Jan Baltensweiler: Niemand kauft Gold
18.11.2025 | Presse anonym
… und genau das erklärt seine neue Stärke
Ronald-Peter Stöferle erzählt auf seinen Reisen von einer Frage, die ihm überall begegnet – in Colorado, Frankfurt, Wien und Prag: "SIND WIR ZU SPÄT, UM GOLD ZU KAUFEN?" Diese einfache Frage sagt mehr über unsere Zeit als jede Statistik. Sie zeigt, dass die meisten gar nicht dabei waren.
Gold notiert auf einem neuen Hoch, doch der Westen steht abseits. Die Kurse steigen, aber kaum jemand hält sie fest. Das Schweigen ist beredt.
Das stille Desinteresse
Die globalen ETF-Bestände liegen nur wenig über dem Niveau von 2020. Kapital strömt in Technologie, Anleihen und Aktien, doch Gold bleibt außen vor.
Gold steigt – und dennoch verkaufen westliche Investoren. Ein Paradoxon, das sich nur erklären lässt, wenn man erkennt, dass der Preis längst woanders gemacht wird.
Wie der Ökonom David Rosenberg (@EconguyRosie) auf X hervorhob, liegt die Gold/S&P-500-Relation deutlich unter ihrem langfristigen Durchschnitt.
Gold ist also kein Hype. Es ist das Gegenteil – eine ruhige Erinnerung an Wert in einer Welt der Bewertungen.

Seit 2020 flossen Billionen in Geldmarkt-, Aktien- und Anleihefonds. In Gold fast nichts. Das Kapital sucht Rendite, nicht Sicherheit – doch irgendwann kehrt jede Welle um.
Der Osten kauft, was bleibt
Während der Westen Renditen jagt, sich in Innovation und Leverage verliert, kauft der Osten Substanz.

Der Osten akkumuliert, während der Westen verkauft.
In China steigen die ETF-Bestände so stark wie nie. Russische Haushalte besitzen inzwischen über 280 Tonnen physisches Gold – nicht als Spekulation, sondern als Schutz vor Währungs- und Sanktionsrisiken.

In Russland hat sich der Trend zum physischen Besitz deutlich verstärkt. Seit 2022 steigt die private Goldnachfrage stetig, während Anleger im Westen weiterhin Papier halten. Das Vertrauen der russischen Sparer liegt längst im Metall, nicht im Geld.
Auch Indien, die Türkei und viele andere Länder folgen leise demselben Pfad.

Im Westen hingegen sinkt der Absatz von Münzen und Barren auf Mehrjahrestiefs. Das Gold fließt – nicht dahin, wo man darüber spricht, sondern dahin, wo man es versteht.
Warum Desinteresse den Preis treibt
Je weniger Gold in westlichen Händen liegt, desto knapper wird das freie Angebot. Zentralbanken und asiatische Käufer halten ihre Bestände fest, während neue Produktion kaum wächst.
So steigt der Preis, nicht wegen Gier, sondern wegen Verknappung. Es ist kein spekulativer Anstieg. Es ist die Rückkehr des Realen. Gold wird heute dort bewertet, wo Besitz zählt – in Shanghai, Istanbul, Moskau. Nicht an den Bildschirmen der Wall Street.
Der Westen hat den Begriff von Wert verloren
Im Westen glaubt man, Wert ließe sich drucken. Doch Vertrauen lässt sich nicht drucken. Gold trägt keinen Zins, weil es keinen Schuldner hat. Es kann nicht ausfallen, weil es kein Versprechen ist. Sein Wert liegt darin, dass es keine Zustimmung braucht.

Wie GoldFix zeigt, ist die Nachfrage westlicher Anleger noch weit von früheren Hochs entfernt. Keine Panik. Keine Euphorie. Keine Masse. Und gerade deshalb – keine Schwäche.
Die neue Ära des Wertes
Wir treten in einen Zyklus ein, den keine Zentralbank lenkt. Während der Osten Reserven aufbaut und der Westen Schulden häuft, verschiebt sich Vertrauen – langsam, aber unumkehrbar.
In solchen Phasen zählen keine Prognosen, sondern Besitz, Verantwortung und Weitblick. Gold ist kein Handel und keine Flucht. Es ist Bestand. Es ist das Fundament einer Ordnung, die jenseits von Versprechen entsteht – und die Brücke zwischen dem, was vergeht, und dem, was kommt.
Wer Werte bewahren will, muss sie besitzen, bevor Besitz wieder Luxus wird.
Fazit für Investoren
Der Preis steigt, obwohl niemand kauft. Das ist kein Rätsel – es ist die Umkehr der Kräfte. Nicht der Westen treibt Gold, sondern die Welt, die sich leise neu ausrichtet. Nicht Spekulation, sondern Rückbesinnung.
In einer Zeit, in der alles gemessen wird, verliert das Messbare an Bedeutung. Denn wahre Werte sind still, geduldig – und real. Gold ist nicht die Flucht aus dem System. Es ist das Fundament des nächsten. Kein Investment. Sondern Haltung.
In einer Welt aus Versprechen bleibt direkter Besitz ausserhalb des Bankensystems die letzte Form von Wahrheit.

© Jan Baltensweiler
VON GREYERZ AG