John Kaiser: Kann die TSX Venture noch gerettet werden? (Teil 1/2)
27.03.2013 | The Gold Report
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Naht bereits das Ende der TSX Venture Exchange, die das Opfer von "Algotradern", geringen Volumina und dem Mangen an institutioneller Investoren ist? Wenn der Newsletter-Verfasser John Kaiser Recht behält, werden dieses Jahr bis zu 500 der 1.484 an der TSX gelisteten Rohstoffunternehmen aufgrund unzureichender Kapitaleinlagen untergehen. In diesem Interview mit Gold Report deutet Kaiser an, dass ein auf Crowdsourcing beruhendes Bewertungssystem die Investoren mit den Informationen versorgen könnte, die sie benötigen, um Anlageentscheidungen mit Zuversicht zu treffen und die Eigenhändler abwehren zu können.
The Gold Report: Auf der Cambridge Conference in Vancouver sprachen Sie von einer Alternative zum "Zombie-Land", wobei es sich bei den Zombies um die mehr als 1000 Unternehmen im Rohstoffsektor handelt, deren Aktien zu weniger als 0,20 Dollar gehandelt werden. Dazu gehören auch viele der über 600 Unternehmen, die nur über Kapitaleinlagen von weniger als 200.000 Dollar verfügen. Sie haben vorhergesagt, dass mindestens 500 von ihnen im nächsten Jahr den Betrieb einstellen werden. Ist das ein bedrohlicheres Szenario als zuvor oder gibt es einfach nur mehr Unternehmen?
John Kaiser: Die Zeit von 1998 bis 2002 war für den Junior-Sektor sehr schwierig. Die Metallpreise, und vor allem der Goldpreis, waren sehr niedrig. 1997 zerstörte der Bre-X-Skandal das Vertrauen der Investoren in den Weitblick der Rohstoff-Juniors. Junge, interessante Explorationsunternehmen gab es kaum. Sogenannte Area Plays waren von Anfang an aussichtslos. Und das Sirenenlied der Dotcom-Blase nahm den Privatanlegern das noch verbliebene Risikokapital. Die fünf Jahre andauernde Baisse war eine dunkle Zeit für die Branche, aber sie überdauerte und erlebte anschließend eine phänomenale Hausse. In dieser Zeit brachten die Junior-Unternehmen der TSX Venture (TSX.V) 57 Mrd. Dollar auf und mehr als 200 kanadische Rohstoff-Juniors verschwanden durch Übernahmevereinbarungen mit einem Gesamtwert von 115 Mrd. Dollar.
The Gold Report: Woher kommt dann die momentane Aufregung, nach nur zwei Jahren Bärenmarkt?
John Kaiser: Diesmal gibt es einen beunruhigenden Unterschied. 2008 wurde der Rohstoffsektor von der Finanzkrise überrascht und erlebte dann in den folgenden beiden Jahren einen plötzlichen Aufschwung. Viele der Unternehmen mit halbfertigen Projekten wurden dank des unerwarteten Anstiegs der Preise für unedle Metalle und des erwartungsgemäßen Kursanstiegs der Edelmetalle wiederbelebt. Zwischen 2009 und 2012 wurden 98 Junior-Unternehmen durch Übernahmeangebote in Höhe von insgesamt 51 Mrd. Dollar aufgekauft. Aber was die Rohstoffaktien betrifft, befinden wir uns trotz anhaltend hoher Kupfer-, Gold- und Silberpreise seit dem zweiten Quartal 2011 in einem Bärenmarkt. Im Unterschied zu der Zeit von 1998 bis 2002, als es tatsächlich kaum Junior-Rohstoffunternehmen gab, sehe ich heute viele Juniors mit fortgeschrittenen Projekten, die viel höher bewertet sein sollten, wenn man davon ausgeht, dass die aktuellen Metallkurse das neue Minimum sind. Ich sehe auch viele interessante Explorationsunternehmen, auf deren enormes Potential ich zu Spottpreisen wetten kann.
Wenn Sie mich also nach den 500 Juniors fragen, die verschwinden werden, scheint mir das die falsche Frage zu sein. Ich glaube eine Reduzierung der Junior-Unternehmen um 500 wäre für die Branche sehr gesund. Was mir bei diesem zweiten Einbruch Sorgen bereitet, ist die systematische Zerstörung der verbliebenen Juniors, die damit einhergeht und die letztlich den gesamten Juniorsektor der Rohstoffindustrie betreffen könnte.
The Gold Report: Bevor Sie auf das zurückkommen, was Ihnen die meisten Sorgen bereitet: Können Sie genauer erläutern, warum Sie so begierig darauf scheinen, die 500 in Bedrängnis geratenen Juniors verschwinden zu sehen?
John Kaiser: An der TSX.V ist es Tradition, dass sich die Juniors aus dem Rohstoffsektor durch Aktienzusammenlegungen wiederbeleben, wenn ihre Projekte nicht den gewünschten Erfolg haben, die ausgegebenen Aktien ineffektiv werden und ihnen das Geld ausgeht. Diese zurückgekehrten Juniors refinanzieren sich selbst und erwerben neue Projekte um den Explorationszyklus von Neuem zu beginnen. Manchmal geschieht das unter dem selben Management-Team, manchmal wird das Unternehmen von einer anderen Gruppe übernommen. Mir gefällt dieses System, denn dadurch erhalten die Aktionäre die Chance, ihr Geld zurückzuerhalten und manchmal mehr als das. Im Laufe der Zeit gab es unter dem Strich mehr überlebende Junior-Unternehmen als solche, die Pleite gingen und deren Börsennotierung aufgehoben wurde.
Die meisten dieser Juniors gingen mit einem lohnenswerten Projekt an die Börse. Aber innerhalb des letzten Jahrzehnts änderte die kanadische Maklerbranche ihren Fokus hin zu Aktienerstemissionen von sogenannten Capital Pool Companies. Seit Januar 2000 wurden 1.135 dieser Unternehmen an der TSX.V notiert. Viele von ihnen erwarben während des Rohstoffbooms der letzten zehn Jahre fortgeschrittene Projekte. Viele verschwanden durch Übernahmeangebote. Doch viele kauften auch mittelmäßige Rohstoffprojekte, bei denen fast keine Chance auf eine neue Entdeckung bestand oder die so unbedeutend waren, dass ihnen nicht einmal die hohen Metallpreise helfen konnten. Mittlerweile ist die Finanzierung des Rohstoffsektors zum großen Teil versiegt. Neben der alten Gruppe der wiederbelebten Juniors und der neueren Auswahl an ehemaligen Capital Pool Companies gibt es jetzt ein Überangebot an Junior-Rohstoffunternehmen.
Jedes dieser Unternehmen hat jährlich laufende Geschäftskosten in Höhe von etwa 200.000 Dollar, nur damit es als Aktiengesellschaft bestehen kann. Ich bin ziemlich geschickt darin, die seriösen von den unseriösen Unternehmen zu unterscheiden, aber ich habe mich auch 30 Jahre lang auf diesen Sektor konzentriert, um diese Fähigkeit zu erlangen. Für die weniger spezialisierten Anleger übertönen die Nebengeräusche das Signal, um einmal den Statistiker Nate Silver zu zitieren. Das Verschwinden von 500 Juniors würde der Branche guttun. Investoren könnten sich dann auf die wirklich seriösen Unternehmen konzentrieren.
The Gold Report: Es gab schon immer Unternehmen, die auf der Erfolgswelle der anderen mitschwammen und selbst kaum mehr besaßen, als ein winziges Fleckchen Erde. Was hat sich mittlerweile geändert, dass Sie sich Sorgen um die anderen Unternehmen machen?
John Kaiser: In den 1980ern, 1990ern und sogar noch davor ging es hauptsächlich um die Exploration. Die Juniors beschafften sich Kapital, identifizierten ein Ziel und begannen mit den Bohrungen. Meist war es ein Reinfall. Wenn es aber interessant aussah, kam Bewegung in den Aktienkurs - frühe Investoren erzielten mit dem Verkauf einen Gewinn, während die Hoffnungen anderer zunichte gemacht wurden und die Preise wieder fielen. Die frühen Investoren legten einen Teil ihres Gewinns in ein anderes Junior-Unternehmen an und ermöglichten so den nächsten Explorationszyklus. Diejenigen, die spät einstiegen und nicht verkauften, trugen die Verluste. Einige von ihnen wandten sich von der Branche ab, andere kamen schlauer zurück. Ab und an wurde eine so große Lagerstätte entdeckt, dass der Aktienkurs des Unternehmens immer weiter stieg, bis der Junior von einem Major-Unternehmen übernommen wurde, welches das Projekt zur vollständigen Mine entwickelte. Die Metallpreise spielten beim Marktzyklus der Rohstoff-Juniors kaum eine Rolle, da diese Unternehmen sich an makroökonomischen Zyklen orientierten, die die Risikobereitschaft anzeigten, und an bedeutenden Rohstoff-Entdeckungen, die diese Bereitschaft steigerten.
The Gold Report: Sie weisen öfters darauf hin, dass sich die Dynamik der kanadischen Juniors im letzten Jahrzehnt stark veränderte und Ihrer Meinung nach zu einer Art Sackgasse geworden ist. Um was für eine Veränderung handelt es sich dabei?
John Kaiser: In den letzten zehn Jahren wurden die kanadischen Juniors erwachsen. Im Junior-Sektor ging es mit der Zeit nur noch darum, die Machbarkeit für eine existierende Lagerstätte zu beweisen. Dabei handelte es sich um ehemalige, gescheiterte Explorationsprojekte, die nun erneut hervorgeholt und im Zuge der steigenden Preise und des chinesischen Superzyklus noch einmal überdacht wurden. Das setzte eine gewisse Erfahrung unter den Rohstoff-Juniors voraus und legte die Messlatte dafür, was als ernsthaftes Unternehmen angesehen wird, deutlich höher. Das in NI 43-101 enthaltene Regelwerk zur Offenlegung, das nach dem Bre-X-Skandal eingeführt wurde, kam zu einem perfekten Zeitpunkt. Die nötige Rechnerei zum Beweisen der Machbarkeit eines Projektes und die steigenden Metallkurse zogen institutionelles Kapital in einem vorher nie dagewesenem Maße an. Der reine Explorationsmarkt wurde dabei etwas vernachlässigt, denn jetzt ging es vor allem darum, die Rentabilität vorhandener Lagerstätten zu beweisen, sodass sie von Major-Unternehmen gekauft werden konnten, die ihre Reserven auffüllen wollten.
Dieses neue Spiel scheint nun vorbei zu sein. Die institutionellen Anleger haben den Markt verlassen, weil sie bezweifeln, dass der Boom anhält und aus Sorge darüber, dass es für Gold nur in eine Richtung gehen kann: nach unten. Ich befürchte, dass wir aufgrund des Vakuums, das durch den Rückzug des an der Machbarkeit orientierten institutionellen Kapitals entstand, und aufgrund der fortgesetzten Abwesenheit von Privatanlegern, die sich vor allem auf Explorationsunternehmen und Entdeckungen konzentrieren, einen strukturellen Zusammenbruch des Junior-Sektors der Bergbauunternehmen erleben könnten. Juniors, die noch an fortgeschrittenen Projekten arbeiten, können wegen der niedrigen Aktienkurse das nötige Kapital für eine Fortsetzung der Arbeiten nicht aufbringen, es sei denn durch extreme Verwässerung. Juniors mit guten Ideen für eine Exploration haben es schwer, Kapital zu beschaffen, weil der Markt die Situation für Explorationsunternehmen sehr negativ einschätzt. Diese Gegebenheiten bedrohen die Lebensfähigkeit der 1.000 Unternehmen an der TSX Venture Exchange, die tatsächlich funktionieren. Wir könnten das Verschwinden einer ganzen Institution miterleben.
The Gold Report: Sind die Zombies einfach Unternehmen, die zurück in den Explorationssektor gehen und die zum Scheitern verurteilt sind?
John Kaiser: Bei einigen der Zombies handelt es sich um Unternehmen, die sich wirklich bemüht haben, aber nicht profitabel waren. Die Gewinne durch steigende Metallpreise im letzten Jahrzehnt wurden von der exorbitanten Kostenexplosion im Bergbausektor - sowohl der Kapitalkosten als auch der Betriebskosten - wieder verschlungen. Die aufgrund der höheren Preise angenommene Rentabilität ist also wieder verschwunden. Ich habe Schätzungen von einer Inflation von 10% während der letzten fünf Jahre gesehen. Vergleichen Sie das mit der durch den Verbraucherpreisindex angezeigten Inflation von 2% im gleichen Zeitraum ...
Denken Sie zur Veranschaulichung an eine Goldlagerstätte, die 2008 bei 900 Dollar je Unze kaum wirtschaftlich war. Aktuell wird Gold mit 1.610 Dollar je Unze fast 80% höher gehandelt. Man könnte also meinen, dass die Zeit der Juniors, deren Lagerstätten sich bei 900 Dollar je Unze am Rande der Rentabilität bewegten, gekommen sei. Das ist jedoch nicht der Fall, da die Betriebskosten in den letzten fünf Jahren um jährlich 10% gestiegen sind. Betriebskosten von 900 Dollar je Unze sind heute also 60% höher und belaufen sich auf 1.450 Dollar je Unze. Wenn man die selbe Preiseskalation von 10% auf die Kapitalkosten anwendet, die bereits im Vorfeld aufgebracht werden müssen, erhält man eine hässliche Explosion der Kapitalausgaben. Nimmt man dann noch die höheren Royalties und Steuerabgaben mit auf Rechnung, die den Unternehmen von finanziell in Bedrängnis geratenen Regierungen auferlegt wurden, die nur auf den phänomenalen Anstieg des Goldpreises fixiert waren, stellt sich die Finanzsituation noch unerfreulicher dar. Daher sind viele Projekte trotz des fast doppelt so hohen Goldpreises heute schlechter dran als vor einem Jahrzehnt.
Die Projekte vieler Unternehmen, die eine Ressourcenschätzung und vielleicht sogar eine vorläufige Wirtschaftlichkeitsstudie durchgeführt haben, sind selbst bei den aktuellen Metallpreisen nicht rentabel. Bedenkt man dann noch die latente Angst, dass es sich bei den Edelmetallpreisen um eine Blase handeln könnte, ist es wenig verwunderlich, dass die Juniors des Rohstoffsektors aufgegeben wurden. Einige der Projekte können in rund zehn Jahren eventuell recycelt werden, aber heute bedeutet das für die Unternehmen, dass sie ein Asset besitzen, welches bei den aktuellen Metallpreisen keinen wirklichen Wert besitzt. Auf dem Markt für unedle Metalle ist die Situation ähnlich.
The Gold Report: Welche Möglichkeiten haben diese Unternehmen mit fortgeschrittenen Projekten?
John Kaiser: Einige dieser Unternehmen führen weiterhin Explorationsarbeiten durch, in der Hoffnung eine höhergradige Lagerstätte auf ihrem Projektgebiet zu finden, die die Wirtschaftlichkeit erhöht. Ein gutes Beispiel dafür aus der Zeit des Bärenmarktes von 1998 bis 2002 ist das Gold- und Silberprojekt Veladero in Argentinien. Nach dem Bre-X-Skandal sah es so aus, als würde es sich aufgrund der niedrigen Mineralgehalte nicht rentieren. Doch die Bohrarbeiten wurden fortgesetzt und 1998 wurde eine hochgradige Lagerstätte gefunden, die zu einem Übernahmeangebote von Homestake Mining Co. in Höhe von 500 Mio. Dollar führte. Heute ist Veladero im Besitz von Barrick Gold Corp. (ABX:NYSE).
Viele Juniors verfügen noch über ein Explorationsteam, haben aber kein Geld mehr. Wenn sie nicht mit einer einzigartigen Geschichte aufwarten können, können sie im Moment kein Kapital beschaffen. Der Markt hat kein Interesse an sukzessivem Fortschritt und glaubt nicht länger daran, dass höhere Metallpreise in Aussicht sind, durch die alles besser wird. Zwar reagiert der Markt durchaus auf sensationelle Entdeckungen. Er ist jedoch nicht bereit, eine Wette allein auf Grundlage des Zielgebiets einzugehen. Ein überraschender Anstieg des Goldpreises oder eine große Entdeckung eines Juniors in einem Gebiet wie Nevada, das das Potential für weitere Entdeckungen dieser Art birgt, könnte der Branche helfen, aus dieser Sackgasse zu entkommen.
The Gold Report: Sie sagen, dass viele Juniors ausgedehnte Mineralsysteme besitzen, deren Rentabilität durch die Kostenexplosion im Bergbau verschwand. Gleichzeitig scheinen Sie optimistisch zu sein, dass innerhalb dieser Systeme das Potential für neue Entdeckungen besteht. Ein Sprichwort besagt, dass der beste Ort, um nach Gold zu suchen in der Nähe bereits bekannter Lagerstätten ist. Sollte es für die Juniors mit fortgeschrittenen Projekten, deren Mineralgehalt nicht mehr ganz ausreichend ist, dann nicht ein Leichtes sein, Kapital für zusätzliche Explorationsarbeiten zu beschaffen?
John Kaiser: Während der letzten fünf Jahre wurden die Quellen, aus denen das Kapital in die Kassen der Unternehmen floss, beeinträchtigt. In ihrem Eifer, die Investoren zu schützen, änderten die Regulatoren die Regeln. Um eine Privatplatzierung durchzuführen, die Geld in die Unternehmenskasse und nicht in die Taschen der privaten Aktionäre fließen lässt, müssen Investoren heute ein Nettovermögen von 1 Mio. Dollar aufweisen (ausgenommen davon sind Nettovermögenswerte an Wohnimmobilien), eine Beziehung zum Management haben oder bereit sein, die relativ stolze Summe von mindestens 150.000 Dollar zu riskieren.
Die Regulatoren versuchen auch, den Geldfluss in die Unternehmenskassen zu beschränken, indem sie ihn zur Maklerbranche lenken. Der zugrundeliegende Gedanke dabei ist, dass Makler das Risikoprofil ihrer Kunden und das Chancen-Risiko-Profil der Rohstoff-Juniors einzuschätzen wissen. In Wirklichkeit stellen die Regulatoren dem Maklergeschäft damit eine Haftungsfalle, die die Broker zu umgehen suchen, indem sie nur die lukrativen, bereits weiter entwickelten Rohstoff-Juniors in Betracht ziehen. Es werden Regeln eingeführt, die die Zahlung einer Vermittlungsprovision an eine dritte Partei verbieten, die nicht Teil des Maklerbüros ist. Die Regulatoren denken sogar darüber nach, die Ausnahmen zu reduzieren, die die Durchführung einer Privatplatzierung ohne Brokerbeteiligung ermöglichen. Sie scheinen Missbrauchsfälle verhindern zu wollen, bei denen Anteile privater Unternehmen unter falschen Voraussetzungen an Kleinanleger verkauft werden, wobei man sich die Ausnahmen für Privatplatzierungen zu Nutze macht. Aktiengesellschaften, die strengen Offenlegungsregeln und deren Durchsetzung unterliegen, sind bei diesen Bemühungen, ein durchaus ernstes Problem anzugehen, unbeabsichtigter Kollateralschaden.
Die Maklerindustrie geht zu einem Vermögensverwaltungsmodell über, bei dem die Portfolios der Kunden mit strukturierten Finanzprodukten wie Investment- und Indexfonds oder exotischen Titeln wie Real Estate Investment Trusts gefüllt werden. Die individuellen handelsbasierten Provisionen sind zu niedrig, um das Maß an Interaktion mit den Kunden zu rechtfertigen, das für Investitionen in individuelle Juniors der Rohstoffindustrie nötig wäre. Abgesehen von einer Handvoll Firmen ist die Maklerbranche für Rohstoff-Juniors als Kanal für Risikokapital irrelevant geworden, vor allem für solche, deren Schwerpunkt nicht auf dem Demonstrieren der Wirtschaftlichkeit liegt, sondern auf Explorationsarbeiten, mit dem Ziel neue Lagerstätten zu entdecken.
The Gold Report: Änderungen der Börsenregulierung, die auf den Schutz der Investoren abzielen, und strukturelle Änderungen innerhalb der Maklerbranche erzeugen also einen Engpass, der den Geldfluss in die Unternehmenskassen verhindert?
John Kaiser: Wir haben die paradoxe Situation, dass eine Einzelperson einen beliebig hohen Kredit aufnehmen, sich durch den Kauf von Lotteriescheinen arm machen, beim Roulette alles auf Rot setzen oder sogar ihr gesamtes Vermögen in ein Daytrading-Konto mit einem zu einhundert Prozent hohem Risiko anlegen kann. Aber er oder sie darf es nicht direkt in die Kasse einer stark regulierten Aktiengesellschaft fließen lassen. Ich glaube nicht, dass wir die Arbeitsweise der Maklerfirmen ändern können und wir sollten auch nicht argumentieren, dass die Regulatoren sich weniger um die Sicherheit der Investoren kümmern sollen. Jeder muss verstehen, dass der Junior-Sektor der Rohstoffindustrie ein hohes Maß an Unsicherheit birgt und dass Investoren in diesem Bereich sehr aufmerksam sein müssen.
The Gold Report: Dass es zunehmend schwieriger wird, Geld direkt den Unternehmenskassen zuzuführen, wo es arbeiten und neuen Wohlstand erschaffen kann, scheint im Widerspruch zu dem zu stehen, was Sie als das ruchlose Feiern einer Trading-Kultur bezeichnen, die nicht mehr auf Fundamentaldaten beruht. Gewinne aus dem Aktienhandel werden als Belohnung für das Durchsetzen von Disziplin an ineffizienten Märkten angesehen, was im Allgemeinen positiv bewertet wird. Warum lehnen Sie diese Trading-Kultur, zumindest was die Rohstoff-Juniors betrifft, ab?
John Kaiser: Im Grunde bin ich nicht gegen Arbitrage, wenn ineffiziente Märkte solche Gelegenheiten bieten. Schließlich betreibe ich ebenfalls Bottom Fishing und setze auf spekulative Gewinne. Wenn der Junior-Rohstoffsektor effizient wäre, wäre das keine produktive Strategie. Man muss hier zwischen struktureller und zufälliger Ineffizienz unterscheiden. In einer Umgebung mit starkem Wettbewerb stellt sich eine Ineffizienz als Zeitfenster für eine Chance dar, das sich sehr schnell wieder schließt. Ich spreche dabei nicht von Insider-Informationen, sondern von der ineffizienten oder falschen Verarbeitung von öffentlich zugänglichen Informationen. Wer auch immer diese zuerst bemerkt, kann einen Gewinn erzielen. Die Möglichkeit, aus so einer Gelegenheit Nutzen zu ziehen hängt davon ab, wie schnell andere ebenfalls darauf aufmerksam werden und ein Stück vom Kuchen abbekommen wollen. So funktioniert ein transparenter Markt.
Im Gegensatz dazu verschwindet eine strukturelle Ineffizienz nicht durch Wettbewerb, sobald sie ausfindig gemacht wurde. Es handelt sich dann vielmehr um das gemeinsame Übervorteilen eines Opfers, wobei die Gewinne von sogenannten Arbitrageuren systematisch untereinander aufgeteilt werden. Diese stehen dabei nicht im Wettbewerb miteinander, sondern haben sich vielmehr gegen das Opfer zusammengeschlossen.
Der kanadische Junior-Sektor der Rohstoffmärkte wurde von einer solchen strukturellen Ineffizienz befallen. Die Trading-Kultur, die dafür sorgte, dass 40% des Handelsvolumen an den US-Märkten mittlerweile automatisiert abgewickelt werden, hat nun auch den kanadischen Junior-Sektor erreicht. Computerprogramme und mit Computern ausgestattete Eigenhändler machen sich im System breit. Sobald Geld in den Markt fließt, streiten sie sich darum, erhalten es durch den Verkauf von Aktien, die sie nicht einmal besitzen, und stellen die Position am Ende des Tages glatt. Die Regulatoren lassen solche „neutralen“ Konten zu, die das Privileg haben, nicht zu den eigentlichen Leerverkäufen zu zählen, da die Short-Positionen am Ende des Tages ausgeglichen sein sollten.
Bei traditionellen Leerverkäufen wettet der Anleger auf die Diskrepanz zwischen der Bewertung eines Unternehmens durch den Markt und der Bewertung desselben Unternehmens basierend allein auf den Fundamentaldaten. Ein solcher Short-Verkäufer muss die Short-Position für mehr als einen Tag halten und dafür muss er oder sie Aktien leihen, was nicht immer einfach ist. Diese Art Short-Verkäufer spielt eine wichtige Rolle am Aktienmarkt, da solche Short-Positionen dem Markt wichtige Informationen geben. Die Regulatoren bestehen daher darauf, dass sie auch als Leerverkäufe ausgewiesen werden.
The Gold Report: Früher wurden Leerverkäufe durch die Uptick Rule beschränkt, die Leerverkäufe bei fallenden Kursen verbot. 2007 haben die amerikanischen Regulatoren diese Regel jedoch beseitigt und die kanadische Börsenaufsicht folgte diesem Beispiel. Warum glauben Sie, sind das schlechte Neuigkeiten für die Rohstoff-Juniors?
John Kaiser: Die Uptick Rule wurde abgeschafft um Hochfrequenz-Handel zu erleichtern, bei dem Preisdifferenzen zwischen Stammaktien und verschiedenen strukturierten Finanzprodukten wie Indexfonds, ETFs, Optionen und Futures ausgenutzt werden. Dies setzt computergestütztes gleichzeitiges Kaufen und Verkaufen von entsprechenden Titeln an verschiedenen Märkten voraus. Wenn die Uptick Rule für Leerverkäufe am Aktienmarkt gilt, dann lässt sich dies unmöglich legal in einem lohnenden Umfang betreiben.
Im Fall der Rohstoff-Juniors gibt es wenig Gelegenheiten für Arbitrage, da Optionen nur für eine Handvoll Aktien verfügbar sind, nur wenige Aktien ebenfalls an der NYSE MKT gehandelt werden und keine der Aktien Teil eines börsennotierten strukturierten Finanzproduktes ist. Im Namen des Wettbewerbs zwangen die kanadischen Regulatoren jedoch die TMX Group, die die Börsen TSX und TSX.V unterhält, an denen die Rohstoff-Juniors gehandelt werden, den Handel über alternative Handelssysteme zuzulassen, die von Dritten betrieben werden. Anstelle eines einzigen elektronischen Orderbuches, wo das Prinzip "Wer zuerst kommt, malt zuerst“ gilt und wo vollkommene Transparenz hinsichtlich der Handelsaktivitäten und der Markttiefe herrscht, haben wir jetzt einen durch die Existenz mehrerer paralleler Orderbücher fragmentierten Markt. Jede Maklerfirma hat ihr eigenes System, um die Orders der Kunden in diesem Durcheinander zu verfolgen. Außerdem können die Kunden bestimmen, in welchem alternativen Handelssystem ihre Orders platziert werden. Die Preisdifferenzen zwischen den Orderbüchern können sowohl von Algorithmen als auch von Eigenhändlern ausgenutzt werden.
Die Uptick Rule funktioniert nur, wenn es eine strenge Reihenfolge bei der Ausführung der Orders gibt, sodass der letzte Handelspreis immer eindeutig definiert ist. In einem solchen System kann eine Verkaufsorder, die als Leerverkauf gekennzeichnet ist, nicht ausgeführt werden, wenn der Verkaufspreis niedriger ist, als der letzte gehandelte Preis. Wenn die Orders aber in alternativen Handelssystemen ausgeführt werden können, ist es nicht möglich, eine definitive Abfolge von unterschiedlichen Preisen zu erhalten, sodass die Uptick Rule nicht durchgesetzt werden kann. In Kanada wurde die Uptick Rule für Leerverkäufe abgeschafft, damit Orders für die gleichen Titel auf verschiedenen, mit einander im Wettbewerb stehenden Handelsplattformen abgewickelt werden können.
The Gold Report: Wie entsteht dadurch eine strukturelle Ineffizienz am Junior-Rohstoffmarkt?
John Kaiser: Die aktuellen Bedingungen ermöglichen es Tradern, Kapital zu erhalten, das in das System fließt, ohne dafür einen Gegenwert beizusteuern. Es wurden sowohl Algorithmen als auch Eigenhändler zugelassen, weil dies Liquidität erzeugt. Perverserweise bezahlen einiger der Handelssysteme sogar für die Daytrading-Orders und strafen so echte Investoren ab, die auf Fundamentaldaten beruhende Long-Positionen halten. Das Problem der Rohstoff-Juniors ist, dass die Daytrader sich nicht für Fundamentaldaten interessieren - sie konzentrieren sich ausschließlich auf Wertschwankungen und Kapitalbewegungen. Indem sie Leerverkäufe tätigen, ohne diese als solche kennzeichnen zu müssen, können sie Kapital abfangen, das von Investoren mit Long-Positionen in die Aktie fließt. Um davon zu profitieren, müssen sie die Short-Position natürlich glattstellen. Dazu müssen sie einfach nur warten, bis kein neues Geld mehr in die Aktie fließt und dann die Angebotsseite des Orderbuchs weiter mit Leerverkaufsorders füllen, bis die fehlgeschlagene Rally dazu führt, dass die verzweifelnden Aktionäre mit Long-Positionen massenhaft verkaufen. So können die Short-Positionen des Traders noch am selben Tag glattgestellt werden.
Wenn Händler, die darauf setzen, dass ein Unternehmen seine Ziele erreicht, gegen Daytrader antreten müssen, verschwinden erstere vom Markt. Dadurch wird es für die Juniors schwierig, bei positiven Entwicklungen hinsichtlich der Fundamentaldaten auch eine positive Kursbewegung zu erreichen, mit deren Hilfe sie weitere Arbeiten finanzieren könnten. Wenn man dann noch bedenkt, dass sich die Regulatoren bemühen, den Kapitalfluss durch Privatplazierungen zu begrenzen, um die Investoren zu schützen, wird schnell klar, dass sie Juniors in einem Teufelskreis der Verwässerung festsitzen. Sie emittieren immer mehr Aktien zum gleichen oder zu einem sogar noch niedrigeren Preis an einen schrumpfenden Kreis von "echten Anlegern", obwohl sie Fortschritte machen. Da die laufende Aktienfinanzierung die Voraussetzung für einen grundlegenden Erfolg ist, also für das Auffinden einer Lagerstätte, die zu einer Mine weiterentwickelt werden kann, verfälscht diese strukturelle Ineffizienz die Situation weiter zu Gunsten der Daytrader. Diese angeblich Liquidität bringenden Trader am System teilnehmen zu lassen, hat also in Wirklichkeit das Verschwinden der Liquidität bedingt.
Das Ende vom Lied ist dann, dass sich Investoren, die sich an Fundamentaldaten orientieren, ganz aus diesem Sektor zurückziehen. Übrig bleiben nur Algotrader und Eigenhändler, die dann versuchen, sich gegenseitig auszustechen. Dadurch kann zwar für eine Weile der Anschein eines gesundes Marktes erweckt werden, aber von dem im Spiel befindlichen Kapital fließt nichts in die Unternehmenskassen. Und wenn die Unternehmen hinsichtlich der Fundamentaldaten keine Erfolge vorweisen können, gibt es für Anleger, die ihre Wetten darauf abschließen, keinen Anreiz, den Junior-Rohstoffmarkt im Auge zu behalten. Außerdem sind die Daytrader mittlerweile ziemlich gut darin zu erkennen, wann sie nur miteinander im Wettbewerb stehen. Sobald ihnen klar wird, dass sie sich nur gegenseitig bekämpfen, statt Jagd auf die richtigen Investoren zu machen, treten sie die Flucht an. Zurück bleiben sehr hohe Spreads und nur wenige Aktien, sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite - der Markt ist im Prinzip tot. Das ist das institutionelle Versagen, das ich am kanadischen Junior-Rohstoffmarkt befürchte.
The Gold Report: Vorhin erwähnten Sie, dass ein höherer Goldpreis oder eine große Entdeckung, der weitere folgen könnten, das Potential hat, die pessimistische Stimmung hinsichtlich der Rohstoff-Juniors zu vertreiben. Während Ihrer Rede auf der Konferenz gaben Sie jedoch zu verstehen, dass Sie dieses Mal nicht glauben, dass ein Umschwung der Marktstimmung ausreicht, um den Sektor zu retten. Warum sollten wir die Anzeichen nicht einfach als das normale Murren eines Bärenmarktes abtun, der den Boden erreicht hat?
John Kaiser: Es gab viele Diskussionen über computergestützten Hochfrequenz-Handel an der TSX und der TSX.V. Die Realität sieht jedoch so aus, dass die Liquidität zu niedrig ist, um algorithmischen Handel in großem Maßstab zuzulassen. Das Problem, das ich heute beschrieben habe, beinhaltet vor allem Trader, die Computer verwenden und Handelsstrategien austüfteln, um Gelegenheiten zum Geld machen zu erkennen. Wenn es zu einer Hausse kommt, werden diese Daytrader einfach hinweggefegt. Allerdings ist mittlerweile die nötige technologische Infrastruktur vorhanden, um vollkommen automatisierten Handel in viel größerem Umfang zu ermöglichen, falls und wenn sich eine Hausse anbahnt. Einen derartigen Sturm haben die kanadischen Rohstoff-Juniors noch nie erlebt und ich fürchte, dass er zukünftige Bullenmärkte in diesem Sektor ersticken würde.
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© JT Long
The Gold Report
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Dieser Artikel wurde am 15. Februar 2013 auf www.theaureport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.