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Richard Karn: Zombie-Aktien bei Spezialmetallen meiden

03.10.2014  |  The Gold Report

Im vergangenen Fiskaljahr (Ende 30. Juni 2014) gingen ca. 150 Minenunternehmen, die an der Australian Stock Exchange gelistet waren, eigenkapitallos bankrott, seither sind 23 weitere hinzugekommen. Richard Karn, Chefredakteur des “Emerging Trends Report“, zufolge, dürfte sich zum Quartalsende (30.September) eine neue Bankrottwelle zeigen. Doch nicht für alle Spezialmetall-Unternehmen aus Australien ist die Situation so düster. In diesem Interview mit dem Gold Report gewährt Karn einen Einblick in die Frage, wie Bergbauunternehmen diese Welle möglicherweise überleben können.


The Gold Report: Als wir Sie im April interviewt hatten, sagten Sie, dass der drohende Niedergang der Zombie-Unternehmen an der australischen Börse (ASX) im Grunde eine gute Sache sei, weil es immer noch zu viele Versager im Sektor für Spezialmetalle gäbe. Ist dieser Reinigungsprozess jetzt durchs System gezogen oder gibt es immer noch die “Untoten“, die den Investoren die Wahl vielversprechender Aktien erschweren?

Richard Karn: Leider gibt es die immer noch. Laut der Australian Securities & Investment Commission (ASIC) haben im vergangenen Fiskaljahr, also bis Ende Juli 2014, insgesamt 146 Firmen Insolvenz angemeldet. Luke Smith meinte dazu letzten Monat in einem ihrer Interviews, dass wohl weitere 226 Rohstoffunternehmen nicht genügend Kapital hätten, um die für dieses Quartal veranschlagten Ausgaben und Kosten begleichen zu können.

Bis zum 25. August sind weitere 23 Unternehmen Bankrott gegangen, 17 andere konnten ihre Börsenzulassungsgebühren nicht bezahlen und wurden vom Handel an der ASX suspendiert.

Also nein - wir sind nicht der Auffassung, dass dieser Prozess schon vorbei ist.


The Gold Report: Wie kommen die Unternehmen denn heute an Kapital?

Richard Karn: Im Großen und Ganzen bekommen sie ja keins. Wir hatten zwar schon etwas positivere Aktivität in den Basis- und Edelmetallsektoren zu verzeichnen, aber die muss erstmal in den Spezialmetallsektor einsickern und durchdringen.

Was die Spezialmetallunternehmen betrifft, so sind die meisten aktuell nicht in der Lage, Kapital aufzubringen - weder an den Kapitalmärkten noch von ihren Aktionären. Erfolgloser oder grottenschlechter Umgang mit rechtlichen Fragen und Genehmigungsproblemen bleibt leider nach wie vor Standard. Vielen Unternehmen streben buchstäblich dem Eigenkapitalhungertod entgegen.


The Gold Report: Können die Unternehmen nicht einige ihre Projekte verkaufen, um damit andere finanziell abzusichern?

Richard Karn: Der Verkauf von Projekten ist unter diesen Bedingungen schwierig, weil gerade so viele Unternehmen verzweifelt Käufer suchen - wir haben folglich einen Markt an dem die Käufer tonangebend sind. Wir haben allerdings auch erlebt, dass die Chinesen bei gelegentlichen Schnäppchen immer mal wieder zuschlagen.


The Gold Report: Wenn die Unternehmen keine weiteren Optionen haben, wie lange können sie dann den Betrieb aufrechterhalten?

Richard Karn: Nicht mehr lange. Am Quartalsende, am 30.September, müssen die Unternehmen ihre Finanzsituation offenlegen. Wir gehen in den nächsten sechs bis acht Wochen von einer erneuten Bankrottwelle aus, weil immer mehr Rohstoffunternehmen in die Insolvenz rutschen.

Wir wissen zwar nicht genau, was der Auslöser sein wird; wir erwarten aber schon seit einer ganzen Weile eine solche verzweifelte Verkaufswelle. Wenn sie kommt, wird sie unserer Meinung nach den Boden im Spezialmetallsektor markieren - zumindest auf absehbare Zeit.

Einige Unternehmen und Projekte sind aktuell so unterbewertet, dass der Markt scheinbar schon den Bankrott einpreist, bevor dieser da ist. Der Markt ist sich tatsächlich so sicher, dass eine Reihe von Unternehmen bankrottgehen wird, dass die Unternehmen am Aktienmarkt zum Teil für weniger Geld zum Verkauf stehen als deren aktueller Kapitalstock - was ja nur heißt, dass den eigentlichen Rohstoffprojekten überhaupt kein Wert mehr zugeschrieben wird.

Das finale “Ausputzen" findet häufig dann statt, wenn die Märkte überverkauft sind - der Spezialmetallsektor ist und bleibt überverkauft. Der Auslöser des Ausverkaufs könnte das Scheitern einer weiteren Rechtsfrage sein oder aber eines Aktienoptionsplans - beides würde als Zeichen grundsätzlich mangelnden Vertrauens ins Management gelten.

Es könnte auch ein unbekanntes Ereignis sein, das unter anderen Bedingungen vielleicht bedeutungsloses wäre, das jetzt aber “die Herde verschreckt" - die Aktionäre würden dann wahllos und rigoros alles verkaufen, um wenigstens ein bisschen vom einst investierten Geld wieder rauszuholen.

Den Investoren könnte letztendlich auch bewusst werden, dass einige dieser Junior-Rohstoffunternehmen untereinander Aktienpakete halten, die sie in ihren Bilanzen zum Nennwert als liquide Anlagen ausweisen, auch wenn diese Aktien in Wirklichkeit so liquide sind, dass sie sich nur mit sehr großen Abschlägen verkaufen ließen, was den Aktienkurs dann voll und ganz einbrechen ließe.

Wie schon gesagt: Wir wissen nicht, was diesen Selloff auslösen wird, wir wissen nur, dass er kommen wird.

Wenn die Verkaufswelle dann durch ist, werden wir zumindest einen mittelfristigen Boden im Spezialmetallsektor markiert haben.

Beim finalen “Ausputz“ werden dann unserer Meinung nach einige schlecht verwaltete Unternehmen verdientermaßen untergehen - aber leider aber auch eine Reihe recht guter Unternehmen. Zudem werden einige sehr gute Projekte für sehr schmales Geld mitgenommen werden.

Wenn man außergewöhnliche Projekte für ganz wenig Geld mitnehmen kann, dann ist praktisch der Boden des Zyklus erreicht, weil danach wieder die Erfolgschancen in der zyklischen Aufwärtsphase steigen.





The Gold Report: Nach welchen Eigenschaften sollten Investoren genau Ausschau halten, um die zum Scheitern verdammten Unternehmungen zu vermeiden?

Richard Karn: Im Moment würde ich die kleinen Spezialmetallunternehmen meiden, die Schulden mit sich rumschleppen, besonders dann, wenn sie keinen positiven Cash-Flow haben. Falls ihre Schuldentilgungsfähigkeit in Zweifel gezogen wird, ist es wahrscheinlich schon zu spät, um noch auszusteigen.

Neben dem Lesen der Finanzberichte dieser Unternehmen, die einen Eindruck von der Finanzsituation und den eben beschriebenen Umständen vermitteln, würde ich zudem empfehlen, genau hinzuschauen, inwieweit das Management dieser Unternehmen wirklich aktiv geworden ist, um den seit langen notleidenden Aktionären zur Hilfe zu kommen.

Wurde beispielsweise das Personal reduziert, wurden Ausgaben gestrichten, hat das Management selbst Lohnkürzungen hinnehmen müssen - oder führen sie immer noch einen Lebensstil wie zu Rohstoffboomzeiten, auf Kosten der Aktionäre?

Ganz wichtig ist auch Folgendes: Ich würde entweder nach positivem Cashflow aus laufenden Projektarbeiten suchen oder aber nach einem ausreichenden, direkt verfügbaren Kapitalstock, mit dem sich die laufenden Arbeiten bis zu einer jener entscheidenden Phasen aufrechterhalten lassen - also Phasen wie Produktionsbeginn, Bestätigung der Finanzierung eines Projektes, rechtliche Genehmigungen/ Bestätigungen oder aber die Ergebnisse einer belastbaren Machbarkeitsstudie, etc. Also etwas, das zeigt, dass das Management die gemachten Versprechen einlöst.


The Gold Report: Könnte die kürzlich erfolgte Rücknahme der Bergbausteuer in Australien all diesen Unternehmen zur Hilfe kommen, oder wird sie nur Folgen für die Betriebsabläufe der Großunternehmen haben?

Richard Karn: Die Minerals Resource Rent Tax (MRRT) bezog sich gar nicht auf den Spezialmetallbereich des australische Rohstoffsektors; die Rücknahme wird somit auch kaum direkte Auswirkungen auf jene Unternehmen haben.

Indirekt könnte die Rücknahme der Steuer Australien dabei helfen, wieder zu den sichersten und aus rechtlicher wie soziopolitischer Sicht bergbaufreundlichsten Ländern der Welt aufzusteigen. Irgendwann wird das tatsächlich auch zu wachsenden Investitionsströmen in den Bergbausektor führen.

Eine Sache geht an den Märkten etwas unter, und zwar die Tatsache, dass viele, möglicherweise sogar die meisten der heutigen Fortschrittstechnologien - ob nun Unterhaltungs- und Haushaltselektronik, Transporttechnologie, erneuerbare Energien oder militärische Ausrüstung - stark von einem ununterbrochenen Zufluss verschiedenster Spezialmetalle abhängig sind.

Angesichts der Spannungen im Nahen Osten und Nordafrika, angesichts einer Aufrüstung der Nationen im südchinesischen Meer, mit ihren gegenseitigen Gebietsansprüchen (an erster Stelle China und Japan) und angesichts der zahlreichen potentiellen Konflikte, die überall auf der Welt entstehen, dürfte klar sein, dass mehr als jemals zuvor die sichere Versorgung mit Spezialmetallen von oberster Priorität sein müsste.

Sollte ein Krieg ausbrechen - das sagt einem der gesunde Menschenverstand und auch die Beispiele aus der Geschichte -, werden die ersten Opfer die Globalisierung, die Ansätze der freien Marktwirtschaft und auch die “Just-In-Time-Lieferketten“ sein.

Falls es in Chinas strategischem Interesse läge, den Export von Seltenerdelementen, Wolfram, Antimon oder Graphit auszusetzen - um nur einige der vielen Spezialmetallmärkte unter chinesischer Kontrolle zu nennen -, die zudem gerade für militärischen Anwendungen essentiell sind, dann könnte keiner was dagegen tun.

Von den 50 Spezialmetallen, mit denen wir uns genauer beschäftigen, könnten allein in Australien, dank der einzigartigen geologischen Voraussetzungen, 40 wirtschaftlich produziert werden!

Über diesen Trend schreiben wir nun schon ganze sechs Jahre, aber abgesehen von einer kurzen Periode (Mitte 2010 bis Ende 2011 im Rahmen einer panischen Reaktion auf die Aussetzung der chinesischen Seltenerdelieferungen an Japan), hat das Abebben der Globalen Finanzkrise für allgemein sinkende Attraktivität von Bergbauprojekten am Markt gesorgt, und das betraft auch die Spezialmetallprojekte. Hier braucht es langfristige Kapitalzuwendungen und auch kontinuierliche Anstrengungen auf dem Weg zur profitablen Produktion.

Die Liquiditätsflut, die seit 2008 auf der Suche nach Gewinnen rund um den Planeten zischt, verfolgt allem Anschein nach nur kurzfristige Investitionsperspektiven, im Großen und Ganzen fallen Bergbauprojekte damit unter den Tisch.

Also in dieser Hinsicht hat sich nichts bewegt. Es wird viel geredet, großes bürokratisches Gehabe und fast schon lustiges Geplapper; Beschwerden der Welthandelsorganisation werden ignoriert und unfaire Geschäftspraktiken fortgeführt, aber es wurde nichts getan. Je länger das so weitergeht, desto verletzlicher wird der Westen werden.

Die Kursspitzen bei Spezialmetallen, unter denen der Westen 2010/2011 aufgrund der panischen Reaktionen auf die Lieferbeschränkungen von Seltenerdelementen aus China litt, werden uns minimal erscheinen im Vergleich zu dem, was man im Fall eines “heißen Krieges” zu erwarten ist.

Etwas anderes zu erwarten, wäre einfach nur naiv.


The Gold Report: Danke für die einsichtsreichen Informationen.


Richard Karn, Chefredakteur des Emerging Trend Reports, verfügt über ein breites, multidisziplinäres Hintergrundwissen sowie über professionelle Erfahrungen im Umgang mit Edel- und Spezialmetallen, er ist zudem versiert in den Bereichen Forschung, Analyse und Journalismus. Die ersten neun Ausgaben des Emerging Trend Report sind überarbeitet und aktualisiert in Form eines E-Book unter dem Titel "Credit & Credibility" verfügbar. Er hat für Publikationen wie Barrons, Kitco über Fullermoney bis hin zu Financial Sense Online geschrieben.


© The Gold Report



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Dieser Artikel wurde am 24. September 2014 auf www.goldseek.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.