GoldSeiten.de - Gold & Silber, Münzen und Barren sowie Minengesellschaften

Silberpreis bei 75 $ und Produktionskostenbewertung

09.08.2011  |  The Gold Report

Interview mit David Morgan

Der neue "Silber-Normalpreis" könnte bei 75 $/ oz liegen. In diesem Interview mit The Gold Report lotet David Morgan eine "Silberpreiskarte" aus, bei der das Metall während des Sommertiefs theoretisch bis auf 5 $ pro Unze fallen und anschließend auf 75 $ springen könnte - wo ein neues Ausgangsniveaus etabliert wird. Eine einheitliche Anwendung des Silver Institute-Standards für die Bewertung der Produktionskosten von Silberproduzenten könnte Anlageentscheidungen beim nächsten Aufschwung verbessern.


The Gold Report: In Ihrem Morgan Report haben Sie ausgiebig über die Auswirkungen globaler Finanzprobleme auf die Gold- und Silberpreise geschrieben. Für die Euro-Griechenland-Tragödie und das US-Schuldengrenzen-Debakel wurden zumindest vorübergehende Lösungen gefunden. Wird der US-Dollar dadurch Rückenwind auf Kosten der Edelmetalle bekommen?

David Morgan: Vorhersagen, wie der Markt auf bestimmte Ereignisse reagieren wird, sind immer schwieriger zu treffen. Wenn die Menschen erkennen, dass es ohne große Opfer und so manchen Ausfall keine wirkliche Lösung im globalen Finanzsystem gibt, werden sie die Sicherheit der Edelmetalle suchen. Auch wenn sich die Dinge wieder ein wenig beruhigen, so heißt das nicht, dass die Edelmetalle nicht mit nach unten gezogen werden. Gold und Silber könnten negative Reaktionen zeigen und vielleicht sogar drastisch verlieren - 5 $ pro Silberunze gehört nicht vollkommen ins Reich der Unmöglichkeit. Ich würde einmal sagen, dass wir möglicherweise gegen Mitte August einen Rücksetzer sehen werden.


The Gold Report: Heute erreichte Gold die Marke von 1.700 $/ oz - und eigentlich haben wir die eher ruhige Sommerzeit. Können die Kurse weiter steigen? Und was sind die Triebkräfte?

David Morgan: Ja, die Kurse können weitersteigen, und die Triebkraft ist Unsicherheit. Man sieht ja die ganzen Probleme an den Währungsmärkten. In Europa scheint die Kreditvergabe unter den Banken wieder einzufrieren. Und das war einer der Faktoren, der zur Finanzkrise von 2008 beigetragen hatte. Es gibt viele Gesichtspunkte, und alles läuft auf den Umstand hinaus, dass wir uns in der finalen Phase einer Währungsentwertung von globaler Dimension befinden.


The Gold Report: Viele Wirtschaftsindikatoren - hier vor allem BIP und Verbrauchervertrauen - weisen schwächere Daten auf als erwartet, von der Herabstufung des US-Schuldenratings durch Standard&Poor’s ganz zu schweigen. Könnte es wieder zu einem Selloff ähnlich wie 2008 kommen, und was wäre die Folgen für die Edelmetalle?

David Morgan: Aus fundamentaler Sicht hat sich nichts grundlegend seit 2007 geändert, mit der Ausnahme, dass die Banken viel Geld zur Hand haben. Man muss verstehen, dass der Silbermarkt ein ganz eigenes Wesen hat. 2008 verursachte der Selloff eine Knappheit, die den Preis des physischen Silbers im Einzelhandel auf ca. 13 $ pro Unze trieb, während Papiersilber an den Börsen bei unter 9 $ gehandelt wurde. Übermäßige Leerverkäufe trieben den Preis dann von ca. 20 $/ oz auf ganz knapp unter 50 $/ oz. Die nächste Aufwärtsbewegung wird Silber nach ein paar Versuchen über die 50 $-Marke treiben, dann wird es kein Zurück mehr geben, bis sich ein neues Nominalniveau bei 65 $-75 $ ausgebildet hat.


The Gold Report: Woher kommt die Silbernachfrage? Ist es eher die Industrie oder der Investment-Bereich, der die Nachfrage treibt? Geht der Auftrieb im Markt eher von den entwickelten Ländern oder den Schwellenländern aus?

David Morgan: Schauen Sie nach Osten. An der Hong Kong Mercantile Exchange wird seit Juli ein Silber-Terminkontrakt in US $ gehandelt. Als Grund für die Auflage des Kontrakts wurde "stark gestiegene internationale Nachfrage nach Silber" genannt, es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Binnennachfrage nach Silber zwischen 2008 und 2010 um 67% gestiegen sei. 23% des weltweiten Silberverbrauchs entfielen letztes Jahr auf China. Heute verbraucht es viermal so viel Silber wie noch vor 12 Jahren, und das ist immer noch nur ein Fünftel des Pro-Kopf-Verbrauchs in den USA und Kanada. Die Silbernachfrage wächst im industriellen Bereich wie auch im Investment-Bereich.

Das Spiel hat sich aber geändert. Tag für Tag gewinnen die physischen Märkte an Kontrolle, und für die Banker wird es immer schwerer, den Markt zu ihren Gunsten zu überzeugen. Das kann die Volatilität nur steigen lassen.





The Gold Report: Inwieweit wird der neue Standard des Silver Institutes Anlegern bei der Bewertung der Produktionskosten von Bergbauunternehmen helfen? Kann er bessere Investitionsentscheidungen fördern?

David Morgan: Die Silberversion des Revised Production Cost Standard vom Gold Institute ist jetzt ein Versuch, eine Bemessungsgrundlage für die Silberproduktionskosten sektorübergreifend zu schaffen, bei der quasi Äpfel mit Äpfeln verglichen werden sollen. In der Vergangenheit benutzten Unternehmen unterschiedliche Metriken bei der Erstellung einer Schätzung für die Kosten/ oz. Manche ließen die Royality raus, andere wiederum die Liefer- und Veredlungskosten. Ein großer Vorteil des neuen Kostenstandards ist, dass er dazu beträgt, die Fachsprache bezüglich der Benutzung der Begriffe Silberäquivalent/ Goldäquivalent klarzustellen.

Ca. 70% des Silberabbaus geschieht im Rahmen der Basismetallproduktion. Was aber passiert, wenn sich ein Unternehmen mit sehr wenig Silber auf dem Projekt nun entschließt, die Silberäquivalent-Unzen in den Berichten anzugeben? Theoretisch könnte das Projekt also gar kein Silber haben und trotzdem noch diesen Äquivalent-Begriff benutzen, um den Basismetallen einen "Silberwert" zuweisen zu können. Der Silberstandard dürfte diese Praxis unterbinden.

Der Standard ist ein allgemeines Buchungssystem. Es wird also per Definition nicht alle Umstände abdecken können, mit denen Produzenten in diesem Sektor konfrontiert sein können. Zum Beispiel wird ein "reiner" Silberproduzent mit einer relativ geringen Basismetallproduktion im Vergleich zur Silberunzenproduktion nicht die Möglichkeit haben, für Basismetalle in der Kategorie "byproduct credits" eine große Zahl zu buchen.

Und da die Kosten für die Veredlung von Basismetallen deutlich höher ausfallen können als die Veredlung von Silbererz (um bis zu 40%), so könnte sich dieser Unterschied negativ für einen Produzenten auswirken, wenn die Gesamtproduktionskosten ("Total Production Cost") gebucht werden. Andere mögliche Disparitäten könnten entstehen im Hinblick auf Unzen "payable" oder "produced", Besteuerung/ Transportkosten beim Export von Doré (halbreine Silber-Gold-Legierung) oder aber Silberkonzentrat, etc.

Die Standards sind zudem freiwillig. Es wird sich zeigen, wie einheitlich dieser Prozess der Berichtserstattung befolgt wird. Beim Gold fand er breite Anwendung. Die ersten Hinweise darauf, wie es beim Silber läuft, bekommen wir im Herbst, wenn bei den Silberproduzenten die Erstellung der Geschäftsberichte für das dritte Quartal ansteht. Wenn ein Investor aber nun das Gefühl hat, der Standard hilft bei der Klärung, welche Gewinne ein Produzent tatsächlich bei seinen Operationen macht, so wird der Standard wahrscheinlich zum Defacto-Maß in solchen Angelegenheiten werden.

Noch ein paar Worte der Vorsicht: Dieses Bewertungsinstrument sollte, wie auch jedes andere, nie als Maß betrachtet werden, das in erster Linie ausschlaggebend für oder gegen eine Investmententscheidung ist. Selbst wenn dieses Maß ein völlig korrektes Bild der Silberproduktionskosten eines Unternehmens wiedergeben würde, so wäre es dennoch nicht gescheit, gleich "zuzuschlagen" - nur weil bei Unternehmen A niedrigere Produktionskosten anfallen als bei Unternehmen B. Was, wenn Ihr Unternehmen mit den geringsten Produktionskosten verstaatlicht wird? Oder welche Auswirkungen hat es für die Produktion, wenn ein wichtiger Schacht zusammenbricht?

Ich will damit nur sagen, dass der Weg zu hochwahrscheinlichen Anlageentscheidungen von einer ganzen Reihe von Faktoren abhängig ist; jeder bekommt eine subjektive Gewichtung und dann muss eine gewisse Menge Risiko eingerechnet und akzeptiert werden, weil es schließlich die Unbekannten gibt - ganz gleich wie gut sich die Zahlen ausnehmen. Also: Je mehr stimmige Faktoren, desto wahrscheinlicher ist es, dass man bei einem "profitablen" Geschäft angelangt ist.


The Gold Report: Wollen Sie unseren Lesern noch einen abschließenden Gedanken mit auf den Weg geben?

David Morgan: Ja. Da die allgemeine wirtschaftliche Situation immer mehr von Stress geprägt ist, ist jetzt auch eine sehr gute Zeit, über wahres, echtes Vermögen nachzudenken. Der alte Spruch, die besten Dinge im Leben würden nichts kosten, ist in meinen Augen ein wenig naiv. Nichtsdestotrotz könnten die Menschen über Familie, Charakter, Gesundheit, Mitwirkung nachdenken und alle Dinge, die uns menschlich machen. Vielleicht könnte man ein Experiment machen und sich fragen: "Was sind die 10 Dinge, die ich wertschätze und die NICHTS mit Geld zu tun haben?".


The Gold Report: Danke, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.

David Morgan: Ich danke Ihnen.


© The Gold Report

Dieser Artikel wurde am 08. August 2011 auf http://news.silverseek.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.[/i]

Den Morgan Report in Deutsch können sie hier abonnieren.