Die gewaltige Trendwende am Goldmarkt
31.05.2016 | Steve St. Angelo
Nur sehr wenigen Edelmetallinvestoren ist bewusst, dass die jüngsten Trendänderungen in Zukunft starke Auswirkungen auf den Goldmarkt haben werden. Die meisten Anleger tendieren dazu, einzelne Daten oder Informationen getrennt voneinander zu analysieren und können aus diesem Grund das tatsächliche Ausmaß des bevorstehenden Wandels nicht vollständig erfassen. Um wirklich zu verstehen, was derzeit vor sich geht, müssen wir alle Segmente des Marktes betrachten und sie miteinander vergleichen - wir müssen eine Vogelperspektive einnehmen.
Beginnen wir mit einem Bereich des Goldmarktes, der sich in den letzten 15 Jahren signifikant verändert hat. Die Terminsicherungsgeschäfte am Goldmarkt erreichten 1999 mit einem Gegenwert von knapp 3.100 Tonnen ihren Höchststand:
Wie wir sehen können, waren die Absicherungsgeschäfte im Goldsektor nach ihrem Maximum im Jahr 1999 stark rückläufig und fielen bis 2013 auf knapp über 100 Tonnen. Dies stellte eine deutliche Veränderung der Absicherungsstrategie des Goldbergbausektors dar. Ausschlaggebend für diesen Strategiewechsel war der Anstieg des durchschnittlichen Goldpreises von 279 US-Dollar im Jahr 1999 auf 1.411 Dollar im Jahr 2013.
Während sich der Goldpreis zwischen 1999 und 2013 also verfünffachte, sank die Zahl der Terminsicherungsgeschäfte um 96%. Obwohl die Absicherungsgeschäfte mit 253 Tonnen im ersten Quartal 2016 wieder leicht zugenommen haben, entspricht ihr Volumen heute nur einem Bruchteil der enormen Anzahl an Kontrakten, die 1999 in der Goldindustrie zum Zwecke des Hedgings gehandelt wurden.
Betrachten wir nun ein anderes Segment des Goldmarktes, in dem wir ebenfalls eine bedeutende Trendwende erkennen werden. Die globale Nachfrage nach Goldmünzen und -barren ist seit dem Jahr 2000 stark angestiegen. Während sie sich damals weltweit noch auf 166 Tonnen belief, wurde 2013 die Rekordmenge von 1.705 Tonnen an physischem Gold in Form von Münzen und Barren nachgefragt.

Wenn wir die Charts mit den Absicherungsgeschäften und der Münz- und Barrennachfrage übereinanderlegen würden, könnten wir eine interessante Beobachtung machen. Als die Absicherungen in der Goldindustrie im Jahr 2013 ihr Minimum erreichten, wurde bei der Nachfrage nach Goldmünzen und -barren gleichzeitig ein Rekord verzeichnet. Noch spannender wird es, wenn wir zudem die Goldkäufe bzw. -verkäufe der Zentralbanken auf Netto-Basis betrachten:

Zu der Zeit, als sich die Minengesellschaften besonders stark absicherten, überschwemmten die westlichen Zentralbanken den Markt förmlich mit Gold. Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich dabei um einen zweistufigen Versuch handelte, den Goldpreis zu kontrollieren. Wir wir sehen, verkauften die Zentralbanken 2003 insgesamt 620 Tonnen Gold am offenen Markt und legten 2005 noch einmal die beeindruckende Menge von 663 Tonnen nach. 2010 wendete sich das Blatt jedoch, als die (östlichen) Zentralbanken unterm Strich zu Goldkäufern wurden und ihre Bestände um 79 Tonnen netto aufstockten.
2013 erreichte nicht nur die Münz- und Barrennachfrage mit 1.705 Tonnen einen absoluten Rekordwert, auch bei den Goldkäufen der Zentralbanken wurde mit 625 Tonnen auf Netto-Basis ein Höchstwert verzeichnet - beides in dem Jahr, in dem gleichzeitig die Terminsicherungsgeschäfte der Goldindustrie am geringsten ausfielen.
Wenn wir diese drei Segmente gemeinsam betrachten, eröffnet sich bereits eine neue Perspektive auf den Goldmarkt. Es gibt jedoch einen weiteren Faktor, der noch interessanter ist.
Gold-ETFs als Auslöser für die Trendwende am Goldmarkt
Obwohl viele Investoren die Zahlen des Gold-ETF-Marktes mit Skepsis betrachten, sind diese Statistiken der entscheidende Faktor für die zukünftigen Entwicklungen am Goldmarkt. Warum? Weil es sich bei den ETFs um den Sektor handelt, in den die enormen Kapitalströme der Mainstream-Investoren fließen. Der nächste Chart zeigt einen Vergleich zwischen der Nachfrage nach Goldbullion (Münzen und Barren) und Gold-ETFs in den letzten beiden Quartalen:
Obwohl der Goldpreis im ersten Quartal 2016 um 200 US-Dollar gestiegen ist, war die Nachfrage nach Münzen und Barren leicht rückläufig und sank von 272 Tonnen im vierten Quartal 2015 auf 254 Tonnen im ersten Quartal 2016. Die Gold-ETFs verzeichneten weltweit dagegen einen enormen Zuwachs: Während die börsengehandelten Fonds im Dezemberquartal letzten Jahres unterm Strich noch 68 Tonnen Gold verkaufen mussten, stockten sie ihre Bestände in den ersten drei Monaten dieses Jahres nun um 364 Tonnen auf. Die Münz- und Barrennachfrage sank im Vergleich zum vorhergegangenen Quartal um 7%, doch die globalen Gold-ETFs verzeichneten einen Nachfragezuwachs von mehr als 300%!
Mir ist bewusst, dass einige Investoren auch den Daten des World Gold Council skeptisch gegenüberstehen, doch das sind die besten verfügbaren Zahlen. Selbst falls sie manipuliert oder zu niedrig angegeben sind, spiegeln sie die wichtigen Veränderungen wieder, deren man sich als Edelmetallinvestor bewusst sein sollte. Sollten die Daten tatsächlich manipuliert werden, bedeutet das letztlich nur, dass die neuen Trends noch einschneidender und bullischer sind, als angenommen. In diesem Fall werden Goldinvestoren also höchstens noch stärker von den Entwicklungen profitieren.
Die stark erhöhte, weltweite Nachfrage nach Gold-ETFS wird künftig einer der bedeutendsten Faktoren für den Goldmarkt sein. Es wird nicht einmal wichtig sein, ob der GLD tatsächlich über all das physische Gold verfügt, welches den Angaben zufolge in den Tresoren des ETFs lagert, denn der sprunghafte Anstieg der Nachfrage wird den gesamten Markt völlig überwältigen. Wenn wir noch einen Blick auf den obenstehenden Chart werfen, sehen wir, dass die Nachfrage nach Goldbullion trotz der Kursgewinne in Höhe von 200 Dollar nicht angestiegen ist. Das bedeutet, dass die 1% der Investoren, die schon seit Jahren Gold kaufen, kein allzu großes Bedürfnis verspürten, ihre Goldreserven aufzustocken.
Die Mainstream-Investoren wurden dagegen ängstlich, als die Aktienmärkte im ersten Quartal des laufenden Jahres einbrachen. Aus diesem Grund suchten sie die Sicherheit, die Gold in Zeiten erhöhter Volatilität bietet. Ich gehe davon aus, dass sich dieses Segment des Goldmarktes noch viel größerer Beliebtheit erfreuen wird, wenn der Dow Jones letztlich ernsthaft abstürzt.
Als der Goldpreis gegen Ende 2012 auf durchschnittlich 1.669 Dollar gestiegen war, standen dem Edelmetallmarkt schwierige Zeiten bevor. 2013 und in den beiden darauf folgenden Jahren gab der Goldkurs kontinuierlich weiter nach, was auch die Abnahme der physischen Goldbestände der ETFs zur Folge hatte. Der nächste Chart zeigt die Höhe der Netto-Investitionen in Gold weltweit seit 2013:

Obwohl die Nachfrage nach physischen Münzen und Barren 2013 1.705 Tonnen betrug, beliefen sich die Netto-Goldinvestitionen nach Abzug der Kapitalabflüsse aus den Gold-ETFs nur noch auf 885 Tonnen. Die Käufe der Zentralbanken sind in dieser Zahl nicht enthalten. Der drei Jahre anhaltende Abwärtstrend des Goldpreises hatte zur Folge, dass auch die physischen Goldreserven der ETFs schmolzen und auf den Markt gelangten.
Im ersten Quartal 2016 ließ sich jedoch auch in diesem Segment eine Trendwende beobachten, als die weltweite ETF-Nachfrage von -68 Tonnen im letzten Quartal 2015 auf 354 Tonnen im Märzquartal 2016 in die Höhe schnellte. Die Gesamtinvestments in Gold belaufen sich in diesem Jahr also nach erst einem Quartal bereits auf 618 Tonnen. Was wird in den nächsten drei Quartalen geschehen?
Sehen Sie sich die Höhe der einsehbaren globalen Goldbestände im Laufe der letzten 10 Tage an:

Interessant ist hier, dass die weltweiten Goldbestände zwischen dem 6. und dem 17. Mai um 1,8 Millionen Unzen erhöht wurden (blaue Linie), während der Preis des Edelmetalls von 1.289 Dollar auf 1.277 Dollar fiel. Die Gold-ETFs und vergleichbare Finanzprodukte stockten ihre Goldreserven also von 75 Millionen auf 76,8 Millionen Unzen auf, obwohl der Goldpreis im gleichen Zeitraum sank.
Das bedeutet, dass die Anleger noch immer besorgt sind über die Zukunft der Wirtschaft und der Finanzmärkte und Kursrücksetzer am Goldmarkt offenbar als Chance für Investitionen begreifen.
Behalten Sie die Entwicklung der ETF-Bestände in Zukunft im Auge. Die Gold-ETFs könnten der Schlüsselfaktor sein, der letztlich dafür sorgt, dass der Goldmarkt von der enormen Nachfrage überwältigt wird.
© Steve St. Angelo
(SRSrocco)
Dieser Artikel wurde am 18. Mai 2016 auf srsroccoreport.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.