Technische Analyse: Hat der Goldpreisrückgang seinen Lauf genommen?

31.05.2022  |  Peter Schiff

In der Preisanalyse des letzten Monats wurde das kurzfristige Risiko festgestellt, dass Gold trotz mittelfristig positiver Aussichten unter die 1.880-Dollar-Marke und sogar unter die 1.850-Dollar-Marke fallen könnte. Die Marke von 1.800 Dollar wurde als Schlüsselmarke für eine intakte Aufwärtsbewegung identifiziert. Bislang hat diese Marke gehalten und zu einer soliden Erholung in Richtung der 1.850-Dollar-Marke geführt, die die nächste Hürde darstellt.

Auch wenn nichts sicher ist, haben die Bergbauunternehmen angedeutet, dass die Verkäufe die Grenze der Belastbarkeit erreicht haben könnten. Die Bergbauunternehmen haben sich bisher bei allen größeren Bewegungen recht zuverlässig an die Spitze des Goldpreises gesetzt. Am Donnerstag kam es bei den Bergbauunternehmen zu einer großen Bewegung, während der Aktienmarkt fiel. Dies könnte ein Anzeichen dafür sein, dass der Goldpreis eine Wende vollzogen haben könnte, aber es ist wichtig, alle Indikatoren zu betrachten, um ein vollständiges Bild zu erhalten...


Widerstand und Unterstützung

Gold

Der Goldpreis durchbrach eine schwache Unterstützung, als die US-Notenbank ihre falkenhaften Äußerungen verstärkte (aber immer noch keine Maßnahmen ergriff). Der Preis stürzte von 2.003 Dollar auf 1.800 Dollar ab und durchbrach dabei relativ leicht 1.950 Dollar, 1.918 Dollar, 1.880 Dollar und 1.850 Dollar. Die Marke von 1.800 Dollar erwies sich als viel stärker und hat einen Aufschwung bewirkt.

Wenn Gold in der kommenden Woche die 1.850-Dollar-Marke zurückerobern und eine Basis bilden kann, wäre dies ein positives Zeichen. Ein Rückgang unter die 1.800-Dollar-Marke könnte dazu führen, dass der Goldpreis wieder zwischen 1.750 Dollar und 1.800 Dollar gefangen wird, wo er sich monatelang bewegte. Sollten die 1.750 Dollar scheitern, dürften die 1.680 Dollar ins Spiel kommen. Diese Woche dürfte Hinweise auf die nächste kurzfristige Bewegung liefern. Wenn der Schlusskurs der nächsten Woche über 1.850 Dollar liegt = Bullisch, unter 1.800 Dollar = Bearisch, bis dahin...

Ausblick: Neutral


Silber

Der Silberpreis ist auf den tiefsten Stand seit über einem Jahr gefallen. Es stieg wieder über die 21-Dollar-Marke, konnte aber die 22-Dollar-Marke nicht überwinden. Angesichts der Prognosen über eine sich verlangsamende Wirtschaft und die restriktive Haltung der Fed wird Silber von beiden Seiten angegriffen, da es sowohl industriellen als auch monetären Zwecken dient.

Der Ausverkauf war steil und heftig. Die Netto-Long-Positionen der Hedgefonds sind auf den niedrigsten Stand seit Juni 2019 gesunken, was auf einen stark überverkauften Zustand hinweist. Die monetären Aspekte von Silber dürften kurzfristig die industriellen Verwendungszwecke überwiegen. Daher wird Silber wahrscheinlich dem Gold folgen. Ein solider Durchbruch unter die 20-Dollar-Marke könnte den Silberpreis in ein sehr bearisches Territorium drängen, aber vorerst ist er an Gold gebunden.

Ausblick: Neutral



Gleitende Tagesdurchschnitte (DMA)

Gold

Der 50 DMA liegt immer noch deutlich über dem 200 DMA, bewegt sich aber eindeutig wieder nach unten, wenn man bedenkt, dass der Preis (1.842 Dollar) direkt am 200 DMA (1.837 Dollar) liegt. In früheren Preisanalysen wurde hervorgehoben, dass diese 50 DMA-Rückschläge in Bullenmärkten üblich und gesund sind. Glücklicherweise halten sie nicht allzu lange an. Es ist selten, dass ein starkes goldenes Kreuz so schnell entkräftet wird. Dies sieht eher nach einem Rücksetzer im Sommer 2019 aus, wenn auch ein wenig steiler.

Ausblick: Bullisch



Silber

Der 50 DMA von Silber konnte nicht annähernd so überzeugend durchbrochen werden wie der 200 DMA von Gold. Außerdem liegt der aktuelle Preis unter beiden Durchschnitten. Sollte sich der Preis nicht schnell erholen (und nördlich der 24 -Dollar-Marke ansteigen), wird der 50 DMA wieder unter den 200 DMA fallen. Angesichts der aktuellen Kursentwicklung ist dies sehr wahrscheinlich.

Ausblick: Zögernd bearisch





Open Interest an der Comex

Die beiden nachstehenden Charts zeigen das Open Interest im Vergleich zum Preis von Gold und Silber. Die Überschneidungen sind nicht perfekt, aber größere Schwankungen in einem der beiden Märkte treten in der Regel zeitgleich mit dem anderen auf, da Spekulanten den Preis mit Papierkontrakten hin- und herbewegen.


Gold

Das aktuelle Open Interest (542.000) liegt 100.000 unter dem jüngsten Höchststand von 645.000 Kontrakten, aber auch über dem Durchschnitt von 475.000 Kontrakten während der langen Konsolidierungsphase. Dies deutet darauf hin, dass das Hot Money abgewandert ist, es aber immer noch einige Gläubige gibt. Außerdem ist das Open Interest in dieser Woche gesunken, obwohl der Preis gestiegen ist. Es gibt Geld an der Seitenlinie, das bereit ist, einzusteigen, sobald der Preis wieder Fuß gefasst hat.

Ausblick: Bullisch



Silber

Das Open Interest in Silber hat die Tiefststände der Pandemie bei 130.000 getestet. Dennoch liegt der Preis weiterhin fast 100% über diesen Tiefstständen (11 Dollar gegenüber 21 Dollar). Dies deutet darauf hin, dass der Markt viel stärker ist als noch vor ein paar Jahren. Es bedeutet auch, dass das meiste "Hot Money" vollständig weggeschwemmt wurde. Ein weiterer Beweis dafür ist der COT-Bericht, der die schwächste Positionierung von verwaltetem Geld seit drei Jahren zeigt. Wenn die Stimmung so niedrig ist, ist der Preis wahrscheinlich nahe der Talsohle.

Ausblick: Bullisch



Margin-Sätze

Gold

Die Margin-Sätze sind unverändert geblieben, seit sie im Zuge des massiven Preisanstiegs im März auf 7.200 Dollar angehoben wurden. In Anbetracht der Preisentwicklung scheint es wahrscheinlicher, dass die Marge zum jetzigen Zeitpunkt eher gesenkt als angehoben wird. Möglicherweise wollen sie sich auch mehr Munition für eine Anhebung der Sätze verschaffen, falls der Preis erneut ansteigt. Eine Senkung der Sätze wäre ein Rückenwind.

Ausblick: Bullisch



Silber

Der Silberpreis fiel trotz der Senkung der Zinssätze. Die Sätze liegen jetzt unter dem Niveau vom Juni 2020. Es gibt reichlich Spielraum für eine Anhebung der Sätze, um einem Preisanstieg entgegenzuwirken, aber angesichts der Marktunsicherheit scheint es wenig Grund zu geben, die Sätze zu senken.

Ausblick: Neutral bis bearisch





Goldbergbauunternehmen

Einige Leute werden reich, indem sie die Bewegungen des Goldes mit den Bergbauunternehmen vorwegnehmen. Die Bergbauunternehmen haben den Goldpreis nach oben und dann wieder nach unten getrieben. Die 5%ige Aufwärtsbewegung des GDX am Donnerstag deutet definitiv darauf hin, dass eine Kohorte von Händlern glaubt, dass Gold die Talsohle erreicht hat. Es könnte sich auch um eine Erholung von einer extrem überverkauften Situation handeln.

Mehr als wahrscheinlich ist, dass sich dieses Verhältnis (blaue Linie unten) umkehren wird. Es ist zweifelhaft, dass dies durch einen weiteren Rückgang der Goldpreise verursacht wird, während der GUI unverändert bleibt. Ein Wiederanstieg der Bergbauaktien wird wahrscheinlich einem Anstieg des Goldpreises vorausgehen.

Ausblick: Bullisch



Handelsvolumen

Man kann die Händler/Spekulanten auf dem Markt für Papiertermingeschäfte lieben oder hassen, aber es ist unmöglich, ihren Einfluss auf die Preise zu ignorieren. Die nachstehenden Charts zeigen, dass mehr Aktivität die Preise tendenziell nach oben treibt. Das Handelsvolumen ist Anfang April eingebrochen, hat sich seitdem aber wieder erholt. Bei Gold sieht der Aufschwung schwach aus und könnte zu einem weiteren Rückgang führen. Das Handelsvolumen bei Silber ist stark zurückgegangen und scheint nun wieder zu steigen. Dies dürfte den Preis in die Höhe treiben.

Leicht bearisch bei Gold und bullisch bei Silber




Andere Treiber

USD und Staatsanleihen

Die Preisentwicklung kann durch die Aktivitäten auf dem Markt für Staatsanleihen oder den Wechselkurs des US-Dollar beeinflusst werden. Ein starker Anstieg des Goldpreises erfolgt oft gleichzeitig mit einem Rückgang der US-Schuldenzinsen (einem Anstieg der Staatsanleihepreise) oder einem Rückgang des Dollarkurses. Bitte beachten Sie: IEF ist der 7-10-Jahres-iShares-ETF (eine Aufwärtsbewegung steht für fallende Zinsen) und die Dollar-Rendite ist in diesem Chart invertiert, um eine positive Korrelation zu zeigen. Sie sind auch auf der rechten y-Achse aufgetragen, um die Kursbewegung besser zu verdeutlichen.



In der ersten Aprilhälfte kam es zu einer erheblichen Trendabweichung, als Gold und Dollar gemeinsam anstiegen und Anleihen fielen. Dies bedeutete, dass Gold ein Ausreißer war, der von den beiden anderen oben genannten (inverser Dollar und Anleihen) abwich. Dies war damals ein bearisches Zeichen, das sich mit der Umkehrung des Goldpreises bestätigte.



In den letzten zwei Wochen haben alle drei wieder begonnen, sich gemeinsam zu bewegen. Dies ist ein bullisches Zeichen. Ein sehr zinsbullisches Zeichen ist es, wenn Anleihen (orangefarbene Linie) der Ausreißertrend sind, der sich nach unten bewegt, während der inverse Dollar und Gold sich nach oben bewegen. Im Moment ist die Entwicklung noch zinsbullisch, da sich alle drei Werte gemeinsam bewegen.

Ausblick: Bullisch


Gold-Silber-Verhältnis

Gold und Silber korrelieren sehr stark miteinander, bewegen sich aber nicht im Gleichschritt. Das Gold-Silber-Verhältnis wird von Händlern verwendet, um den relativen Wert zwischen den beiden Metallen zu bestimmen. In der Vergangenheit lag das Verhältnis im Durchschnitt zwischen 40 und 60, so dass ein Überschreiten dieses Wertes auf eine bevorstehende Rückkehr zum Mittelwert hinweisen kann. Durch den jüngsten Absturz von Silber ist es im Vergleich zu Gold stark überverkauft. Obwohl dies oben als die duale Natur von Silber erklärt wurde, kommt es selten vor, dass sich eine große Bewegung wie die aktuelle nicht umkehrt.

Ausblick: Silber im Vergleich zu Gold sehr bullisch



Zusammengefasst

Die nachstehende Tabelle zeigt eine Momentaufnahme der Trends, die in den obigen Charts zu sehen sind. Sie vergleicht die aktuellen Werte mit denen von vor einem Monat, einem Jahr und drei Jahren. Außerdem werden die 50- und 200-tägigen gleitenden Durchschnitte betrachtet. Während DMAs in der Regel nur für Preise berechnet werden, kann der DMA für die anderen Variablen zeigen, wo die aktuellen Werte im Vergleich zur jüngsten Geschichte stehen. Die obigen Charts zeigen, dass die Abwärtsbewegung ihren Lauf genommen haben könnte und eine Trendwende bevorsteht.

• Das HUI-Verhältnis liegt fast 20% unter dem gleichen Wert von vor einem Monat und einem Jahr.


• Jeder Wert liegt sowohl bei Gold als auch bei Silber deutlich unter den 50-Tageswerten (mit Ausnahme des Open Interest Ratio bei Silber).


• Dies deutet wiederum auf einen extrem überverkauften Markt hin.


• Silber hat im letzten Monat mit einem Preisrückgang von 12%, einem Rückgang des Open Interest um 11% und einem Rückgang des Volumens um 64% einen herben Rückschlag erlitten!

Fazit

Die Analyse des letzten Monats deutete darauf hin, dass wahrscheinlich weitere Abwärtsbewegungen bevorstehen würden. Obwohl der Goldpreis von 2.000 Dollar auf 1.900 Dollar gefallen war, zeigten die Daten eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Abwärtstrend. Nun deuten die Daten darauf hin, dass diese Entwicklung möglicherweise bereits abgeschlossen ist. Nichts ist sicher, aber die Märkte haben schnell reagiert, um eine falkenhafte Fed einzupreisen.

Es hängt alles von der Fed ab. Wie viel kann sie noch reden, ohne tatsächlich etwas zu tun, bevor der Markt ihre Rhetorik nicht mehr glaubt? Außerdem gibt es viele Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft schwächer wird, wie Mike Maharrey in seinem jüngsten Podcast betonte.

Was wird also in den nächsten Monaten passieren? Vielleicht sinkt die Inflation ein wenig, wenn die Wirtschaft wirklich zu schwächeln beginnt. Nutzt die Fed diesen Rückgang, um den Sieg über die Inflation zu verkünden, selbst wenn sie deutlich über 2% liegt? Wenn ja, dann wird sie weitere Konjunkturmaßnahmen ergreifen. Dies wird der Scheideweg für den Markt sein. Werden sie der Fed weiterhin Glauben schenken oder erkennen, wie hoffnungslos abhängig die gesamte Wirtschaft vom billigen Geld geworden ist? Es ist wahrscheinlich, dass die Märkte vor der Fed umschwenken werden, und wenn dies geschieht, sollten Sie mit einem raschen Anstieg von Gold und Silber rechnen.


© Peter Schiff
www.europac.net



Dieser Artikel erschien am 22.05.2022 auf www.24hgold.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.