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Moderne Geldtheorie: Ein Cargo-Kult

05.03.2019  |  Dr. Keith Weiner

Die neugewählte Repräsentantin Alexandria Ocasio-Cortez meinte erst kürzlich, dass die moderne Geldtheorie absolut "größerer Teil unserer Konversation" werden muss. Ihr Kommentar lässt die moderne Geldtheorie in den Vordergrund rücken. Was besagt sie? Laut Wikipedia lautet die Definition:

"Eine makroökonomische Theorie, die die Währung als ein öffentliches Monopol beschreibt und Arbeitslosigkeit als Beweis dafür aufführt, dass ein Währungsmonopolist das Angebot von Finanzvermögenswerten einschränkt, die notwendig sind, um Steuern zu zahlen und das Verlangen nach Ersparnissen zu erfüllen."

Es ist umstritten zu sagen, dass die Federal Reserve ein Monopol mit dem Dollar betreibt. Lassen Sie uns also die zweite Behauptung betrachten. Arbeitslosigkeit, so wird in der modernen Geldtheorie behauptet, dient als Beweis dafür, dass das Dollarangebot eingeschränkt ist.

In anderen Worten: Mehr Geld führt zu höheren Beschäftigtenzahlen!

Das klingt nicht viel anders als das, was uns der Neokeynesianismus vermittelt. Keith analysierte einen Bericht der ehemaligen Fed-Vorsitzenden, Janet Yellen, bezüglich der Arbeitsökonomie für das Magazin Forbes:

"Hier ihre [Yellen und Co-Autor Ackerloff] dürftige Logik:

1. Unzufriedene Angestellte arbeiten nicht hart und könnten sogar die Maschinen sabotieren.
2. Demnach müssen Unternehmen diese überbezahlen, um Lustlosigkeit zu vermeiden.
3. Höheres Gehalt je Arbeiter bedeutet weniger Angestellte, da Unternehmen ein endliches Budget besitzen.

Yellen schlussfolgert - und da haben Sie richtig geraten:

4. Inflation verschafft Unternehmen mehr Geld, um mehr Leute anzustellen."

Eine kleine Fußnote: Die moderne Geldtheorie wird als Neo-Chartalismus bezeichnet. Und es gibt zumindest einige Beweise dafür, dass Keynes durch den Chartalismus (der mindestens bis 1905 zurückreicht) beeinflusst wurde.

Vor kurzem veröffentlichte Marketplace einen Artikel zur modernen Geldtheorie. Diese neue (alte) Thematik gewinnt mehr und mehr an Aufmerksamkeit. Marketplace präsentierte ein "Spülbecken"-Modell der Wirtschaft (Ja, wirklich!).

Um dieses Konzept verstehen zu können, müssen Sie sich ein normales Spülbecken vorstellen. Stellen Sie sich die Regierung und deren Fähigkeit, mehr Geld zu schaffen wann immer sie möchte, als Wasserhahn vor und die Schüssel des Beckens, in dem das Wasser abfließt, als die Wirtschaft.

Die Regierung kontrolliert wie viel Geld - Wasser - in die Wirtschaft fließt. Sie lässt Geld in die Wirtschaft strömen, indem Straßen, landwirtschaftliche Subventionen oder Programme finanziert werden.

"Und während diese Dollar die Wirtschaft erreichen, beginnen sie das Becken zu füllen. Und Sie sollten stets darauf achten, wie voll dieses Becken wird oder sich mit einem Inflationsproblem konfrontiert sehen", meinte [Wirtschaftsberaterin von Bernie Sanders, Stephanie] Kelton.

Wenn das Becken überläuft, dann ist das Inflation. Wenn das passiert, dann gibt es laut Kelton zwei Wege, das zu beheben: "Sie können den Zustrom an Dollar reduzieren, der in das Becken fließt. Das bedeutet, dass die Regierung ihre Ausgaben reduzieren muss. Oder Sie können den Stöpsel vom Abfluss entfernen und einige dieser Dollar aus der Wirtschaft nehmen. Und das tun wir, wenn wir Steuern eintreiben."

Das klingt sehr nach der quantitativen Geldtheorie. Diese Perspektive wird oftmals als Wasser dargestellt, das in ein Behältnis gegossen wird. Je höher der Wasserpegel, desto höher das allgemeine Preisniveau.

Die quantitative Geldtheorie verstärkt keinesfalls die Idee, dass mehr Geld zu höheren Beschäftigtenzahlen führt. Nur, dass mehr Geld zu steigenden Preisen führt. Aber Keynes tat das. Und Neokeynesianer wie Yellen tun das auch.

Was macht die moderne Geldtheorie also so einzigartig?

In dem Artikel von Marketplace hieß es von Stephanie Kelton:

"Wenn Sie Ihre eigene Währung kontrollieren und fällig werdende Rechnungen haben, dann bedeutet das, dass Sie es sich leisten können, die Rechnungen rechtzeitig zu bezahlen", erklärte Kelton. "Sie können niemals bankrott gehen, niemals in die Insolvenz gezwungen werden. Sie sind kein Haushalt."

Keynes belehrte uns über Regierungsdefizite, um Beschäftigtenzahlen zu verbessern und um auf Krisen zu reagieren. Die moderne Geldtheorie lehrt uns, wie wir es auf das nächste Niveau schaffen. Die Wähler wollen kostenlose Annehmlichkeiten. Traditionelle Volkswirtschaftler meinen: "So etwas wie kostenloses Essen gibt es nicht."

Die moderne Geldtheorie meint: "Oh, doch, das gibt es!"



Zumindest bis zu hohe Inflation auftritt. Die Monetaristen würden zustimmen: Druckt nicht zu viel Geld, sonst fällt die Inflation zu hoch aus. Ein Großteil der Goldgemeinschaft stimmt dem ebenfalls zu. Wenn man zu viel Geld druckt, dann entsteht Inflation, die schnell in die Höhe schnellen kann.

Kümmern Sie sich nicht darum, dass sich diese Prognose in der politischen Reaktion nach 2008 als falsch herausstellte. Wir möchten unterstreichen, dass die Keynesianer, die Monetaristen, die Befürworter der modernen Geldtheorie und sogar Anhänger der österreichischen Volkswirtschaftslehre größtenteils zustimmen. Das Problem einer übermäßigen Druckerei von Geld ist eine zu hohe Inflation.

Sie diskutieren darüber, was jetzt letztlich "zu viel" ist, doch akzeptieren das "Spülbecken"-Modell der Wirtschaft.

In den Worten des Physikers Wolfgang Pauli, der aus dem frühen 20. Jahrhundert stammt, ist die quantitative Geldtheorie "noch nicht einmal falsch".

Wir definieren Inflation als die Fälschung von Kredit. Der betrügerische Entzug des Geldes von einem Sparer. Das nennt sich Leihen, doch der Kreditnehmer hat weder die Mittel noch die Absicht, zurückzuzahlen. Zusätzlich denkt jeder, dass sich der Sparer des Kredits nicht bewusst ist oder nicht zugestimmt hat, wenn jeder denkt, dass das Schuldenpapier der Regierung Geld ist.

Es gibt Lügen, verdammte Lügen und Statistiken. Dann gibt es einige streitsüchtige, in den Wahnsinn treibende Cargo-Kulte, die Sie an Unwirklichkeiten glauben lassen. Diese Thematik werden wir im Folgenden behandeln.

Während des zweiten Weltkrieges unterhielt das US-amerikanische Militär Operationen auf bestimmten pazifischen Inseln. Sie bauten Landebahnen, auf denen Flugzeuge landeten, die Ressourcen und Männer einflogen. Sie stellten Inselbewohner als Arbeitskräfte ein und bezahlten sie mit Dingen, die vollkommen normal in Amerika, jedoch wundersam für die Einheimischen waren. Wie Konservendosen. Die Inselbewohner freuten sich darauf, wenn ein Flugzeug landete und Ladungen (engl. Cargo) mit sich brachte.

Nach dem Krieg brach das US-Militär seine Zelte ab und zog sich zurück. Doch die Inselbewohner wollten die Ladungen noch immer. Also führten sie aufwendige Scharaden auf, bei denen sie Tikifackeln als Lichter verwendet und Kokosnussschalen als Kopfhörerattrappen. Sie vollführten dieselben Aktionen, die sie bei den Amerikanern hatten beobachten können, um die Ladungen zurückzubringen.

Huh. An was erinnert Sie das? Eine ausgeklügelte Scharade mit unsinnigen Attrappen, das Nachahmen von Aktionen einer Zivilisation, die sie nicht verstehen, um die gewünschten Resultate zu erhalten - kostenlose Annehmlichkeiten?

Die moderne Geldtheorie ist so ein Cargo-Kult.

Es ist Ironie, dass der Name das Wort modern enthält. Wenn wir sagen, dass ein Haufen öliger Lumpen in einem dunklen Wandschrank zur spontanen Generierung von Ratten führt, würden Sie das als moderne Theorie bezeichnen? Wenn wir Ihnen anhand der Vier-Säfte-Lehre erklären, wie Krankheiten verursacht werden und das Heilmittel Aderlass durch Blutegel sei, würden Sie das dann als modern bezeichnen? Wie ist es mit dem Gedanken, dass Sonne und Planeten um die Erde kreisen? Ist das auch modern?

Diese Ideen sind nicht nur keinesfalls modern - tatsächlich alte Gedanken, die auf den Müll gehören - sondern noch nicht einmal Theorien. Eine Theorie ist eine Erklärung der Realität, die viele beobachtete Fakten integriert und keinem von diesen widerspricht. Die moderne Geldtheorie ist weder modern noch ist sie eine Theorie.

Sie ist kein Versuch, die Realität zu erklären, sondern diese zu verleugnen.

Selbst ein Kind versteht das. Selbst die Menschen in der Antike verstanden das. Wenn Sie Ihrem Nachbarn ein Büschel Weizen ausleihen und dieser keine Rückzahlung leistet, dann leiden Sie unter dem Verlust. Es geht Ihnen schlechter als vorher. So auch dem Kreditnehmer (der zumindest seine Kreditwürdigkeit ruiniert hat).

Die moderne Geldtheorie basiert auf der Verleugnung dieser universellen Wahrheit. Der gesunde Menschenverstand sagt uns: Wenn Peter etwas an Paul verleiht und Paul nicht zurückzahlen kann, dann hat Peter den Schaden. Peter würde keinen Kredit an Paul vergeben, wenn er wüsste, dass dieser seine Verpflichtung nicht erfüllen wird.

Die moderne Geldtheorie besagt, dass eine moderne Wirtschaft eine moderne Währung besitzt, die in Realität nur Staatspapier ist. Und in einer modernen Wirtschaft kann der moderne Staat ohne Sorgen - bis auf die drohende "Überflutung des Waschbeckens" - mehr drucken. Die einzige Sorge ist also, dass die Preise zu schnell steigen könnten. Und solange das nicht eintritt, kann der Staat damit davonkommen. Nur, dass es nichts gibt, mit dem er davonkommen kann. Alles ist absolut in Ordnung.



In einem Cargo-Kult erkannten die Menschen den Unterschied zwischen falschen Kokosnüssen und echten Kopfhörern nicht. Oder Lichtern und Tikifackeln. Also stellten sie die bestmöglichsten Kopien her. Sie führten Aktionen durch, um die Himmelsgötter auf die Erde zu beschwören; mit Ladungen.

Lassen Sie uns die Gedankengänge genauer beleuchten. Sie verliehen ihren Attrappen magische - jenseits des Prinzips von Ursache und Wirkung liegende - Charaktereigenschaften. Sie verstanden nicht, dass Flugzeuge von Menschen hergestellt wurden und dass es genaue Planung erforderte (von dem Vermögen mal ganz zu schweigen) ein vollbeladenes Flugzeug von Amerika zu einer Insel inmitten des Pazifiks zu fliegen.

Sie stellten sich vor, dass die Verwendung von Kopfhörern und Lichtern dafür sorgte, dass die Flugzeuge und deren Ladungen erschienen. Das Headset wurde versinnbildlicht und als magischer Talisman angesehen. Was der Cargo-Kult mit Kopfhörern macht, macht die moderne Geldtheorie mit Geld. Der Cargo-Kult verwendete mit Lianen zusammengebundene Kokosnussschalen als Kopfhörer.

Das, mit dem sie versuchten, die Himmelsgötter heraufzubeschwören, ist kein Headset, sondern ein Ersatz. Die moderne Geldtheorie (sowie der Keynesianismus und Monetarismus) verwendet Schuldenpapier der Regierung als Ersatz für Geld.

Eine Nebenbemerkung: Ein in Gold einlösbares Zertifikat ist kein Geld. Denken Sie darüber nach. Sie können dieses Stück Papier am Kassenschalter abgeben. Da schieben Sie es über die Theke. Der Angestellte händigt Ihnen im Gegenzug die Goldmünze aus. Wenn Geld das Wort für dieses Stück Papier ist, welches Wort wird dann für das Gold verwendet, gegen das es eingelöst wird?

Wie auch immer. Die modernen Geldsysteme verwenden uneinlösbares Papier. Es ist nicht in Gold einlösbar, sondern noch viel schlimmer. Und dieses Papier wird behandelt als sei es Geld.

Und das geht sogar noch weiter. Frühere Theorien hatten das Bedürfnis zumindest Lippenbekenntnisse abzulegen, um Schulden zurückzuzahlen. Sie kamen nicht wirklich zu dem Punkt, an dem offen zugegeben werden konnte, dass die Schulden niemals zurückgezahlt werden würden. Keynes meinte einmal: "Langfristig sind wir alle tot." Dadurch wurde Unklarheit über die Rückzahlungsabsicht geschaffen. Monetaristen ermutigen allgemein die Idee, dass die Schulden als Prozentsatz des BIPs zurückgehen, wenn die Wirtschaft schnell genug wächst.

Die Keynesianer haben nicht die Absicht, zurückzuzahlen. Und die Monetaristen betrachten die marginale Schuldenproduktivität nicht, die ihnen zeigen würde, dass ihre Idee nicht funktioniert. Aber so weit wie die Anhänger der modernen Geldtheorie gehen sie nicht.

Die moderne Geldtheorie besagt, dass die Regierung anders ist als der Versager Paul. Es gibt keine Notwendigkeit für die Regierung, Rückzahlung zu leisten. Es ist dasselbe wie mit dem Cargo-Kult. Der Cargo-Kult besitzt kein Konzept für Kapital. Die Inselbewohner produzieren das, was sie konsumieren, nicht im Überschuss oder sammeln Werkzeuge oder Technologie, um ihre Produktivität zu steigern. Sie existieren nur und nehmen an, dass die Welt so funktioniert.

Die moderne Geldtheorie besitzt ebenfalls kein Konzept für Kapital. Sie setzt die Scheuklappen auf und besagt, dass die Verbraucherpreise das Einzige seien, das zu messen sei. Dass das einzige Risiko darin bestehe, dass sie zu schnell steigen könnten. Und die Anhänger der modernen Geldtheorie weigern sich, etwas anderes zu akzeptieren.

In einem früheren Artikel haben wir einen Bauern angesprochen, der 40 Hektar Land verkauft, seine Apfelplantage fällt, um das Holz zu verkaufen, die Scheune niederreißt, um die Planken zu verkaufen und sogar den Traktor auseinandernimmt. Und warum tut er das? Weil er im Gegenzug Geld bekommt. Und das Geld besitzt einen größeren Wert als sein Feld. Warum sollte man sich die Mühe machen und händeringend 20.000 Dollar im Jahr produzieren, indem man Lebensmittel anpflanzt, wenn man Teile der Farm für 20.000.000 Dollar verkaufen kann?

Das Geldsystem bietet dem Bauer einen Anreiz, produktives Kapital gegen Papierkredit einzutauschen. Der Anreiz ist, dass dieses Papier mehr Kaufkraft besitzt, als das, was er durch den Betrieb seiner Farm verdienen kann. Er kann seine Farm gegen deutlich mehr Lebensmittel eintauschen, als das, was er anpflanzen könnte.

Das ist dasselbe alte Spiel. Doch die moderne Geldtheorie gibt dem einen neuen Namen - und erhält eine kräftigere Verteidigungslinie aufrecht. Anhänger der Theorie wollen das nicht hören und wollen verhindern, dass Ihnen bewusst wird, dass der Kreditgeber gutes Kapital aufgibt, während der Kreditnehmer nur konsumiert.

Die moderne Geldtheorie rechtfertigt den bloßen Konsum von Kapital.


© Keith Weiner
Monetary Metals



Der Artikel wurde am 28. Januar 2019 auf www.monetary-metals.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.