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Gold in Krisenzeiten

23.12.2022  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit

Der Goldpreis hat seit Ende 2019 bis heute um 13 Prozent zugelegt - und war damit ein "sicherer Hafen" in Krisenzeiten. Und der aktuelle Goldpreis hat immer noch erhebliches Preissteigerungspotential.

"Nichts ist unmöglich, was sittlich notwendig ist." - Adolf von Harnack (1851-1930)

Mit den Wahrnehmungen ist es so eine Sache: Verschiedene Personen erfahren denselben Sachverhalt mitunter sehr unterschiedlich. Das betrifft auch (so meine Wahrnehmung) die Entwicklung des Goldpreises. Aktuell werden häufig Fragen gestellt wie: "Warum steht der Goldpreis nicht höher?", oder: "Wieso hat der Goldpreis in der Krise nicht vor Inflation geschützt? Um eine Antwort zu finden, ist es am besten, man zieht ein paar Zahlen und Vergleiche zu Rate. Die nachstehende Abb. 1 zeigt die Entwicklung des US-Aktienmarktes, der US-Inflation, der US-Staatsanleihen und des Goldpreises von Anfang 2019 bis heute.

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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. (1) Serien sind indexiert (Januar 2019 = 100).


Wie leicht zu erkennen ist, haben die US-Aktienkurse, wenn auch unter Schwankungen, die höchste Rendite erzielt. An zweiter Stelle steht das Gold. Es hat sich besser entwickelt als die US-Konsumgüterpreisinflation und auch besser als die langfristige US-Staatsanleihe. So gesehen hat das Gold seinen Besitzer gegen den Kaufkraftverlust des Geldes, gemessen mittels der Konsumgüterpreisindizes, geschützt (auf die Bedeutung Geldmengeninflation kommen wir gleich noch zu sprechen). Betrachtet man kürzere Zeitspannen, kann die relative Vorteilhaftigkeit jedoch auch anders ausfallen.

Abb. 2 zeigt die Entwicklung der betrachteten Größen pro Jahr, wobei alle Zeitserien im Monat Januar jeweils auf 100 gesetzt sind. In 2019 fielen die Kursgewinne der Aktien (+24,2 Prozent) höher aus als der Anstieg des Goldpreises (+14,3 Prozent). In 2020 hingegen lag das Gold (+19,3 Prozent) vor den Aktien (+13,4 Prozent). In 2021 ging der Goldpreis zurück (-5,9 Prozent), während die US-Aktienkurse (+20,2 Prozent) und die Konsumgüterpreisinflation (+6,6 Prozent) stark anstiegen. Die Erfahrung der letzten Jahre, die als Zeit der Krisen zu bezeichnen ist, zeigt also, dass das Gold zwar mittel- und langfristig gegen Kaufkraftverlust des Geldes schützt, nicht aber immer auch in der kurzen Frist.

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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa. (1) Serien sind indexiert (Januar 2019 = 100).


Nun mag man einwenden, die Inflation werde durch Konsumentengüterpreisindizes nicht richtig abgebildet. In der Tat macht es Sinn, die Entwicklung des Goldes anhand der Geldmengenausweitung zu betrachten. Denn die Geldmengenausweitung reflektiert sozusagen zwei Effekte. Zum einen den allgemeinen Preisauftrieb in der Volkswirtschaft (also die Güterpreisinflation), zum anderen die Gütervermehrung (also den materiellen Wohlfahrtszuwachs). Als Daumenregel gilt: Erzielt der Investor eine Rendite, die höher (niedriger) liegt als die Geldmengenausweitung, nimmt sein Vermögen relativ zur Gesamtentwicklung zu (ab).

Abb. 3 zeigt den Goldpreis (USD/oz) und die US-Geldmenge M2 von Januar 2000 bis heute. Mit bloßem Auge ist zu erkennen, dass zwischen den beiden Zeitserien ein positiver Zusammenhang bestand: Die steigende Geldmenge ging einher mit einem steigenden Goldpreis. Man kann zudem sehen, dass in der kurzen bis mittleren Frist der Zusammenhang nicht immer besonders eng war. Beispielsweise zog der Goldpreis ab Ende 2008 stark an, während die Geldmenge nicht in vergleichbarer Weise anstieg. Was vermutlich nicht sofort ersichtlich ist, sind die unterschiedlichen Zuwachsraten der beiden Zeitserien.


Gold als Renditebringer

Von Januar 1999 bis November 2022 stieg der Goldpreis (USD/oz) jahresdurchschnittlich um etwa 8 Prozent. Die US-Geldmenge M2 stieg im gleichen Zeitabschnitt durchschnittlich um 6,8 Prozent. Das heißt, wer vor 24 Jahren Gold gekauft und bis heute gehalten hat, der hat im Betrachtungszeitraum eine Rendite erzielt, die höher war als die monetäre Inflation; er konnte also sein Vermögen mehren. Natürlich gilt dieses Ergebnis nicht - und das sei hier betont - für alle (Zwischen-)Phasen. Die Erfahrung der letzten gut zwei Dekaden deutet vielmehr darauf hin: Das Halten von Gold hat sich langfristig ausgezahlt, nicht aber notwendigerweise auch in der kurzen Frist.



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Quelle: Refinitiv; Graphik Degussa.


Am äußeren Rand in Abb. 3 hat sich nun aber eine deutliche "Lücke" zwischen Geldmengenausweitung und Goldpreis aufgetan: Die Geldmengenausweitung legt einen Goldpreis von ungefähr 2.200 USD/oz nahe, der aktuelle Preis ist derzeit jedoch nur bei etwa 1.815 USD/oz. Ist das etwa ein Indiz, dass sich der langfristige Verbund zwischen Geldmengenausweitung und Goldpreis aufgelöst hat? Oder handelt es sich hier nur um eine vorübergehende Divergenz, die bald wieder geschlossen wird, und zwar durch ein Ansteigen des Goldpreises?

Zunächst ist hier festzustellen, dass der Goldpreis natürlich nicht allein von der Geldmenge bestimmt, sondern dass er auch durch andere Faktoren beeinflusst wird. Eine Langfristschätzung zwischen dem Goldpreis, der Geldmenge, dem Realzins sowie den Kreditmarktkonditionen deutet darauf hin, dass das Auseinanderlaufen von Goldpreis und Geldmenge am "aktuellen Rand" nicht "außergewöhnlich" ist, dass kein "Strukturbruch" vorliegt. So gesehen gibt es vielmehr Anlass für die Erwartung, dass die "Lücke" früher oder später geschlossen wird, und zwar durch einen steigenden Goldpreis.

Von März bis Oktober 2022 ist die US-Geldmenge M2 zwar um 1,4 Prozent gesunken. So gesehen hat der Goldpreis durchaus "richtungsmäßig" in der zu erwarteten Weise reagiert: Er hat seither um etwa 9 Prozent nachgegeben. Dass es allerdings zu einem Fortgesetzen Schrumpfen der Geldmenge kommt, ist im ungedeckten Geldsystem, in dem der US-Dollar die Weltreservewährung darstellt, sehr unwahrscheinlich. Denn ein fortgesetzter Rückgang der Geldmenge würde eine Preisdeflation auslösen, durch die die Schuldner sehr wahrscheinlich reihenweise zahlungsunfähig würden, vor allem auch die Staaten.

Allzu weit gehen daher die Zinsanhebungen der Zentralbanken vermutlich nicht mehr / denn es wird sich wohl bald deutlich zeigen, dass Konsumenten, Produzenten und Staaten nicht mehr mit merklich erhöhten Kreditkosten zurechtkommen. Das lässt erwarten, dass die realen Zinsen (das heißt Nominalzins abzüglich der laufenden Güterpreisinflation) vermutlich (tief) im negativen Territorium verharren werden. In diesem Umfeld ist das Halten von physischem Gold und Silber eine Möglichkeit, dem chronischen Verfall der Kaufkraft des Geldes die Stirn zu bieten. Aus unserer Sicht ist es daher bei den aktuellen Preisen attraktiv, Goldund Silberpositionen auf- beziehungsweise auszubauen.


Ein paar Worte zum "Gaspreisdeckel"

Im Euroraum wurde ein "Gaspreisdeckel" beschlossen. Ökonomisch gesehen ist das ein Höchstpreis für Gas, der unter dem markträumenden Preis für Gas liegt. Die Folgen dieser Maßnahme lassen sich recht einfach verstehen. Dazu ein Blick auf die untenstehende Graphik. Sie zeigt das Angebot und die Nachfrage nach Gas.

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Der markträumende Preis ist P*, zu der die Gasmenge M* angeboten beziehungsweise nachgefragt wird (Punkt A). Nun verknappt sich sanktionsbedingt das Gasangebot, die Angebotskurve verschiebt sich nach links. Das neue Marktgleichgewicht ist in Punkt B: Der Preis ist auf P** gestiegen, die nachgefragte Menge auf M** gefallen. Daraufhin wird von staatlicher Seite ein Höchstpreis für Gas eingeführt, Pᴰᵉᶜᵏᵉᶩ, der (so nehmen wir an) dem ursprünglichen Preis P* entspricht. Dadurch steigt die nachgefragte Gasmenge wieder auf M*, während das Gasangebot auf Mᴰᵉᶜᵏᵉᶩ fällt.

Die Versorgung mit Gas verschlechtert sich also! Wie geht man mit dem entstandenen Nachfrageüberhang nach Gas um (er beträgt M* minus Mᴰᵉᶜᵏᵉᶩ)? Nun, eine Möglichkeit ist die Rationierung: Jeder Gasnachfrager bekommt nur einen Teil seiner nachgefragten Menge. Die Rationierung hat nun aber meist unerwünschte Nebeneffekte: Wer soll wann wie viel bekommen, und wer soll das entscheiden? Erfahrungsgemäß entstehen bei Rationierung Korruption, Vetternwirtschaft, Schwarzmärkte. Um den Höchstpreis durchzusetzen, bedarf es vor allem auch der Kontrolle und Überwachung - und bei Zuwiderhandeln muss Bestrafung folgen.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Staat die bei Pᴰᵉᶜᵏᵉᶩ nachgefragte Menge M* subventioniert. Der Staat muss dann die erforderliche Gasmenge am Markt kaufen, und dafür muss er den Gaspreis P*** bezahlen (beziehungsweise er bezahlt diesen Preis an Gasfirmen). Eine "dicke Rechnung"! Sie wird durch das eingefärbte Rechteck C-A-D-E symbolisiert. Wer wird zur Kasse gebeten?

Die dafür anfallenden Kosten haben natürlich letztlich die Netto-Steuerzahler beziehungsweise Geldhalter zu tragen - denn der Staat wird die Gaskäufe mit Steuergeldern, Schulden und/oder Geldmengenausweitung/Inflation finanzieren. In jedem Falle stellt sich durch den Höchstpreis für Gas ein suboptimales Ergebnis ein im Vergleich mit der ursprünglich markträumenden Situation (selbst wenn der Gaspreis bereits stark angestiegen ist): Die Gasnachfrager sind die Verlierer des staatlich erlassenen Höchstpreises, die Gasanbieter reiben sich die Hände (wenn ihre zusätzlichen Gewinne nicht wegbesteuert werden).


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH