008) scheiterte, an dem Gold und Silber diese Rekordpreise erreichten? Oder dass der Gold- und Silberpreis innerhalb weniger Tage, nachdem JPMorgan das Unternehmen übernommen hatte, erneut um fast jeweils 100 und 4 Dollar fielen, sobald Bear Stearns weg vom Fenster war und JPMorgan die Kontrolle übernommen hatte?

Der beschämenste Aspekt an Bear Stearns' Debakel war die Tatsache, dass die staatliche Rohstoffaufsicht, die CFTC, die ganze schäbige Affäre nicht nur leitete, sondern der Öffentlichkeit auch noch dreist ins Gesicht log, dass es kein Problem mit konzentrierten Shorts in COMEX-Silber gäbe. Huh? Der größte Short-Seller ging am selben Tag bankrott, an dem die Preise Rekordhochs erreichten und die verantwortliche Behörde log und so tat, als sei alles in Ordnung gewesen.



Eine verantwortungsbewusste Behörde hätte zumindest sichergestellt, dass ein derartiger Fehler niemals wieder unterlaufen wird, indem eine präventive Maßnahme angewandt worden wäre, die eine Wiederholung von Bear Stearns' Scheitern verhindern könnte: die Einführung gesetzlicher Positionseinschränkungen. Stattdessen werden uns 12 Jahre später Positionslimits präsentiert, die so hoch gesetzt sind, dass sie niemanden überhaupt auf irgendeine Art und Weise einschränken.

Ich kann einfach nicht anders, als den Fehler von Bear Stearns zurück ins Leben zu holen, um die aktuelle Problematik der 7 Big Shorts hervorzuheben. Durch Überprüfung der CoTs-Daten dieser Zeit findet man nicht den geringsten Beweis dafür, dass Bear etwaige Schritte unternommen hätte, seine Short-Positionen zurückzukaufen - es ritt schlicht den Gold- und Silberpreisanstieg und fügte tatsächlich neue Short-Positionen hinzu - ähnlich wie die 7 Big Shorts heute. Und genau wie die CFTC damals nichts getan hat, so tut sie das auch heute.

Damals, im Jahr 2008, wurde JPMorgan dazu aufgerufen, Bear Stearns zu übernehmen. Doch angesichts der Tatsache, dass die Bank kurz davor steht, für irgendeine Art von krimineller Manipulation der Gold- und Silberpreise durch das US-Justizministerium verurteilt zu werden, scheint diese Option heutzutage nicht machbar. Ironischerweise scheinen die Probleme der Bank schmutzigen Markttricks und Tradern zugrunde zu liegen, die JPMorgan mit der Übernahme von Bear Stearns erwarb. Außerdem hat sich JPMorgan bereits gegenüber hohen Gold- und Silberpreisen immunisiert, indem es in den letzten 9 Jahren physisches Metall angesammelt hat. Und es ist schwer zu sehen, wie ihm dies zum Vorteil gereichen sollte, einen großen Gold- und Silber-Short aus Schwierigkeiten zu retten.

Das soll jedoch nicht heißen, dass die 7 Big Shorts nicht irgendeine Art von Selloff manipulieren können. Sie müssen als ebenso gefährlich angesehen werden, wie ein wildes Tier, das in die Enge getrieben wurde. Jahrzehntelang haben die Big Short letztlich obsiegt - ein Rekord, der angemessen dokumentiert wurde (mit der Ausnahme von Bear Stearns). Tatsächlich ist der fast einzige plausible Grund, einen weiteren dramatischen Selloff zu erwarten - neben der Verzweiflung der Big Shorts - die Tatsache, dass sie bisher nicht gescheitert sind und darauf zurückgreifen werden, Shorts aufgrund höherer Preise zurückzukaufen.

Und ich bleibe weiterhin unbeeindruckt von der relativen Schwäche des Silbers gegenüber Gold. Ich schreibe es der einfachen Tatsache zu, dass Silber weiterhin der am stärksten manipulierteste Markt der Welt ist, wie durch die konzentrierten Short-Positionen bewiesen, die bezüglich der tatsächlichen weltweiten Produktion größer sind als bei jedem anderen Rohstoff.

Die Tatsache, dass die 7 Big Shorts mehr Schaden bezüglich Gold zu verzeichnen hatten als bei Silber, ist Anlass zur Freude und nicht Bestürzung. Meine Prämisse basiert auf dem Argument, dass jeder, der idiotisch genug ist, einer massiven Menge Goldderivaten gegenüber Short positioniert zu sein, wahrscheinlich genauso idiotisch ist, massiv Short-Silber zu sein. Das macht es sehr wahrscheinlich, dass sich die 7 Big Shorts überlappen, wenn es um Short-Positionen von Gold und Silber geht. Falls und wenn die Big Short gegenüber Gold kapitulieren, dann werden sie wahrscheinlich auch nicht an Silber dranbleiben.

Somit scheinen die Bedingungen heute sicherlich anders als zu den Preishochs von 2008 und 2011. Gold liegt 65% höher als sein Preishoch 2008 und weniger als 15% niedriger als sein Rekordhoch 2011. Im Gegensatz dazu ist Silber mehr als 10% niedriger als seine Hochs von 2008 und unglaubliche 65% niedriger als seine Hochs von 2011. Doch nicht nur der Preisvergleich erregt meine Aufmerksamkeit.

Ehrlich gesagt, werde ich das Gefühl nicht los, dass es nicht allzu lange dauern könnte, bis die Big Shorts damit beginnen, das Handtuch zu werfen, in Panik verfallen und versuchen, ihre Position nach oben hin zu decken. Sollte dies der Fall sein, dann würde sich die Welt der Edelmetalle radikal verändern; egal wie lange sie schon so ist, wie sie ist. Der Operationsmechanismus des Marktes wird auf den Kopf gestellt werden, sollten die Big Shorts willkürlich Shorts aufgrund höherer Preise zurückkaufen, anstatt geduldig darauf zu warten, Selloffs zu planen, die ihre Positionen decken.

Tatsächlich habe ich Probleme damit, Silber nicht als ultimativen asymmetrischen Handel zu sehen. Das bedeutet, dass das mögliche Aufwärtspotential für Silber - basierend auf dem, was die 7 Big Shorts tun könnten - vollständig disproportional zum Abwärtspotenzial ist. Das ist natürlich eine subjektive Annahme, doch ich würde das Abwärtspotenzial für Silber als etwas weniger als 10% definieren, vielleicht nicht mehr als 2 Dollar unter dem aktuellen Preisniveau.

Ich erwarte nicht, dass Silber so stark einbrechen wird, doch wenn die Big Shorts ihre manipulative Magie anwenden, dann könnte ein derartiger Rückgang durchaus möglich sein. Solch eine Abnahme würde Silber deutlich unter seine 50-tägigen und 200-tägigen gleitenden Durchschnitte bringen und die Preise zurück auf Niveaus schicken, die wir seit dem letzten Sommer nicht mehr beobachten konnten.

Bitte erinnern Sie sich daran, dass das echte Geldproblem der Big Shorts Gold ist. Und damit sie aus dem tiefen Finanzloch klettern können, ist es notwendig, dass der Goldpreis zerschmettert wird, da eine Zerschmetterung des Silberpreises alleine nicht viel bringen würde. Bei Gold bräuchte es einen Selloff von etwa 250 Dollar, um die 50-tägigen und 200-tägigen gleitenden Durchschnitte zu erreichen und die Preise zurück auf die Niveaus vom letzten Sommer zu bringen.

Ich erwarte nicht, dass ein solcher Selloff auftreten wird, sondern erläutere schlicht das Preisumfeld, sollte ein typischer Cleanout stattfinden. Tatsächlich wette ich sogar auf einen derartigen Rückgang. Doch wenn Selloffs dieser Größenordnung auftreten, dann wird Silber zur Kaufgelegenheit Ihres Lebens werden.

Mein Punkt ist folgender: Ich kann nicht präzise oder akkurat sagen, ob die Big Shorts erneut Erfolg dabei haben werden, Gold- und Silberpreis niedrig genug zu manipulieren, um eine ausreichende Zahl des (größtenteils) Managed Money dazu zu veranlassen, ihre Long-Positionen zu verkaufen und Short-Positionen einzunehmen oder ob sie daran scheitern werden. Also lassen Sie es mich als 50-50-Chance beschreiben.

Es gibt jedoch keinen Vergleich zwischen den wahrscheinlichen Preisreaktionen, sollten die Big Shorts Erfolg haben oder scheitern. Vollständiger Erfolg der Shorts deutet auf Abwärtsziele, die ich oben beschrieben habe, während ein Scheitern auf eine Aufwärtspreisbewegung hindeutet, die alles übersteigen wird, was wir je erlebt haben.

Bei Silber sollte ein Scheitern der Big Shorts zu einer Aufwärtsbewegung des Dollar für mehr als einen Tag führen. 2 Dollar nach unten, 50 Dollar oder 100 Dollar nach oben. Wenn es ein besseres Chance-Risiko-Verhältnis gibt, dann habe ich noch nicht davon gehört.


© Theodore Butler
www.butlerresearch.com



(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.)
Der exklusiv für GoldSeiten.de übersetzte Artikel wurde am 27.02.2020 auf der Webseite www.gold-eagle.com veröffentlicht.