Vorschau auf 2005: wie kann man die Welt reparieren
18.01.2005 | Matthias Lorch
Niemals zuvor war die globale Wirtschaft der Neuzeit mehr aus dem Gleichgewicht als heute. Das sichtbarste Zeichen davon ist eine beispiellose Differenz in den Leistungsbilanzen. Defizite in Amerika und Überschüsse hauptsächlich in Asien, und wenn auch in einem weit weniger großen Umfang, in Europa.
Nach unseren Berechnungen ergibt sich eine Differenz aus den Überschüssen im Jahre 2004 zu den Defiziten von mehr als 3% des weltweiten Bruttosozialproduktes. Die damit verbundenen Spannungen bauen sich auf der Finanzierungsseite (Amerika hat einen Bedarf an Kapital von 2,6 Milliarden US-Dollar pro Werktag) sowie auf der politischen Seite im Bezug auf die Handelspolitik auf.
Meiner Ansicht nach werden diese hartnäckigen und sich ständig verschlechternden Ungleichgewichte eine immer dringlichere Gefahr für das Wachstum der Weltwirtschaft. Diese Ungleichgewichte sind das Ergebnis der einseitigen Wirtschaftsdynamik. Über den Zeitraum 1995 bis 2002 haben die Vereinigten Staaten mit ca. 30% des weltweiten Bruttosozialproduktes zu 98% zum Wachstum desselben beigetragen. Im Umkehrschluss haben also die übrigen 70% der Welt nur 2% zum Wachstum beigetragen.
Dieses wurde aus den Wechselkursen errechnet und zeigt damit während dem oben genannten Zeitraum die großen Unterschiede der Wachstumsdynamik und auch die starke Aufwertung des Dollars. Ein Ausgleich dieser Balance verlangt zweifellos beides; mehr Wachstum der restlichen Welt und eine Abwertung des Dollars. Der Wechsel Amerikas in der Rolle als größter Konsument weltweit kann nur durch weiteres Abwerten der Währung sowie durch höhere Zinsen erreicht werden.
Die Welt in die Balance zurückzubringen ist Schwerstarbeit und kann von der Weltgemeinschaft nur so zu erreichen sein. Selbstverständlich wird dies keine schnelle und auch keine schmerzlose Angelegenheit werden. Jeder der Hauptakteure der Weltwirtschaft wird gefordert sein, hauptsächlich aber die Vereinigten Staaten, Europa, Japan und China.
Meiner Meinung nach gibt es 3 Bausteine für ein erfolgreiches Zurückführen des Gleichgewichts - eine weltweite Verlagerung des Spar- und Konsumverhaltens, verstärkte Strukturreformen, flexiblere finanzielle Spielräume sowie eine neue Architektur der internationalen Koordination.
Es verlangt eine vorsichtige Ausführung traditioneller makrowirtschaftlicher Maßnahmen sowie Maßnahmen im monetären, fiskalischen und im Währungsbereich genau wie im Mikrobereich der Strukturreformen - und je schneller desto besser. Wie bei allen Investmentblasen, je länger man wartet mit der in Angriffnahme des Ungleichgewichts, umso größer ist die Chance der plötzlichen Korrektur und somit einer harten Landung. Die gute Neuigkeit ist, dass zumindest endlich diese Notwendigkeiten von den Verantwortlichen erkannt wurden. Die schlechte Nachricht ist, dass zu lange gewartet wurde, um diese dornigen Probleme anzupacken.
Amerikas Medizin
Mit der Reparatur muss in den USA begonnen werden, diese sind nicht nur die dominierende Wachstumsmaschine der Welt, dort sind auch die Quellen des meisten Ärgers. Der niemals zuvor gesehene Einbruch des nationalen Sparaufkommens ist meiner Ansicht nach Amerikas größtes Problem.
Die Netto-Sparquote, bereinigt um Abschreibung, zeigt die gesamte Sparquote der Haushalte, Firmen und der (Minussparquote) des Staates und diese Netto-Sparquote beharrt seit 2002 auf dem Rekordtiefstand von 1,5%.
Um wachsen zu können und ohne eigenständiges Sparaufkommen, müssen die Vereinigten Staaten Überschusssparaufkommen aus dem Ausland importieren. Um diese Sparaufkommen anzuziehen, müssen die USA gigantische Kontodefizite bzw. Handelsdefizite fahren. Das derzeitige Kontodefizit (im dritten Quartal 2004 beträgt es ca. 5,6% des Bruttosozialprodukts) kam nicht von nirgendwo, es ist ein direktes Ergebnis besorgniserregenden Einbruchs in der Sparquote. Amerikas Rolle im Zurückführen der Balance ist relativ einfach: Es muss endlich die gefürchtete Herausforderung, nämlich die des Sparproblems, angehen.
Die zwei Hauptpunkte sind somit die auf untersten Level liegende private Sparquote zu erhöhen, um das Staatsdefizit in den Griff zu bekommen.
Erstaunlich ist allerdings, dass viele denken, der amerikanische Konsument hätte überhaupt kein Sparproblem. Die Quote von 0,2% in Oktober 2004 ist ja kein Problem, da mittlerweile der rationale und versierte Investor bessere und weisere Wege zum Investieren fand. Dieses Denken entwickelte zuerst ein Eigenleben in der Aktienblase der späten 90er Jahre und wurde nun weitergereicht zur größten Blase von allen, der Immobilienblase.
Der Wechsel vom früheren Sparen aus Einkommen in das Sparen durch Spekulation in Investments heutzutage ist der zentrale Punkt zu dem, was ich heute Investment-Wirtschaft nenne. Was dabei herauskommt, ist ein ständiges Sinken der Netto-Sparquote und ein ständiges Steigen des Kontodefizits/Handelsdefizits. Dieses Arrangement hat logischerweise eine immer größer werdende Abhängigkeit der USA vom Kapitalimport und eine immer größer werdende Exportabhängigkeit für den Rest der Welt zur Folge.
Des Weiteren verlangt diese Entwicklung eine ständig wachsende Finanzierung durch niedere Zinsen, um das größer werdende Biest der Spekulations-Wirtschaft zu füttern.
Welch rücksichtsloser Weg, die Weltwirtschaft laufen zu lassen. Die Probleme kommen selbstverständlich, wenn die Spekulation zum Exzess führt. Die Last, nach dem Implodieren der Blasen, wird dem US-Konsumenten, der dann ohne Sparguthaben dasteht, keine Wahl lassen; er wird diese dann aus dem Einkommen langsam anzusparen müssen. Die Folge davon, ist dann Zurückhaltung im Konsum in den Vereinigten Staaten und ein Rückgang der Wirtschafttätigkeit in allen Export getriebenen Wirtschaften.
Die Hauptherausforderung der Verantwortlichen in den USA wird es sein, diese schmerzhafte Entwicklung durch das Anregen der Sparquote nicht außer Kontrolle kommen zu lassen. Leider haben die gewöhnlichen Versuche der Sparformen - IRA s and 401K s - (Rentensparpläne) bislang eine sehr ineffiziente Geschichte bezüglich der Sparwilligkeit. Statt neuem Ansparen wurden die vorhandenen Sparguthaben lediglich umgeschichtet. Ich hätte diesbezüglich einen eher radikalen Vorschlag, und zwar eine Konsumsteuer. Auf Grund der Einfachheit würde ich eine Art nationale Verkaufsteuer einsetzen.
Eine Nation mit nahezu null Sparaufkommen braucht eine Strukturänderung im persönlichen Konsum. Eine nationale Verkaufsteuer könnte in dieser Richtung Etliches bewirken. Eine Eindämmung der staatlichen Defizite ist genauso wichtig. Ich würde dazu 2 Punkte hinzufügen.
Erstens, die meisten Vorhersagen sehen die USA in den nächsten 5 Jahren mit einem Defizit in der Höhe von 2,5% des Bruttosozialprodukts. Während David Greenlaw zum Beispiel anmerkt dass dieses eigentlich im Durchschnitt der Defizite ab 1969 liegt, sind die Defizite von heute und die von morgen viel schlimmer, hauptsächlich wegen der nicht vorhandenen Sparleistungen. Washington sollte sich deshalb mit angeblich durchschnittlichen Defiziten nicht in Sicherheit wiegen.
Zweitens: Steuererleichterungen können sich nur Nationen mit einem soliden Haushalt leisten. Amerika ist nicht in dieser Position. Es ist eine unverantwortliche Haushaltsführung noch immer die angebotsorientierte Politik zu vertreten.
Auch eine unhaltbare Prämisse ist die Aussage, dass wenn die kurzfristigen Steuererleichterungen von 2003 permanent gemacht würden, sie sich dann selbst finanzierten.
Richard Bernner und ich stimmen auch vollkommen darin überein dass es trotz der Vorteile einer Besitzgesellschaft unverantwortlich ist, eine Privatisierung der Sozialversicherung und dem Gesundheitssystem zu vermengen.
Meiner Ansicht nach muss speziell, wenn die Sozialversicherung auf Zuschüsse des Staates angewiesen ist, ein Test stattfinden damit sichergestellt ist, dass zukünftig keine Zuschüsse mehr nötig sind. Das Zurückführen der Defizite wird nicht gerade so einfach passieren. Washington hat die Kontrolle und alle der damals in den 80er Jahren und 90er Jahren so wichtigen Disziplin über das Budget verloren.
Das ist speziell so wichtig in Verbindung mit den steigenden Verpflichtungen bezüglich der Militär- und Verteidigungskosten des Heimatlandes.
Als Konsequenz daraus würde ich einer Neuauflage des außer Kraft gesetzten Gramm-Rudman-Akts aus den 80 er Jahren zur Eingrenzung der Budgetdefizite vorschlagen. Eine akzeptable Alternative wäre auch, die zukünftigen Ausgaben der Regierung strikt mit der Einnahmenseite zu verknüpfen und damit die Möglichkeiten zu neuen Defiziten stark einzuschränken.
Die schon genannte Konsumsteuer wären auch ein effizienter Weg um Einkommen zu generieren, jeder Prozentpunkt an Steuern auf dem freien Konsum ( mit Ausnahme der lebenswichtigen Dinge wie Essen, Wohnen, Medizinkosten und Ausbildung) würde Einnahmen von 40 Milliarden einbringen. Eine Mehrwertsteuererhöhung müsste sehr groß ausfallen um die gleichen Ergebnisse zu bieten.
Was die USA letztendlich auch noch brauchen, ist meines Erachtens ein weiterhin schwächer werdender Dollar. Auf der breiten handelgewichtigen Seite ist der Dollar seit 2002 erst um 15% gefallen. Dies ist relativ wenig verglichen mit dem Kontodefizit, das voraussichtlich im nächsten Jahr 6,5% des Bruttosozialprodukts betragen wird. In der zweiten Hälfte der 80 er Jahre, lag das Kontodefizit in der Spitze bei 3,5% des Bruttosozialprodukts. Damals sank der Dollar auf der breiten handelgewichtigen Seite um real 30%.
Das Defizit ist nunmehr fast doppelt so schlimm, aber der Dollar sank nur halb so weit. Aus diesem Grund allein schon würde ich davon ausgehen, dass ein weiterer Rückgang um 15% drin sein müsste. Ein schwächerer Dollar wird die Ungleichgewichte der USA nicht allein aus der Welt räumen, ein Auslöser könnte aber eine daraus erfolgende Zinserhöhung sein, und diese liegt allerdings hauptsächlich in den Händen ausländischer Gläubiger.
Ein nahezu ohne Sparaufkommen dastehendes und von Spekulation in Investments abhängiges Amerika braucht höhere Zinsen um das exzessive Konsumieren einzudämmen. Bis zu gewissen Maße wird zwar eine weitere Abwertung des Dollars dieses auslösen, aber die USA werden auch einen wichtigen Schritt unternehmen müssen um das weltweite wirtschaftliche Gleichgewicht wieder herzustellen.
Europas- und Asiens Medizin
Damit ich nicht beschuldigt werden kann, nur einen Plan für die Vereinigten Staaten vorzulegen, ist es eben so wichtig klarzustellen, dass die Medizin für Amerika nur ein Teil der Lösung darstellt. In mancherlei Hinsicht ist dieses Rezept das Spiegelverkehrte für den Rest der Welt.
Denn die Folge des Überkonsums in den USA ist der Unterkonsum in allen anderen Staaten. Das Konsumwachstum im Zeitraum von 1996 bis 2004 war in den USA im Durchschnitt 3,9%, und damit nahezu das doppelte der 2,1% aller anderen entwickelten Ländern.
Das Resultat davon ist der starke Kontrast, zwischen fehlendem Sparaufkommen in den US und exzessivem Sparen überall sonst in der Welt. Die durchschnittliche Bruttosparquote in der Periode von 1996 bis 2004 lag bei 16%, weit weniger, wie die 23% in allen anderen entwickelten Ländern. Diese Unterschiede unterstreichen die Schlüsselherausforderung Europas and Asiens - die Notwendigkeit des Abbaus des Exzesssparens sowie die Stimulation der inländischen Nachfrage, hauptsächlich jedoch des privaten Konsums.
Selbstverständlich ist das einfacher gesagt wie getan, aber es sind ein paar augenfällige und wichtige Schritte, die man tun kann. Produktivität sollte das Wichtigste für Europa sein. Das Mindeste diesbezüglich sollte eine Kombination von aggressiver Restrukturierung der Firmen, verbesserter Flexibilisierung des Arbeitmarktes und ein weiterer Schritt in die Richtung des IT- fähigen Investments sein.
Eric Chaney merkt an, es gäbe gute Gründe vorsichtig optimistisch zu sein, dass diese Möglichkeit besteht. Sollte es der europäische Wirtschaft möglich sein, diese Strategie anzugehen, wird das Ergebnis verstärkte Konkurrenzfähigkeit und die Schaffung neuer Jobs sein.
Das ist keinesfalls eine sichere Sache, speziell für Deutschland, das immer mehr zum Außenseiter in Europa wird, womit die Vorgabe, alles passt jedem immer mehr in Frage gestellt werden muss. Aber wenn sich in der Schaffung neuer Arbeitsplätze etwas bewegt und dadurch die folgende Erhöhung der Arbeitseinkommen ausgelöst würde, könnte es den europäischen Konsumenten nach und nach zu neuen Leben erwecken. Wenn der Dollar weiterfällt und der Euro im Gegenzug stärker wird, wird das vom Export getriebene Wachstum Europas zunehmend unter Druck kommen. Unter diesen Umständen wird die Reform zur Stärkung des europäischen Konsumenten um so wichtiger.
Asien benötigt einen ähnlichen Wechsel vom Export getriebenen Wachstum zu Konsum getriebenen Wachstum. Der asiatische Konsument ist schon seit längerem abhanden gekommen. Export und Investitionsgetriebenes Wachstum war der Eckpfeiler der Entwicklungsstrategie in Asien. Ich glaube allerdings, dass diese Strategie nunmehr überholt ist und es eher hilft die Ungleichgewichte fortzusetzen.
Der Beweggrund der Regierenden war, die Währungen nicht steigen zu lassen, um die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu riskieren. Der zentrale Punkt dabei ist, das Recycling der massiven ausländischen Reserven in Dollar gehandelter Schuldpapiere. Diese Kapitalflüsse versorgen nicht nur das Kontodefizit, sondern subventionieren außerdem die US-Zinsen, die Spekulation im Anlagenbereich, den Wohlstandseffekt und hauptsächlich den persönlichen Konsum.
Asien verlängert unbeabsichtigt das exzessive Konsumieren des US-Konsumenten und all der daraus resultieren Ungleichgewichte. Als Konsequenz daraus sollte Asien im eigenen Interesse und im Interesse der ganzen Welt, zu einem ausgeglichenem Wachstumsmodell finden. Ein flexibleres Währungsmodell würde dieses unterstützen, es würde Asien nicht nur zwingen den Export getriebenen Wachstumspfad zu verlassen, es würde auch den Druck einer weiteren Dollarabwertung von Europa nehmen. Hauptsächlich Japan und China müssen die Beendigung der Dollarbindung oder Quasibindung der Währungen angehen. Je länger dieses verschoben wird, um so größer werden die Risiken, dass der Druck aus den Defiziten in die politische Arena getragen wird und zu Handelsproblemen bzw. Beschränkungen und zu möglichen Schutzmechanismen führt.
Dieses wäre das letzte, was irgend ein Land gebrauchen könnte, aber am allerwenigsten China. Je länger China die Währung an den Dollar anbindet, desto stärker wird es herausragen aus der Gemeinschaft der anderen Währungen, die langsam eine Änderung der Ungleichgewichte in Angriff nehmen. Außerdem muss China sich in Bewegung setzen bezüglich der sozialen Sicherheit, der Gesundheitskosten und der Umschulungsregeln. Nämlich nur dann können die chinesischen Beschäftigten eine stärkere Einkommenssicherheit erfahren und dieses ist bitter nötig unter dem vorherrschenden Klima der anhaltenden Vernichtung von Arbeitsplätzen in den staatseigenen Betrieben. Genau dieses ist von Nöten, um die langsam erscheinende Kultur des chinesischen Konsumenten auf stärkere Beine zu stellen.
Eine neue Architektur für politische Koordination
Eine immer mehr miteinander verknüpfte Weltwirtschaft hat Probleme, die die Summe der eigenen Teile überschreitet. Zum Anfang brauchen wir eine Agenda, die eine nationale und regionale Koordination verlangt.
Die Welt vermisst diese Einstellung der Zusammenarbeit unter der falschen Prämisse, dass die beste Politik eine lose Ansammlung nationaler Interessen sei.
Nichts könnte von der Wahrheit weiter entfernt sein. Das Fließen des globalisierten Handels, des Kapitals und der Informationen braucht eine integrierte Architektur. Das Fehlen dieser ist ein ernstes Vernachlässigen in der Zurückführung der Balancen. Dieses kann man zu gut sehen in dem, was ich das "weltweite Beschuldigungs-Spiel" nenne, nämlich das Beschuldigen der anderen für die eigenen Probleme.
Amerika bleibt dabei, die anderen für fehlendes Wachstum zu beschuldigen. China beschuldigt die USA massiv für das fehlende Sparaufkommen. Japan droht mit Eingriffen in den Devisenhandel und die politisch Verantwortlichen in Europa sind schnell dabei, die Änderungen im Währungsgefüge als unnötig brutal zu betiteln. Solches Suchen von Sündenböcken kann sich verselbstständigen und in einem Ausbruch von Handelbeschränkungen und Schutzmechanismen enden, das dann jede Hoffnung für ein erfolgreiches Justieren der Weltwirtschaft zerstören würde.
Die zerstörerische Tendenz dieses "weltweite Beschuldigungs-Spiels" lässt annehmen dass eine Inangriffnahme der neuen Architektur für politische Koordination längst überfällig ist. Ob es die G-7 die G-8 oder die G-20 sind, die Nationen müssen zusammenkommen um kollektiv einen robusten Rahmen für die gemeinsamen Ziele und Verantwortungen zu erarbeiten.
Ich würde mit einer Neuordnung der G-7, die lange das Herz der politischen Konsultation über wirtschaftliche Schlüsselfragen war, beginnen. Diese Körperschaft ist eine Kreatur aus einer anderen Ära. China nicht einzubeziehen ist lächerlich. Gleich absurd ist es, dem nun vereinigten Europa drei Stimmen zu geben Deutschland, Frankreich und Italien und eine vierte Stimme Großbritannien anzubieten.
Mit einer Entschuldigung an meine kanadischen Freunde und einem Nicken zu den Briten, bin ich so frech und würde einen Wechsel der G-7 zu einer neuen G-5 vorschlagen, nämlich aus den USA, Euroland, Japan, Großbritannien und China. Dies sollte eine permanent existierende und gut ausgestatte Organisation sein und keine, die nur zu bestimmten Gipfeln zusammenkommt.
Als solche braucht sie einen gut definierten Gesellschaftsvertrag, der darauf abzielt, mit allen globalen Ungleichheiten von Währungsdifferenzen aus der Balance gekommen Zahlungsströmen bis zu den Auswirkungen von Handelspolitik und Strukturreformen zurechtzukommen. Formale Treffen sollten mindestens zweimal jährlich mit der direkten Konsultation der permanenten Mitglieder der neuen G-5 und den Finanzministern sowie deren Zentralbankern gehalten werden. Die permanenten Mitglieder sollten auch dazu verpflichtet werden, zweimal jährlich einen Report über den Stand der globalen Balance zu verfassen, der dann wiederum als Agenda für die Gipfeltreffen wichtig sein würde.
Solch eine Organisation würde wichtige Auswirkungen auf andere, für die globale Balance verantwortlichen Institutionen haben, nämlich auf die Weltbank und den IMF. Meiner Ansicht nach ist die Zeit reif über ein ernstes Nachdenken über das Zusammenführen dieser beiden Organisationen. Die in diesen Organisationen größtenteils reagierende Struktur macht alles noch schlimmer. Ein ernster Umbau steht an.
Am Ende sollte dieser Vorschlag als Wunschliste gesehen werden, um die Hauptquellen der Spannungen der aus der Balance geratenen Weltwirtschaft zu mildern.
Vielleicht bin ich naiv anzunehmen, dass die Hauptverantwortlichen die Logik des Moments erkennen. Vielleicht wird die Welt, wie Robert Feldman meint, sich nur im Anblick einer Krise bewegen. So komplex und herausfordernd diese Aufgabe auch ist, meine Absicht ist eine einfache Botschaft zu unterbreiten. Die globale Rückführung zur Balance ist ein ständig dringlich werdender Imperativ für eine so aus dem Gleichgewicht geratene Weltwirtschaft.
Die USA muss wieder herausfinden, wie man spart und der Rest der Welt muss wieder beginnen zu konsumieren. Finanzkapital muss dahin fließen, wo die höchsten Renditen sind, nicht in die Richtung von subventionierten Währungen um die Exportkonkurrenz zu erhalten oder in die Spekulation. Die Welt muss zusammenkommen, um neue Rahmenbedingungen zu schaffen, nämlich die des miteinander sprechens, um dadurch die Verbesserung in Schlüsselfragen zu erhalten. Globalisierung ist viel zu wichtig um es den egoistischen Interessen der einzelnen Staaten zu überlassen. Die aus dem Gleichgewicht gekommene Weltwirtschaft sendet einen Weckruf aus, der nicht ignoriert werden kann.
© Stephen Roach, Chef-Ökonom von Morgan-Stanley
aus "Morgan Stanley Global Economic Forum"
ins deutsche übersetzt von Matthias Lorch