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US-Dollar, Euro, Renmimbi, Gold & Krypto: Die Suche nach dem Weltgeld

13.11.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit

I.

Mit meinem Referat möchte ich unseren Blick über die aktuellen Ereignisse hinaus auf künftige Entwicklungsperspektiven unseres Geldes zu heben. Und ich hoffe, dass meine nachfolgenden Gedanken für Sie an- und hoffentlich auch etwas aufregend sein werden.

Erlauben Sie mir, mein Referat mit einer Frage zu beginnen: Was ist die optimale Anzahl der Währungen auf der Welt? Meine Antwort lautet: Die optimale Anzahl der Währungen ist eins.

Wenn alle Menschen mit demselben Geld ihre Geschäfte abwickeln, dann ist die produktive Wirkung des Geldes optimiert. Dann nämlich lässt sich die Wirtschaftsrechnung am effizientesten durchführen, lässt sich bestmöglich ermitteln, welche Produkte erzeugt werden sollen und welche nicht.

Wenn alle Menschen auf der Welt mit dem gleichen Geld rechnen und handeln, werden die verschiedenen Regionen der Welt in die engste Arbeitsteilung gebracht. Das würde nicht nur Wohlstandspotentiale für die große Zahl der Menschen heben, es wäre vor allem auch ein Friedensprogramm: Menschen, die miteinander in Arbeitsteilung stehen, sehen sich gegenseitig als nützlich in der Bewältigung der Lebensherausforderungen an; die Menschen werden friedlich(er), entwickeln ein Interesse, am Wohlergeben ihrer Miterdenbürger.

Doch die Welt ist weit entfernt davon, ein einheitliches Weltgeld zu haben. Derzeit gibt es etwa 180 offizielle Währungen, die in 195 Ländern verwendet werden. Das war nicht immer so. Denken wir zurück an das 19. Jahrhundert. In seinem letzten Viertel gab es so etwas wie ein einheitliches Weltgeld - und zwar das Gold.

Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten den US-Dollar im Münzgesetz von 1792 in Form von Feingold- und Feinsilbergehalt definiert, im Zuge der Reform des Münzgesetzes im Jahr 1873 nur noch in Feingoldgewicht. Großbritannien, die damalige wirtschaftliche und militärische Großmacht, etablierte nach dem Ende der napoleonischen Kriege ab 1821 offiziell einen Goldstandard. Die meisten Länder der Welt folgten diesen Beispielen, ersetzten Silber- durch Goldgeld. Die Ausnahme blieb China, das am Silbergeld festhielt, und zwar bis in die 1930er Jahre.

(Ich darf an dieser Stelle anfügen, dass es einen echten, einen reinen Goldstandard in der jüngeren Währungsgeschichte nicht gegeben hat. Es waren stets "Pseudo-Goldstandards". Zum Beispiel erlaubten die Staaten den Banken, mit einer Teilreserve zu operieren - also mehr Banknoten auszugeben, als sie Gold zu deren Deckung vorhielten. Daraus resultierten immer wieder schwere Krisen, Bankenpleiten, gesellschaftliche Umbrüche. Auch griffen die Zentralbanken in die Zinsmärkte ein und sorgten so für Verwerfungen.)

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 zerstörten viele Regierungen den Pseudo-Goldstandard, um ungehemmt Krieg führen zu können. Die Vereinigten Staaten von Amerika jedoch blieben ihrem Gold-Dollar treu. Nach 1918 fehlte in vielen Ländern der Wille, zum Goldgeld zurückzukehren. In Europa gab es eine Hilfslösung, den Gold-Devisen-Standard, ein jedoch fragwürdiges Pyramidenspiel, auf dem die Währungen aufbauten. Es kollabierte Anfang der 1930er Jahre.

In Europa folgten Jahre der monetären Zerrüttung, dann von 1939 bis 1945 ein verheerender Zweiter Weltkrieg. Im Jahr 1944 einigten sich die Vertreter von 44 Ländern auf das System von Bretton Woods. Der US-Dollar wurde zur Weltreservewährung erkoren, er ersetzte in dieser Funktion das Britische Pfund. Fortan galt: 35 US-Dollar entsprachen einer Feinunze Gold.

Die Wechselkurse der übrigen Währungen waren mit einem festen Wechselkurs an den US-Dollar gebunden. Zudem galt Währungskonvertibilität. Man konnte beispielsweise Britische Pfund oder Französische Franc in US-Dollar wechseln, und die US-Dollar konnte man dann bei der New-York-Zentralbank in physisches Gold eintauschen. Allerdings galt das nur für Zahlungen zwischen Zentralbanken, Privatpersonen wurde die Goldeinlösung verwehrt. Das System von Bretton Woods funktionierte zunächst.

Die Inflation blieb im Zaum, der internationale Handel belebte sich. Allerdings litt das System von Bretton Woods an Konstruktionsfehlern. (Beispielsweise war der US-Dollar anfänglich überbewertet gegenüber den anderen Währungen. Die USA wiesen einen Handelsbilanzüberschuss aus, es gab eine "Dollar-Knappheit".) Doch letztlich brachten die USA das System von Bretton Woods zu Fall. Sie verzettelten sich in kriegerischer Außenpolitik (Koreakrieg in den 1950er Jahren, Vietnamkrieg von 1955 bis 1975).

Finanziert wurde das vorzugsweise durch die Ausgabe von neuen US-Dollar, die nicht durch Gold gedeckt waren. Die Inflation stieg dadurch an, und das Vertrauen in den Greenback schwand. Immer mehr Nationen gingen dazu über, ihre US-Dollar in physisches Gold einzutauschen und es in Sicherheit zu bringen. Der fortgesetzte Goldabzug drohte, die USA zahlungsunfähig werden zu lassen. Am 15. August 1971 zog US-Präsident Richard Nixon die Notbremse und beendete die Goldeinlösbarkeit des US-Dollar. Damit verloren auch alle anderen Währungen ihre Goldverankerung. Es war der Startschuss für ein weltweites ungedecktes Geldsystem, ein Fiatgeldsystem.

Die Staaten beziehungsweise ihre Zentralbanken, die das Geldmonopol innehaben, können seither die Geldmenge quasi beliebig und jederzeit in jeder gewünschten Menge ausweiten. Die Geldschaffung erfolgt sprichwörtlich aus dem Nichts.

Ich will kurz auf die negativen Seiten des Fiatgeldes hinweisen.

(i) Fiat-Geld ist inflationär. Es verliert seine Kaufkraft im Zeitablauf, weil seine Menge von den staatlichen Zentralbanken unablässig und nach politischen Erwägungen vermehrt wird. Inflationäres Geld ist schlechtes Geld, weil es die Wirtschaftsrechnung erschwert und viele Menschen um die Früchte ihrer Arbeit und Sparsamkeit bringt.

(ii) Fiat-Geld begünstigt einige auf Kosten vieler. Es sorgt für eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen, indem es die Erstempfänger des neuen Geldes begünstigt auf Kosten derjenigen, die die neue Geldmenge erst später erhalten oder gar nichts von ihr abbekommen (das ist der "Cantillon Effekt").

(iii) Fiat-Geld sorgt für Wirtschaftsstörungen, für Boomund-Bust. Die Vermehrung der Geldmenge durch Bankkreditvergabe senkt die Marktzinsen künstlich ab. Die Ersparnis sinkt, und Investitionen und Konsum nehmen zu. Die Volkswirtschaft beginnt über ihre Verhältnisse zu leben. Früher oder später zerplatzt jedoch der monetär angezettelte Scheinaufschwung, und aus dem Boom wird ein Bust.



(iv) Fiat-Geld treibt die Volkswirtschaften in die Überschuldung. Die künstlich gesenkten Zinsen verleiten Private, Unternehmen und Staaten zum Leben auf Pump. Die Schuldenlasten wachsen dabei im Zeitablauf stärker an, als die Einkommen zunehmen.

(v) Fiat-Geld lässt den Staat auswuchern - zu Lasten der Freiheit der Bürger und Unternehmer. Das Fiat-Geld erlaubt es dem Staat, seine Finanzkraft gewaltig auszuweiten, und damit kann er sich im wahrsten Sinne des Wortes eine wachsende Gefolgschaft erkaufen.

(vi) Das Fiat-Geld deformiert die Moral- und Wertevorstellungen der Menschen. (Beispielsweise erhöht das Fiatgeld die Gegenwartsorientierung der Menschen zu Lasten ihrer Zukunftsorientierung: Die Menschen werden weniger sparsam und konsumfreudiger.)

Auch nach dem Ende des Systems von Bretton Woods Anfang der 1970er Jahre ist der US-Dollar de facto das Weltreservegeld geblieben. Er ist nach wie vor die bedeutendste Währung weltweit zur Abwicklung von Handelsund Finanztransaktionen. Das weltweite Fiatgeldsystem ist so gesehen ein US-Dollar-Fiatgeldsystem.

Für die USA hat das viele Vorteile. Als Reservewährungsland kann es über seine Verhältnisse leben, chronisch mehr importieren als exportieren, denn das resultierende Handelsdefizit wird vom Ausland mit seinen Ersparnissen bereitwillig finanziert. Mit dem US-Dollar haben die Amerikaner zudem eine außenpolitisch scharfe Waffe. Sie setzen sie im Zuge der "finanziellen Kriegsführung" ("Financial Warfare") ein. Unliebsamen Länder wird beispielsweise der Zugang zu den US-Dollar-Zahlungswegen oder Dollar-Kapitalmärkten entzogen.

Oder US-Dollar-Guthaben von Ausländern werden eingefroren - wie Russland jetzt erfahren musste: Die US-Administration versperrt den Russen den Zugang zu ihren Auslandsreserven, nicht nur in US-Dollar, auch in Euro und britischen Pfund. Mittlerweile formiert sich jedoch Widerstand gegen die "Dollar-Dominanz". Die sogenannten BRICS-Staaten (das sind Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika und im Hintergrund vermutlich einige weitere Länder) wollen sich nicht mehr unbedingt der weltpolitischen Vormachtstellung der USA beugen.

Diese Länder - deren Wirtschaftsleistung 2021 mit 23,5 Billionen US-Dollar sogar leicht über der US-Wirtschaftsleistung lag, und deren Bevölkerung mit 3,2 Milliarden etwa 41,5% der Weltbevölkerung ausmacht - sehen ihre Abhängigkeit vom US-Dollar-Regime zusehends problematisch. Es ist gut denkbar, dass bei anhaltenden, sich verschärfenden geopolitischen Rivalitäten Länder wie zum Beispiel China, Russland und Indien ihren Außenhandel nicht mehr in US-Dollar, sondern in ihren eigenen Währungen abrechnen. Ersparnisse und Währungsreserven werden nicht mehr in US-Dollar angelegt, sondern im eigenen Land.

Das wäre natürlich mit Effizienzeinbußen verbunden, die negativ sind für Wachstum und Beschäftigung. Denn die mit Geld ausgeführte Wirtschaftsrechnung funktioniert schlichtweg nicht so gut: beispielsweise steigen die Transaktionskosten, und Wechselkursschwankungen erschweren erhöhen die Investitionsrisiken. Und eine solche Desintegration des Welthandels und der Weltfinanzmarkttransaktionen würde das Weltgeldproblem auch nicht lösen.

Denkbar ist auch, dass die Anti-USA-Allianz versucht, eine eigene Währung zu schaffen. In jüngerer Vergangenheit wird immer mal wieder darüber spekuliert. So könnten die BRIC-Staaten einen Währungskorb aus ihren eigenen Währungen formen, der dann als Zahlungsmittel dient. Oder sie könnten eine Goldwährung auflegen. Alles möglich, aber, wie gesagt, bislang gibt es noch nichts Konkretes.

Längerfristig gesehen scheint mir eine andere Entwicklungslinie nicht ganz abwegig zu sein, nämlich dass die großen Staaten der Welt tatsächlich den Schulterschluss üben und eine Welt-Einheitswährung aus der Taufe heben. Ökonomen haben in den vergangenen Jahrzehnten eine ganze Reihe von Vorschlägen dazu gemacht. Beispielsweise schlug der kanadische Ökonom Robert Mundell (1932-2021) vor, einen "INTOR" ("INT" steht für international und "Or" französisch für Gold) zu schaffen.

Dazu sollten die Wechselkurse der großen Währungen USD, Euro, japanischer Yen, chinesischer Renminbi zueinander fixiert werden. Der so erhaltene Währungskorb wird INTOR genannt, gemanaged von einem Rat der teilnehmenden Zentralbanken. Andere Währungsräume könnten nach und nach dem INTOR beitreten. Eine solche politisierte Welteinheitsweltwährung - die sehr wahrscheinlich auf ein Fiatgeld hinauslaufen würde - wäre mit allen Defekten behaftet, die das Fiatgeld nun einmal aufweist. Zudem wäre auch die Gefahr von Fehlern und Missbrauch eines solchen Weltgeldmonopols sehr groß.

Doch würden die Nationen dabei überhaupt mitmachen? Auf den ersten Blick sieht es derzeit sicherlich nicht danach aus. Doch halt, ein erster Schritt in die Richtung der Währungsvereinheitlichung wurde bereits unternommen. Anfang 1999 tauschten 11 Länder ihre Währung in die Einheitswährung Euro. Damit gaben sie ihre Währungshoheit auf, übertrugen sie an eine supranationale Institution, die Europäische Zentralbank. Ein Einheitsgeld hat - wie bereits gesagt - viele ökonomische Vorteile.

Dass Staaten bereit sind, ihre Währung gegen eine supranationale Währung einzutauschen, hat jedoch noch einen anderen Grund: Staaten (wie wir sie heute kennen) haben einen Anreiz, ein Kartell zu bilden und den Währungswettbewerb zwischen ihnen zu beseitigen. Staaten wollen nämlich keinen Währungswettbewerb. Denn die Möglichkeit der Menschen, von einer zur anderen Währung wechseln zu können, begrenzt die Möglichkeit der Staaten, eine für ihre Zwecke inflationäre Politik betreiben zu können.

Im Euroraum ist es den Staaten gelungen, den Währungswettbewerb zu beenden. Ist das, was "im Kleinen" gelungen ist, auch im "Großen" möglich? Durchaus: Je stärker der politisch-ideologische Gleichklang zwischen Staaten ist, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Währungsvereinheitlichung kommt. Der heute in der westlichen Welt im Grunde überall vorzufindende demokratische Sozialismus ist das ideale Fundament, auf dem die Idee der Währungsvereinheitlichung in die Praxis umgesetzt werden kann. (Für eine genauere Erklärung verweise ich hier auf mein Buch "Mit Geld zur Weltherrschaft".)

Wie dem auch sei, eines ist sicher: Die Staaten werden das Weltgeldproblem sehr wahrscheinlich nicht zufriedenstellend lösen.

Die Alternative dazu ist, die Lösung des Weltgeldproblems an die freien Märkte zu delegieren, also einen freien Markt für Geld zu ermöglichen. Der freie Markt für Geld bedeutet, dass jeder (du und ich) die Freiheit haben, das Geld nachzufragen, das unseren Zwecken am besten dient; und dass jeder die Freiheit hat, seinen Mitmenschen ein Gut anzubieten, das sie als Geld zu verwenden wünschen.



In einem freien Markt für Geld sind es die Geldnachfrager, die entscheiden, was als Geld verwendet wird. Und sie werden sich für das Medium entscheiden, das die höchste Liquidität, die höchste Marktfähigkeit aufweist. (Ich kann nur vermuten, aber wenn man hier und heute einen freien Markt für Geld ermöglicht, so könnte ich mir vorstellen, dass sich die Menschen relativ rasch für Gold als Grundgeld entscheiden würden.)

Wenngleich es vielleicht erklärungsbedürftig klingt, so ist doch ein freier Markt für Geld etwas ganz Natürliches. Ökonom Carl Menger erklärte, dass das Geld spontan im freien Markt entstanden ist, dass es nicht vom Staat kommt (es ist vielmehr ein Mythos zu meinen, es sei der Staat, der das Geld hat entstehen lassen - ein Mythos von der Art, dass Prometheus den Menschen das Feuer gebracht habe).

Nicht nur die Währungsgeschichte stützt Mengers Theorie. Auch das Aufkommen der Kryptoeinheiten unterstreicht sie.

Der Bitcoin ist der bemerkenswerteste Kandidat, der sich um die Geldfunktion bewirbt. Konzeptionell verkörpert er den Gegenentwurf zum staatlich-zentralistischen Geldangebotsmonopol. Ob der Bitcoin aber tatsächlich die Anforderungen erfüllt, die an ein gutes und praktikables Geld in einer modernen Volkswirtschaft zu stellen sind, so dass die große Zahl der Menschen ihn als Geld auswählt, lässt sich letztlich nur in einem freien Markt für Geld herausfinden. Ein freier Markt für Geld wird bis dato jedoch von den Staaten de facto verhindert (vor allem durch steuerliche und regulatorische Maßnahmen), denn sie wollen keine Konkurrenz zu ihrem Fiatgeld.

Was ist mit Edelmetallen, allen voran Gold und Silber? Sie waren, so zeigt der Blick in die Währungsgeschichte, immer die bevorzugten Medien, die die Menschen, wenn es ihnen freistand, als Geld auswählten. Einige Ökonomen sehen in der Rückkehr zum Edelmetallgeld, in der Errichtung eines Goldstandards, eine Lösung des Geldproblems. Beispielsweise schlagen sie vor, dass die Zentralbanken ihre Währungen wieder mit dem Gold decken sollen, das noch in ihren Kellern lagert.

Auf diese Weise soll der chronischen Inflation der Garaus gemacht werden, denn die Gold- und damit Geldmenge kann dann nicht mehr willkürlich ausgeweitet werden. Zudem hilft die Golddeckung einen möglichen Totalverlust der ungedeckten Währungen abzuwenden. Allerdings ginge man damit quasi den Weg zurück zum Pseudo-Goldstandards - der aber nicht funktioniert hat, weil die Politik, die staatlichen Zentralbanken sich nicht an die vereinbarte Golddeckung hielten. Es ist daher durchaus berechtigt, die Frage zu stellen: Warum sollte man es überhaupt noch einmal mit einem staatlichen Goldstandard versuchen?

Erfreulicherweise lässt sich das Edelmetallgeld aber auch ganz ohne staatliche Zentralstelle nutzbar machen. Das will ich mit dem Verweis auf eine historische Episode - deren Erfahrung sich auch auf das digitale Zeitalter übertragen lässt - kurz darlegen: und zwar die Zeit der Mark Banco.

Zu Beginn des dreißigjährigen Krieges (ab 1618) wurden die damals gebräuchlichen Silbermünzen "gewippt" (falsch ausgewogen) und "gekippt" (mit minderwertigem Metall angereichert), es gab auch viele Fälschungen. Das machte den Umgang mit dem Münzgeld schwierig. Kaufleute der Hansestadt Hamburg gründeten 1619 die "Hamburger Bank". Hier zahlte man sein Silbergeld ein und bekam sein Guthaben in der Recheneinheit "Mark Banco" gutgeschrieben. Für einen vollwertigen Silber-Reichstaler erhielt man drei Mark Banco. Ab 1622 entsprach 1 Mark Banco einem Silbergewicht von 8,66 Gramm.

Im Jahr 1770 gab es eine Reform: Die Mark Banco wurde nicht mehr im nominalen Münzwert definiert, sondern in Gewicht ungemünzten Silbers. Denn zu dieser Zeit herrschte wieder einmal Münzverschlechterung (und man konnte sich auf nominale Werte nicht mehr verlassen). Die Mark Banco war eine sehr erfolgreiche Währung, die fast 260 Jahre ihren Dienst tat. 1875 schloss die Hamburger Bank und die Zeit der Mark Banco war vorbei - aber nur weil mit der deutschen Reichsgründung das Silber durch die Münzgesetze von 1871 und 1873 demonetisiert und ein Goldstandard eingeführt wurde. Es wäre ein leichtes, die Idee der Mark Banco wieder aufleben zu lassen.

Viele US-Bundesstaaten (darunter Texas, Arizona, Utah, Wyoming und viele andere) haben übrigens genau dafür bereits die Grundlage geschaffen: Sie haben in den letzten Jahren die Mehrwert- und Kapitalertragsteuer auf Edelmetalle abgeschafft, um Gold und Silber konkurrenzfähig gegenüber dem US-Dollar zu machen; und vor allem auch um den Bürgern Schutz vor einem inflationären Greenback zu bieten. Sollten sich die Amerikaner für Gold- und Silbergeld entscheiden, würden sich vermutlich rasch Edelmetalllagerhäuser auf dem Markt zeigen, die Lager-, Sicherheits- und Zahlungsdienste anbieten - so wie es die Hamburger Bank einst getan hat.

In diesem Falle würde das Geld frei im Markt gewählt, ein staatliches Dazutun wäre nicht erforderlich. Alles, was notwendig ist, ist eine funktionierende Rechtsordnung, die sicherstellt, dass die Verträge (für Verwahr- und Zahlungsgeschäfte) eingehalten werden - und dass regelwidriges Verhalten (Veruntreuung, Diebstahl) sanktioniert wird. In einem Goldgeldsystem ist die Inflation vergleichsweise gering, ebenso hören die problematischen, monetär getriebenen Boom-und-Bust-Zyklen auf. Die Kriegsfinanzierung wird sich sehr verteuern, und die Welt wird friedlicher.

Natürlich würden die Menschen nicht mit klimpernden Goldmünzen umherlaufen. Das Goldgeldsystem ließe sich digital darstellen, tokenisieren. Man könnte bequem Internet-Banking betreiben oder Zahlungen via Smartphone erledigen. Sie werden jetzt vermutlich sagen: Der Staat lässt das nicht zu, er wird sein Geldmonopol verteidigen mit allen Mitteln. Ja, da haben sie vermutlich Recht. Der Staat (wie wir ihn heute kennen) wird sein Geldmonopol nicht abgeben wollen, und Unterstützung erhält er sicherlich dabei von einflussreichen Sonderinteressengruppen, die den Staat für ihre Zwecke einzuspannen wünschen.

Ein freier Markt für Geld kann daher wohl nur gegen die Interessen des Staates (wie wir ihn heute kennen) durchgesetzt werden. Und das ist keinesfalls ausgeschlossen. Denn wenn sich erst einmal die Idee bei den Menschen durchsetzt, dass große Staaten für den Bürger und den Unternehmer viel schlechter sind als kleine Staaten, dann ändert sich das Bild. Kleine Staaten müssen freundlich und friedlich sein, damit Kapital und Talente im Inland bleiben und aus dem Ausland zuziehen. Und wird das erkannt, kommen in großen Staatsgebilden Absetzbewegungen in Gang -, weil Menschen nach Besserung ihrer Lebensbedingungen streben, weil sie ihr Selbstbestimmungsrecht einfordern.



Es kommt zu Sezessionen, und aus großen Staatseinheiten werden kleine politische Einheiten. In kleinen politischen Einheiten ist der Anreiz groß, Raum für die Lösung des Geldproblems zu schaffen, das heißt einen freien Markt für Geld entstehen zu lassen - alle Regularien und Gesetze abzuschaffen, die einem freien Markt für Geld entgegenstehen (wie zum Beispiel die Mehrwert- und Kapitalertragssteuer auf Edelmetalle und Krypto-Einheiten). Und entsteht irgendwo auf der Welt auch nur ein erfolgreiches Referenzprojekt, reicht das sehr wahrscheinlich schon aus, Nachahmer auf den Plan zu rufen, das Konzept eines freien Marktes für Geld, die Freiheit bei der Geldwahl, weltweit zu verbreiten.

Vermutlich fragen Sie sich weiterhin: Was passiert mit dem Fiat-Geld, wenn ein freier Markt für Geld sich Bahn bricht? Nehmen wir an, die Menschen wählen Gold als Geld. Die Fiat-Währungen werten dann vermutlich ab gegenüber dem Gold, der Goldpreis in Papiergeldeinheiten steigt an. Wenn Gold Geldfunktion erhält, dann werden auch die Güterpreise in Goldeinheiten ausgedrückt, und sie steigen in dem Maße an, in dem das Goldgeld gegenüber dem Fiat-Geld aufwertet. Entsprechend verteuern sich auch die Güterpreise in Fiat-Geld gerechnet und bewirken so eine Entwertung der Kaufkraft des Fiat-Geldes. Das Fiat-Geld kann dabei (im Extremfall) sogar zum Totalverlust werden.

Das ist sicherlich kein erfreulicher Ausblick für alle, die Fiatgeld halten. Doch wie sähe die Alternative aus, wenn sich kein freier Markt für Geld herausbildet? Nicht gut: Denn die großen Staatsgebilde werden versuchen, groß zu bleiben oder noch größer zu werden; ihr Fiat-Geldsystem ohne Rücksicht auf Verluste zu "retten", wenn nötig, die taumelnden Fiatwährungen in einer einheitlichen Weltfiatwährung aufgehen zu lassen.

Doch dadurch wird das Wenige, was von der freien Wirtschaft und Gesellschaft noch übrig ist, auch noch unter die Räder kommen. Denn der Staat wird die Freiheitsrechte von Bürgern und Unternehmern immer stärker zurückdrängen müssen - durch Preis- und Kapitalverkehrskontrollen, Rationierungen, Verbote, Überwachung und Bestrafung -, um das Fiatgeldsystem zu erhalten.

Die aktuellen Pläne, die es in vielen Ländern gibt, digitales Zentralbankgeld auszugeben, sind vermutlich kein Zufall - und sie sollten uns aufschrecken lassen. "Digital" klingt hier zwar gut und modern, ist aber ein Etikettenschwindel. Digitales Zentralbankgeld ist nämlich Fiatgeld - weist alle ökonomischen und ethischen Defekte auf wie die "nicht-digitalen" Fiatwährungen auch.

Es ist so gesehen keine Verbesserung des Geldes. Zudem birgt digitales Zentralbankgeld reale Gefahren für die freie Wirtschaft und Gesellschaft (beziehungsweise für das Wenige, was davon noch übrig ist). Denn es wird sehr wahrscheinlich helfen, das Bargeld zu verdrängen, und dann ist die finanzielle Privatsphäre gänzlich perdu. Vor allem aber ist digitales Zentralbankgeld programmierbar. Nicht nur sind dann alle Zahlungen für den Staat transparent, auch die perfekte Überwachung und Steuerung der Menschen werden möglich.

Digitales Zentralbankgeld lässt sich verbinden mit einem "Social Credit Score"-System a la China: Wer nicht das macht, was die Regierenden wollen, der kann beispielsweise plötzlich keine Flugreisen mehr buchen, dem werden die Konten gesperrt, der kann nichts mehr kaufen. Mit digitaler ID, digitalem Impfpass und digitalem Zentralbankgeld kann die Welt ganz leicht zu einem digitalen Gefängnis werden.

Sollten man da nicht die Gefahr, dass es überhaupt so weit kommen könnte, auf das Stärkste minimieren und die Finger von digitalem Zentralbankgeld lassen?

Ich komme zum Schluss.

Das Weltgeldproblem ist nach wie vor ökonomisch nicht zufriedenstellend gelöst. Der Status quo - eine US-Dollar-Dominanz und viele unterschiedliche Währungen - ist zweifelsohne stark verbesserungsbedürftig, wird nicht auf Dauer so bleiben. Vor allem auch weil nun der Druck auf das bestehende Weltwährungssystem gewaltig ansteigt. Viele Volkswirtschaften sind überschuldet, es herrscht Hochinflation, die "grüne Wirtschaftspolitik" stellt die Weichen auf Rezession, auf Schrumpfkurs. Das wird für viele Fiatwährungen gefährlich.

Die zunehmenden geopolitischen Rivalitäten könnten in der näheren Zukunft zudem eine (zumindest teilweise) Desintegration des Welthandels und des Weltfinanzmarktes befördern - und den Wohlstand der Menschen auf der Welt zusätzlich vermindern, viele Fiatwährungen zusätzlich unter Druck bringen.

Eine Phase der Währungskrise, der Währungsturbulenzen ist gut denkbar. Längerfristig gesehen gibt es eine ernste Bedrohung, wenn die Staaten die Hoheit über das Geld behalten: Der mächtigste Staat oder die mächtigste vereinte Staatengruppe werden ein Kartell formen und eine Weltfiatwährung aus der Taufe heben wollen - eine dystopische Perspektive, in deren Licht auch das digitale Zentralbankgeld zu sehen ist, und die es zu verhindern gilt.

Um eine Schlussfolgerung kommt man nicht umhin: Wenn Freiheit und Frieden und Wohlstand der Menschen auf der Welt erhalten und verloren gegangenes Terrain zurückerobert werden sollen, dann muss den Staaten das Geldmonopol entzogen und ein freier Markt für Geld ermöglicht werden.

Der Ökonom Carl Menger schrieb: "Die Schwankungen im Weltpreise der Edelmetalle scheinen mir gegenwärtig immer noch geringere Gefahren in sich zu schließen als die Regelung des inneren Tauschwertes des Geldes durch Regierungen oder soziale und politische Parteien."

Nicht dem Staat, sondern den freien Märkten sollte das Geld anvertraut werden. Ein freier Markt für Geld - und da sollten wir keine Zweifel haben - würde gutes Geld hervorbringen und das Weltgeldproblem in einer ökonomisch und politisch zufriedenstellenden Weise lösen. Freiheit und Frieden und Wohlstand der Menschen benötigen einen freien Markt für Geld.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH