Grippewelle, Deflation, Hyperinflation und persönliche Entwicklung
23.04.2020 | Dr. Torsten Dennin
Was ist in einer neuen Welt- und Wirtschaftsordnung wichtig zu erkennen?
Die weltweite Wirtschaft am Rande des Kollapses. Rohöl ist kostenlos abzugeben. Wie wird sich die Art des Wirtschaftens nach Corona ändern? Wächst das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer neuen Währung? Beerben Gold und Kryptowährungen den allmächtigen US-Dollar?
Im März 2020 ist er zuende gegangen, der längste wirtschaftliche Aufschwung seit den goldenen 1920er Jahren, wie es die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs betitelte.
Wie vor der japanischen Finanz- und Immobilienblase 1989, der Technologie-Aktienblase 2000 und der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 hat sich in den vergangenen 10 Jahren eine neue Blase aufgebläht: Die «Allesblase», welche Aktien, Anleihen, Immobilien und andere Finanzgüter umfasste. Im September 2019 titelte die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) «Die derzeitige Blase ist älter als diejenige vor der Finanzkrise». Die Aktienmärkte eilten von Rekord zu Rekord, getrieben von immer tieferen Zinsen, welche ihrerseits Mieten und Immobilienpreise befeuerten.
Blasen sind ein inhärenter Bestandteil eines marktwirtschaftlich-kapitalistischen Wirtschaftsordung, und finden ihre Fundierung in der Verhaltensökonomie und weniger in der klassischen Wirtschaftstheorie. Zyklen von Gier und Angst bestimmen das Geschehen an den Börsen, und nicht die theoretischen «intrinsischen» Preise von Finanzgütern.
Statt sich auf den Aspekt «Vermögenssicherung durch Edelmetalle» zu konzentrieren, möchten die Autoren in diesem Beitrag Aspekte der persönlichen Entwicklung und des bewussten Seins mit einbeziehen.
Quelle: Erich Perroulaz, Ticket to Life, nach: Raimund Schriek
Perspektive: Heute und 1929. Grüße von der Titanic!
Zuerst einmal ist eine Lageeinordnung nötig. Wo stehen wir in der aktuellen Situation gesellschaftlich und an den Finanzmärken? Ein Blick zurück: Am 28. und 29. Oktober 1929 erreichte das Abwärts-Momentum an den Börsen vor knapp 100 Jahren seinen Höhepunkt. An diesen beiden Tagen stürzte der Dow-Jones-Index in den USA um 12,8% und 11,7% in die Tiefe.
Die Hauptakteure an der Wall Street versuchten, den Crash aufzuhalten und die Stimmung der Investoren zu verbessern, indem sie unter lauter Ankündigung Käufe tätigten. Aber der Abschwung war so schwerwiegend, dass ihn auch die Titanen der Wall Street nicht mehr aufhalten konnten. Der Dow-Jones-Index verlor anschließend über Jahre rund 90 Prozent seines Wertes, und es waren über 20 Jahre nötig die Verluste wieder aufzuholen.
Im Moment wird in den Finanzmärkten und auch in der Gesellschaft der Eindruck geweckt, dass das Schlimmste überstanden ist. Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens werden gelockert, der Corona-Virus ist (fast) besiegt. Die Wirtschaft kann wieder wachsen. Doch nicht nur Kinogänger werden sich erinnern: Auch die Titanic galt als unsinkbar. Das wurde vom Kapitän auch dann noch ausdrücklich geglaubt und vor allem weitergeleitet, als das Schiff schon mit großer Schlafseite dem Untergang geweiht war. Auch die Musik spielte schließlich noch.
Folgen des Corona-Ausbruchs auf die Wirtschaft
Nun ist in China nicht nur der sprichwörtliche Sack Reis umgefallen, sondern ein neuartiger Virus ausgebrochen. Innerhalb von wenigen Wochen haben sich weltweit mehr als 2,000,000 Menschen mit Covid-19 infiziert, und nach Europa schwappte die Welle in die USA. Gemäß der Börsenweissheit «Wenn die USA niesst, dann bekommt die Welt einen Schnupfen» müssen wir uns auf harte Zeiten einstimmen. Durch die geringen Reise- und Transportaktivitäten ist bereits der Ölpreis auf 0 US-Dollar gefallen!
Ende April befinden sich viele Länder noch immer im ökonomischen Lock-Down: Die Grenzen sind dicht, Schulen und Unternehmen geschlossen, die Wirtschaft ist kurz nach Ostern 2020 in einer Schockstarre. Goldman Sachs prognostiziert für die USA einen Einbruch der Wirtschaft um fast 25% im zweiten Quartal, gepaart mit einer Arbeitslosenrate von 15%. Bereits Anfang April schossen die Erstanträge auf Arbeitslosikeit in den USA auf zusammen über 20 Millionen in die Höhe. Gleichzeitig ist das amerikanische Gesundheitssystem nach jahrzentelangen Effizienzbestrebungen bereits jetzt an den Grenzen der Leistungsfähgkeit - anders als beispielsweise in Deutschland oder der Schweiz.
Aber auch in Europa sind die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Ausbruchs noch nicht abzusehen. Besonders hart ist Italien betroffen. Der deutsche Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz hat frühzeitig die «Große Bazooka» ins Spiel gebracht, und stellt sich in die Tradition eines Mario Draghi («Whatever it takes»).
Der Werkzeugkasten von Regierung und Zentralbanken umfasst die bereits bekannte quantitative Lockerung, Anleihenkaufprogramme, um die Wirtschaft in immer größerem Umfang mit Liquidität zu versorgen, Corona Bonds, wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen zur Unterstützung von KMUs und Rettungsschirme für die großen Konzerne, bis hin zu Helikoptergeld und bis zum jetzigen Zeitpunkt esotherisch klingende Vorschläge der modernen Geldtheorie.
Wie der Truthahn sein eigenes Ende vor Thanksgiving in Nassim Talebs Bestseller «Der Schwarze Schwan», ist auch der Mensch unfähig große Umwälzungen im privaten und geschäftlichen Umfeld zu antizipieren. Was sind die Auswirkungen eines Crashs des Wirtschafts- und Geldsystems auf die menschliche Psyche, und was kann jeder Einzelne hier tun? Es ist wichtig sich auf jedes Szenario einzustellen: Bei der finanziellen Vorsorge und als Mensch in seiner privaten Lebenssituation.

Quelle: Asset Management Switzerland AG
Panik, oder eine Frage der Perspektive?
Ist dies übertrieben? Schliesslich haben sich die Aktienmärkte nach jedem Crash wieder erholt …
Und trotzdem: Die nordamerikanisch und europäisch fokussierte Welt- und Wirtschaftsordnung hat keine so grosse und einschneidende Umwälzung mehr seit dem 2. Weltkrieg erlebt. Wirtschaftlich einschneidend waren die Ölkrisen der 1970er Jahre und die folgende Phase der Stagflation, die das Ende des amerikanischen Traums heraufziehen lies, sowie der Nixon-Schock. Als der amerikanische President Nixon die Konvertierbarkeit des US-Dollar in Gold aussetzte, beerdigte er hiermit das weltweite System fester Wechselkurse und den quasi-herrschenden Goldstandard.
Seit den 1970er Jahren begannen Staaten von ihren neuen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, ungebunden an materielle Werte und nur basierend auf dem Faktor Vertrauen Schulden anzuhäufen. Seit diesen zögerlichen Anfängen ist die Schuldenspirale längst ausser Kontrolle geraten. Die Bekämfung der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise gefolgt von der Eurokrise hat die Schuldenuhr klingeln lassen wie einen Radiowecker. Die Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona wird einige weitere Billionen zu einer bereits gigantischen und nie abtragbaren Summe bestehend aus den Schulden von Staaten, Unternehmen und Haushalten addieren.

Quelle: US Treasury, WOLF STREET, Asset Management Switzerland AG
Ein neues Wirtschafts- und Finanzsystem ist nötig
Das Wort Schulden kommt von Schuld. Ein erdrückendes Wort für viele Menschen, obschon es nur im deutschen Sprach- und Kulturraum so heftige Emotionen auslöst. Das aktuelle Geldsystem versinkt in Schulden, was - solange es die Geldgeber tragen - auch als Konkursverschleppung ausgelegt werden kann. Verantwortliche in Politik und Wirtschaft, die die Schuld dafür (ab-) tragen finden sich nicht. Das System wird sich wohl selbst transformieren. Denn durch Corona ist nun auch das ganze System der Wirtschaft und insbesondere das Mantra der Globalisierung im Umbruch.
Kurzgefasst: Nach Corona könnte das gesamte Wirtschaftssystem ganz anders aussehen als wir es heute kennen. Das System der Kontinuität, der Wohlstands- und Besitzwahrung steht kurz vor dem Kollaps. Dies ist jedoch kein Grund zur Panik. Für jeden Beteiligten ist es wichtig, Veränderung als Chance zu begreifen, um die Kontrolle zu behalten und sein Leben aktiv zu gestalten.
Die Panik kommt dann, wenn selbstständig keine Veränderungen gemacht werden oder möglich sind. Zum Beispiel wenn man sein Schicksal fremdbestimmt sieht, dann kommt Panik auf. Wer jetzt noch glaubt nach dem Virus und dem Lockdown gehe es wieder so weiter wie bisher, wird zwangsläufig in Panik geraten.
Warum gerät man in Panik? Weil man sich vorher in der Komfortzone befand. Die Komfortzone geht oft auch mit den Eigenschaften Gier und Hochmut einher.
Willkommen in der Lebenszone. Vermeiden Sie Panik!
Die Komfortzone ist zum Beispiel, dass jede Börsenkorrektur der jüngeren Vergangenheit durch Eingriffe der Zentralbanken wie der FED und der EZB aufgefangen wurden und seit Anfang der 1980iger Jahre niemals eine gesunde Rezession zugelassen wurde. Denn Rezessionen mögen kurzfristig schmerzlich sein, aber sie tragen den Keim des Neuen, des Effizienten, und des Aufbruchs in sich. Rezessionen gehören zu den Zyklen des Lebens. Sie geben Menschen eine Chance sich weiter zu entwickeln.
In der aktuellen Lage droht keine Rezession, sondern gar eine Stagflation: Eine Geldentwertung im Einklang mit einem wirtschaftlichen Abschwung oder gar einer Depression. Wer jetzt in der Komfortzone verharrt wird in einem solchen Szenario automatisch in die Panikzone kommen. Ob wer will oder nicht.
Die gute Nachricht in dieser Zeit: Machen Sie sich Gedanken über sich selbst. Wer bist du? Was sind deine Talente? Wohin willst du? Solche Gedanken haben durchaus auch in einem Wirtschaftsbereich Platz, weil es jetzt lebenswichtig ist.
Machen Sie sich mit der Lebenszone vertraut! Dort hat es viel Platz. Die Komfortzone und die Panikzone sind im Vergleich sehr klein und dort tummeln sich zu viele Menschen.

Quelle: Erich Perroulaz, Ticket to Life
Bereits 2002 veröffentlichte der Franzose Emmanuel Todd sein Buch «Weltmacht USA. Ein Nachruf». Nachdem er fast 30 Jahre zuvor den Zusammenbruch der Sowjetunion vorhersagte, als diese im Zenit ihrer Macht stand, stellte er die These auf, dass die USA im Begriff seien, ihren Status als "letzte verbliebene Supermacht" zu verlieren. Vielleicht ist es jetzt eine starke Erkältung, die seine These wahr werden lässt.
Ändert sich der Fokus der auf die USA zentrierten globalen Wirtschaft und vor allem des Finanzmarktes, so wie es auch Parag Khanna thematisiert, sind wir in einer Zeit des Übergangs, in der Dezentralität in den Fokus rückt. Der Aktienmarkt wird sich erholen, wie er es immer getan hat. China mag die kommende wirtschaftliche Supermacht sein, aber Gold und Kryptowährungen werden den allmächtigen US-Dollar beerben. Gold und Kryptowährungen wie Bitcoins sind zwei Seiten der gleichen Medaille und stehen für Kontrolle, Dezentralität und Unabhängigkeit.
Ein Fazit:
Aus Sicht der Autoren steht eine einschneidende Veränderung des aktuellen Weltbildes an. Die Globalisierung ist auf dem Rückzug, das Geldsystem der vergangen 50 Jahre so wie wir es kennen, steht am Rande des Kollapses. Es braucht dringend ein neues Lebens-, Unternehmens- und Geldsystem.
In dieser ersten Phase profitieren Edelmetalle sowie auch solide Aktien von Bergbauunternehmen. Denn im Vordergrund steht die Sicherung des Vermögens sowie der Kaufkraft. Die zentralisierten Strukturen werden auseinanderbrechen und durch dezentralisierte Lebens- und Unternehmenssysteme ersetzt werden. Vieles wird digital ablaufen und die Blockchain-Technologie wird einen entscheidenden Meilenstein der Weiterentwicklung setzten.
Daher ist auch ein Blick auf die führenden Kryptowährungen, welche durchaus als Wertspeicher dienen können, lohnenswert. Die Tokenisierung der Wirtschaft - also die digitale Abbildung von Vermögenswerten wie Immobilien, Aktien und allgemein Sachen und Rechte - schafft ein neues wirtschaftliches Ökosystem: effizienter, zukunftsfähig, und unabhängig von einem Verfall der reinen Papiergeldwährungen. Mobilität und Zugriff auf ihr Vermögen steht dabei im Vordergrund. Denn Liquidität ist von zentraler Bedeutung.
Die neue Welt sieht wohl dann ganz anders aus. Freuen wir uns darauf.
© Erich Perroulaz & Torsten Dennin