Neues von der Finanzblase
13.06.2007 | Dr. Bruno Bandulet
Übernahmekredite, Cross Currency Swaps, Verschuldungswährung Franken - und die Sicherheit von Gold in der Bank
Nachdem sich G&M bereits in den letzten beiden Ausgaben mit den beispiellosen Exzessen im Finanzsystem befaßt hatte, häufen sich nun die Hinweise, daß auch hinter den Kulissen mit dem Schlimmsten gerechnet wird.
Christopher Wood, der bekannte Stratege von CLSA, befürchtet, daß sich die Schieflage am amerikanischen Hypothekenmarkt zu einer großen Krise ausweiten könnte, weil die in den USA an finanzschwache Kunden vergebenen Kredite (auch "Giftmüll" genannt) zum großen Teil weitergereicht wurden und längst im globalen vier Billionen Dollar großen Kreditmarkt für CDOs (Collateralized Debt Obligations) vergraben sind - so daß gar nicht mehr überschaubar ist, wer in welchem Ausmaß von Zahlungsausfällen betroffen wäre. CDOs sind Kreditpakete verschiedenen Typs und mit unterschiedlichem Risiko, die von den Banken an Investoren auch in Europa verkauft wurden, vor allem an Versicherungen und andere Institutionen.
Schon jetzt drohen Verluste von 170 Milliarden Dollar, sagt Wood, "selbst wenn, im optimistischsten Fall, die Hauspreise in den USA nicht weiter fallen".
Das Problem entstand dadurch, daß die Banken Kredite, die keinen Sinn hatten, zu unvertretbaren Konditionen vergaben. Und es wird sich verschärfen, sobald das Risikobewußtsein wächst und der Zugang zu billigem Geld von denselben Banken abgeschnitten wird.
Wood berichtet von einem Produkt, das kürzlich an reiche Investoren vermarktet wurde, das mit einem 30fachen Hebel arbeitet und eine jährliche Rendite von 10% garantiert. Wenn das Kartenhaus einstürzt, werde es vor allem diejenigen Reichen treffen, die einerseits überinvestiert, andererseits knapp an Bargeld sind. Daraus läßt sich die vielleicht wichtigste Empfeh-lung für die kommenden Jahre ableiten: Horten Sie Liquidität, um in der Krise werthaltige Investments billig erwerben zu können, z.B. Aktien in der Wachstumsregion Asien.
In der Frankfurter Allgemeine vom 28. April ("Das nächste große Ding") wurde von einer zweiten Finanzblase gewarnt: den Exzessen am Markt für Übernahmekredite. Diese werden vor allem von den Beteiligungsfonds (Private Equity), aber auch von den Hedge-Fonds aufgenommen. Nach einer neuen Schätzung hat allein das Eigenkapital der Hedge-Fonds (ohne die Schulden!) die Marke von 2000 Milliarden Dollar erreicht. Das ist mehr als die gesamte Staatsschuld, die in Deutschland beim Bund, den Ländern und den Kommungen aufgelaufen ist.
Nun ist die irrwitzige, zu immer laxeren Bedingungen kreditfinanzierte Übernahmewelle, die derzeit über die USA und Europa rollt, schon für sich genommen ein klares Indiz dafür, daß der Boom an den Finanzmärkten seine Endphase erreicht hat. Potenziert wird das Risiko dadurch, daß ein zunehmender Teil der Übernahmekredite ohne Schutzklauseln und Kontrollmechanismen vergeben wird. Bei Weiterverkäufen von einem Finanzinvestor zum anderen werden die Unternehmen jetzt schon mit fast dem Zehnfachen des operativen Ergebnisses verschuldet. "Leverage ist der neue Tech-Bubble", sagte dazu im schönsten Neudeutsch Heike Munro von der Deutschen Bank und prognostizierte damit einen Kollaps wie 2000 am Neuen Markt. Munro erwartet, daß 2008 und 2009 die ersten Schwierigkeiten auftreten werden.
Den wiederholten Warnungen der Deutschen Bundesbank vor den Gefahren dieser neuen Kredit-märkte hat sich im April auch die Bank von England angeschlossen - mit dem Zusatz, daß auch große Banken hart getroffen werden könnten.
Eben damit befaßte sich am 30. April die einflußreiche Neue Zürcher Zeitung, die allerdings immer unter dem Aspekt gelesen werden sollte, daß sie die Interessen des Finanzkapitals vertritt - daher auch ihre Aversion gegen Gold und gegen die nicht systemkonforme SVP.
Zunächst verschreckt die NZZ ihre Leser mit der lapidaren Mitteilung: "Der Zusammenbruch einer Bank könnte Schockwellen aussenden und eine Sogwirkung auf die Realwirtschaft bzw. auf die Branchen außerhalb des Finanzsektors ausüben." Allerdings habe die Geschichte gezeigt, "daß die Regierungen im Krisenfall häufig eingreifen und versuchen, einen Konkurs abzuwenden."
Auch nach G&M-Meinung sind die Banken in den nächsten zwei oder drei Jahren mehr gefährdet und riskanter als die meisten anderen Branchen und sollten deswegen gemieden oder zumindest "untergewichtet" werden.
Interessanterweise hat die amerikanische Rating-Agentur Moody’s bereits untersucht, in welchen Staaten welche Banken auf Rettung durch den Staat oder die Zentralbank hoffen dürfen. Das Ergebnis ist wenig überraschend: "Bei den Großbanken dürfte die Bereitschaft zur Unterstützung sehr hoch sein; bei den kleineren Regional- und Privatbanken hingegen kleiner." Im Klartext heiße dies, daß z.B. die UBS und die Credit Suisse "zu groß sind, um zu scheitern". Richtig ist auch der Hinweis der NZZ, daß die Einlagen von heimischen Kleinanlegern gerettet, die Ausleihungen an andere Banken hingegen "umstrukturiert" würden.
Im übrigen gelten die Artikel 37d, 16 und 37b des Schweizerischen Bankengesetzes. Daraus folgt, daß die in den Depots eingebuchten Werte von den Kunden ungeschmälert herausverlangt werden können. Dazu gehören Aktien, Anleihen, Fonds und Treuhandanlagen. Auf Barguthaben hingegen würde im Ernstfall lediglich die Konkursdividende entrichtet. Nur Einlagen bis zum Betrag von 30 000 Franken pro Kunde sind privilegiert. Sie werden der zweiten Gläubigerklasse zugeordnet, d.h. aus der Konkursmasse ausbezahlt, bevor die nicht gesicherten Gläubiger zum Zuge kommen.
Zu den Depotwerten, die von einem Konkurs nicht tangiert wären, zählen auch Edelmetalle, sofern sie sich in Sammel- oder Einzelverwahrung befinden.
Die Einzelverwahrung bezieht sich auf Barren und Münzen bestimmter Jahrgänge, Prägungen und Nummern. Sie kostet 0,3% per annum. Das Eigentum des Kunden wird gesondert aufbewahrt.
Bei der Sammelverwahrung entstehen Kosten von 0,2% im Jahr. Auch hier wird Eigentum, genauer: Miteigentum, erworben. Weil die Edelmetalle nicht getrennt aufbewahrt werden, ist es nicht möglich, bestimmte Barren oder Münzen einem bestimmten Kunden zuzuordnen.
Metallkonten hingegen stellen keine Depotwerte dar. Der Kunde erwirbt kein Eigentum an den auf dem Konto ausgewiesenen Metallmengen, sondern einen Anspruch auf physische Auslieferung - was aber die Bank nicht daran hindert, das auf dem Konto verbuchte Metall nicht nur nicht vollständig vorrätig zu halten, sondern sogar auszuleihen, wobei der Zinsertrag nicht dem Kunden, sondern der Bank zufließt.
Zurück zu den Finanzmärkten. Im Grunde läßt sich deren zyklisches Verhalten mit dem ständigen Wechsel zwischen Gier und Angst erklären. Auf lange Phasen der Risikofreude folgen immer Phasen der Risikoaversion. In welcher Phase wir uns gegenwärtig befinden, bedarf keines Kommentars. Noch nie, seit G&M erscheint, wurde mit soviel Kredit gearbeitet, wurden gefährlichere Risiken eingegangen, war die Sorglosigkeit größer.
Eine Spekulationsmarotte, die von nicht wenigen Privatinvestoren gepflegt wird und vor der wir an dieser Stelle warnen müssen, betrifft die Carry Trades, bzw. eine Sonderform davon, die sogenannten Cross Currency Swaps. Bei letzteren handelt es sich um Zinswährungsgeschäfte, wobei eine niedrig verzinsliche Währung ausgeliehen und in einer höher verzinslichen Währung angelegt wird. Darunter leidet neben dem Yen der Schweizer Franken. Im Hoch am 21. September 2001 notierte er bei 1,4433 zum Euro. Zuletzt lag er bei 1,64 und damit wieder auf dem Niveau von Anfang 1999, als der Euro als Buchgeld eingeführt wurde. Das Tief vom Februar 1997 bei 1,6971 scheint in Reichweite zu sein. Mit anderen Worten: Seit Ende 2001 bzw. seit 2002, als das Währungspaar Euro/Franken einen Boden bildete, hat sich der Franken zur idealen Schuldenwährung entwickelt. Nicht nur lagen die Frankenzinsen immer um 1,5 bis zwei Prozent unter den Eurozinsen, dazu kam auch noch die Abwertung, die nur gelegentlich und vorübergehend einmal unterbrochen wurde.
Ein solcher Cross Currency Swap, wie er von deutschen Banken ihren größeren Kunden als Derivat angeboten wird, sieht aktuell folgendermaßen aus: Bei 3-Monats-Zinsen von 2,33%, die für den Frankenkredit zu zahlen sind und 3,99%, die der Euro einbringt, verbleibt eine positive Zinsdifferenz von 1,66%. Nach Abzug der Kommission von 0,25%, die an die Bank geht, verdient der Kunde 1,41% im Jahr. Das ist auf den ersten Blick nicht viel, aber ein gutes Geschäft, wenn der Franken gleichzeitig abwertet und wenn man bedenkt, daß solche Geschäfte ohne Einschuß und mit nominalen Beträgen von ein paar Millionen angeboten und abgeschlossen werden.
Laut einer Umfrage, die die UBS bei europäischen Zentralbanken veranstaltet hat, haben sich derartige Finanzierungen einschließlich Hypothekarkrediten Ende 2006 auf rund 383 Milliarden Franken summiert. Das entspricht 75% des schweizerischen Bruttosozialproduktes. Am heftigsten wird offenbar in Deutschland gegen den Franken spekuliert, danach rangieren die Mitteleuropäer, die Griechen und selbst die Türken. Damit ist der Abwertungsdruck, der seit dem Beginn des Jahrzehnts auf dem Franken lastet, hinreichend erklärt.
Seit mindestens sieben Jahren fällt auf, daß der Franken immer dann zurückgeht, wenn die Aktienkurse steigen und daß er fester wird, wenn sie fallen.
Damit folgt der Frankenkurs dem allgemeinen Wechsel zwischen Risikofreude und Risikoaversion an den Finanzmärkten. Und damit ist fast schon vorhersehbar, daß seine Abwertung enden wird, sobald die Finanzblase platzt.
Um bei obigem Beispiel zu bleiben: Schon eine Aufwertung von 1,41% eliminiert den Zinsvorteil eines ganzen Jahres! Bei einer Aufwertung, die über die 1,41% hinausgeht, gerät der Cross Currency Swap in die Verlustzone. Größer ist der Zinsvorsprung bei den Schwachwährungen wie Türkische Lira und Südafrikanischer Rand; aber dafür fallen die periodischen Einbrüche in diesen Währungen auch weitaus heftiger aus. Das Risiko ist ungleich größer als im Währungspaar Euro/Franken. Noch bis Mitte 1984 bekam man für einen Euro weniger als einen Rand, Ende 2001 waren es über zwölf Rand, zuletzt etwas weniger als zehn.
Dito die Türkische Lira, ebenfalls eine notorische Weichwährung: 1999 unter 0,40, zuletzt - trotz der Aufwertung gegen den Euro seit dem vergangenen Juli - bei 1,81. Fazit: die Rechnung bei solchen Zinswährungsgeschäften geht nur auf, wenn das Timing stimmt, wenn sie in einer Phase extremer Schwäche der Weichwährung abgeschlossen werden.
Zu befürchten ist, daß die Masse der Anleger, die an diesen Derivatemärkten mitspielt, keine Ahnung von den Zusammenhängen hat. Merke: Alle Geschäfte mit Hebelwirkung gehen immer nur eine Zeitlang gut. Auf Zeiten, in denen ohne Sinn und Verstand Risiken eingegangen werden, folgt immer die Ernüchterung. Das große Spiel mit Private Equity, Hedge-Fonds, Cross Currency Swaps und Übernahmespekulationen wird das laufende Jahrzehnt nicht überleben.
© Bruno Bandulet
Quelle: Auszug aus Börsenbrief: GOLD&MONEY INTELLIGENCE, Ausgabe 05/2007