Doug Casey: Der Tag der Abrechnung ist nah (Teil 1/2)
29.08.2012 | The Gold Report
Es ist ein Pakt mit dem Teufel: Für ihr Versprechen dauerhafter Prosperität stellen die Regierungen Geld wie am Fließband her. Aber nach Ansicht von Doug Casey, Vorsitzender von Casey Research und Experte für Kriseninvestitionen, ist der Tag der Abrechnung nah. Der epische Kampf zwischen Inflation und Deflation hält an. In diesem Exklusivinterview mit dem Gold Report erläutert Casey seine Prognosen für den neuen Weltmarkt.
The Gold Report: Im September wird es in Carlsbad (US-Bundesstaat Kalifornien) ein Casey-Research-Treffen zum Thema "NavigatingPoliticized Economy" geben. Dem Leitmotiv dieses Gipfel liegt die These zugrunde, dass viele Staaten einen faustischen Pakt mit dem Teufel geschlossen haben, der die Imperien durch überhöhte Staatsausgaben rettet, sie durch Fiat-Währungsschöpfung gleichzeitig aber auch an den Rand des Zusammenbruchs bringt. Mr. Casey, in welcher Phase befinden sich diese Wirtschaften jetzt?
Doug Casey: In einer extrem späten Phase. Seit dem 2.Weltkrieg, insbesondere seit 1971, als die Verbindung zwischen Dollar und Gold gekappt wurde, haben die Staaten und Regierungen dieser Welt die keynesianischen Wirtschaftstheorien angenommen, welche letztendlich davon ausgeht, Geldschöpfung könne die Wirtschaft stimulieren und Wohlstand schaffen. In der Konsequenz wurden gewaltige Mengen privater und öffentlicher Schulden aufgetürmt. Diese Mengen sind nicht mehr zu bewältigen. All das hat aber nur ein paar zusätzliche Jahre künstlicher Prosperität gebracht, im Endeffekt rutschen wir aber nur immer weiter in eine sehr reale Depression ab.
Ich will kurz das Wort Depression definieren: Eine Depression ist eine Phase, in der die Lebensstandards der meisten Menschen deutlich zurückgehen. Sie kann auch als Phase definiert werden, in der ökonomische Verzerrungen und Fehlallokationen von Kapital - die in der Regel durch staatliche Interventionen verursacht werden - aufgelöst und liquidiert werden.
Wir haben mehr konsumiert, als wir produzierten und wir haben über unsere Verhältnisse gelebt. Möglich wurde das durch 1.) Kreditaufnahme gegen hochgerechnete zukünftige Einnahmen und 2.) durch die Nutzung der Ersparnisse der Menschen. Und dieses ganze Gebilde wird jetzt auseinanderbrechen. Ein neues Geldsystem wird notwendigerweise aus der Asche entstehen müssen. Das ist ein wichtiges Thema auf der kommenden Konferenz.
The Gold Report: Werden neue quantitative Lockerungen (QE) dafür sorgen, dass wir noch einmal einige Jahre künstlicher Prosperität bekommen?
Doug Casey: Das ist höchst unwahrscheinlich. Das ist das Ende dieser Geschichte und nicht ihr Anfang. Mehr QE - eigentlich mag ich diese Bezeichnung überhaupt nicht, weil es in Wirklichkeit nur Geldschöpfung ist. Ich hasse Euphemismen - Wörter, die etwas besser klingen lassen sollen, als es in Wirklichkeit ist. Euphemismen gehören, wie auch Übertreibungen, in die Welt der Politiker und Komödianten. Egal, die nächsten Geldschöpfungsprogramme werden schnelle, radikale Steigerungen der Einzelhandelspreise verursachen. Und daraus entwickelt sich kein Wohlstand, sondern eher das Gegenteil.
The Gold Report: In unserem letzten Interview meinten Sie, wir wären auf dem Weg in eine Depression, die größer als die von 1933 sein wird. Könnten Sie näher beschreiben, worin die Unterschiede zu damals liegen werden?
Doug Casey: Damals in den 1930ern erlebten wir eine deflationäre Depression, bei der Milliarden Dollars durch den Zusammenbruch des Aktienmarkts, durch Anleiheausfälle und Bankenzusammenbrüche vernichtet wurden. Inflationäres Geld, das seit der Gründung der Federal Reserve im Jahre 1913 geschöpft wurde, wurde vernichtet. Die Preise sanken. Diese neue Depression wird aber anders sein, weil die staatlichen Institutionen und die öffentliche Hand viel mehr Macht haben.
Sie versuchen, unrentable Unternehmungen vor dem Zusammenbruch zu retten, man wird diese stützen, so wie es bei Fannie Mae und General Motors der Fall gewesen ist. Man wird mehr Geld schöpfen und das Sterben der Todkranken verhindern. Man wird nicht zulassen, dass Geldmarktinstrumente zusammenbrechen und ausfallen. Man wird Anstrengungen unternehmen, damit die Geldmarktfonds weiter das Dollar-Zeichen tragen. Man wird versuchen, die Pyramide noch höher zu bauen. Das ist in der Tat dumm und idiotisch. Aber es wird eben passieren.
The Gold Report: Und das macht man eben mithilfe von Geldschöpfung, Die erste Geldschöpfungsrunde war für das Bankensystem bestimmt, aber dann ließ das Bankensystem nicht zu, dass ein Teil davon in Form von Krediten weitergegeben wurde. Kann hier nicht möglicherweise Deflation entstehen, wenn das Geld nicht in die allgemeine Wirtschaft gelangen kann?
Doug Casey: Richtig. Der Staat hat mehrere Billionen Währungseinheiten geschöpft, um die Banken zu retten. Die Banken haben dieses Geld benutzt, um ihre Bilanzen abzustützen, sie haben es aber nicht weiterverliehen, weil sie Kreditvergabe fürchten. Und viele Menschen fürchten neue Kreditaufnahmen. Diese Währungseinheiten stecken derzeit praktisch in staatlichen Schatzbriefen. Obwohl Geld geschöpft wurde, zirkuliert es nicht.
Aber irgendwann wird es weiterfließen. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass die Zinssätze auf einem unnatürlich niedrigen Niveau gehalten wurden, so dass die Verzinsung nicht die viel höhere Preisinflation ausgleichen kann. Irgendwann werden die Banken nicht mehr zusehen, wie ihre Milliardenbestände weginflationiert werden, sie werden etwas anderes mit diesem Geld anstellen. Es wird in die Wirtschaft fließen. Und die Einzelhandelspreise werden dann steigen.
The Gold Report: Wird es noch eine weitere Runde Geldschöpfung benötigen, damit der Zusammenbruch einsetzt? Oder wird es sowieso passieren, auch wenn kein neues Geld mehr geschöpft wird, weil es aktuell ja noch in den Banken steckt?
Doug Casey: Im Grunde muss schon gar kein neues Geld mehr geschöpft werden. Die Frage ist nur, ob die Banken anfangen, Kredite zu vergeben und ob die Menschen Kredite aufnehmen. Es gibt eine weitere Möglichkeit: Die im Ausland gehaltenen Dollarbestände - das sind ca. 7 Billionen Dollar - werden während einer Panik auf den Markt geschmissen. Ich sehe nicht, wie sich deutlich erhöhte Inflation vermeiden ließe, außer es würde natürlich zu einer katastrophalen Deflation kommen, die wir mit dem Zusammenbruch des Immobiliensektors schon fast gehabt hatten.
The Gold Report: Welche Rolle wird Europa dabei spielen? Wie zumindest aus den großen populären Massenmedien zu erfahren ist, dürfte Europa näher am Bankrott stehen, als die USA.
Doug Casey: Europa ist den USA dabei schon ein ganzes Stück voraus. Die Staaten der Eurozone sind bankrott wie auch ihre Banken. Sie sind aktuell wie eine Gruppe Betrunkener an der Straßenecke, die sich gegenseitig stützen. Der Zustand Europas ist viel schlimmer als der der USA. Europa ist stark reguliert, hoch besteuert und sozial viel instabiler.
Europa wird das Epizentrum des kommenden Sturms sein. Japan wartet auf seinen Auftritt, wie auch China. Es wird sich zu einem weltweiten Phänomen ausweiten. Natürlich werden auch die USA dran sein. Es wird ja überall auf der Welt passieren.
The Gold Report: Wenn Europa über den Rand des Abgrunds tritt, auf den es sich seit mehr als einem Jahr zubewegt, würde das Inflation in den USA bewirken oder würden Sie dann eher eine katastrophale Deflation erwarten?
Doug Casey: Diesen Streit gibt es schon seit mindestens vierzig Jahren? Wie wird alles enden? Katastrophale Deflation oder galoppierende Inflation? Diese Frage ist sicherlich nicht entschieden, obgleich ich auf jeden Fall zum inflationären Szenario neige. Wird es in Europa beginnen? Wie genau wird es beginnen? All das wird sich erst zeigen, wenn es passiert.
The Gold Report: Sie sagen, Sie "neigen” zu diesem Szenario. Sind Sie denn nicht sehr überzeugt davon, dass die Zukunft inflationär wird?
Doug Casey: Ich denke, sie wird inflationär, wohingegen es in den 1930ern zu einem deflationären Zusammenbruch kam. Die staatlichen Institutionen sind heute viel mächtiger und wirtschaftspolitisch viel involvierter als damals. Ich glaube schon, dass sie die Macht haben, sinkende Preise durch ausreichende Geldschöpfung zu verhindern. Dummerweise setzen sie steigende Preise fast schon mit Wohlstand und Wachstum gleich.
Gäbe es eine völlig freie Marktwirtschaft, würden die Preise konstant sinken. Und das ist gut, denn wenn die Preise konstant sinken, bedeutet das auch, dass Geld wertvoller wird. Das veranlasst die Menschen, Geld zu sparen. Wenn Geld gespart wird, bedeutet das, dass sie mehr produzieren, als sie konsumieren - und das ist eine gute Sache. Die staatlich mitgestalteten Strukturen bewirken aber, dass sie Preise ständig steigen. Damit wird das Sparen unattraktiv, weil das Geld der Menschen konstant an Wert verliert, was die Aufnahme von Krediten attraktiver macht. Inflation veranlasst die Menschen dazu, nach Möglichkeit mehr zu verbrauchen als sie produzieren, was langfristig unhaltbar ist.
The Gold Report: Das heißt also: Wenn der derzeitige Wert des Geldes höher ist als der zukünftige, dann wird Schuldenaufnahme attraktiver?
Doug Casey: Genau. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das ein gutes Ende nehmen könnte. Wir nähern uns der Stunde der Abrechnung.
The Gold Report: Sie sagten, die titanischen Kräfte der Inflation und der Deflation stünden sich in einer epischen Schlacht gegenüber, und das würde zu extremer Marktvolatilität führen. Wenn ich aber jetzt auf diesen Sommer zurückblicke, dann schien es doch alles ziemlich ruhig zu sein. Es macht den Eindruck, als gäbe es eine langsame Erholung. Gold ankert bei der 1.600 $-Marke. Der S&P 500 testet die 1.400 Punkte. Ist das nur eine Pause in dieser epischen Schlacht?
Doug Casey: Nichts steigt oder sinkt kerzengerade. Ich komme gerade erst von einer Autoreise zurück - es ging quer durchs Land, von Florida, hoch zur Ostküste, nach New York und dann nach Colorado. Es war eigentlich fast schockierend, dass ich so oft Probleme hatte, ein Motelzimmer zu finden - selbst in der Pampa. Die Restaurants waren voll. Die Highways waren voller Autos. Es sah viel eher nach einem Boom aus, nicht nach einer Depression. Gleichzeitig liegt die wahre Arbeitslosenquote, so wie sie noch Anfang der 1980er berechnet wurde, bei ca. 16% -18%. Die Menschen leben auf Kreditkarte. Ich glaube, in Europa ist es genauso.
The Gold Report: Allem Anschein nach hatten wir diesen Monat kaum Marktvolatilität, abgesehen von den technischen Störungen bei Knight Capital. Erwarten Sie, dass die Marktvolatilität wieder deutlich zunehmen wird?
Doug Casey: Auf der einen Seite investieren einige am Aktienmarkt, wenn sich inflationäre Tendenzen zeigen, weil sie hier wenigstens etwas bekommen, das für echte Werte steht. Hier kann man in Unternehmen investieren, die tatsächlich Dinge produzieren und die über echte Betriebsvermögen verfügen. Auf der anderen Seite ist der Aktienmarkt als solcher aus historischer Perspektive in jedem Fall überbewertet, was die Dividendenerträge, die Kurs-Buchwert-Verhältnisse und die Kurs-Gewinn-Verhältnisse angeht.
Ich interessiere mich nicht für Investitionen am allgemeinen Aktienmarkt. Ich bin sehr überzeugt, dass gerade der Rentenmarkt sehr volatil sein wird. In diesem Bereich scheint es eine echte Bubble zu geben, eine der größten Bubbles der Geschichte. Das ist zurzeit der schlimmste Ort für Kapital überhaupt. Es ist gleich dreifach bedroht - durch steigende Zinssätze, Ausfallrisiko und Währungsrisiken.
Selbst in der Mainstream-Presse liest man, dass Investoren verzweifelt nach Renditen suchen. Sie bekommen nur einen Bruchteil eines Prozents für Geld auf Bankkonten. Um also überhaupt noch Erträge zu bekommen, kaufen sie alle möglichen Formen von Anleihen, selbst die von niedriger Qualität - um dann nur eine Verzinsung von 2,3,4, oder 5% Prozent zu bekommen. Die Anleihekurse haben verrückte Stände erreicht, da die Zinssätze durch staatliche Interventionen in Richtung null gedrückt wurden, um vergeblich eine Stimulierung der Wirtschaft zu erreichen.
Der Anleihemarkt ist auch viel größer als der Aktienmarkt. Wenn die Zinssätze nun steigen, werden Anleihewerte im Umfang von vielen Billionen $ vernichtet - zusätzlich zu einer ganzen Reihe von Unternehmensbankrotten. Deswegen kann man Deflation auch nicht komplett ausschließen. Zudem könnten steigende Zinssätze den Immobilienmarkt, der eine leichte Erholung erfährt, wirklich weiter zerstören. Und natürlich wären steigende Zinssätze der Feind steigender Aktienkurse.
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© Karen Roche
The Gold Report
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Dieser Artikel wurde am 24. August 2012 auf www.theaureport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.