Doug Casey: Friedhof der Imperien
06.06.2021 | Presse anonym
International Man: Nach fast 20 Jahren hat die US-Regierung angekündigt, dass sie Afghanistan offiziell verlässt und ihre Truppen bald aus dem Land abzieht. Was ist Ihre Meinung dazu? Hat die US-Regierung irgendetwas erreicht?
Doug Casey: Die US-Präsenz in Afghanistan seit 20 Jahren ist klinisch verrückt. Der Ort ist seit langem als eine der isoliertesten, rückständigsten und wertlosesten Regionen des Planeten bekannt. Seine Bewohner gehören unterschiedlichen Gruppen an, die sich gegenseitig bekämpfen. Afghanistan ist nicht einmal ein richtiges Land. Es ist eine Region. Wie dumm sind die US-amerikanischen Führungspersonen, dass sie - abgesehen von diesen Punkten - nichts aus dem totalen Versagen früherer britischer und sowjetischer Invasionen lernen konnten? Oder aus unserer eigenen Erfahrung in Vietnam?
In Vietnam, einem primitiven Land, in das die USA unter dem Vorwand einmarschierten, eine sehr korrupte und unpopuläre Regierung zu stützen, sagten die Kriegsfalken: "Wir können uns nicht zurückziehen, denn das würde zeigen, dass die Kommunisten uns geschlagen haben. Wir haben eine große Verpflichtung. Es ist zu schwer." Leute wie ich konterten: "Es ist überhaupt nicht schwer. Reduziert eure Verluste. Ihr setzt einfach die Soldaten auf die Boote, legt den Rückwärtsgang ein und verschwindet."
Natürlich war es zu dem Zeitpunkt, als die USA Vietnam verließen, eine chaotische Not-Evakuierung, bei der die Leute vom Dach der US-Botschaft aus den Hubschraubern geworfen wurden. Ein verzweifelter Versuch, in Deckung zu gehen. Aber das ist das richtige Schicksal für Eindringlinge, egal woher sie kommen. Traurig ist es allerdings im Fall der USA, die ihre Gründungsprinzipien verraten haben. Wer hat von der US-Invasion in Afghanistan profitiert?
Es war ein großer Verlust für die Welt im Allgemeinen, das einfache Volk in den USA und Afghanistan im Besonderen. Die einzigen Gewinner waren die verschiedenen Mitglieder des militärisch-industriellen Komplexes. Die Generäle im Pentagon, die sich als wichtig aufspielen, ihre Karrieren aufbauen, und sich Pluspunkte bei Unternehmen verdienen konnten, die sie einstellten, sobald sie in Rente gingen.
Die Waffenhersteller und die Mitglieder des Deep States profitieren jedoch unmittelbar und direkt. Sie werden durch Staatsschulden und Gelddrucken finanziert. Das Afghanistan-Abenteuer diente absolut keinem nützlichen Zweck. Weder die USA noch die Einheimischen zogen irgendeinen Nutzen daraus.
In der Tat gab es nicht nur keinerlei Vorteile, sondern alles war eine negative Errungenschaft. Es führte zu einem weiteren Bankrott der US-Regierung und des amerikanischen Volkes, das direkt und indirekt besteuert wird, um dafür zu bezahlen. Die Billionen von neuen Dollar, die im Umlauf sind, haben überall zu massiven neuen Schichten von Korruption geführt. Und erhebliche neue Feinde für Amerika - in Afghanistan, in der Region und auf der ganzen Welt.
Die USA haben sich die Verachtung von Menschen auf der ganzen Welt verdient, die sie als einen riesigen Tyrannen sehen, der primitive Stammesangehörige herumschubst. Es erstaunt mich, dass irgendjemand versucht, den US-Krieg in Afghanistan auf irgendeiner Grundlage zu verteidigen. Es war ein totaler und absoluter Nettoverlust.
International Man: Die anerkannten und direkten finanziellen Kosten des Krieges in Afghanistan für den US-Steuerzahler betrugen fast 1 Billion Dollar. Der Krieg tötete außerdem über 2.300 amerikanische Soldaten, etwa 1.000 nicht-amerikanische NATO-Soldaten und Hunderttausende von Afghanen. Ganz zu schweigen von den indirekten, verzögerten und nicht anerkannten Kosten. Was sind Ihre Gedanken zu den Kosten dieses Krieges?
Doug Casey: Die direkten Todesfälle sind nur die kleinste Spitze des Eisbergs. Dank Schutzwesten, ausgezeichneter Sanitätseinrichtungen und medizinischer Technologie sterben heute nicht mehr allzu viele Menschen im Kampf.
Für jeden amerikanischen Soldaten, der gestorben ist, gibt es wahrscheinlich 10 oder 20 andere Soldaten, die auf irgendeine Weise schwer und dauerhaft verstümmelt sind. Gott weiß, wie hoch die Zahlen für die psychisch Angeschlagenen sind, aufgrund dessen, was sie anderen antun mussten und was ihnen in Afghanistan angetan wurde. Die 2.300 toten US-Soldaten sind eigentlich der geringste Teil des Schadens, den der Krieg verursacht hat. Ganz zu schweigen von den Afghanen.
Die Leute, die für diesen Krieg verantwortlich sind - vor allem George W. Bush und Dick Cheney, aber jeder, der in ihr Regime verwickelt ist - sollten wegen Hochverrats vor Gericht gestellt werden. Wenn sie verurteilt werden - was der Fall sein sollte - sollten sie nicht nur im Gefängnis sitzen, sondern ihr Vermögen sollte beschlagnahmt und zur Entschädigung der verschiedenen Opfer des Krieges verwendet werden.
Es gab eine Ausrede für den Afghanistankrieg, beginnend mit den gefälschten Gründen, die für 9/11 angegeben wurden. Afghanistan wegen des Angriffs auf die Zwillingstürme anzugreifen, war ungefähr so logisch, wie es für die USA gewesen wäre, China 1941 den Krieg zu erklären, weil die Japaner Pearl Harbor bombardiert hatten.
Es scheint, dass die meisten der Entführer Saudis waren - vorausgesetzt, dass das wirklich so war, denn niemand weiß das mit Sicherheit. Sie hatten sicherlich nichts mit Afghanistan zu tun. Die afghanische Regierung sagte damals: "Verhaltet euch wie ein zivilisiertes Land. Zeigt uns Beweise, dass Osama bin Laden dahintersteckt, und wir werden ihn euch ausliefern."
Osama bin Laden sagte, er habe den Angriff auf die Zwillingstürme gebilligt, aber er leugnete jede Verantwortung dafür. Er hätte gerne die Lorbeeren geerntet, wenn er gekonnt hätte. Die US-Invasion war von Anfang bis Ende ein Schwindel und eine unprovozierte kriminelle Aggression. Osama hätte als Verdächtiger in einem Verbrechen verfolgt werden müssen, und es ist klar, dass die Afghanen kooperiert hätten. Als (und falls) er 2011 in Pakistan gefangen genommen wurde, gab es keine Entschuldigung dafür, ihn auf der Stelle hinzurichten. Es war wie ein Mafia-Mord, um ihn von einer Aussage abzuhalten.
International Man: Im Laufe der Geschichte hatten viele antike und moderne Imperien Schwierigkeiten, Afghanistan zu erobern. Alexander der Große, Dschingis Khan und die Mongolen, verschiedene persische Reiche, das britische Empire, die Sowjetunion und die Amerikaner, unter anderem, haben alle den Mund zu voll genommen. Afghanistan hat seinen Ruf als "Friedhof der Imperien" verdient. Warum fällt es Armeen so schwer, Afghanistan zu unterwerfen? Und warum dachte das US-Imperium angesichts dieser offensichtlichen Geschichte, dass es bei ihm selbst anders sein würde?
Doug Casey: Dummheit und Arroganz sind wesentliche Gründe. Afghanistan ist für die Amerikaner eine völlig fremde Kultur. Selbst jetzt können nur wenige das Land auf einer Karte finden. Bevor wir einmarschierten, hatten nur wenige überhaupt von diesem Ort gehört. Es ist ein Ort mit völlig anderen Werten, Überzeugungen, Sprache, Religion und ethnischer Zugehörigkeit als Amerika. Warum also laufen amerikanische Soldaten in Afghanistan herum und töten Einheimische?
Dafür gibt es überhaupt keine Entschuldigung. Wie ich schon sagte, ist Afghanistan ein unorganisierter Ort - tatsächlich gibt es so etwas wie "Afghanistan" gar nicht. Es ist ein völlig künstliches Konstrukt, mit einem Dutzend großer Stämme und ethnischer Gruppen und Hunderten von Clans. Die Loyalität der Afghanen gilt nicht ihrer angeblichen Regierung in Kabul oder dem fiktiven Konzept von Afghanistan, sondern ihrer Familie, dann ihrem Clan und dann ihrem Stamm.
Es ist unmöglich, ein solches Land zu erobern. Die USA hätten jeden einzelnen Afghanen erobern müssen. Mit Ausnahme der lokalen Quislinge und Opportunisten hassen die Afghanen die amerikanischen Invasoren ungefähr so sehr, wie die Amerikaner eine Armee von eindringenden Afghanen hassen würden.
Es gibt keinen Grund, warum der US-Krieg anders hätte verlaufen sollen als der sowjetische oder der britische Krieg. Soweit diese primitiven Menschen überhaupt miteinander verbunden sind, ist es der Glaube an eine sehr militaristische Religion, den Mohammedanismus. Sie nehmen ihn sehr ernst und haben einen unbändigen Hass auf ungläubige Eindringlinge.
Aber es ist nicht nur unmöglich, ein solches Land zu erobern - es sei denn, man betreibt einen groß angelegten Völkermord - es gibt auch keinen Grund, dort zu sein. Elemente in den USA versuchten, eine Ausrede zu fabrizieren, dass es in Afghanistan 3 Billionen Dollar an Bodenschätzen gäbe. Na toll. Es gibt wahrscheinlich 3 Billionen Dollar an Bodenschätzen auf dem Mars. Es ist eine bedeutungslose Zahl, abgesehen davon, dass sie ein Schwindel ist, den jemand aus der Luft gegriffen hat.
Selbst wenn es wirtschaftliche Vorkommen von "Unobtanium" gibt, werden die Einheimischen es Ausländern unmöglich machen, sie abzubauen. Sie werden es als Ausländer ansehen, die ihren Reichtum stehlen. Wie ich schon sagte, ist das ganze afghanische Abenteuer ein krimineller Betrug von Anfang bis Ende.
International Man: Gibt es angesichts des Scheiterns in Afghanistan irgendeinen Zweifel, dass sich das US-Imperium im Abschwung befindet? Wenn ja, welche Folgen hat das für Investment und andere Faktoren?
Doug Casey: Das einzige, was in der US-Regierung jetzt wirklich funktioniert, ist das Militär. Es ist sicherlich der einzige Teil der Regierung, den die Amerikaner noch respektieren oder vertrauen. Der Rest davon wird zunehmend als völlig dysfunktional anerkannt. Da das US-Militär das einzige ist, das irgendwie funktioniert, ist es zum goldenen Hammer im Arsenal der US-Regierung geworden. Wenn man nur einen Hammer hat, dann sieht alles wie ein Nagel aus. Deshalb vermute ich, dass das Militär in den nächsten Jahren wichtiger denn je werden wird.
Das ist sehr gefährlich, weil nicht mehr viele aus dem Militär an der Front sind. Zukünftige Kriege werden nicht mehr mit Divisionen, Korps und Armeen geführt werden, wie es im 2. Weltkrieg der Fall war. Der eigentliche Kampf wird in kleinen Einheiten von Special-Operations-Typen geführt werden.
Es gibt etwa 1,5 Millionen Menschen in den US-Streitkräften. Etwa 70.000 sind Spec Ops der einen oder anderen Art, was eine ziemlich große Zahl für ultra-elitär ausgebildete Killer ist, die von einer Million Bleistiftschiebern, Administratoren und Bürohengsten verstärkt werden. Zusammen mit dem FBI, der CIA und der NSA bilden sie eine moderne Prätorianergarde. Das macht sie sehr gefährlich, nicht nur für echte oder imaginäre ausländische Feinde, sondern auch für Amerika selbst.
Es wurde gesagt, dass der Krieg die Gesundheit des Staates ist. Ständige Kriege zu haben, und mit Kampfsoldaten in hundert Ländern auf der ganzen Welt, bedeutet, dass der Staat gesünder wird. Es ist sehr ähnlich wie das, was im Antiken Rom mit dem späten Imperium geschah. Die Verteidigung der Grenzen gegen hundert verschiedene Stämme über Tausende von Meilen war eine der Gründe für seine Implosion.
Dasselbe geschah mit dem athenischen Reich etwa 700 Jahre früher. Es entwickelte sich von der leuchtenden Stadt auf dem Hügel, die freier und anders war als jedes andere Gebilde auf der Welt, zu einem gewöhnlichen Imperium. Krieg, eine Folge des Imperiums, zerstörte auch sie. In ihrem Fall war es der Peloponnesische Krieg. Dasselbe geschieht mit den USA, nicht nur in Afghanistan, dem Irak und Syrien, sondern in Dutzenden von anderen Provinznestern von denen die wenigsten Amerikaner bisher überhaupt etwas gehört haben. Wir imitieren die Griechen und Römer auf die schlimmstmögliche Weise.
© Doug Casey
Dieser Artikel wurde am 1. Juni 2021 auf www.internationalman.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.