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Schweizer Sonderwege: Raus aus Währungsfonds und Weltbank?

30.07.2011  |  Ralph Bärligea

Anmerkung: Das Interview mit Nationalrat Oskar Freysinger knüpft auch an den Artikel "Die Eurolüge Teil II "auf Goldseiten an. Im letzten Satz auf Seite 2 heißt es diesbezüglich: "Bereits am 16. Dezember 2010 hat Nationalrat Oskar Freysinger (ebenfalls SVP) eine Motion zum Austritt der Schweiz aus dem IWF eingereicht."


Gespräch mit einem europäischen Provokateur

Erstveröffentlichung in der Druckausgabe Juli/ August 2011 der Zeitschrift eigentümlich frei


Ralph Bärligea: Herr Nationalrat Freysinger, bereits Ende des vergangenen Jahres haben Sie zusammen mit Ihren Kollegen einen parlamentarischen Vorstoß zum Austritt der Schweiz aus dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank eingereicht. Eine Behandlung im Plenum steht immer noch aus, oder?

Oskar Freysinger: Es wird noch einige Zeit dauern, bis der Text vors Plenum kommt. Die Chancen, dass er angenommen wird, sind gleich null. Lediglich die SVP wird ihn unterstützen. Alle anderen, die Sozialdemokratische Partei der Schweiz inklusive, werden sich als Lakaien der internationalen Hochfinanz erweisen.


Ralph Bärligea: Werden Sie, falls nötig auch eine Volksabstimmung zum Austritt aus IWF und Weltbank initiieren?

Oskar Freysinger: Das ist eine Möglichkeit, die in Erwägung gezogen wird. Da es aber viel Zeit braucht, bis die Unterschriften gesammelt worden sind, der Text durch das Parlament gelaufen ist und das Volk abgestimmt hat, befürchte ich, dass die anstehende Weltwirtschaftskrise schon längst stattgefunden hat, bevor unsere Initiative im Falle eines Erfolgs wirksam wird. Dann sind die 16,5 Milliarden Risikogarantie jedoch schon verloren.


Ralph Bärligea: Wegen der Sie eigentlich austreten wollen?

Oskar Freysinger: Die Garantie der Schweiz macht 2.268 Franken pro Einwohner aus, während es für die Deutschen 496 Franken und für die USA 356 Franken sind. Dies für eine Organisation, die maßgeblich für die Finanzprobleme Ungarns, Lettlands, Rumäniens, der Ukraine, Islands, Griechenlands und Spaniens verantwortlich ist. Auch die schon früher zugeschnappte Schuldenfalle der Entwicklungsländer wurde über den IWF aufgestellt. Hinzu kommt, dass dieser Fonds während der Krise von 2008/2009 jämmerlich scheiterte und in seinen Strukturen völlig undemokratisch ist.


Ralph Bärligea: IWF und Weltbank geben vor, die Armut in der Welt bekämpfen zu wollen. Auch die Schweizer Regierung geht in ihrer Erklärung davon aus. Tatsächlich werden einfach immer mehr Kredite an gerade die ärmsten Länder vergeben. Das Geld hierzu wird einfach von den Zentralbanken der Industrienationen gedruckt, an den IWF weiter gereicht und mit Zinsforderungen belegt. Die vorhandene Geldmenge reicht also niemals aus um Schulden plus Zinsen jemals zurück bezahlen zu können. Werden diese Länder durch zusätzliche Schulden wenigstens reicher?

Oskar Freysinger: Der perfide Mechanismus ist so, wie sie ihn beschreiben. Ich habe den Eindruck, die Länder sollen bewusst ruiniert werden und dabei ihre Souveränität im politischen Bereich verlieren. In Zukunft wird der IWF als finanzieller Weltpolizist die Politik der geschwächten und von seinem Goodwill abhängigen Nationen bestimmen. Längerfristiges Ziel ist eine Art abgehobene zentrale Steuerung der Weltpolitik über die Finanzen. Dabei leidet die Realwirtschaft. Die Mittelklassen werden zerstört. Ich habe den Eindruck, Goethes Zauberlehrling ist dabei, Geister zu wecken, die wir in Zukunft nicht wieder loswerden.





Ralph Bärligea: Professor Wilhelm Hankel, der als Gutachter selbst für die Weltbank tätig war und auch einige Zeit eine Professur an der Harvard University inne hatte, bezeichnet die Kreditvergabepraxis über IWF und Weltbank als "monetäre Ausbeutung der Welt durch westliche Leitwährungen".

Oskar Freysinger: Ich teile diese Ansicht. Griechenland hätte besser den Staatsbankrott wählen sollen, wie vor zehn Jahren Argentinien, statt sich in die leidige Abhängigkeitsspirale ziehen zu lassen. Aber niemand will das geschehen lassen, weil sonst gewisse gewichtige Finanzinstitute und Großbanken hops gehen könnten. Also werden diese über eine progressive Höherverschuldung der Staaten, ihrer Volkswirtschaften und der Steuerzahler schadlos gehalten. Hinter dem ganzen System stehen vor allem die Amerikaner, die ja der Erfinder des heutigen Finanzsystems wurden, als sie die Golddeckung durch den Dollar als Referenzwährung ersetzten. Ein Großraub universalen Ausmaßes!


Ralph Bärligea: Gleichzeitig meint Professor Hankel, dass in Zukunft die Sonderziehungsrechte des IWF, an deren Entwicklung er selbst beteiligt war, zu einer Art internationalen Leitwährung werden würden; jedoch mit deutlich höherem Einfluss der BRICS-Staaten: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Halten Sie eine solche Entwicklung für möglich?

Oskar Freysinger: Ja, diese Entwicklung ist wahrscheinlich, weil den Amerikanern allmählich das eigene Spiel zu entgleiten droht. China zum Beispiel kauft Gold ein, wo es nur kann. Und China kauft in Europa Schulden auf. Mit der Zeit wird sich die Finanzkraft von den überverschuldeten USA und der hoch verschuldeten EU weg in Richtung BRICS-Staaten verschieben.


Ralph Bärligea: Der IWF vergibt Kredite an Staaten. Auch der Euro-"Rettungsschirm" vergibt Kredite an Staaten und nicht an die Privatwirtschaft. Werden so in den Empfängerländern nicht eher planwirtschaftliche Strukturen geschaffen und dem privaten Markt Kapitalgüter entzogen?

Oskar Freysinger: In der Tat, diese Länder werden damit eher geschwächt als gefördert. Das ganze System steuert auf eine Art Planwirtschaft hin. Hochverschuldete Staaten sind abhängige Staaten. Abhängige Staaten sind schwach. Ihr Handlungsspielraum wird immer kleiner. Der Unmut der Bevölkerung wächst. Daraus folgen Streiks und soziale Unruhen, welche die Wirtschaft lähmen und Investoren fern halten. Die Vormundschaft durch den IWF kann keine Alternative zu einer gesunden Privatwirtschaft sein.


Ralph Bärligea: Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass das Schweizer Volk 1992 dem Beitritt zu IWF und Weltbank zugestimmt hat und warum werden Sie erst jetzt dagegen aktiv?

Oskar Freysinger: Persönlich bin ich erst seit 1997 politisch aktiv und seit 2003 im Nationalrat. Zu Beginn war der IWF als Hilfe besonders für die Entwicklungsländer gedacht. Damals schien die Idee gut zu sein, um den eben aus dem Kolonialismus entlassenen Drittweltländern auf die Sprünge zu helfen. Durch eine brutale Anhebung der Zinsen wurde jedoch eine Schuldenfalle erstellt, mit der nun der Kolonialismus unter anderem Vorzeichen fortgesetzt werden konnte. Erst in den letzten Jahren hat sich der IWF zu einem finanzpolitischen Instrument entwickelt, das nicht mehr nur die Rettung schwer gefährdeter Drittweltstaaten anpeilt, sondern die zentrale Lenkung des internationalen Finanzgeschäfts und die Beeinflussung der Finanzpolitik souveräner Staaten. Und dies in einem nie gesehenen Ausmass: 60% der jetzigen Verfügbarkeiten des IWF sind zurzeit als Kredit an europäische Länder vergeben. Eine Rückzahlung ist hypothetisch, hat doch die Weltbank mit Griechenland ein Rückzahlungsdatum vereinbart, das auf den 31. Dezember des Jahres 9999 festgesetzt ist.


Ralph Bärligea: Können noch mehr Schulden an die PIGS Staaten in Europa über EU-Rettungsfonds und IWF den Euro retten?

Oskar Freysinger: Nein, so können die PIGS Staaten auf keinen Fall gerettet werden. Der Teufelskreis der Verschuldung wird nur verstärkt. Je länger man wartet, desto größer die Verschuldung und der Schaden, wenn das System zusammenbricht. Ein Austritt der Schweiz aus diesen Institutionen gäbe das richtige Signal zu einer Zeit, wo der Schaden noch halbwegs zu verkraften ist. Weiteres Warten und weiter Geld in ein marodes System pumpen, das sich aufgrund der steigenden Verschuldungsspirale unmöglich sanieren kann, ist unverantwortlich. Hier wird mit dem Feuer gespielt. Die Folgen werden aufgrund der internationalen Verflechtung alle Länder zu tragen haben. Auch Deutschland. Und leider auch die Schweiz.


© Ralph Bärligea