GoldSeiten.de - Gold & Silber, Münzen und Barren sowie Minengesellschaften

Die Machtverhältnisse auf der Welt ordnen sich neu

19.08.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit

"Das Recht der Menschen muß heilig gehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten."
Immanuel Kant


"Der Friedenszustand unter Menschen, die neben einander leben, ist kein Naturstand, der vielmehr ein Zustand des Krieges ist, d. i. wenn gleich nicht immer ein Ausbruch der Feindseligkeiten, doch immerwährende Bedrohung mit denselben. Er muss also gestiftet werden", …

… so schrieb der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) in seiner Schrift "Zum ewigen Frieden" im Jahr 1795. Was Kant leider unterlassen hat hervorzuheben, ist die (handlungslogische) Einsicht, dass es der Staat beziehungsweise dass es die Staaten sind (verstanden als territoriale Zwangsmonopolisten der Letztentscheidungsmacht über alle Konflikte auf dem eigenen Gebiet), die den Frieden immer wieder auf das neue gefährden und nicht selten auch beenden, die die Welt politisch spalten.¹ Das gilt vor allem für große Staatseinheiten, wie sich auf der aktuellen Weltbühne wieder einmal leidvoll beobachten lässt.

Die Machtverhältnisse auf der Welt ordnen sich neu. Spätestens mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist unübersehbar geworden, dass die Nachkriegsweltordnung ad acta gelegt ist. Der Westen unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika genießt nicht mehr die unangefochtene Vormachtstellung. Viele Länder orientieren sich neu, getrieben vor allem auch durch ihren eigenen wirtschaftlichen Aufstieg sowie dem (begründeten) Eindruck vom "Verfall des Westens".

Die "BRICS" (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sind der bisher wohl prominenteste Verbund, der Amerika und seinem Hofstaat die Stirn bietet. Vor allem China lässt seine Zurückhaltung fallen. Das begünstigt die Kräfte, die Konflikte ganz bewußt und gezielt schüren. Und so erscheint der "Taiwan-Konflikt" plötzlich wieder und dramatischer denn je auf der Tagesordnung - unter aktiver Mithilfe US-amerikanischer Politiker.

Eine Neuordnung der Machtverhältnisse auf der Welt ist geschichtlich gesehen zwar nichts Außergewöhnliches. Jedoch gibt es diesmal Grund zur Besorgnis. Denn welche Ideen, welche Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle treten nunmehr gegeneinander an?

Die Länder des Westens haben sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter verabschiedet vom Liberalismus - der sich auszeichnet durch Sicherung der individuellen Freiheit, Selbstbestimmung, Gleichheit vor dem Recht, dem Eigentum, begleitet von einem Staat, der den Bürgern dient, niedrigen Steuern und stabilem Geld etc. Gerade im Zuge der Coronavirus-Krise ist die Freiheit von Bürgern und Unternehmern drastisch eingeschränkt worden, der Staat hat sich vielerorts in geradezu Hegelianischer Manier selbstermächtigt. Man kann also sagen: Der Westen begibt sich seit geraumer Zeit in die Unfreiheit.

Damit bewegt sich der Westen ideologisch auf diejenigen Staaten zu, die seit je her tief kollektivistisch-sozialistisch geprägt sind, die mit individueller Freiheit und Selbstbestimmung des einzelnen herzlich wenig im Sinn haben, und die nunmehr - aufgrund ihres wirtschaftlichen Aufstiegs - offen eine führende Machtstellung bei der Gestaltung geopolitischer und geo-wirtschaftlicher Fragen einfordern.

Allen voran zu nennen ist hier China, das bevölkerungsreichste Land der Welt, sowie die vielen Länder, die sich seinen Diktionen anschließen und unterwerfen. Die Neuordnung der Machtverhältnisse auf der Welt - und das ist zugegebenermaßen die beunruhigende Botschaft - läuft folglich mit schnellen Schritten darauf hinaus, die wirtschafts- und gesellschaftsliberalen Ideale, die den Menschen im Westen Wohlstand und Frieden gebracht haben, zu beenden.

Doch nicht nur für die Freiheit des Individuums sind das schlechte Nachrichten, sondern insbesondere auch für die internationale Arbeitsteilung. Das jedoch ist ganz besonders problematisch, weil ´die internationale Arbeitsteilung das Kernstück der globalen Wohlstandsmehrung ist. Angesichts erhöhter (geo-)politischer Risiken halten sich bereits Unternehmen bei ihren weltweiten Investitionen zurück, beziehungsweise sie nutzen bei ihren Kapitalanlagen nicht mehr im bisherigen Umfang bestehende regionale Kostenvorteile; "Onshoring" geht häufig vor "Offshoring". Dadurch leiden Wachstum und Beschäftigung weltweit. Und nicht zu vergessen: Ein Abschwächen beziehungsweise Rückbau der Arbeitsteilung befördert Konflikte.

Dazu muss man wissen, dass Arbeitsteilung und der damit einhergehende Handel im wahrsten Sinne des Wortes friedensstiftend wirken. Menschen, die sich arbeitsteilig organisieren, erkennen sich als gegenseitig nützlich in der Bewältigung ihrer Lebensherausforderungen. So gesehen sind Arbeitsteilung und Freihandel ein Friedensprogramm - das jedoch leider immer wieder durch staatliche Politik (und durch die Sonderinteressengruppen, die auf sie Einfluss ausüben) untergraben oder gar beendet wird.

Eine De-Globalisierung, wie viele Beobachter des Zeitgeschehens sie bereits an die Wand malen, ist daher nicht nur eine Bedrohung für die Güterversorgung der Menschen weltweit, sie wäre auch eine Entwicklung, die wieder wachsende Konflikte zwischen den Menschen auf der Erdkugel erwarten ließe.

Ein gewaltiger Belastungsfaktor für die Weltwirtschaft ist aktuell die Verteuerung der Energie. Der Hauptgrund dafür ist die "grüne Politik" ("Net Zero CO2 Emissions by 2050"). Der politisch angestrebte Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger - allen voran Kohle und Öl - hat die Energieversorgung vielerorts ins Chaos gestürzt.

Zur Orientierung: 2020 betrug der Anteil der fossilen Energieträger an der weltweiten Primärenergieerzeugung etwa 83 Prozent. Erneuerbare Energien trugen nur 5,7%, Atomenergie 4,9% bei. In 2020 gingen die Neuinvestitionen vor allem in die erneuerbaren Energien, aber dieses Investitionsvolumen ist nicht ausreichend, um fossile Energieträger in absehbarer Zeit auch nur annähernd ersetzen zu können. Die Zurückhaltung bei Investitionen in Kohle- und Ölenergie wird die Angebotsknappheit bei fossilen Energieträgern erhöhen - während die Energienachfrage weltweit weiter zunimmt. Eine verschärfte Energieknappheit ist vorprogrammiert.

Das Ansteigen der Energiekosten treibt die Güterpreise in die Höhe - denn zur Herstellung und Bereitstellung nahezu aller Güter ist bekanntlich der Einsatz von Energie erforderlich. Das wiederum bewirkt einen "negativen Realkasseneffekt", wie es die Ökonomen bezeichnen: Steigen die Güterpreise, nimmt die Kaufkraft des Geldes ab. Bei gegebenem (nominalen) Einkommen erzwingt die Verteuerung der Güter eine Einschränkung des Konsums.

Die Menschen werden schlichtweg ärmer. Wollen die Menschen beispielsweise ihre Grundbedürfnisse - Nahrungsmittel, Kleidung und Wohnen - im bisherigen Ausmaß aufrechterhalten, müssen sie auf den Kauf von bisher konsumierten Gütern (Kinobesuch, Auto, Urlaubsreisen etc.) verzichten. Im Extremfall, bei Menschen mit geringem Einkommen, entstehen Existenznöte.

Die "grüne Politik" steht nicht allein da, sie ist vielmehr ein integraler Bestandteil des "Great Reset", der "Großen Transformation". Hinter diesen Schlagworten verbirgt sich die Idee, dass die Menschen ihre Geschicke auf dem Planeten nicht in einem System der freien Märkte gestalten, sondern dass sie vielmehr von zentraler Stelle, von den "erleuchteten" Regierungschefs der führenden Wirtschaftsländer oder den Vereinten Nationen gesteuert und gelenkt werden sollen.²

Es handelt sich dabei im Grunde um den kaum mehr verklausulierten Ausstieg aus den wenigen kapitalistischen Elementen, die in den Wirtschaftsordnungen noch verblieben sind. Ein weiteres Instrument, das dazu eingesetzt wird, ist das Siegel "ESG" (es steht für "Environment, Society, Governance"). Es soll vor allem großen Kapitalsammelstellen Vorgaben machen, wie sie ihr Geld anlegen.

Unternehmen sollen dazu angehalten werden, die ESG-Vorgaben zu erfüllen, weil sie ansonsten Finanzierungsnachteile erleiden - in Form höherer Kreditzinsen und/oder Kursabschlägen auf ihre Aktien. Mit dem ESG-Siegel lässt sich somit Wirtschafts- beziehungsweise Strukturpolitik betreiben. Beispielsweise erhalten viele Ölexplorationsfirmen mittlerweile keine Bankkredite mehr, oder wenn doch, dann nur zu sehr unvorteilhaften Konditionen. Die Folge: Die Investitionen im Downstream wie auch im Upstream nehmen ab, verringern dadurch das künftige, aus Öl gewonnene Energieangebot, erhöhen seinen Preis.



Wenn man auch derartige Folgen für die entwickelten Volkswirtschaften für "richtig" und "tragbar" hält, darf man nicht übersehen, dass die Folgen vor allem die Ärmsten der Armen treffen. Der Energiemarkt ist schließlich in weiten Teilen ein internationaler Markt.

Wird das Angebot eines Energieträgers verringert - wie beispielsweise das Angebot von russischem Öl -, trifft der damit verbundene Verteuerungseffekt nicht nur Europa, sondern er hat auch Auswirkungen auf andere Regionen. Die Ölnachfrage wird nämlich umgelenkt, weg von russischem Öl und hin zu beispielsweise Öl aus Saudi Arabien, Amerika, Venezuela und lässt dessen Preis steigen.

Der Preisauftrieb, den beispielsweise die Verknappung von russischem Öl nach sich zieht, bekommen die Verbraucher folglich weltweit zu spüren. Der Energiekostenanstieg, den die "grüne Politik" sowie auch die Energiesanktionen des Westens gegenüber Russland bewirken, haben in vielen Entwicklungsländern zu großen wirtschaftlichen und politischen Belastungen geführt; man denke hier nur etwa an die jüngsten Unruhen in Sri Lanka oder Sierra Leone.

Aber auch in den entwickelten Volkswirtschaften wird die Energiekrise, wenn sie nicht entschärft wird, Unruhe verursachen. Nicht nur Konsumenten werden Schwierigkeiten haben, ihre Haushaltsrechnungen bezahlen zu können, wenn sie ihren Energiekonsum nicht gewaltig reduzieren. Vor allem geraten auch viele Unternehmen unter Druck. Sie sind nicht mehr in der Lage, ihre Produkte wie bisher zu marktfähigen Preisen herzustellen.

Zwar lässt sich hier und da durch Einsparungen und Produktivitätszuwächse die Energiekostenbelastung lindern. Aber viele Firmen werden letztlich doch vor der Wahl stehen: Betrieb schließen und/oder in Regionen auswandern, in denen die Energiekosten weniger dramatisch steigen als im Heimatland; gerade in Deutschland wird es unter diesen Bedingungen zu einer De-Industrialisierung kommen.

Ein Produktionsrückgang, begleitet von Kapitalfluss aus dem Euroraum wird weitreichende Anpassungen nach sich ziehen. Die Wirtschaftsleistung schwindet, beziehungsweise die Zuwachsraten der Einkommen nehmen ab. Arbeitslosigkeit entsteht. Zwar bewirkt die ungünstige Demographie in vielen europäischen Ländern eine Verknappung von Arbeits- beziehungsweise Fachkräften und dürfte tendenziell einen relativ hohen Beschäftigungsstand begünstigen.

Jedoch wird das sehr wahrscheinlich überlagert werden von den negativen Effekten, die von einer Schwächung oder sogar einem Abbau des produktiven Kapitalstocks ausgehen. Im mehr oder weniger hoch industrialisierten Europa schlägt die "grüne Politik" besonders hart durch - und wird noch verschärft durch die hohe Energieabhängigkeit von Russland, auf die der Westen mit (Energie-)Sanktionen reagiert hat.

Eine Verteuerung der Energie wird natürlich vor allem auch die Preise der Nahrungsmittelgüter in die Höhe treiben.³ Erschwerend kommen hier ebenfalls die Folgen des Russlandkrieges in der Ukraine hinzu. Russland und Ukraine stellen zusammen etwa 30 Prozent des weltweiten Getreideangebots bereit und etwa 20 Prozent des Maisangebots. Westliche Sanktionen und Unterbrechungen der Schiffstransporte im Schwarzen Meer sorgen bereits für eine Getreideknappheit in vielen Entwicklungsländern, die abhängig sind von Getreideimporten aus Russland und der Ukraine (wie Ägypten, Uganda, Äthiopien, Kongo u. a.).

Hinzu kommt das Exportembargo Russlands für Düngemittel (Russland produziert etwa 15 Prozent der weltweit gehandelten Stickstoffdüngemittel und 17 Prozent des Düngers auf Basis von Pottasche (Kaliumcarbonat)), das absehbar die Ernteerträge weltweit beeinträchtigen wird.

Gleichzeitig ist in vielen Ländern die Inflation zurückgekehrt. Sie ist aber nicht wie eine Naturkatastrophe über die Menschen hereingebrochen, sondern sie ist menschengemacht. Zwar können steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise die Preise für diese und jene Güter ansteigen lassen. Doch daraus resultiert noch keine Inflation - verstanden als das fortgesetzte Ansteigen der Güterpreise auf breiter Front.

Der Grund für die aktuelle Inflation ist vielmehr in der Geldpolitik zu suchen: Die Zentralbanken haben in den letzten Jahren für einen gewaltigen "Geldmengenüberhang" gesorgt. Auf ihn treffen derzeit die Nachfrageschub- und Kostenschub-Effekte der Energie, und er erlaubt es, dass sie sich in Inflation entladen. Die mittlerweile sehr hohen Inflationsraten haben das Potential, einen Selbstverstärkungseffekt auszulösen. Im Fachjargon würde man sagen: Die hohe Inflation läuft Gefahr, die Geldnachfrage abzusenken.

Denn wenn die Menschen das Vertrauen in die Kaufkraft des Geldes verlieren - und anhaltend hohe Inflationsraten sind ein ganz wesentlicher Grund dafür -, dann werden sie bemüht sein, ihre Kassenhaltung abzubauen, eben weniger Geld als bisher im Portemaine und/oder auf dem Konto zu halten, indem sie es gegen andere Güter (Haus, Edelmetalle, Aktien etc.) eintauschen. Das führt dazu, dass zusätzliches Geld angeboten beziehungsweise zusätzlich Güter nachgefragt werden.

Die Folge ist ein Preisschub, der die laufende Inflation zusätzlich antreibt. Viele Zentralbanken haben zwar bereits die Leitzinsen erhöht und weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt. Aber verglichen mit den sehr hohen Inflationsraten erscheinen die Anhebungen der Leitzinsen doch sehr verhalten, wecken Zweifel am Entschluss vieler Notenbanken, die Inflation deutlich verringern zu wollen. Die Zweifel sind alles andere als unberechtigt.

Im ersten Quartal 2022 betrug die weltweite Verschuldung 305 Billionen US-Dollar - ein Rekordhoch. Das entsprach etwa 348 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Bereits diese beiden Zahlen deuten an, dass die Weltwirtschaft (längst) unter einem Schuldenproblem, wenn nicht gar unter einem Überschuldungsproblem leidet.

In diesem Zusammenhang sei noch eine weitere Zahl genannt: Die Schuldenquote zu Beginn des Jahres 2022 lag 15 Prozentpunkte unter dem Stand, der im ersten Quartal 2021 zu beobachten war. Der Grund für diesen Rückgang: Die Wirtschaftsleistung hat sich belebt, vor allem aber hat auch die Inflation angezogen und die Schuldenstände im Vergleich zur (nominalen) Bruttoinlandsprodukt absinken lassen. Das deutet auf etwas Bedeutsames hin: Die hohe Inflation in vielen Ländern trägt dazu bei, die realen Schuldenlasten zu senken.


Anmerkung: Der Verfall des (Real-)Zinses

Die nachstehende Abbildung zeigt den US-Leitzins nach Abzug der laufenden Inflation der Konsumgüterpreise. Zwei Dinge stechen hervor. Erstens: Der US-Realzins weist spätestens seit den frühen 1980er Jahren einen Abwärtstrend auf; er ist im Trendverlauf immer weiter abgesunken, und mittlerweile befindet er sich tief unter der Nulllinie, bei etwa minus 7,3 Prozent im Juli 2022. Zweitens: Der US-Realzins ist seit etwa Anfang des 21. Jahrhunderts mehr oder weniger chronisch negativ gewesen.

Open in new window



Ist es angesichts dieser Entwicklung wahrscheinlich, dass die US-Zentralbank (und in ihrem Gefolge viele andere Zentralbanken) den Realzins wieder über die Nulllinie befördern? Die Antwort ist nein. Denn das würde die Produktions- und Beschäftigungsstruktur, die sich in den Dekaden negativer Zinsen aufgebaut hat, zum Einsturz bringen; eine sehr schwere Wirtschafts- und Finanzkrise wäre die Folge. Für Geldhalter heißt das: Das Halten von US-Dollar (und Euro & Co) wird also ein Verlustgeschäft bleiben. Eben weil die Realzinsen sehr wahrscheinlich auf absehbare Zeit negativ bleiben werden.

Genau das aber erfordert "finanzielle Repression": Die Zentralbanken halten die Zinsen künstlich niedrig, und zwar so niedrig, dass die Inflation die Zinsrate übersteigt. Auf diese Weise wird der Realzins (das ist der Nominalzins minus Inflation) negativ. Unter diesen Bedingungen können sich vor allem die hochverschuldeten Staaten entschulden: Sie zahlen effektiv weniger Geld in realer Rechnung zurück, als sie sich geliehen haben.

Die Kosten haben die Geldhalter und die Besitzer von (Staats-)Anleihen zu tragen. Sie erhalten weniger Geld in realer Rechnung zurück, als sie verliehen haben. Die finanzielle Repression steht und fällt mit der Zinskontrolle der Zentralbank. Sie muss die Zinsen auf die gewünschten Höhen drücken (beispielsweise durch Anleihekäufe), ansonsten würde die Inflationsprämie und damit auch der Marktzins in die Höhe steigen, und der Realzins würde nicht in den Negativbereich fallen.

Angesichts der aufgelaufenen Schuldenlasten ist ein baldiger Ausstieg aus der finanziellen Repression folglich nicht allzu wahrscheinlich. Die Zentralbanken werden natürlich versuchen, den "Schein zu wahren": vor allem mit vorsichtigen Zinserhöhungen zu signalisieren, dass sie die Inflation herunterbringen wollen. Aber die realen Zinsen werden dabei wohl nicht in den positiven Bereich zurückkehren.

Vor diesem Hintergrund erscheinen zwei Szenarien wahrscheinlich:

[1] Die Zentralbanken erhöhen die Zinsen nur wenig (beispielsweise bleibt der US-Leitzins unter der 3-Prozentmarke, im Euroraum übersteigt der EZB-Zins nicht 2 Prozentpunkte). Der Realzins bleibt negativ, und die Verschuldungslasten werden in realer Rechnung abgebaut. Die Kaufkraft des Geldes bleibt unter Entwertungsdruck. Diese Phase kann durchaus lange andauern - was dann der Fall wäre, wenn Inflation nicht derart außer Kontrolle gerät, dass die Menschen aus dem Geld fliehen.

In Zeiten des "Great Reset", der "Großen Transformation" sind zudem anhaltend hohe Defizite sehr wahrscheinlich. Mit kreditfinanzierten Ausgaben versuchen die Staaten, die Kosten des "Umbaus" vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen beziehungsweise abzumildern - beispielsweise indem der Staat die Belastungen, die mit steigende Energiepreisen für Haushalte und Firmen entstehen, mit kreditfinanzierten Subventionen bezahlt.

Das bedeutet nicht nur anhaltenden Inflationsdruck, sondern auch, dass der Staatsanteil am Wirtschaftsleben weiter zunimmt zu Lasten privatwirtschaftlicher Aktivität. Ein Wirtschaftszusammenbruch kann auf diese Weise zeitweise verzögert werden, er wird jedoch nicht vollends umgangen, sondern nur in die Zukunft verlagert.

[2] Ein weitaus dramatischeres Szenario entfaltet sich, sollten die Menschen immer mehr am Wert der offiziellen Währungen zweifeln, und sie beginnen, ihre Geldhaltung "abzubauen", wenn sie also aus dem Geld beginnen "zu fliehen" (die Konsequenzen wurden bereits weiter oben angesprochen). Eine solche Entwicklung ist gleichbedeutend mit einer Währungskrise. Sie wäre unter den herrschenden politischen Umständen von den Zentralbanken kaum mehr zu bewältigen. Denn ihre Eindämmung erfordert eine "Stabilisierungsrezession", also einen mitunter gewaltigen Einbruch der Wirtschaften und der Finanzmärkte, der den Preisauftrieb stoppt und das Kredit- und Geldmengenwachstum scharf abbremst.

Wenn jedoch die Finanzmarktakteure davon ausgehen, dass die Zentralbanken davor zurückscheuen, den Inflationstrend notfalls auch durch Zulassen einer Stabilisierungsrezession zu brechen, dann wird die Sache rasch "explosiv": Die Flucht aus dem Geld nimmt Fahrt auf, wirkt selbstverstärkend. Wenn die Zentralbank gegensteuert, indem sie die Geldmenge nicht weiter ausdehnt, dann führt der damit verbundene Güterpreisauftrieb zu einem Wirtschaftszusammenbruch ("negativer Realkasseneffekt").

Erhöhen die Zentralbanken die Geldmengen weiter, um den Wirtschaftszusammenbruch abzuwenden, rutschen die Volkswirtschaft in die Hyperinflation ab. Kommt es also erst einmal zu einer Währungskrise, ist kaum mehr mit einem positiven Szenario für die Weltwirtschaft zu rechnen.

Wenn jedoch die einleitend genannte Einschätzung auch nur annähernd stimmt - das die Neuordnung der Machtverhältnisse auf der Welt mit einer Renaissance der Unterwerfung des Individuums unter das Kollektiv verbunden ist -, dann ist das skizzierte Szenario [1] wahrscheinlicher als das Szenario [2].

Um das ungedeckte Geldsystem vor dem Kollaps zu bewahren, können Staaten, die sich nicht mehr an das System der freien Märkte gebunden fühlen, auf vielerlei Wegen verhindern: Einführung von Preis- und Kapitalverkehrskontrollen, Finanzierungs- und Handelskontingenten, Bankenverstaatlichungen, Börsenschließungen etc. Und natürlich lassen sich auch Proteste der breiten Bevölkerung, die sich gegen die damit verbundenen Bedrängnisse erheben, ersticken. Etwa durch "Social Credit Scores" (der digitale Impfpass wäre gewissermaßen ein erster Schritt dazu), aber auch durch "Schauprozesse" zur Abschreckung und natürlich auch durch gewaltsame Unterdrückung.

Liebe Leserinnen und Leser, das alles ist kein Grund zur Resignation. Die Freiheit des Individuums war und ist stets bedroht. Sie musste stets verteidigt und, wo sie verloren gegangen war, zurückerobert werden. So ist es auch heute, in einer Zeit, in der die Machtverhältnisse auf der Welt sich neu ordnen. Damit die Freiheit den Sieg davonträgt, ist die Kenntnis über die Freiheitslehre von ganz entscheidender Bedeutung.

Wie sagte es Friedrich Schiller doch so treffend: "Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei | Und würd er in Ketten geboren". Jeder Mensch gehört sich selbst, hat Selbsteigentum an sich. Und niemand hat das Recht über andere zu herrschen. Wer das in seinem täglichen Leben beherzigt, keinem Politiker, keinem Staat die Hand reicht, die Zwang und Gewalt über andere auszuüben gedenken, der verteidigt wirksam die Freiheit, nicht nur seine eigene, sondern vor allem auch die seiner Mitmenschen.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


¹ Siehe hierzu z. B. Polleit, T. (2022), Staat und Krieg, Ludwig von Mises Institut Deutschland, 13. April, hier klicken.
² Mit den Ideen des Great Reset ist auch verbunden der Transhumanismus: Die Grenzen der menschlichen Möglichkeiten und seines Seins durch Technologie ("Künstliche Intelligenz") und pharmazeutische, medizinische Eingriffe zu erweitern. Entwicklungen, die quasi auf die Schaffung eines "neuen Menschen" hinauslaufen.
³ Ein Überblick über die weltweite Nahrungsmittelproduktion findet sich hier.