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Interview mit John Williams: "Auf dem Weg zum Abgrund"

24.08.2010  |  Redaktion

Dieses Interview führte Karen Roche von "The Gold Report" am 06.08.2010.

John Williams ist Herausgeber von ShadowStats.com. Viele Autoren, die beim "The Gold Report" veröffentlichen, suchen bei ihm nach ehrlichen, vertrauenswürdigen Wirtschaftsdaten. Williams sieht sichere Hinweise darauf, dass sich die US-Wirtschaft in einer beschleunigten Abwärtsspirale befindet, die seiner Meinung nach zu einer fast unvorstellbaren Hyperinflation in den USA führen wird.


The Gold Report: John, das letzte Mal sprachen wir im Mai miteinander. Sie sagten uns damals, die Veränderungen beim bereinigten Broad Money Supply im Vorjahresvergleich wären ein führender Indikator der Wirtschaftsaktivität. Damals war er am Sinken. Sie sagten: "Wird die Liquidität abgewürgt, schrumpft immer auch die Wirtschaft. Und aktuell wird die Liquidität abgewürgt - ob nun absichtlich oder nicht. Das führt zu deutlichen Rückgängen bei den Verbraucher-, Geschäfts- und Unternehmenskrediten." John, soll das heißen, dass man das Wirtschaftwachstum ankurbeln könnte, wenn nur die Banken wieder anfangen würden, Kredite zu vergeben?

John Williams: Das würde mit Sicherheit nicht schaden. Die Liquidität geht ja immer noch zurück, und das inflationsbereinigt. Also real sank das M3-Geldangebot im Vorjahresvergleich um fast 8%. Das ist der heftigste Einbruch nach dem 2. Weltkrieg. Das Signal für einen Wirtschaftsabschwung leitet sich nicht vorrangig aus der Schwere der Liquiditätsrückgänge oder ihrer Dauer ab, sondern schon aus der Tatsache, dass der Indikator im Jahresvergleich negativ ausfällt.

Im Dezember 2009 bekamen wir dieses Signal, und in diesem Fall verwies es auf eine Intensivierung des Abschwungs innerhalb der nächsten sechs bis neun Monate. In diesem Zeitrahmen bewegen wir uns jetzt und wir sehen gerade, wie die Zahlen nachgeben. Die Menschen sprechen von einer schwächeren Wirtschaftslage. Selbst Mr. Bernanke beschrieb den wirtschaftlichen Ausblick als "ungewöhnlich unsicher". Eine solche Wortwahl seitens der Fed ist ein ziemlich guter Hinweis darauf, dass hier etwas im Gange ist.


The Gold Report: Warum schrumpft M3 weiter?

John Williams: Wie Sie schon sagten, die Banken vergeben keine Kredite. Das Geld, das die Fed ins System steckte, um hypothekarisch gesicherte Wertpapiere der Banken aufzukaufen und um Banken liquide zu halten, landet schließlich wieder bei der Fed in Form von Überschussreserven. Dort haben wir jetzt weit über 1 Billion $; hätten die Banken dieses Geld in den normalen Wirtschaftkreislauf verliehen, dann wären mehr als 10 Billionen $ zum allgemeinen Geldangebot hinzugekommen, welches ohne diese Geldmengen jetzt bei ca. 14 Billionen $ liegt. Das hätte mit Sicherheit inflationäre Auswirkung gehabt und vielleicht sogar die eigentliche Wirtschaftsaktivität angekurbelt. Aber man kann die Wirtschaft nicht immer zum Wachsen bringen, indem man Geld hineinschießt. Manchmal hat es einfach überhaupt keine Wirkung.


The Gold Report: Und Sie meinen jetzt, ein sinkendes Geldangebot sei ein sicherer Hinweis auf anstehende Probleme?

John Williams: Wenn es inflationsbereinigt im Jahresvergleich fällt, dann ist das ein Signal für einen Abschwung oder einen sich verstärkenden Abschwung. Das passiert immer. Wird die Liquidität abgeschnürt, geht die Unternehmensaktivität zurück.

Zeitweise hatten wir auch Rezessionen, ohne dass das Geldangebot vorab gesunken war. Und manchmal war das Geldangebot gestiegen, aber die Wirtschaft folgte nicht - auch in diesem Fall zeigte es überhaupt keine Wirkung. Die Ausweitung des Geldangebots hat aber auch schon zu Aufschwüngen geführt, deswegen versucht es die Fed auch mit einer Stimulierung der Wirtschaft. Aber dieser Rückgang ist jetzt ein sicheres Signal. Man sieht es nicht häufig, aber wenn man es sieht, dann ist sehr aussagekräftig.

Wir sehen gerade, wie die Daten nach und nach einbrechen. Einige ungewöhnliche Faktoren waren hier am Werk. Ich erwarte für die nächsten Monate einen sich beschleunigenden Abschwung. Die Zahlen werden deutlich schlechter ausfallen. Die Konsensschätzungen gehen schon in diese Richtung und fast alles andere wird folgen. Die Industrieproduktion ist immer noch erhöht, aber die Verkäufe im Einzelhandel sinken. Die Zahlen für Löhne und Gehälter sind verhalten, wenn man die Effekte des Census Hiring herausrechnet. Diese Arbeitsmarktzahlen werden in den kommenden ein, zwei Monaten sinken, was dann ein wichtiger Indikator auf einen erneuten wirtschaftlichen Abschwung ist.

Wir werden noch sehen, wie sich das alles entwickelt, aber wir stehen hier an einem Wendepunkt. All das passiert gerade jetzt. Ende Juli hatten wir eine Schätzung für das BIP des 2. Quartals, in der das Wachstum auf Jahresbasis um 2,4% sank. Die frühen BIP-Schätzungen sind wirklich sehr grob geschätzt, so dass man gar nicht weiß, ob am Ende eine positive oder negative Zahl stehen wird. Man hat eine Fehlerspanne von plus/minus 3% bei den frühen Schätzungen. Zufälligerweise entspricht das auch ungefähr dem durchschnittlichen Wachstum.

Nichtsdestotrotz, denke ich, dass wir im Vergleich zum vorhergehenden Quartal ein sinkendes BIP für das dritte Quartal sehen werden. Da ein großer Teil des BIP der ersten Hälfte auf Lageraufbau zurückzuführen ist, sind jetzt die Bedingungen für einen erneuten Abschwung gegeben. Aber dann wird relativer Konsens herrschen, dass wir uns in einer Double-Dip-Rezession befinden. Die Mainstream-Presse wird es als einen double dip beschreiben, aber es hat nie eine Erholung stattgefunden.

In Wirklichkeit handelt es sich um einen sehr langwierigen, sehr tiefen Abschwung, der folgendes Muster haben wird: schwerer Absturz, Bodenbildung, ein kleiner Rückstoß aufgrund der Stimuli und dann erneuter Abschwung. Ungefähr wie ein Skianfänger, der das erste Mal einen Sprung wagt. Er prescht den Hang hinunter, steigt in Luft und fängt an, wild zu herumzuwirbeln, weil er versucht zu verstehen, welches Ende seiner Ski nach oben zeigt. Dann legt er einen ziemlich schlimmen Purzelbaum hin. Wir fangen gerade an, in der Luft herumzuwirbeln.






The Gold Report: Aber sind wir denn nicht schon drei Jahre lang in einer Rezession?

John Williams: Die zweite Bewegung, von der ich spreche, ist gerade am Entstehen - jetzt gegen Jahresmitte. Im Dezember 2007 begann die Rezession offiziell, obgleich ich der Auffassung bin, dass sie schon früher im Jahr 2007 begonnen hatte. Auf jeden Fall brach die Wirtschaft im Jahr 2008 bis ins Jahr 2009 ein. In der zweiten Hälfte von 2009 schien es ganz so, als wäre der Boden erreicht und als ginge es nun wieder stärker aufwärts. Das Autogeschäft und der Immobiliensektor sorgten sogar für kleine Spitzen im Wachstumsmuster, aber dieses Wachstum war nur der Zukunft gestohlen. Es generierte keine neue Nachfrage.

Auf diesen Punkt möchte ich gern etwas näher eingehen: Traditionell wurden Rezessionen noch als zwei aufeinander folgende Quartale mit einem sinkenden, inflationsbereinigten BIP-Wachstum definiert. Das National Bureau of Economic Research, die Behörde, die festlegt, ob wir uns in einer Rezession befinden, wird dies abstreiten, aber auch dort kam diese allgemeine Richtlinie schon zur Anwendung. Auch dort wurden schon immer auch andere Zahlen benutzt - wie zum Beispiel die Arbeitsmarktzahlen und die Industrieproduktion, um den Beginn oder das Ende einer Rezession auf einen bestimmten Monat festzulegen.

Wichtig ist jedoch, dass man das Ende dieser Rezession dort offiziell noch nicht ausgerufen hat. Man sagt, es sei noch zu früh, eine solche Aussage zu treffen, aber ich denke, man hat dort ein recht gutes Verständnis dessen, was noch passieren wird. Was wir gerade sehen, sieht einfach nur wie eine anhaltende, schwere Rezession aus. Die nächste Abwärtsbewegung wird besonders schmerzhaft werden und, wie ich fürchte, auch besonders langwierig.


The Gold Report: Kann die Regierung dieses Jahr überhaupt noch irgendeinen Stimulushebel ziehen?

John Williams: Oh, ich denke, dass werden sie tun. Aber von dem, was sie machen können, wird so gut wie gar nichts längerfristige Auswirkungen haben. Wenn sie einen Scheck ausstellen, dann ziehen die Leute los und kaufen sich Dinge. Das würde der Wirtschaft einen kurzen Auftrieb geben, aber nichts an den grundlegenden Fundamentaldaten ändern oder aber strukturelle Probleme im Verlauf dieser Rezession korrigieren. Und diese stehen im Zusammenhang mit fehlendem robustem Wachstum bei den Verbrauchereinkommen.


The Gold Report: Das Einkommen der Verbraucher ist also der Schlüsselfaktor.

John Williams: Genau. Schaut man auf den Bereich Wohnen und Immobilien ganz allgemein, der mit den Konsumenten in Verbindung steht, so hat man hier Dreiviertel des BIP. Der Durchschnittshaushalt hält nicht mit der Inflation Schritt und solange die Einkommen nicht stärker steigen als die Inflation, wird die Wirtschaft auch nicht stärker als die Inflation wachsen - und das bedeutet, dass das BIP nicht wächst. Die Einkommen tragen den Konsum. Wenn die Einkommen steigen, steigt der Verbrauch. Der einzige Weg zu einem nachhaltigen langfristigen Wirtschaftswachstum ist also ein gesundes Wachstum der Einkommen. Man kann sich kurzfristiges Wirtschaftswachstum erkaufen, aber nicht durch steigende Einkommen, sondern durch erhöhte Verschuldung - das, was Greenspan versuchte.

Bevor dieser Abschwung einsetzte, hatte es zehn Jahre lang Wachstum gegeben, das sich hauptsächlich auf Schuldenexpansion zurückführen lässt. Die Schuldenstrukturen sind ziemlich böse in Mitleidenschaft gezogen wurden und die Konsumenten nehmen nicht noch weitere Kredite auf, ganz einfach weil er ihnen nicht zur Verfügung steht. Keine Schuldenexpansion und/oder keine deutlich steigenden Einkommen: Der Verbraucher kann seinen persönlichen Konsum gar nicht steigern. Man müsste bei den Arbeitsplätzen ansetzen, bei der Qualität der Jobs.


The Gold Report: Sie sagen also, die Probleme mit der Qualität und nicht Quantität der Arbeitsplätze würden auf Greenspan zurückgehen - noch bevor die Rezession einsetzte.

John Williams: Ja. Eine Menge gut bezahlter Arbeitsplätze ging an die ausländische Konkurrenz verloren, durch US-Unternehmen, die ihre Betriebsstätten nach Übersee verlegten sowie durch Outsourcing in andere Länder. Das war die Haupttriebkraft sinkender Einkommen der Haushalte.


The Gold Report: Die Option der Schuldenexpansion besteht nicht wirklich mehr und es ist zweifelhaft, ob kurzfristige Stimuli überhaupt noch größere Auswirkungen zeigen können. Wenn wir die nächste Abwärtsbewegung jetzt vor diesen Hintergrund betrachten, wo würden sie dann die zukünftige Arbeitslosigkeit, die Immobilienpreise und das BIP gegen Ende 2010 und im Jahr 2011 sehen?

John Williams: Die Arbeitslosigkeit viel höher ausfallen, als die meisten vermuten. Der Immobiliensektor wird weiterhin unter der schwachen Nachfrage zu leiden haben. Aber unter diesen verrückten, ja fast widernatürlichen Umständen wird die erneute Schwäche dazu beitragen, dass wir kräftige Inflation bekommen werden. Immobilien laufen besser bei steigender Inflation, doch nicht für jeden ist Inflation ein glücklicher Umstand.

Der Staat ist gewissermaßen bankrott. Wenn man GAAP-Bilanzierungsgrundsätze anlegt, liegt das jährliche Defizit irgendwo zwischen vier und fünf Billionen Dollar. Das lässt sich nicht aufrechterhalten. Der Staat kann das nicht durch Steuern decken. Er wäre immer noch im Defizit, würden 100% der Privateinkommen und der Unternehmensgewinne eingenommen. Er wäre auch dann noch im Defizit, wenn jeder einzelne Penny an Staatsausgaben gekürzt würde - Sozialversicherung und Medicare ausgenommen. Washington ist nicht gewillt, die Sozialprogramme drastisch zu kürzen und die Neigung zu immer mehr Staat zu unterdrücken. Die einzige mögliche Option, die der Regierung noch bleibt: Geld muss letztendlich gedruckt werden, für Verpflichtungen, die ansonsten nicht beglichen werden können - was der Hyperinflation den Weg ebnet.

Alles, was ich gerade beschrieben habe, gab es auch schon vor dem Hereinbrechen der systemischen Solvenzkrise. Auch schon vor dieser Krise war der Staat im Grunde bankrott. In ihrer Krisenreaktion ist die Regierung vielleicht sogar weiter gegangen sein, als sie eigentlich hätte müssen - der Versuch, einen systemischen Kollaps aufhalten zu wollen, ist jedoch irrig und konservativ. Dieser Zusammenbruch war ein reales Risiko. Und ist es immer noch.

Ich würde behaupten, die Regierung wird alles Erdenkliche unternehmen, um einen systemischen Zusammenbruch zu verhindern - abgesehen von der Politik der großen Staatsausgaben, der quantitativen Lockerung, neuer Bankenrettungen und all dem. Dieser letzte Maßnahmenkatalog bewirkte, dass die Defizite schnell explodierten. Innerhalb von nur einem Jahr stieg es nach offiziellen Berichten von unter 500 Milliarden $ auf knapp 1,5 Billionen $ - und das umfasst nur die reinen Geldmittel, die GAAP-Grundsätze kommen dabei nicht zur Geltung.





The Gold Report: Wie stark werden die Defizite in dieser zweiten schmerzlichen und langwierigen Phase ansteigen?

John Williams: Ich kann Ihnen da keine genauen Zahlen nennen, aber ich kann Ihnen Folgendes sagen: Die Märkte kamen in dieses Jahr mit Konsensberechnungen, denen zufolge es positives Wirtschaftswachstum geben sollte. Prognosen für des Staatsdefizit, die staatlichen Budgets, die Solvenz des Bankensystems etc. - all diese Prognosen gründeten auf der Annahme, es werde eine Erholung und positives Wachstum geben. Und eben diese Annahme liegt aller Wahrscheinlichkeit auch noch dem aktuellen Aktienmarkt zugrunde, den ich als irrational bezeichnen würde.

Aber diese Vorausberechungen und Annahmen waren falsch. Wir werden negatives Wachstum bekommen. Der Abschwung wird sich intensivieren. Wir haben keine Erholung. Wir haben Bundesstaaten, die sich am Rande des Bankrotts befinden. Die Bundesregierung wird Kalifornien, New York oder Illinois nicht zusammenbrechen lassen. Das systemische Überleben ist dadurch bedroht. Man wird auch noch viel mehr ausgeben, um die Arbeitslosen zu unterstützen. Von politischer Taktik im Wahljahr etc. einmal abgesehen, so bleibt auch noch der Bankensektor, der erneut Bailouts benötigt, weil die Solvenzfrage wieder in den Mittelpunkt rückt. Das Staatsdefizit wird sich stark aufblähen. Es wird sich stärker aufblähen, als man mit irgendeiner jener Formeln berechnen könnte und die staatliche Finanzierung muss zwangsläufig explodieren.


The Gold Report: Sie sehen also ganz deutlich, dass wir außer Kontrolle geraten.

John Williams: Wir reden immer über eine Rezession der Wirtschaft, aber wir befinden uns eigentlich auf dem Weg zu etwas viel schlimmeren. Nach meiner Definition haben wir eine Depression, wenn die Wirtschaftsleistung insgesamt um mindestens 10% zurückgeht. Was die Gesamtwirtschaft angeht, haben wir einen 10%igen Rückgang des BIPs noch nicht erreicht. Daher befinden wir uns formal auch nicht in einer Depression, aber wir können es an einer Reihe von Indikatoren ablesen - und ich denke, wir werden uns in naher Zukunft, dann wenn das BIP schließlich um 10% gesunken ist, in einer Depression befinden.

Wenn die Wirtschaft, insgesamt betrachtet, um mehr als 25% geschrumpft ist, sprechen wir von einer großen Depression. Und eben das sehe ich kommen; aber es wird die Hyperinflation sein, die uns dorthin bringt und der sich daraus ergebende Stillstand des normalen Handelsverkehrs.


The Gold Report: Viele Leute verstehen unter Hyperinflation ganz unterschiedliche Dinge. Wie ist Ihre Definition?

John Williams: Meine Definition war und ist sehr simpel und das wird sie auch bleiben. Wenn die größte zirkulierende Banknote (und im Fall des US-Dollars ist es die 100 $-Note) denselben Wert wie Toilettenpapier hat, dann haben wir eine Hyperinflation. Das ließ sich in der Weimarer Republik beobachten. Die Menschen tapezierten damals ihre Wände mit Geld.


The Gold Report: Ich glaube, Sie hatten damals gesagt, die Wirtschaft Zimbabwes hätte nur überleben können, weil man anfing, den Dollar als Schwarzmarktwährung zu benutzen.

John Williams: Aber in den Vereinigten Staaten hat man nichts, auf das man zurückgreifen könnte. In den USA werden wir insgesamt viel härtere Zeiten haben als in Zimbabwe. Zimbabwe konnte funktionieren, weil die Menschen ihre lokale Währung in Dollars tauschen konnten und anschließend Dinge mit diesen Dollars kaufen konnten. Die Wirtschaft konnte somit weiterfunktionieren. Wenn die Währung wertlos wird und kein solches Sicherungssystem existiert, werden alle logistischen Ketten schwer gestört. Wenn die Menschen nichts zu essen haben, werden wir schließlich sehr gefährliche Zustände haben.


The Gold Report: Denken Sie, dass Edelmetalle oder eine andere Währung wirkliches Potential als Sicherungssysteme haben?

John Williams: Na ja, schon. Ich denke, sie werden sich sehr schnell zu einem solchen Sicherungssystem entwickeln, aber wir haben bisher keinen so weit entwickelten Schwarzmarkt für eine andere Währung, denn der Dollar bleibt die Weltreservewährung. Alles Mögliche kann sich daraus entwickeln, was wir nicht vorhersehen können. Was könnte benutzt werden, um die Funktion des Dollars zu ersetzen? Gold und Silber? Es gibt nur ein begrenztes Angebot an Edelmetallen und im Allgemeinen besitzt die breite Bevölkerung kaum Edelmetalle. Harte Währungen aus Kanada oder Australien? Sie würden dafür nicht in ausreichendem Maße zirkulieren, zumindest nicht zeitnah. Ich denke, es wird in Richtung eines Tauschsystems gehen, solange bis sich das nationale Währungssystem stabilisiert hat, aber das Währungssystem kann sich nicht stabilisieren, solange die Staatsfinanzen nicht in Ordnung und unter Kontrolle sind.

Es ergibt keinen Sinn, eine neue Währung basierend auf einem Goldstandard einzuführen, wenn man auch weiterhin über seine Verhältnisse lebt, denn dann wird es am Ende nur regelmäßige Entwertungen gegenüber Gold geben. Also: Was immer auch getan wird, um eine neues Währungssystem einzuführen, es muss in jedem Fall mit einer gründlichen Instandsetzung der staatlichen Finanzsituation einhergehen. In der Zwischenzeit würde sich eben ein Art Tauschsystem herausbilden. Aber selbst das wird möglicherweise etwa sechs Monate brauchen, um sich zu stabilisieren.


The Gold Report: Man kann sich das kaum vorstellen.

John Williams: In der Weimarer Republik konnte man eines Abends in ein feines Restaurant gehen und die teuerste Flasche Wein zusammen mit einem guten Gericht genießen. Bevor man sich setzte, wurde sicherlich der Preis ausgehandelt, denn nach dem Abendessen wäre der Preis schon wieder gestiegen. Am nächsten Morgen wäre die leere Weinflasche als Altglas schon mehr Wert gewesen als die teuere Flasche am Abend zuvor. So schnell ändern sich die Dinge in einer Hyperinflation.

Wir haben aber jetzt einen Umstand, den es in der Weimarer Republik nicht gegeben hatte: Unsere Gesellschaft ist sehr stark abhängig vom elektronischen Geld. Sagen wir, Sie haben eine Kreditkarte mit einem Limit von 10.000 $. In einer Hyperinflation könnten diese 10.000 $ noch für ein Brotlaib reichen.





The Gold Report: Und das gesamte Bargeld, das in den Vereinigten Staaten umherläuft, bildet ja nicht einmal ab, was in Wirklichkeit auf elektronischem Weg hin und her geht. Wenn man seine Bankkarte nicht mehr nutzen kann, wie zahlt man dann seinen Kaffee bei Starbucks? Und wie werden sich Unternehmen und Banken darauf einstellen?

John Williams: Ich kann mir nicht vorstellen, wie elektronische Zahlungen als Tausch-Äquivalent funktionieren können. Das wäre ein sehr ausgeklügeltes, kompliziertes System und die Bedürfnisse und Nöte werden unmittelbar sein. Wenn sich eine Hyperinflation durchsetzt, dann kann sie sich innerhalb von Wochen, Monaten voll entfalten. Man muss also fähig sein, alle Dinge schnell in den Griff zu bekommen. Offen gestanden denke ich, dass das System eher zusammenbrechen wird. Keine schöne Angelegenheit. Wie will eine kleine Firma ihre Güter an die Menschen bekommen? Es könnte Stromausfälle geben. Wer wird dafür sorgen, dass die Brennstoffe zu den Kraftwerken kommen?


The Gold Report: Und dass das Benzin an die Tankstellen kommt, für die Autos jener, die immer noch einen Job haben?

John Williams: Yup. Es wird sehr schwierig werden. Die Gesellschaft wird nicht mehr wie zuvor funktionieren. Die Menschen werden einen Weg finden, aber es wird eine Weile dauern, bis sich die Dinge stabilisieren.

In einer elektronischen Gesellschaft werden die Unternehmen kreatives Denken aufbieten müssen. Ich bin sicher, dass es Leute geben wird, die Wege und Möglichkeiten finden, wie man sich an diese Veränderungen anpassen kann, aber es wird ein verlustreicher und teurer Prozess sein, der die gewohnten Einnahmeflüsse mit Sicherheit schmälert - zumindest die inflationsbereinigten.


The Gold Report: Ich wage kaum noch, diese Frage zu stellen, aber wie werden die Aktienmärkte abschneiden, wenn das System zusammenbricht?

John Williams: Aktien neigen dazu, die Inflation widerzuspiegeln, da die Einnahmen und Gewinne in inflationierten Dollars gemacht werden. Wenn Sie sich die inflationsbereinigten Aktienpreise anschauen, so kann es einen Bärenmarkt wie auch einen Bullenmarkt geben. Aber es werden keine guten Zeiten für die Wirtschaft sein. Daher denke ich, dass wir inflationsbereinigt einen richtig schlechten Aktienmarkt haben werden. Ich würde nicht in US-Aktien investieren. Wenn die US-Märkte ernste Probleme haben, dann werden voraussichtlich auch die Aktienpreise im Rest der Welt fallen, dort wird man aber nicht diese Hyperinflation haben.


The Gold Report: Was wir uns in den Abgrund stürzen? Und wann?

John Williams: Ich denke, die Chancen sind extrem hoch, dass es innerhalb des nächsten Jahres zum Einbruch kommt. Ich würde jetzt sagen, all das ist noch sechs Monate bis ein Jahr entfernt. Wir bekommen gerade außergewöhnliche Proteste von anderen Zentralbanken zu spüren, die sich über die US-Finanzen, die Solvenz der USA und das Dollar-Risiko beschweren. Vor der aktuellen Krise hätte wohl kein anderer Zentralbanker solche Kommentare abgegeben. Wenn das System nun einbricht, werden alle erkennen, dass die USA den Weg der Dollarentwertung einschlägt.

Den USA wird auch keine andere Wahl bleiben. Ich würde fest damit rechnen, dass ausländische Besitzer von Staatsanleihen versuchen werden, ihre Papiere auf den Markt werfen. Wenn der Dollar dann einbricht, wird es dem Finanzministerium nicht mehr möglich sein, an das Kapital zu gelangen, das nun einmal an den offenen Märkten aufgenommen werden muss.

Die Fed wird einspringen, um die Situation zu retten; sie wird für das Finanzministerium zum Kreditgeber der letzten Instanz, und sie wird die Schulden des Finanzministeriums im wahrsten Sinne des Wortes monetisieren. Die Fed könnte zwar noch auf anderen Wegen versuchen, die Situation des Dollars zu beeinflussen - von einer Anhebung der Zinssätze bis hin zu direkten Interventionen, der plötzlichen Einführung von Währungskontrollen. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, was da kommen wird. Aber es wird ein allgemeines Klima vorherrschen, dass wirklich für einen "perfect storm" für den US-Dollar sorgen wird. Ich mag den Begriff überhaupt nicht, aber hier passt er gut.

Ein intensiver Abverkauf des Dollars wird sich dabei besonders inflationär auswirken. Die Ölpreise werden aufgrund der Schwäche des Dollars in die Höhe schnellen. Das Öl ist der Schlüsselrohstoff, der die Inflation der Verbraucherpreise antreibt; auf diese Weise kann es Inflation in einer Rezession geben. Allgemein wird immer gedacht, wenn eine hohe Nachfrage auf ein begrenztes Angebot trifft, entsteht Inflation, es kann aber auch Inflation aufgrund von verzerrten Rohstoffpreisen geben, was damals "73 der Fall war und was wir quasi das letzte Jahr über beobachten konnten.

Der größte Teil der jüngsten Volatilität im Verbraucherpreisindex geht auf Fluktuationen der Ölpreise zurück, welche direkt an den Wert des US-Dollars gebunden sind. Liquide US-Dollar-Anlagen in Höhe von ca. 7 Billionen $, die den US-Markt von außerhalb umgeben, könnten über Nacht abverkauft werden. Es wird wohl viel Druck geben, dass all diese Liquidität wieder in unserem System akzeptiert wird - und das wird stark inflationäre Auswirkungen haben. Die Optionen der Fed werden sehr begrenzt sein, aber ich gehe wieder davon aus, dass sie erneut versuchen werden, die systemische Solvenz aufrechtzuerhalten.

Am Ende werden wir schließlich die Situation haben, dass sich der Dollar unter heftigem Verkaufsdruck befindet. Angesichts der deutlich steigenden Preise für Benzin und Heizöl wird das inflationsbereinigte Einkommen der Leute immer knapper. Die monetäre Inflation wird sich auf dem Weg der direkten Monetisierung der Staatsschulden breit machen. Wie ich schon zuvor erklärt hatte, hängen die hypothekarisch gesicherten Wertpapiere, die aus den Bilanzen der Banken genommen wurden, jetzt quasi als Überschussreserven bei der Fed. Bisher hatte das keine inflationäre Wirkung, denn sie gingen nicht in das Geldangebot ein.


The Gold Report: Wir werden wir all das bewältigen, John?

John Williams: Auch wenn es keine Lösung für das System geben sollte - und ich sehe gerade keine, ich denke, es muss sich einfach auslaufen - so gibt es immer noch einen positiven Aspekt. Wir als Individuen haben immer schon Mittel und Weg gefunden, uns, unsere Familien, unsere Freunde, unsere Geschäfte, was immer uns auch wichtig ist, zu verteidigen. Und dazu müssen wir den Wert unseres Vermögens und unserer Anlagen bewahren, um den Sturm durchstehen zu können. So schrecklich er auch sein mag, er wird zu Ende gehen. Die Zeit wird kommen, in der sich die Dinge selbst korrigieren und die Menschen, die ihn überleben konnten, werden zu außergewöhnlichen Dingen fähig sein.






The Gold Report: Und was würden Sie dem Einzelnen empfehlen, wie er sein Vermögen und seine Anlagen bewahren kann?

John Williams: Indem er etwas Gold, Silber, Edelmetalle hat. Ich rede hier vom physischen Besitz. Am besten Münzen, denn Münzen - inländische Nominalmünzen - werden auch als solche erkannt und akzeptiert. Bei ihnen bestehen keine Liquiditätsprobleme. Ein gute Sache sind Vermögensanlagen außerhalb der USA und mit Sicherheit auch Anlagen außerhalb des US-Dollars. Ich mag besonders den Australischen Dollar, den Kanadischen Dollar und den Schweizer Franken. In Australien, Kanada und der Schweiz wird man nicht dieselbe Hyperinflation durchleben müssen wie in den USA, diese Währungen werden tendenziell als Art der Vermögenssicherung funktionieren. Über lange Zeiträume betrachtet sind Immobilien und Grundstücke ein traditioneller Wertspeicher, sie sind jedoch nicht beweglich und manchmal auch nicht liquide.

Wenn ich mit meiner Einsätzung der vor uns liegenden Dinge richtig liege, dann sind weitgehende Veränderungen in der Regierungspolitik möglich; man könnte sich vorstellen, dass die Regierung so weit nach links abrückt, dass vielleicht privates Wohn- und Grundstückseigentum nicht mehr erlaubt sein wird. Wenn man unter diesen Umständen viel Vermögen in Immobilien und Grundstücken hat, dann ist das vielleicht nicht so gut. Im Allgemeinen sind Immobilien meiner Meinung nach nicht schlecht, aber man muss auch die Risiken betrachten. Setzten Sie Ihren gesunden Menschenverstand ein. Denken Sie verschiedene Möglichkeit durch, wie es laufen könnte und was passieren könnte.

Aber vor allem: Bauen Sie Vorratsbestände auf, mehr als Sie normalerweise innerhalb einiger Monate verbrauchen würden - vor allem Nahrungsmittel, Wasser und Konserven. Diese Dinge können Ihnen das Leben in vielerlei Hinsicht retten. Wenn Sie genug Nahrung für sich haben und noch etwas übrig bleibt, dann können Sie damit tauschen gehen. Ich habe jemanden getroffen, der eine Hyperinflation durchgemacht hat und der kleine Flaschen mit gutem Scotch, so wie man sie in Flugzeugen bekommt, zu Tauschzwecken sehr praktisch fand. Kaufen und lagern Sie Dinge, die Sie ansonsten immer nachkaufen würden und verbrauchen Sie aus ihren länger lagernden Beständen. Kaufen Sie nicht irgendwelche Sachen, die Sie nie benutzen werden. Behalten Sie, was unter diesen Umständen für Sie sinnvoll ist und Zweck hat. Stellen Sie sicher, dass sie haltbare Sachen haben. Dinge, die nicht zu schnell verfallen.

Ich hatte einen Professor in Dartmouth, der eine Weile unter hyperinflationären Bedingungen gelebt hatte, die schließlich in ein Tauschsystem mündeten. Er erzählte uns, wie sein Vater sein Hemd gegen eine Sardinendose eintauschte. Er wollte nun die Sardinen essen, was ein Fehler war, weil sie schon schlecht waren. Aber nichtsdestotrotz hatte diese Sardinenbüchse einen monetären Wert angenommen. Wenn Sie also mit bestimmten Dingen handeln wollen, dann achten Sie darauf, was sie machen.


The Gold Report: Wie lange halten solche hyperinflationären Bedingungen normalerweise vor?

John Williams: Ich denke, dass hängt davon ab, wie gut sich die Menschen mit diesen Bedingungen einrichten können. In Zimbabwe hielt das einige Jahre an, aber dort gab es auch die Möglichkeit, dass es funktionieren konnte. Hier aber, in einem System, das damit nicht gut funktionieren kann, wird es wohl nicht allzu lange dauern. Man wird keine einsatzfähige Währung haben. Es wird sich wahrscheinlich ein Tauschsystem durchsetzen und sollte es sich stabilisieren und gut funktionieren, dann könnte es eine Weile bestehen bleiben. Die Leute wollen nicht hungern. Aber sollte es wirklich dazu kommen, dann werden sie handeln, um sich selbst zu schützen. Es wird dann möglicherweise öffentliche Unruhen geben. Die Regierung könnte das Kriegsrecht ausrufen. Sollten die Menschen bequem mit der Hyperinflation leben können, dann würden die Umstände tendenziell länger anhalten. Je schwieriger die Dinge sind, desto schneller werden sich die Menschen bewegen, um eine Lösung zu finden.


The Gold Report: Dahingehend noch eine Frage: Können wir als wählende Bürger irgendetwas tun, um dies zu verhindern? Oder um die Auswirkungen abzuschwächen?

John Williams: Falls alles so langsam zusammenbricht, dass die Menschen sehen können, was da kommt und auch darauf regieren können, dann würden Wahlen vielleicht große Veränderungen bringen. Den Amtsinhabern stehen harte Zeiten bevor. Es herrscht ein Klima, in dem sich eine dritte große Partei entwickeln könnte, die die Republikaner bzw. die Demokraten als zweitwichtigste Partei aus dem Rennen werfen könnte. Mit der Zeit werden Geldfragen die Wahlen dominieren.

Solange alles gut läuft und die Menschen wohlhabend sind, blenden sie Korruption in den politischen Kreisen aus, sie ist einfach nur ein Teil des Systems. Wenn es aber schmerzt, dann werden sie ungemütlich und wollen Veränderungen durchsetzen. Und wir brauchen mit Sicherheit Veränderung. Das kann ich Ihnen sagen. Es geht dabei nicht nur um eine der beiden Partei. Beide Parteien trifft die gleiche Schuld an dem, was vor sich geht. Egal welche der beiden Parteien gerade an der Macht ist, sie macht es immer nur noch schlimmer.


The Gold Report: Nicht gerade sehr angenehme Gedanken, aber wir bedanken uns für die Einblicke und würden uns freuen, in der nächsten Zeit wieder mit Ihnen sprechen zu können.


© Karen Roche
The Gold Report






Walter J. "John" Williams, ein "Baby Boomer", arbeitete über 25 Jahre als privater Wirtschaftsberater und Spezialist für staatliche Wirtschaftsberichterstattung. Er arbeitete mit verschiedensten Privatpersonen wie auch Fortune-500-Unternehmen zusammen.

Er schloss seinen Bachelor in Wirtschaft am Darthmouth College 1971 mit Auszeichnung ab und machte anschließend 1972 seinen Master an der Darthmouth Amos Tuck School of Business Administration. Seine frühen Arbeitserfahrungen brachten John in engeren Kontakt mit Wirtschaftsberichtserstattung, er befragte er dahingehend wichtige Regierungsvertreter und führte Umfragen unter Betriebswirten durch, in denen es um die Qualität staatlicher Statistik ging. Das hier Erlernte sollte ihn auf die Titelseiten der New York Times und des Investors Business Daily bringen, zudem gewann er mediale Präsenz im TV und im Radio, er wurde zudem zu einem gemeinsamen Treffen aller staatlichen Statistikagenturen eingeladen. Die staatliche Berichterstattung habe sich, so Williams, trotz zahlreicher systematischer Änderungen, in den letzten zehn Jahren deutlich verschlechtert. Das hat aber zumindest den Effekt, dass John und seine Wirtschaftsberatung, Shadow Government Statistics (www.ShadowStats.com), hoch im Kurs bleiben. Seine Analysen und Kommentare finden in den populären Medien im In- und Ausland breiten Anklang.

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Dieser Artikel wurde am 06. August 2010 auf www.theaureport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.[/i]